BT-Drucksache 14/550

zur Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zum Stand der Agenda 2000 nach dem Rücktritt der Europäischen Kommission

Vom 16. März 1999


Deutscher Bundestag: Drucksache 14/550 vom 16.03.1999

Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Abgabe
einer Erklärung der Bundesregierung zum Stand der Agenda 2000 nach dem
Rücktritt der Europäischen Kommission =

16.03.1999 - 550

14/550

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Norbert Wieczorek, Günter Gloser, Marianne
Klappert, Dr. Jürgen Meyer (Ulm), Hans-Werner Bertl, Hans Büttner
(Ingolstadt), Gernot Erler, Rainer Fornahl, Lilo Friedrich (Mettmann),
Monika Heubaum, Uwe Hiksch, Gerd Höfer, Helga Kühn-Mengel, Detlev von
Larcher, Winfried Mante, Christoph Matschie, Ingrid Matthäus-Maier,
Markus Meckel, Dietmar Nietan, Günter Oesinghaus, Eckhard Ohl, Holger
Ortel, Karin Rehbock-Zureich, Michael Roth (Heringen), Dr. Hermann
Scheer, Dieter Schloten, Wilhelm Schmidt (Salzgitter), Reinhard Schultz
(Everswinkel), Hedi Wegener, Gert Weisskirchen (Wiesloch), Lydia
Westrich, Dr. Wolfgang Wodarg und der Fraktion der SPD sowie der
Abgeordneten Christian Sterzing, Ulrike Höfken, Claudia Roth
(Augsburg), Dr. Helmut Lippelt, Monika Knoche, Klaus Wolfgang Müller
(Kiel), Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN
zur Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zum Stand der Agenda
2000 nach dem Rücktritt der Europäischen Kommission

Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Nach der Einführung der gemeinsamen Währung steht die EU mit den
bevorstehenden Beschlüssen zur Agenda 2000 vor einer neuen
Bewährungsprobe. Die europäischen Staats- und Regierungschefs müssen
auf ihrem Sondergipfel in Berlin am 24./25. März 1999 über zentrale
Reformen der finanziell gewichtigsten Aufgabenbereiche der EU, der
Gemeinsamen Agrarpolitik und der Strukturfonds, entscheiden. Sie müssen
zudem den Finanzrahmen für den EU-Haushalt neu festlegen sowie das
Beitragssystem reformieren.
Der Deutsche Bundestag ist sich der besonderen Verantwortung bewußt,
die der deutschen Bundesregierung als amtierende Ratspräsidentschaft
für die politische Einigung über das Entscheidungspaket zur Agenda 2000
zukommt. Der Deutsche Bundestag unterstreicht die hohe politische
Bedeutung, die die Verabschiedung der Agenda 2000 für die EU hat:
- Die erfolgreiche Bewältigung der Agenda 2000 ist ein wichtiges
Signal für die mittel- und osteuropäischen Beitrittskandidaten, daß
sich die EU zügig und ernsthaft auf die Aufnahme neuer Mitglieder
vorbereitet und eine wichtige Etappe auf dem Weg zur Herstellung ihrer
Erweiterungsfähigkeit abgeschlossen hat. Der Deutsche Bundestag ist
zudem überzeugt, daß der Abschluß der Agenda 2000 für die mittel- und
osteuropäischen Beitrittskandidaten ein großer Ansporn sein wird, die
erforderlichen internen Reformen weiter zügig voranzubringen, um
ihrerseits die Beitrittsfähigkeit möglichst bald herzustellen.
- Grundlegende Reformen der Gemeinsamen Agrarpolitik, der
Strukturfonds, des Beitragssystems sowie des Finanzrahmens sind
allerdings auch ohne den Beitritt neuer Mitglieder dringend
erforderlich. Den Konsolidierungsbemühungen in den öffentlichen
Haushalten der Mitgliedstaaten, die häufig mit Leistungseinschnitten
für die Bürgerinnen und Bürger verbunden sind, kann nicht weiterhin ein
deutlich stärker als die nationalen Haushalte steigendes Budget der EU
gegenüberstehen.
