BT-Drucksache 14/5577

Die Zukunft der Individuallizenz - Vergütungsregelungen für private Vervielfältigungen im digitalen Umfeld

Vom 14. März 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/5577
14. Wahlperiode 14. 03. 2001

Antrag
der Abgeordneten Rainer Funke, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Jörg van Essen,
Ina Albowitz, Ernst Burgbacher, Horst Friedrich (Bayreuth), Joachim Günther
(Plauen), Dr. Karlheinz Guttmacher, Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Birgit
Homburger, Dr. Werner Hoyer, Ulrich Irmer, Gudrun Kopp, Ina Lenke, Dirk Niebel,
Günther Friedrich Nolting, Detlef Parr, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Dr. Irmgard
Schwaetzer, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der F.D.P.

Die Zukunft gehört der Individuallizenz – Vergütungsregelungen für private
Vervielfältigungen im digitalen Umfeld

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Die Berechtigung zur zustimmungsfreien Erstellung von Vervielfältigungs-
stücken urheberrechtlich geschützter Werke zum privaten oder sonstigen
eigenen Gebrauch im Sinne von § 53 Urheberrechtsgesetz (UrhG), erstreckt
sich auch auf digitale Vervielfältigungen.

2. Eine generelle Ausnahme digitaler Vervielfältigungen aus dem Anwen-
dungsbereich des § 53 UrhG ist abzulehnen.

3. Das Recht zur Vornahme digitaler Vervielfältigungen unter den Vorausset-
zungen von § 53 UrhG lässt das Recht der Urheber und sonstigen Berechtig-
ten unberührt, mit Hilfe technischer Einrichtungen, insbesondere durch
Kopierschutzmechanismen, die Möglichkeit zur digitalen Vervielfältigung
eines Werkes von der Zahlung eines Entgelts abhängig zu machen, auf
sonstige Weise zu beschränken oder ganz auszuschließen. Die hierzu ggf.
erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen sind umgehend zu schaffen.

4. Wird ein derart in seiner Kopierfähigkeit verändertes Werkstück unter Über-
windung oder Missachtung des Kopierschutzes vervielfältigt, stellt diese
Vervielfältigung, auch wenn sie zu Zwecken im Sinne von § 53 UrhG vorge-
nommen wird, einen Verstoß gegen das Vervielfältigungsrecht aus § 15
Abs. 1 Nr. 1, § 16 UrhG dar.

5. Die individuelle Lizensierung urheberrechtlich relevanter Nutzungen hat
grundsätzlich Vorrang vor einer Pauschalvergütung. Die Geräte- und Betrei-
berabgaben sind daher auf private Vervielfältigungen zu beschränken, für
die Instrumente einer individuellen Lizensierung nicht zur Verfügung ste-
hen, d. h. auf den Bereich der analogen Privatkopie.

6. Eine pauschale Abgabe kann aufgrund ihrer systembedingten Ungenauigkeit
den Urheberinteressen nur dort entsprechen, wo keine Alternativen bereit-
stehen.

Drucksache 14/5577 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

7. Geräte zur Vornahme digitaler Vervielfältigungen sind von der Geräte-
abgabe auszunehmen, sobald sichere und effiziente Möglichkeiten zur indi-
viduellen Lizensierung flächendeckend einsatzfähig sind.

8. Solange noch nicht sichergestellt ist, dass digitale Vervielfältigungen
lückenlos durch den Einsatz von Digital Rights Management Systemen
(DRM-Systeme) kontrolliert und lizensiert werden können, ist zur Gewähr-
leistung der Vergütung von Privatkopien die Abgabe auf Geräte zur digi-
talen Vervielfältigung für eine Übergangszeit beizubehalten; Personal-
computer (PC) als Systemeinheit sowie Festplatten werden von dieser
Vergütungspflicht ausgenommen.

9. Um für alle Beteiligten den Anreiz zur schnellen Einführung von DRM-
Systemen zu schaffen, soll diese Übergangszeit gesetzlich befristet werden.

