BT-Drucksache 14/5796

Entwicklungszusammenarbeit mit Namibia

Vom 4. April 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/5796
14. Wahlperiode 04. 04. 2001

Antrag
der Abgeordneten Tobias Marhold, Brigitte Adler, Ingrid Becker-Inglau,
Rudolf Bindig, Detlef Dzembritzki, Klaus Hagemann, Reinhold Hemker,
Frank Hempel, Ingrid Holzhüter, Karin Kortmann, Lothar Mark, Siegfried Scheffler,
Dieter Schloten, Dagmar Schmidt (Meschede), Wilhelm Schmidt (Salzgitter),
Dr. R. Werner Schuster, Wieland Sorge, Joachim Tappe, Adelheid Tröscher,
Engelbert Wistuba, Georg Pfannenstein, Dr. Hansjörg Schäfer, Dr. Peter Struck
und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Monika Knoche, Dr. Angelika Köster-Loßack,
Hans-Christian Ströbele, Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der Fraktion
von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Entwicklungszusammenarbeit mit Namibia

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Namibia ist – wie in der Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses
Bundestagsdrucksache 11/4205 vom 15. März 1989 anlässlich des Beginns
des Unabhängigkeitsprozesses Namibias zum 1. April 1989 vorgeschlagen –
zu einem besonderen Schwerpunkt der deutschen Entwicklungszusammen-
arbeit geworden. Das spiegelt sich auch darin wider, dass Deutschland nach
wie vor der größte bilaterale Geber in der Entwicklungszusammenarbeit ist.
Die Gespräche mit dem namibianischen Premierminister Hage G. Geingob
vom November 2000 haben gezeigt, dass beide Staaten gewillt sind, die be-
währte Zusammenarbeit zu vertiefen und den ständigen Austausch über die
weitere Entwicklung des Landes Namibia fortzusetzen.

Der Deutsche Bundestag unterstützt diese Entwicklung ausdrücklich und
setzt sich für eine Vertiefung und Weiterentwicklung der bestehenden Bezie-
hungen ein.

2. Die Bundesregierung hat ihre besondere Verantwortung gegenüber Namibia
während des Prozesses der Unabhängigkeit und in den Anfangsjahren des
jungen Staates ernst genommen und eine umfassende Zusammenarbeit auf
allen Gebieten und gute Beziehungen zwischen beiden Ländern hergestellt.

Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit mit Namibia konnte dazu bei-
tragen, dass die wirtschaftlichen Grundlagen Namibias erhalten und ausge-
baut werden.

3. Zehn Jahre nach der Unabhängigkeit, die mit hohen Erwartungen an die
neue Demokratie mit ihrer vorbildlichen Verfassung verbunden war, befin-
det sich Namibia in einer schwierigen Umbruchphase:

a) Es gibt Zeichen einer Aushöhlung von Verfassungsgrundsätzen und die
Ausnutzung der Vormachtstellung der alleinregierenden SWAPO, die den

Drucksache 14/5796 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Präsidenten stellt und über eine stabile verfassungsändernde Drei-Viertel-
Mehrheit im Parlament verfügt. Das in Artikel 17 und Artikel 49 der Ver-
fassung von Namibia festgeschriebene Prinzip der Parteiendemokratie
erfordert allerdings eine starke Opposition und eine starke Legislative zur
Kontrolle der Regierung.

Der faktische Einfluss des Parlaments ist zurückgegangen. Die parlamen-
tarische Kontrolle kann aufgrund der Vormachtstellung der SWAPO, die
76 % der Abgeordneten in der Nationalversammlung stellt, die zudem
größtenteils Regierungsmitglieder sind, kaum wahrgenommen werden.
Kennzeichnend dafür war die ohne eine parlamentarische Diskussion
vorgenommene Änderung der Verfassung zugunsten einer dritten Amts-
zeit des Präsidenten.