- Den Staats- und Regierungschefs der EU obliegt bei der
Verabschiedung der Agenda 2000 vor dem Hintergrund der zum 1. Januar
1999 eingeführten gemeinsamen europäischen Währung eine ganz besondere
Verantwortung. Handlungs- und damit Reformfähigkeit der EU - wie sie
zur politischen Einigung über die Agenda 2000 notwendig sind - haben
gerade im Rahmen der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion auch
eine geld- bzw. währungspolitische Bedeutung.
Der Deutsche Bundestag erinnert die Staats- und Regierungschefs vor
diesem Hintergrund an ihre Beschlüsse zur Agenda 2000 auf dem
Europäischen Rat von Wien, mit denen diese sich darauf verständigt
haben, in Berlin die Agenda 2000 als Gesamtpaket zu verabschieden.
Insbesondere die in Wien von allen Mitgliedstaaten zugesicherte
Bereitschaft, durch Kompromisse an einer für alle tragfähigen Lösung
mitzuarbeiten, bleibt entscheidende Voraussetzung, um die politische
Einigung über die Agenda 2000 auf dem Berliner Gipfel zu erreichen.
Die Osterweiterung der EU voranbringen
Die Erweiterung der EU um mittel- und osteuropäische Staaten ist eine
große Chance für unseren Kontinent. Am Ende dieses Jahrhunderts
eröffnet sich die Möglichkeit, eine tragfähige Grundlage für einen
dauerhaften Frieden in Europa zu schaffen und Demokratie zu sichern.
Der Deutsche Bundestag betont den historisch einmaligen Charakter der
anstehenden Erweiterung, deren Herausforderungen weit größer sind als
bei früheren Erweiterungen. Er ist fest davon überzeugt, daß die
Osterweiterung mittelfristig auch die Möglichkeiten für Wachstum,
Beschäftigung und eine nachhaltige Entwicklung in Europa verbessert.
Die mittel- und osteuropäischen Länder stehen noch immer vor großen
Herausforderungen bei der Bewältigung des politischen, wirtschaftlichen
und sozialen Transformationsprozesses ihrer Länder. Das ungünstigere
weltwirtschaftliche Umfeld erschwert die Fortsetzung der notwendigen
Reformen. Die solidarische Unterstützung dieses
Transformationsprozesses durch die EU gewinnt deshalb zusätzlich an
Bedeutung. Dies gilt gerade auch für die Länder, die die Kopenhagener
Kriterien derzeit noch nicht erfüllen. Auch sie bedürfen
kontinuierlicher und nachhaltiger Unterstützung, damit sie den Aufbau
sozialer Marktwirtschaften und ziviler Gesellschaften zügig
voranbringen können.
Vor diesem Hintergrund begrüßt der Deutsche Bundestag den nunmehr
laufenden Beitritts- und Verhandlungsprozeß. Die Beitrittskandidaten
haben ermutigende Fortschritte auf dem Weg zur Mitgliedschaft in der EU
erzielt. Hierzu hat auch die auf dem Europäischen Rat in Luxemburg am
12./13. Dezember 1997 beschlossene intensivierte Heranführungsstrategie
wesentlich beigetragen. Die Beitrittspartnerschaften, die Teil dieser
Strategie sind, stellen einen geeigneten Rahmen dar, um den
unterschiedlichen Anforderungen der Beitrittskandidaten an die
Unterstützungsmaßnahmen der EU Rechnung zu tragen. Mit der Einigung
über die Finanzausstattung der Heranführungshilfen gibt es
Planungssicherheit für die Beitrittskandidaten.
Der Deutsche Bundestag stellt fest, daß die Integration der
Agrarsektoren zahlreicher Bewerberländer in die EU erhebliche
Anstrengungen erfordern wird. Er begrüßt deshalb ausdrücklich, daß die
Kommissionsvorschläge im Rahmen der Agenda 2000 Maßnahmen vorsehen, die
die Anpassung der Agrarsektoren in den Bewerberländern erleichtern. Die
Ausrichtung des strukturpolitischen Anpassungsinstrumentariums auf
Umwelt- und Verkehrsmaßnahmen bietet den mittel- und osteuropäischen
Bewerberstaaten die Möglichkeit, die nach wie vor großen Unterschiede
zur EU auf diesen Gebieten bereits im Vorfeld des Beitritts
schrittweise abzubauen.
