BT-Drucksache 14/556

Entbürokratisierung teilstationärer und ambulanter Pflegeleistungen

Vom 12. März 1999


Deutscher Bundestag: Drucksache 14/556 vom 12.03.1999

Kleine Anfrage der Fraktion der PDS Entbürokratisierung
teilstationärer und ambulanter Pflegeleistungen =

12.03.1999 - 556

14/556

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Dr. Gregor Gysi und der Fraktion der
PDS
Entbürokratisierung teilstationärer und ambulanter Pflegeleistungen

Viele Einrichtungen, in denen teilstationäre und/oder ambulante
Pflegeleistungen erbracht werden, haben häufig einen unverhältnismäßig
hohen bürokratischen Aufwand und bekommen auch ihre Leistungen nicht
entsprechend vergütet.
So geht ein großer Teil der Zeit, die eigentlich der assistierenden
Begleitung der (häufig älteren) hilfsbedürftigen Tages- und/oder
Kurzzeitgäste vorbehalten sein sollte, in der Antrags-, Nachfrage- und
sonstigen Papierflut verloren.
Erfahrungen -- z. B. in Ostsachsen -- zeigen, daß trotz scheinbar
klarer gesetzlicher Regelung allein ungeklärte Einstufungsfragen in die
Pflegeversicherung (SGB XI), Zuständigkeitsgerangel,
Kompetenzstreitigkeiten zu Leistungsvergütungen zwischen Kranken- und
Pflegekassen (SGB V und SGB XI) sowie zu Leistungsverpflichtungen nach
BSHG häufig zu monatelangem Einkommensausfall bei privaten
Pflegediensten führen.
Als Probleme erweisen sich auch die sogenannte "Hotelkostenpauschale",
die z. B. in Sachsen mit 8,00 DM (acht!) pro Person und Tag
ausgehandelt worden ist, ebenso wie das Abholen und Zurückbringen der
Pflegebedürftigen.
Theoretisch wird hier davon ausgegangen, daß der Tagesgast vor der
Haustür steht, ins Auto steigt und zur Einrichtung gefahren wird. Die
Praxis ist anders. Die Betroffenen müssen oft noch angezogen bzw. nach
der Rückkehr wieder gebettet werden. Diese Zeit ist bisher in keiner
Kostenpauschale enthalten. Die Pflegeeinrichtungen und ihre
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die das Wohl ihrer Tagesgäste
(Patienten) im Auge haben, können nur einen Pauschalsatz von 5,00 DM
(fünf) pro Fahrt einrechnen.
Weil Rahmenvereinbarungen in diesem Zusammenhang nicht greifen oder
durch Verbürokratisierung nicht greifen können, sind die
Leistungserbringer in der fatalen Situation, aus sozialer Verantwortung
und in Achtung der Würde des Menschen die assistierende Begleitung im
erforderlichen Umfang zu leisten, ohne darauf vertrauen zu können, daß
ihnen dies anschließend entsprechend vergütet wird. Damit werden nicht
nur Existenzen und Arbeitsplätze gefährdet, sondern auch der Pflege-
Infrastruktur werden schwere Schäden zugefügt.
Um die Pflegequalität zu sichern und zu erhöhen, Menschen in Würde
gesund oder auch alt werden zu lassen, um diesem wichtigen
Dienstleistungssektor bürokratische Hindernisse aus dem Weg räumen und
um eine bundesweite Vergleichbarkeit von Leistungen und deren Vergütung
in den verschiedenen Bundesländern realisieren zu helfen, fragen wir
die Bundesregierung:
1. Welche Maßnahmen sieht die Bundesregierung vor, um die Qualität
der Pflegeversicherung im Interesse der Pflegebedürftigen und der
Pflegeeinrichtungen so zu erhöhen, daß sie nach der Zuordnung des
Pflegeversicherungsbereiches zum Bundesministerium für Gesundheit und
in Anwendung des § 141 SGB V (Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen)
solche Rechtsfragen für Leistungserbringer effizienter und
