BT-Drucksache 14/5559

Kleinunternehmer-Hilfsfonds effektiv organisieren und gesetzliche Voraussetzungen für eine Nachfolgeregelung schaffen

Vom 14. März 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/5559
14. Wahlperiode 14. 03. 2001

Antrag
der Abgeordneten Rolf Kutzmutz, Dr. Christa Luft, Dr. Dietmar Bartsch,
Heidemarie Ehlert, Dr. Barbara Höll, Gerhard Jüttemann, Uwe Hiksch,
Ursula Lötzer, Dr. Uwe-Jens Rössel und der Fraktion der PDS

Kleinunternehmer-Hilfsfonds effektiv organisieren und gesetzliche
Voraussetzungen für eine Nachfolgeregelung schaffen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Im Rahmen der parlamentarischen Beratungen wurde in den Haushalt 2001 des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) auf Antrag der
Fraktion der PDS unter der Titelgruppe 06 der Titel 662 62 „Hilfsfonds für
durch kriminelle Machenschaften in wirtschaftliche Not geratene Handwerker
und Kleinunternehmer“ eingefügt. Der Titel ist mit fünf Mio. DM dotiert und
mit folgenden Erläuterungen versehen: „Der Fonds dient der Liquiditätssiche-
rung von Kleinunternehmen des Handwerks, Handels und Gewerbes, soweit
diese durch kriminelle Machenschaften (Betrug etc.) von Dritten in ihrer Exis-
tenz bedroht sind und nicht auf anderem gesetzlichen Wege Hilfe erhalten kön-
nen. Die Art und Höhe der Hilfe – Zuschuss, Darlehen, Bürgschaft, Zinsverbil-
ligung eines bestehenden Kredites, Stundung der Rückzahlung ausgereichter
Fördermittel, Übernahme bestehender öffentlich-rechtlicher Forderungen (Fis-
kus, Sozialversicherung usw.) – sowie der dafür zu leistenden Sicherheit – Ab-
tretung von Forderungen gegenüber Dritten etc. – ist vom BMWi nach Prüfung
der Gegebenheiten des konkreten Einzelfalles zu entscheiden.“

Zur Umsetzung dieses Parlamentsbeschlusses beabsichtigt das BMWi, den
Fonds auf die Deutsche Ausgleichsbank (DtA) zu übertragen. Dabei sollen
Leistungen aus dem Fonds nur unter folgenden Voraussetzungen in Anspruch
genommen werden können:

– Es handelt sich um Maßnahmen im Rahmen der „Runden Tische“ der DtA.

– Ein von der DtA bestimmter Unternehmensberater muss eine Analyse über
die Situation des Einzelfalles (einschließlich Fortführungsprognose) erstel-
len.

– Dieser Analyse hat sich ein Vorschlag des Unternehmensberaters zur weite-
ren Verfahrensweise anzuschließen.

– In diesem Vorschlag ist auf die Thematik eines möglichen strafrechtlich re-
levanten Verhaltens Dritter als ursächlich für die Existenzbedrohung einzu-
gehen.

– Grundsätzlich muss eine Hausbank mit Eigenobligo eingeschaltet sein.

Zur Prüfung und Abwicklung der Einzelfälle kann die DtA externe Stellen ein-
schalten und angemessene Honorare aus den Mitteln des Hilfsfonds zahlen.

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Bis zum Inkrafttreten des entsprechenden Vertrages mit der DtA behandelt das
BMWi nicht aufschiebbare dringliche Eilfälle in Zusammenarbeit mit der DtA
auf Einzelfallbasis. Dabei wurden bisher bei sieben Fällen die von der DtA-
Task-Force und unter Einschaltung einer Wirtschaftsprüfungs-Kanzlei und
eines Unternehmensberaters erarbeiteten Konzepte für die Lösung umgesetzt,
weitere Anträge liegen bei der DtA vor. Bis zur Berichterstattung des BMWi
im Ausschuss für Wirtschaft und Technologie am 7. März 2001 war knapp ein
Drittel der Jahresmittel des Hilfsfonds gebunden, schon für die jetzt vorliegen-
den weiteren Anträge werden – sofern sie sich als berechtigt erweisen – die für
2001 eingestellten Gelder nicht ausreichen.

Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass die Bundesregierung zügig seinen Be-
schluss zum Einsatz eines neuen Instrumentes gegen die wirtschafts- und be-
schäftigungspolitischen Auswirkungen der grassierenden Zahlungsunmoral
insbesondere im Mittelstand umsetzt und dazu auf vorhandene institutionelle
Kompetenzen der Unternehmensberatung und Wirtschaftsförderung zurück-
greift. Allerdings weist der beschrittene Weg der Umsetzung noch gravierende
Mängel auf:

1. Er ist zu eng an das etablierte staatliche Beratungs- und Förderinstrumenta-
rium gekoppelt und läuft Gefahr, den Fonds für andere Zwecke aufzuzehren.