Der Deutsche Bundestag stellt fest, daß das wirtschaftliche Gefälle
zwischen den Mitgliedstaaten der EU und den mittel- und osteuropäischen
Beitrittskandidaten nach wie vor hoch ist und sich deshalb die
Verhandlungen zur Freizügigkeit von Personen im Binnenmarkt nicht
einfach gestalten werden. Er unterstreicht gleichwohl seine
Bereitschaft, in diesen Fragen sowohl für die Mitgliedstaaten als auch
für die Beitrittskandidaten zu einer befriedigenden Lösung beizutragen.
In die Verkehrsinfrastruktur der Beitrittsländer müssen umfangreiche
Investitionen erfolgen, damit die volkswirtschaftlichen Vorteile der
Integration voll zum Tragen kommen. Grundsatz muß sein, daß der Ausbau
internationaler Verkehrsachsen zwischen den Mitgliedstaaten der EU und
den Beitrittskandidaten abgestimmt wird. Die Finanzierung wird auch
weiterhin grundsätzlich aus den nationalen Haushalten erfolgen. Für
eine Unterstützung durch die EU sind gemeinschaftlich vereinbarte
Programme erforderlich.
Der Deutsche Bundestag teilt die Auffassung der Europäischen
Kommission, daß das Gefälle bei Umweltstandards zwischen den
Mitgliedstaaten der EU und den mittel- und osteuropäischen
Beitrittskandidaten auch das Funktionieren des Binnenmarktes
beeinträchtigen kann. Er unterstützt deshalb die Forderung der
Kommission nach einer langfristigen Strategie der jeweiligen
Beitrittsländer zur Angleichung an die europäischen Umweltstandards,
die so weit wie eben möglich im Rahmen der Heranführungshilfen gezielt
finanziell unterstützt werden sollte.
Die finanziellen Lasten in der EU gerechter verteilen
Der Deutsche Bundestag stellt fest, daß die Bundesrepublik Deutschland
1997 in absoluten Zahlen größter und pro Kopf nach den Niederlanden
zweitgrößter Nettozahler der EU war. Die Bundesrepublik Deutschland
trug mit 10,94 Mrd. ECU knapp 62 % des rechnerischen Haushaltssaldos
der EU. Alle Mitgliedstaaten haben im Grundsatz anerkannt, daß dieser
hohe deutsche Anteil mit einer fairen Lastenverteilung zwischen den
Mitgliedstaaten nicht zu vereinbaren ist. Davon unberührt bleibt, daß
die Bundesrepublik Deutschland aufgrund ihrer Wirtschaftskraft auch
künftig größter Nettozahler unter den EU-Mitgliedstaaten bleiben wird.
Der Deutsche Bundestag ist der Auffassung, daß das rasche
Ausgabenwachstum des EU-Haushalts aufgrund der angespannten Lage der
nationalen Haushalte begrenzt werden muß. Der Deutsche Bundestag
unterstützt daher das Konzept der realen Konstanz des EU-Haushalts für
die Jahre 2000 bis 2006. Dieses Konzept stellt eine gute Grundlage für
den Gesamtrahmen der Finanzierung der EU dar. Es würde einen Beitrag
dazu leisten, die Zahlungen aus dem deutschen Bundeshaushalt in den EU-
Haushalt und den deutschen Nettobeitrag zu stabilisieren.
Darüber hinaus muß im Rahmen der Verhandlungen zur Agenda 2000 eine
gerechtere Verteilung der finanziellen Lasten unter den Mitgliedstaaten
erreicht werden. Die im Eigenmittelbericht der Europäischen Kommission
vom 7. Oktober 1998 enthaltenen Optionen zur künftigen Ausgestaltung
der Finanzierung der EU beinhalten dazu akzeptable Möglichkeiten, wie
z. B.