unbürokratischer regelt, wie z. B.: die Festlegung von Grundsätzen und
Maßstäben für die Qualität und Qualitätssicherung, die Vorschriften
über Pflegevergütung, den Inhalt der Pflegeleistungen, die personelle
Ausstattung der Pflegeeinrichtungen, die Abgrenzung der Aufwendungen
für Pflegeleistungen von nicht pflegesatzfähigen Aufwendungen, die
Gebührenordnung für ambulante Pflegeleistungen?
2. Wie steht die Bundesregierung zu den von Wohlfahrts- und
Behindertenverbänden schon länger geforderten Konsequenzen hinsichtlich
einer Vereinfachung der Verwaltung der Pflegeversicherung und zum
Übergang vom Sachleistungs- zum Zuschußprinzip in der
Pflegeversicherung?
Wie und in welchen konkreten Zeitabschnitten will sie in diesem
Zusammenhang die in der Koalitionsvereinbarung angekündigte und
festgeschriebene Stabilisierung der Pflegeversicherung umfassender
realisieren?
3. Wie will bzw. kann die Bundesregierung ambulanten Pflegediensten
per Gesetz oder Rechtsverordnung helfen, daß Zuständigkeits- und
Kompetenzfragen in Auslegung von Gesetzen und Verordnungen durch
Pflege- und Krankenkassen nicht auf dem Rücken von Betroffenen
ausgetragen und so eine qualifizierte Pflege, Behandlung und Betreuung
Betroffener nicht eingeschränkt sowie die Existenz von jungen
Pflegediensten nicht gefährdet werden?
Wie soll eine eindeutige und verbindliche Schnittstellenzuordnung
hinsichtlich SGB V, SGB XI und BSHG auch im Zusammenhang mit der
stationären Pflege gesichert werden?
4. Welche rechtlichen Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, daß
Tages- und Kurzzeitpflegeeinrichtungen, die Gäste (Patienten)
unmittelbar nach Krankenhausaufenthalten zeitweilig pflegen, ihre
Abrechnungen (z. B. über einen höheren pauschalen Pflegesatz oder über
eine zeitweilige Höherstufung nach SGB XI) auf der Grundlage der
Aktenlage des Krankenhauses vornehmen können?
5. Unter welchen rechtlichen Voraussetzungen sollten nach Auffassung
der Bundesregierung teilstationäre und ambulante Krankenpflegedienste
für ihre Gäste (Patienten) zeitweilige Pauschalabrechnungen vornehmen,
wenn diese aufgrund einer vorübergehenden Verschlechterung ihrer
Situation eines höheren Pflege-Assistenz-Aufwands bedürfen?
6. Inwieweit besitzt die Bundesregierung Erkenntnisse über vorhandene
Standards bei den "Hotelkosten" und über tatsächliche Aufwendungen für
diese "Hotelkosten" (Frühstück, evtl. zweites Frühstück, warmes
Mittagessen, Vesper, anteilig Heizung, Strom, Wasser) in
Tagespflegeeinrichtungen (bitte getrennt nach Bundesländern angeben)?
7. Inwieweit sind der Bundesregierung Standards, Erfahrungen oder
Musterspeisepläne bekannt, durch die z. B. mit 8,00 DM
Hotelkostenpauschale in Tagespflegeeinrichtungen mit beispielsweise 12
Plätzen und rund 90 %iger Auslastung die Gäste abwechslungsreich und
ernährungsphysiologisch optimal verpflegt werden können (bitte
möglichst verschiedene Muster-Wochenspeisepläne angeben)?
8. Welche Vorstellungen und Absichten hat die Bundesregierung bei der
Neugestaltung des Tagespflegebereichs, um z. B. bei Fahrtkosten, die
für das Abholen und Zurückbringen der Tagesgäste real anfallen, von
Pauschalsätzen generell zu kilometerbezogenen Abrechnungen zu kommen,
die ggf. einen "Ankleide-Faktor" enthalten?
Bonn, den 12. März 1999
Dr. Ilja Seifert
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

12.03.1999 nnnn

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