Zweifellos sollen Betroffene zunächst die bewährten „Runden Tische“ der DtA
aufsuchen, da nur so Hilfsmöglichkeiten umfassend ausgeleuchtet werden kön-
nen. Beratungs- und Prüfungskosten zulasten des Hilfsfonds dürfen aber erst
entstehen, wenn nach Lage der Dinge andere vorhandene Möglichkeiten des
bestehenden Förderinstrumentariums nicht greifen können und diese Kosten in
einem angemessenen Verhältnis zur tatsächlich erforderlichen und auch in Aus-
sicht zu stellenden finanziellen Hilfe stehen. „Coaching durch Unternehmens-
berater als Managementhilfe“ kann nicht Aufgabe des Hilfsfonds sein. Da sich
der Hilfsfonds an unschuldig durch kriminelle Machenschaften in Not geratene
Kleinunternehmer wendet, können nicht Managementfehler Ursache ihrer
Misere sein. Außerdem gibt es zur Unterstützung der Management-Beratung
andere Förderinstrumente des Bundes und vieler Länder. Der Hilfsfonds ist
weder als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Wirtschaftsprüfer und Unterneh-
mensberater noch als zusätzlicher Etat bereits bestehender Wirtschaftsförder-
kulissen konzipiert. Das Gros der bereitgestellten Mittel muss in tatsächliche
Liquiditätshilfen fließen, die sinnvoll und auf anderem Wege nicht bereitstell-
bar sind.

Deshalb kann beim Hilfsfonds auch nicht das für die bisherige Förderkulisse
geltende „Hausbank-Prinzip“ grundsätzlich greifen. Natürlich muss schon zum
sparsamen Einsatz der Steuergelder im Einzelfall stets die Erschließung weite-
rer Finanzierungsquellen geprüft werden. Nur soll der Hilfsfonds ja gerade dort
wirken, wo ohne Verschulden der Betroffenen ihnen in existenzgefährdender
Weise Liquidität vorenthalten wurde und diese nicht auf anderem Wege be-
schaffbar ist. Erklärt sich eine Hausbank tatsächlich bereit, sich an der Finan-
zierung zu beteiligen, so sind regelmäßig andere Förderinstrumente als der
Hilfsfonds nutzbar.

Ferner krankt das bisherige Konzept der Umsetzung an seiner starken Fixie-
rung auf klassische Förderkredite. Die Nutznießer des Hilfsfonds wurden aber
um das Entgelt erbrachter Leistungen betrogen und verfügen regelmäßig über
keine eigenen Sicherheiten für die Tilgung neuer Kredite. Die Hilfe ist daher
nur sinnvoll, wenn sie den Betroffenen für sie absehbar kurzfristig nicht ein-
treibbare Forderungen abkauft oder zumindest den Charakter von Zuschüssen
hat, die natürlich bedingt rückzahlbar ausgestaltet sein müssen, sobald und so-
weit vom Urheber der Misere Geld erlangbar ist oder das Unternehmen des Be-
günstigten des Fonds wirtschaftlich so weit gefestigt ist, dass es Rückzahlun-
gen verkraften kann.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/5559

2. Die zweifellos notwendige tiefgründige Einzelfallprüfung darf sich nicht auf
betriebswirtschaftliche und förderpolitische Bewertungen und Vorschläge
beschränken, sondern muss auch Erkenntnisse über die Erfolgsaussichten
einer Wiederbeschaffung der die Liquiditätsschwäche auslösenden Außen-
stände und eventuell vorliegende rechtliche Schranken oder allgemeine Hin-
dernisse zu deren Eintreibung liefern. Dies ist nicht nur für einen effektiven
und dennoch sparsamen Einsatz öffentlicher Mittel im konkreten Fall erfor-
derlich. Vor allem geht es auch um verallgemeinerungsfähige Erkenntnisse
zu gesetzgeberischem Handlungsbedarf bei der Bekämpfung von sich ver-
schlechternder Zahlungsmoral. Schließlich müssen in erster Linie die
Gründe effektiv beseitigt werden, die den Hilfsfonds überhaupt erforderlich
machten, damit er schnellstmöglich mangels Erfordernis wieder eingestellt
werden kann.