- die Reform des Beitragssystems durch den Ersatz von MwSt-
Eigenmitteln durch BSP-Eigenmittel, so daß die Zahlungen der
Mitgliedstaaten in den EU-Haushalt stärker an die wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit der Mitgliedstaaten geknüpft werden könnten. Der
Deutsche Bundestag ist überzeugt, daß sich damit ein höheres Maß an
Beitragsgerechtigkeit auf der Einnahmeseite des EU-Haushalts erreichen
ließe. Um unbillige Härten für Mitgliedstaaten zu vermeiden, die
deutlich höhere Zahlungen an den EU-Haushalt leisten müßten, könnte
eine schrittweise Umstellung des Systems vorgesehen werden;
- eine rechtliche Verpflichtung zur nationalen Kofinanzierung, die
die finanzielle Mitverantwortung der Mitgliedstaaten für die Gemeinsame
Agrarpolitik stärken kann. Die Kofinanzierung kann zudem einen
spürbaren Beitrag zu einer gerechteren Verteilung der finanziellen
Lasten leisten. Dies setzt Kompromißbereitschaft insbesondere bei den
Mitgliedstaaten mit vergleichsweise großem Agrarsektor voraus. Der
Deutsche Bundestag legt Wert auf die Feststellung, daß mit einer
Kofinanzierung von Direktbeihilfen im Rahmen der Gemeinsamen
Agrarpolitik keine Renationalisierung der GAP verbunden ist;
- die Einführung eines allgemeinen Korrekturmechanismus, der der
Entstehung übermäßiger Nettobeiträge einzelner Mitgliedstaaten
vorbeugt. Mit einem solchen Korrekturmechanismus würde zudem eine
geeignete Basis für Zugeständnisse Großbritanniens hinsichtlich seines
Haushaltsrabatts geschaffen.
Eine akzeptable Lösung für eine gerechtere Lastenverteilung ist nach
Auffassung des Deutschen Bundestages am ehesten durch eine Kombination
einiger dieser Optionen zu erreichen, da so nachteilige Auswirkungen
auf einzelne Mitgliedstaaten minimiert werden könnten.
Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) grundlegend reformieren
Der Deutsche Bundestag ist der Auffassung, daß durch die Reform der GAP
die europäische Landwirtschaft wettbewerbsfähiger und
umweltverträglicher werden muß. Der Deutsche Bundestag hält folgende
Ziele für besonders wichtig:
- die Stärkung der Markt- und Wettbewerbsorientierung der Land- und
Ernährungswirtschaft, insbesondere im EU-Binnenmarkt,
- die stärkere Ausrichtung der für die GAP bereitgestellten Mittel
an ökologischen und beschäftigungspolitischen Zielen,
- die Verbesserung des Verbraucher-, Natur-, Umwelt- und
Tierschutzes,
- die Stärkung der Wirtschafts- und Einkommenskraft in den
ländlichen Räumen sowie die Sicherung der flächendeckenden
Landbewirtschaftung.
Der Deutsche Bundestag begrüßt den Ansatz im Gesamtkompromiß des
Agrarrates vom 11. März 1999, die Intervention schrittweise dem
Marktniveau anzugleichen und Einkommensverluste durch direkte Beihilfen
an die Landwirte selbst aufzufangen. Mit diesem Reformschritt kann die
EU ihre Ausgangsposition für die bevorstehenden WTO-Verhandlungen,
insbesondere gegenüber den USA, erheblich verbessern. Zudem können so
die Marktorientierung und die Wettbewerbsfähigkeit sowie die
ökologische Umorientierung der Landwirtschaft gestärkt werden. Nicht
zuletzt deshalb ergeben sich aus dieser Reform neue Export- und damit
Einkommenschancen für die europäische Landwirtschaft. Dabei ist aber
darauf zu achten, daß die Agrarexporte der EU die Funktionsfähigkeit
lokaler Märkte in den Entwicklungsländern nicht gefährden.
Auch in der GAP kommen künftig Haushaltsdisziplin und eine faire
Verteilung der Lasten deutlich stärker zur Geltung. Dazu ist auch
wichtig, daß eine finanzielle Obergrenze für die Agrarausgaben im EU-
Haushalt beschlossen wird, um die erforderliche Haushaltsdisziplin auch
bei der GAP bis 2006 dauerhaft zu sichern.
Die GAP-Reform muß zudem die ländlichen Räume stärken. Auf der Basis
integrierter Programme zur Regionalentwicklung müssen Maßnahmen zur
Förderung einer nachhaltigen Landwirtschaft sowie Fördermaßnahmen aller
für die Regionalentwicklung relevanten strukturwirksamen
Politikbereiche zur Erreichung dieses Ziels beitragen.