b) Die wirtschaftliche Entwicklung des Landes bietet große Chancen, die
bisher jedoch nur teilweise genutzt wurden. Namibia gehört beispiels-
weise zu den fünf Ländern der Welt mit den größten Ungleichheiten bei
der Einkommensverteilung. Wirtschaftlich muss sich Namibia nicht nur
auf dem Weltmarkt, sondern – wie die anderen Mitgliedsländer des
SADC – auch innerhalb der Wirtschaftsgemeinschaft gegen das stärkere
Südafrika behaupten, dessen Position durch den Abschluss des Freihan-
delsabkommens mit der EU weiter gestärkt wurde. Erste positive Ansätze
sind in dem Ausbau des Hafens in Walvis Bay und dem damit verbunde-
nen Straßenbau zu sehen, der von der deutschen EZ unterstützt wurde
und dessen Ausbau auch auf der Tagesordnung der Europäischen
Gemeinschaft steht. Walvis Bay könnte sich damit zu einem wichtigen
Umschlagplatz für die SADC in Richtung Westafrika entwickeln.

c) Kritisch zu betrachten ist das militärische Engagement Namibias in der
DR Kongo, das u. a. wesentlich zu einer Erhöhung des Militärhaushaltes
um 43 % gegenüber dem Vorjahr beigetragen hat.

Die militärische Kooperation mit Angola bei der Bekämpfung der
UNITA bedingt eine angespannte Sicherheitssituation in Kavango und
Caprivi, die sowohl Auswirkungen auf die Lebensbedingungen der Ein-
heimischen als auch auf den Tourismus als drittwichtigste Einnahme-
quelle des Landes hat. Dazu kommen schwerwiegende, insbesondere der
UNITA und angolanischen Regierungseinheiten zuzuordnende Men-
schenrechtsverletzungen im Caprivi-Streifen, der neben Angola auch an
die Länder Botswana und Sambia grenzt. Die daraus erwachsenden
Schwierigkeiten mit den Nachbarländern könnten zu einer Destabilisie-
rung im südlichen Afrika führen, die der gesamten Region schaden
würde. All das hat auch Auswirkungen auf das Verhältnis der in Namibia
beheimateten Ethnien zueinander. Die im Caprivi-Streifen ansässigen
Ethnien fühlen sich den in den Nachbarländern lebenden Volksgruppen
verwandter als der Regierung in Windhuk; zudem sehen sie sich von der
Regierung wirtschaftlich vernachlässigt, und die erhofften Einnahmen
durch den Tourismus bleiben durch die Krisensituation aus. Die durch die
militärischen Auseinandersetzungen bedingten Fluchtbewegungen belas-
ten Namibia zusätzlich.

d) Mit Befriedigung nimmt der Deutsche Bundestag die Ankündigung der
namibischen Regierung zur Kenntnis, Anzeichen von Korruption entge-
gentreten zu wollen. Hierzu sollten frühzeitig die bereits vorhandenen
präventiven Instrumente zur Vereitelung der Korruption wieder stärker in
den Mittelpunkt gestellt werden.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/5796

II. Der Deutsche Bundestag bekräftigt seine Entschließungen zu Namibia
(Bundestagsdrucksache 11/4205) und fordert die Bundesregierung auf:

1. Bei der weiteren demokratischen Entwicklung in Namibia ist die aktive Be-
teiligung und partnerschaftliche Unterstützung durch die Bundesregierung
nach wie vor wünschenswert.

Dem Grundsatz der „good governance“ sollte verstärkt Rechnung getragen
werden. Dazu gehören: Ausbau demokratischer Strukturen, Achtung von
Minderheiten- und Menschenrechten, Stärkung von Gewaltenteilung und
Garantie eines fairen demokratischen Wettbewerbes. Die Bundesregierung
wird aufgefordert, im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit die begon-
nene Arbeit der Stiftungen, der NGO und der GTZ zum Aufbau der Zivilge-
sellschaft verstärkt fortzuführen, um die freie Presse und die Medien zu
stützen.