10. Bei der Bemessung der pauschalen Abgaben sind nicht nur die Interessen
der Urheber und Verwerter zu berücksichtigen, sondern auch die wirt-
schaftlichen Interessen der Hersteller der Überspielgeräte und -materialen,
die zur privaten Vervielfältigung dienen. Eine unmittelbare Koppelung der
urheberrechtlichen Abgaben mit der Preisentwicklung bei Vervielfälti-
gungsgeräten und Speichermedien ist jedoch abzulehnen. Anknüpfungs-
punkt für die Bemessung der Abgabe ist grundsätzlich die urheberrechtlich
relevante Nutzung und deren wirtschaftlicher Wert, über die die Hersteller-
preise jedoch keinen Aufschluss geben.

11. Soweit – im analogen Bereich – die pauschalen Abgaben auf Geräte und
Speichermedien beibehalten werden, müssen diese Abgaben zur Verhinde-
rung von Wettbewerbsverzerrungen auf europäischer Ebene so weit wie
möglich harmonisiert werden.

12. Der Vorschlag der Bundesregierung, die Vergütungssätze künftig nicht
mehr in einer Anlage zu § 54d Abs. 1 UrhG, sondern im Verordnungswege
festzulegen, wird abgelehnt.

13. Eine Einbeziehung der gewerblichen Wirtschaft und von Behörden in die
Betreibervergütung gemäß § 54a UrhG ist abzulehnen.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– in Ergänzung zu ihren Ausführungen im „Zweiten Bericht über die Entwick-
lung der urheberrechtlichen Vergütung gemäß §§ 54 ff. Urheberrechtsgesetz
(2. Vergütungsbericht)“ (Bundestagsdrucksache 14/3972) dem Deutschen
Bundestag ausführlich über die Chancen und Risiken individueller Lizenz-
und Kopierschutzmechanismen für digitale Vervielfältigungen zu berichten.

– dem Deutschen Bundestag darüber zu berichten, ob und durch welche staat-
lichen Unterstützungsmaßnahmen die Marktreife von Systemen für ein
DRM in Deutschland beschleunigt werden kann.

– dem Deutschen Bundestag zu berichten, welche begleitenden oder vorberei-
tenden gesetzgeberischen Maßnahmen insbesondere im Bereich des Urhe-
ber- und Datenschutzrechts aus Sicht der Bundesregierung für die Einfüh-
rung von DRM-Systemen erforderlich sind, und entsprechende Entwürfe
vorzulegen.

– dem Deutschen Bundestag einen Entwurf vorzulegen, wie die eine Befris-
tung der Pauschalabgabe im digitalen Bereich mit der gleichzeitigen Mög-
lichkeit zur Einführung von Einzellizenzen ermöglicht werden kann und
welche gesetzlichen Maßnahmen erforderlich sind, damit die technische Be-
schränkung der Kopiermöglichkeiten im digitalen Bereich zulässig ist.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/5577

– daran mitzuwirken, das Bewußtsein der Bevölkerung darüber zu schärfen,
dass der urheberrechtliche Schutz auch im Internet und anderen digitalen
Medien besteht und es sich hier nicht um „urheberrechtsfreie Räume“ han-
delt.

Berlin, den 14. März 2001

Rainer Funke
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Jörg van Essen
Ina Albowitz
Ernst Burgbacher
Horst Friedrich (Bayreuth)
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Ulrich Irmer
Gudrun Kopp
Ina Lenke
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Detlef Parr
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Dr. Irmgard Schwaetzer
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

Begründung
Der Schutz des geistigen Eigentums und die angemessene Vergütung der
Rechteinhaber sind auch im digitalen Umfeld zu gewährleisten; der urheber-
rechtliche Schutz ist umfasssend und nicht auf bestimmte Medien beschränkt.
Für den Bereich der digitalen Werknutzung gilt daher ebenfalls der Grundsatz,
dass jede Nutzung der Zustimmung des Urhebers vorbehalten ist und dass dem
Urheber für jede Nutzung seiner Werke eine angemessene Vergütung zusteht.

Auch digitale Vervielfältigungen bleiben in den Grenzen des § 53 UrhG zu-
stimmungsfrei zulässig; dem Grundsatz, die Dispositionsbefugnis über das
Werk so weit wie möglich dem Berechtigten zu belassen, wird durch die Mög-
lichkeit Rechnung getragen, die Vervielfältigungen in tatsächlicher Hinsicht
durch technische Hilfsmittel ganz oder teilweise einzuschränken. Dazu sind
unter Umständen gesetzgeberische Maßnahmen erforderlich, um § 53 ff. UrhG
entsprechend anzupassen.