Die europäischen Strukturfonds weiterentwickeln
Der Deutsche Bundestag unterstützt, daß die europäischen Strukturfonds
auch während der neuen Förderperiode der Jahre 2000 bis 2006 aus den
bisherigen vier Strukturfonds gebildet werden sollen: dem Europäischen
Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), dem Europäischen Sozialfonds
(ESF), dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL),
Abteilung Ausrichtung sowie dem Finanzierungsinstrument für die
Ausrichtung der Fischerei (FIAF). Die Ziele der europäischen
Strukturpolitik sollten von bisher sieben auf künftig drei Ziele
konzentriert werden. Wichtig ist, daß das Partnerschaftsprinzip durch
die Reform gestärkt wird.
Der Deutsche Bundestag unterstreicht, daß bei der Reform der
Strukturfonds die neuen Bestimmungen des Amsterdamer Vertrags
berücksichtigt werden müssen. Dazu gehört, daß die europäische
Beschäftigungsstrategie mit der Strukturfondsförderung verknüpft wird.
Die Förderung innovativer und investiver Maßnahmen zur Schaffung neuer
und Sicherung vorhandener Arbeitsplätze muß dabei neben der
Konzentration auf das arbeitsmarktpolitische Instrumentarium im
Vordergrund stehen.
Bei der Reform der Strukturfonds sind auch die Belange des
Umweltschutzes gemäß der vertraglichen Regelungen konsequent zu
beachten. Die Strukturfonds sollten deshalb Initiativen zur Förderung
und Entwicklung des produkt- und produktionsorientierten Umweltschutzes
unterstützen. Um zukunftsfähige Arbeitsplätze zu schaffen, müssen die
Strukturfonds eine Politik der ökologischen Modernisierung
unterstützen, ihren Beitrag zur Forschung und Entwicklung neuer
Technologien verstärken und den Auf- bzw. Ausbau einer modernen
Infrastruktur fördern.
Die europäischen Strukturfonds müssen auch dem Prinzip der
Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen stärker als in der
Vergangenheit Rechnung tragen, indem die Teilnahme von Frauen am
Arbeitsmarkt und deren Weiterqualifikation als wichtiges Ziel im Rahmen
der Strukturfondsförderung festgeschrieben wird. Zudem müssen
ausreichende Mittel für dieses Ziel bereitgestellt werden. Damit können
die europäischen Strukturfonds einen Beitrag für den beruflichen
Aufstieg und den Zugang zu neuen Berufsfeldern von und zur
Unternehmensgründung durch Frauen leisten.
Gegenwärtig leben rd. 52 % der EU-Bevölkerung in Fördergebieten des
Europäischen Regionalfonds. Dieser Anteil muß deutlich reduziert
werden, wenn die Strukturfondsmittel wirklich effizient eingesetzt
werden sollen. Darüber hinaus sollte die Förderung erheblich
vereinfacht und stärker dezentralisiert werden. Dazu zählt auch die
deutliche Verringerung der Zahl der Gemeinschaftsinitiativen, die eine
erhebliche Verwaltungsvereinfachung mit sich bringen würde.
Angesichts der angespannten Haushaltslage in allen Mitgliedstaaten ist
die Stabilisierung der Mittelausstattung auch bei den Strukturfonds
unverzichtbar. Der von der Europäischen Kommission vorgeschlagene
Gesamtbetrag für die neue Förderperiode in Höhe von 240 Mrd. Euro für
die bisherigen Mitgliedstaaten der EU bedeutet eine reale Steigerung
der Ausgaben um 15 %, mit der die Obergrenze der Strukturfonds in Höhe
von 0,46 % des EU-BSP voll ausgeschöpft werden würde. Dieser
Gesamtbetrag steht nicht mit dem Ziel der Haushaltsdisziplin auf
europäischer Ebene in Einklang. Der Deutsche Bundestag unterstützt
deshalb nachdrücklich, daß die Strukturfonds ab 1999 auch der realen
Haushaltskonstanz unterworfen werden sollen.