3. Der Hilfsfonds ist offensichtlich nicht ausreichend mit Finanzmitteln ausge-
stattet. Ein auf seinen eigentlichen Bestimmungszweck ausgerichteter Hilfs-
fonds muss über ausreichende Mittel verfügen, um tatsächlich im gesamten
Haushaltsjahr 2001 seine vom Gesetzgeber beschlossenen Aufgaben erfül-
len zu können. Seine frühzeitige Erschöpfung wäre nicht nur wirtschafts-
und beschäftigungspolitisch fatal. Sie würde den Gesetzgeber auch dem
Verdacht aussetzen, auf ein tiefgreifendes gesellschaftliches Problem mit ei-
nem Placebo reagiert zu haben. Die finanzielle Ausstattung des Hilfsfonds
muss daher bedarfsorientiert erhöht werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf:

1. Die Umsetzung des Titels 09 02 – 662 62 des Bundeshaushaltes 2001 –
„Hilfsfonds für durch kriminelle Machenschaften in wirtschaftliche Not ge-
ratene Handwerker und Kleinunternehmer“ – ist in folgenden Richtungen zu
qualifizieren:

– Auf externe Begutachtungsleistungen zulasten des Hilfsfonds ist nur in-
soweit zurückzugreifen, als sie weder durch die DtA selbst erbracht wer-
den noch über andere bestehende Förderinstrumente finanziert werden
können; „Coaching durch Unternehmensberater als Managementhilfe“
wird nicht durch den Hilfsfonds finanziert.

– Die erforderliche Einzelfallanalyse soll – neben betriebswirtschaftlichem
Status, Fortführungsprognose und entsprechenden Handlungsvorschlä-
gen sowie Aussagen zu möglichem strafrechtlich relevantem Verhalten
Dritter als ursächlich für die Existenzbedrohung – auch Feststellungen
treffen zu tatsächlichen und gesetzlichen Hinderungsgründen für die Ein-
treibung der berechtigten Forderungen der Betroffenen und zu den feh-
lenden Möglichkeiten, ihnen auf anderem bestehendem gesetzlichem
Wege zu helfen.

– Das Grundsatz-Kriterium „Einschaltung einer Hausbank mit Eigenob-
ligo“ entfällt.

– In der nicht abschließend gefassten Liste der im Rahmen des Fonds zu er-
bringenden Hilfsleistungen sind Betriebsmittelkredite als Liquiditätshilfe
durch bedingt rückzahlbare Darlehen als Liquiditätshilfe zu ersetzen.

2. Bei Ausschöpfung des Titels 09 02 – 662 62 des Bundeshaushaltes 2001 ist
eine überplanmäßige Ausgabe in der durch den tatsächlichen Bedarf vorge-
gebenen Höhe zu leisten.

3. Der Deutsche Bundestag ist unverzüglich über die Wirksamkeit und mög-
liche Defizite der Regelungen des am 1. Mai 2000 in Kraft getretenen Geset-
zes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen zu unterrichten, insbesondere zu

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Abschlagszahlungen i. S. v. § 632a BGB, unwesentlichen Mängeln i. S. v.
§ 640 BGB und Fertigstellungsbescheinigungen i. S. v. § 641a BGB.

4. Über die verallgemeinerungswürdigen Erkenntnisse, die bei der Abwick-
lung der an den Hilfsfonds herangetragenen Fälle gewonnen werden und auf
gesetzgeberischen Handlungsbedarf zur Bekämpfung der schlechten Zah-
lungsmoral schließen lassen, ist dem Deutschen Bundestag bis zum
1. Januar 2002 eine Unterrichtung vorzulegen. Darin werden insbesondere
Aussagen erwartet zu

– Reformbedarf des Mahnverfahrens-Rechtes und Beschleunigung von
Zwangsvollstreckungen

– Novellierungsbedarf der VOB Bau sowie der Rechtsgrundlagen zum
Eintreiben fälliger Zahlungen durch Finanzämter und Einzugsstellen
der Sozialversicherungsbeiträge (§ 222 Abgabenordnung, §§ 28e, 28h
SGB IV)

– Modernisierung des Gesetzes zur Sicherung von Bauforderungen (GSB)

– Beschleunigung gerichtlicher Auseinandersetzungen durch Erschwerung
von Verzögerungstaktik (§§ 95, 96, 331 i. V. m. 251a ZPO und darauf
bezogene Festlegungen des Gerichtskostengesetzes)

– Maßnahmen gegen betrügerischen Vermögenstransfer (u. a. zu Vermö-
genstransfers im Vorgriff auf eine noch nicht eingetretene Zahlungsun-
fähigkeit natürlicher oder juristischer Personen, zur bisher nicht mit
Zwangsgeldern belegten Verweigerung der Offenlegung von Jahresab-
schlüssen von Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH), zu
Missbrauchsmöglichkeiten durch die Differenzierung zwischen rechtli-
cher und wirtschaftlicher Identität von im Grundbuch eingetragenen Ei-
gentümern eines Grundstückes und dem Besteller von einer auf diesem
zu erbringenden Leistung).

Berlin, den 13. März 2001

Rolf Kutzmutz
Dr. Christa Luft
Dr. Dietmar Bartsch
Heidemarie Ehlert
Dr. Barbara Höll
Gerhard Jüttemann
Uwe Hiksch
Ursula Lötzer
Dr. Uwe-Jens Rössel
Roland Claus und Fraktion

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