Zur Sicherung einer angemessenen Vergütung für private Vervielfältigungen
hat sich im Bereich der analogen Vervielfältigungen das System aus gesetz-
licher Lizenz und Geräte- bzw. Betreiberabgabe bewährt. Aufgrund der man-
gelnden Kontrollierbarkeit analoger Vervielfältigungen gibt es zu diesem Sys-
tem hier keine Alternative. Die Höhe der gegenwärtigen Vergütungssätze ist
auf ihre Angemessenheit zu überprüfen, eine Regelung im Verordnungswege
ist jedoch abzulehnen; bereits heute lässt § 54d Abs. 1 UrhG von der Anlage
abweichende Vereinbarungen und damit flexible Lösungen zu.

Drucksache 14/5577 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
Dem Grundsatz nach ist eine pauschale Regelung immer nur die „zweitbeste“
Lösung. Jede Form pauschaler Vergütung ist zwangsläufig ungenau. Mit dem
System der gesetzlichen Lizenz und ihrer Kompensation durch pauschale Ab-
gaben greift das Gesetz darüber hinaus erheblich in den privaten Rechtsverkehr
ein: Die Urheber werden in ihrer umfassenden Dispositionsbefugnis be-
schränkt; die Erwerber von Vervielfältigungsgeräten sind abgabenpflichtig,
auch wenn sie keine urheberrechtlich relevanten Nutzungen vornehmen; die
Gerätehersteller und -händler sind als Schuldner der Abgaben (§ 54 Abs. 1,
§ 54a Abs. 1 UrhG) zum Inkasso urheberrechtlicher Forderungen gezwungen,
die eigentlich gegen die Nutzer der Geräte zu erheben sind, und ihre Produkte
werden mit Abgaben belegt, die sie nur zum Teil an ihre Kunden weitergeben
können. Im Interesse aller Beteiligten ist daher die Einführung von Möglichkei-
ten zur individuellen Lizensierung voranzutreiben und wo nötig durch entspre-
chende gesetzgeberische Maßnahmen zu unterstützen.

Die Preise für Vervielfältigungsgeräte und Speichermedien sind in den vergan-
genen Jahren zum Teil erheblich gesunken; der Anteil der Urhebervergütung
am Gesamtpreis ist damit gestiegen. Der Gefahr, dass dies zu einer Belastung
von Handel und Industrie wird, weil sie die Urheberabgabe nicht in vollem
Umfang an die Kunden weiterreichen könne, ist in erster Linie durch eine weit-
gehende Vereinheitlichung des Abgabensystems auf europäischer Ebene zu be-
gegnen. Die bis 1985 geltende unmittelbare Koppelung der Abgaben an die
Herstellerabgabenpreise (5 Prozent) ist zu Recht aufgehoben worden.

Die Aussicht darauf, dass mittelfristig leistungsfähige und sichere Systeme für
eine individuelle Lizensierung von Privatkopien einsatzbereit sind, darf nicht
dazu führen, dass in der Zeit bis zu deren Durchsetzung eine faktische Vergü-
tungsfreiheit besteht. Für eine Übergangszeit soll deshalb auf die Geräteabgabe
auf digitale Vervielfältigungsgeräte nicht vollständig verzichtet werden. Bei der
Bemessung dieser Abgabe soll aber die zunehmende Verbreitung von DRM-
Systemen berücksichtigt werden; außerdem ist auf eine Abgabe auf PC und
Festplatten zu verzichten. Zwar fallen auch Festplatten als Speichermedien de
lege lata unter die Regelungen der §§ 54 ff. UrhG; im Hinblick auf einen die
verschiedenen Interessen berücksichtigenden Kompromiss erscheint es jedoch
vertretbar, für die Übergangszeit Festplatten von der Vergütungspflicht auszu-
nehmen. Abgabenpflichtig sind jedoch ausdrücklich alle Peripheriegeräte, die
digitale Vervielfältigungen mit dem PC ermöglichen, insbesondere so genannte
CD-Brenner, Scanner, Drucker etc.

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