Der Deutsche Bundestag stimmt dem Vorschlag der Europäischen Kommission
zu, nur Regionen in das neue Ziel-1-Fördergebiet aufzunehmen, deren
regionales BIP unter 75 % des EU-Durchschnitts liegt. Damit gehören in
Deutschland die Länder Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-
Anhalt, Thüringen und Sachsen auch weiterhin zu den prioritären
Fördergebieten der EU. Wichtig ist, daß auch in Berlin aufgrund der
gravierenden Arbeitsmarktprobleme künftig Mittel der Strukturfonds
eingesetzt werden können. Der Deutsche Bundestag begrüßt, daß auch
künftig rd. zwei Drittel der gesamten Strukturfondsmittel auf die Ziel-
1-Fördergebiete konzentriert werden sollen. Die Aufteilung dieser
Mittel auf die verschiedenen Ziel-1-Regionen der Mitgliedstaaten sollte
soweit wie möglich nach regionalem und nicht nach nationalem Wohlstand
erfolgen. Damit ließe sich eine gerechtere Pro-Kopf-Mittelverteilung in
den verschiedenen Ziel-1-Fördergebieten erreichen. Zudem würde sich
damit auch die deutsche Rückflußquote bei den Strukturfonds erhöhen.
Die Vorschläge der Kommission für die Ziel-2-Fördergebiete stellen
einen tiefen Einschnitt in die europäische Strukturfondsförderung in
Westdeutschland dar. Der Deutsche Bundestag hält die dazu von den
deutschen Bundesländern erhobenen Bedenken und Sorgen für verständlich.
Vor diesem Hintergrund sollte den Mitgliedstaaten bei der Auswahl ihrer
Zielgebiete eine größere Flexibilität eingeräumt werden, als sie die
Kommission bislang vorsieht. Auch künftig müssen die EU-Strukturfonds
einen besonderen Beitrag zur Flankierung sektoraler Krisen, z. B. zur
Bewältigung des Strukturwandels in der Montanindustrie, leisten.
Darüber hinaus sollten die Handlungsmöglichkeiten von Bund und Ländern
zumindest in der nationalen Regionalpolitik durch die Europäische
Kommission nicht weiter beschränkt werden. Nach der geographischen
Konzentration der Regionalförderung auf EU-Ebene muß den
Mitgliedstaaten selbst ein ausreichender Handlungsspielraum verbleiben,
um strukturschwache Regionen bei der Bewältigung des Strukturwandels
wirksam unterstützen zu können.
Der Deutsche Bundestag unterstützt den Vorschlag der Europäischen
Kommission, daß im Rahmen der Strukturfonds künftig nur ein Förderziel
zur Entwicklung der Humanressourcen vorgesehen ist. Die Europäische
Kommission hat allerdings für die Förderung nach Ziel-3 sehr breite
Fördertatbestände vorgeschlagen. Der Deutsche Bundestag sieht deshalb
die Gefahr, daß bei der Durchführung der Förderung die Bekämpfung der
Arbeitslosigkeit nicht ausreichend berücksichtigt wird. Dies sollte
aber aus Sicht des Deutschen Bundestages Vorrang haben, um eine enge
Verbindung zwischen europäischem Beschäftigungspakt und den
Strukturfonds zu erreichen.
Der Deutsche Bundestag erkennt die Notwendigkeit an, den aus der
Strukturfondsförderung ausscheidenden Regionen Übergangshilfen zu
gewähren. Er fordert die Bundesregierung aber auf, sich dafür
einzusetzen, daß das von der Europäischen Kommission für diese Hilfen
vorgesehene Mittelvolumen reduziert wird.
Der Deutsche Bundestag nimmt den Vorschlag der Europäischen Kommission
zur Kenntnis, den Kohäsionsfonds in seiner bisherigen Form im Grundsatz
beizubehalten. Er weist darauf hin, daß die Aufnahme von Portugal,
Spanien und Irland in die Wirtschafts- und Währungsunion zeigt, daß
diese Mitgliedstaaten den wirtschaftlichen Aufholprozeß schon zu einem
großen Teil erfolgreich zurückgelegt haben. Dies bedeutet, daß diese
Länder nicht auf Dauer aus dem Kohäsionsfonds gefördert werden können.
Die transeuropäischen Netze ausbauen
Der Deutsche Bundestag unterstreicht die Bedeutung der
transeuropäischen Netze für die europäische Integration. Bei dem Auf-
bzw. Ausbau der transeuropäischen Netze sind die ökologischen
Erfordernisse konsequent zu berücksichtigen. Die Entwicklung neuer
Finanzierungsmodelle wie öffentlich-private Partnerschaften sollte
stärker als bisher genutzt werden. Solche Finanzierungsmodelle sollten
dort dann zum Einsatz kommen, wenn die öffentlichen Haushalte auch
tatsächlich dauerhaft von finanziellen Folgekosten entlastet werden.