2. Der Deutsche Bundestag begrüßt ausdrücklich die Anstrengungen der na-
mibischen Regierung, die schwierige Frage der Landreform in Angriff zu
nehmen.

Die Bundesregierung sollte sich dafür einsetzen, dass das Prinzip der Frei-
willigkeit beim Aufkauf von kommerziellem Farmland („willing seller,
willing buyer“) weiterhin Bestand hat. Der Deutsche Bundestag begrüßt,
dass die Bundesregierung ihre Unterstützung für die Umsetzung eines von
der namibischen Regierung angekündigten Konzepts zur Landreform ange-
boten hat. Eine derartige Unterstützung sollte darüber hinaus auch durch eine
gemeinsame Initiative im Rahmen der EU erfolgen. Voraussetzung dafür ist
allerdings, dass von der namibischen Regierung ein in sich konsistentes, ent-
wicklungspolitisch sinnvolles und wirtschaftlich nachhaltiges Konzept zur
Landreform erstellt wird.

3. Inhalt des partnerschaftlichen Dialogs muss auch die Beendigung des
Kongo-Konflikts sein. Gerade nach dem Tod Kabilas müssen alle Chancen
genutzt werden, um einen Waffenstillstand zu erreichen. Hier kommt dem
namibischen Präsidenten in seiner Funktion als SADC-Vorsitzender eine
besondere Verantwortung zu.

Aufgrund des deutschen und europäischen Interesses an regionaler Stabilität
im Süden Afrikas sollte die EU die Friedensbemühungen im Kongo weiter-
hin unterstützen, damit der festgefahrene Friedensprozess wieder in Gang
gebracht und das Friedensabkommen vom Sommer 1999 umgesetzt werden
kann. Dieses europäische Engagement sollte ein Teil der angestrebten strate-
gischen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Europa und den Staaten
südlich der Sahara sein, eingebettet in den bi- und multilateralen Rahmen.

Bei der Durchsetzung des im Friedensvertrag von Lusaka vorgesehenen Ab-
zugs ausländischer Truppen aus dem Kongo wäre Namibia veranlasst, sein
militärisches Engagement dort einzustellen.

Nur eine Beendigung des Krieges und der Kriegsbeteiligung im Kongo
schafft die Voraussetzung für eine sinnvolle, wirksame und nachhaltige
Entwicklungszusammenarbeit in Namibia und der gesamten Region des süd-
lichen Afrika.

4. Eine stabile wirtschaftliche Entwicklung ist für Namibias Zukunft notwendig.

Die Bundesregierung sollte dafür Sorge tragen, dass die mit den namibiani-
schen Vorstellungen übereinstimmenden Ziele der deutschen Entwicklungs-
zusammenarbeit wie die wirtschaftliche Entwicklung und verbesserte soziale
Bedingungen der Bevölkerung verwirklicht werden. Dabei sollten bei der
Vergabe von EZ-Mitteln im Sinne regionaler Ausgewogenheit alle Ethnien
gleichermaßen berücksichtigt werden.

Drucksache 14/5796 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
5. Namibia gehört zu den Ländern mit der prozentual höchsten HIV/Aids-In-
fektionsrate. Auf die namibische Regierung werden künftig große finanzielle
Lasten zukommen, um eine ausreichende Betreuung von Aids-Kranken und
HIV-positiven Menschen zu gewährleisten. Daher sollte die Verhinderung
einer weiteren Ausbreitung von HIV/Aids ein Schwerpunkt der deutschen
Entwicklungszusammenarbeit mit Namibia sein.

Namibia ist es bislang weitgehend gelungen, die politischen und wirtschaft-
lichen Rahmenbedingungen zu verändern, um die Voraussetzungen für eine
nachhaltige Entwicklung zu schaffen. Der Deutsche Bundestag ermutigt die
namibische Regierung, die aufgezeigten Fragen tatkräftig anzupacken, um
die allgemein positive Entwicklung in Namibia weiter voranzubringen.

Berlin, den 4. April 2001

Dr. Peter Struck und Fraktion
Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und Fraktion

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