Die Finanzierung der transeuropäischen Netze darf allerdings nicht zu
zusätzlichen Belastungen im Rahmen des EU-Haushalts für die
Bundesrepublik Deutschland führen.
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. zusammen mit den übrigen Mitgliedstaaten die Agenda 2000 auf dem
Sondergipfel in Berlin am 24./25. März 1999 zu verabschieden;
2. dafür einzutreten, daß bis zum Jahre 2006 die bisherige Obergrenze
der Eigenmittel des EU-Haushalts in Höhe von 1,27 % des BSP
festgeschrieben wird und diese Obergrenze wie bisher nicht ausgeschöpft
werden sollte. Darüber hinaus müssen die Ausgaben des EU-Haushalts auf
der Basis des Konzeptes der realen Konstanz stabilisiert und im Rahmen
der Kompromißfindung zur Agenda 2000 die Voraussetzungen für eine
zukünftig gerechtere Verteilung der finanziellen Lasten unter den
Mitgliedstaaten geschaffen werden;
3. eine Begrenzung des Ausgabenwachstums der Gemeinsamen Agrarpolitik
zu erreichen und eine grundlegende Reform der GAP zu unterstützen, die
die ökologische Ausrichtung der europäischen Landwirtschaft stärkt und
die Kompatibilität mit den WTO-Regeln verbessert. Die Staats- und
Regierungschefs sollen auf der Basis der Ergebnisse des Agrarrates die
jährliche Ausgabenobergrenze für die Gemeinsame Agrarpolitik von 2000
bis 2006 festlegen. Darüber hinaus bittet der Deutsche Bundestag die
Bundesregierung an, dem Agrarkompromiß vom 11. März 1999 festzuhalten,
der vorsieht, daß
O die gemeinsame Marktordnung für Rindfleisch grundlegend reformiert
wird, um eine stärkere Marktorientierung und größere
Prämiengerechtigkeit zu erreichen,
O die Flächenbindung der Milchquoten aufgehoben wird, damit in
Deutschland eine Regelung zur Stärkung der aktiven Milcherzeuger
durchgesetzt werden kann,
O bei der Prämiengestaltung für Rindfleisch und Milch im Rahmen
nationaler Plafonds der Einstieg in eine Grünlandprämie ermöglicht
wird,
O bei Ackerkulturen die Flächenstillegung als mengenbegrenzende
Maßnahme beibehalten wird,
O die besonderen Belange der neuen Länder angemessen berücksichtigt
und eine einseitige Belastung vermieden werden sowie
O die Zahl der Arbeitskräfte als Bemessungsgrundlage zur
Agrarförderung mit herangezogen werden kann;
4. sich dafür einzusetzen, daß die Mittelausstattung der europäischen
Strukturfonds für die Jahre 2000 bis 2006 auf der Basis des Konzepts
der realen Konstanz ermittelt wird. In das Ziel-1-Fördergebiet dürfen
nur Regionen aufgenommen werden, deren BIP unter 75 % des EU-
Durchschnitts liegt. Zudem sollte die Bundesregierung in den
Verhandlungen sicherstellen, daß in Berlin auch in der neuen
Förderperiode Mittel der Strukturfonds in angemessenem Umfang
eingesetzt werden können und die Mitgliedstaaten zudem mehr
Flexibilität bei der Fördergebietsauswahl nach Ziel-2 erhalten. Sie
sollte dafür Sorge tragen, daß die Handlungsmöglichkeiten von Bund und
Ländern zumindest in der nationalen Regionalpolitik durch die
Europäische Kommission nicht weiter beschränkt werden. Die Belange des
Umweltschutzes und der Gleichstellung von Frauen und Männern müssen im
Rahmen der Strukturpolitik künftig stärker berücksichtigt werden;
5. dafür zu sorgen, daß die für die Heranführungsstrategie der
Beitrittskandidaten zur Verfügung stehenden Mittel so effizient wie
möglich eingesetzt werden, damit sie einen größtmöglichen Nutzen für
die Beitrittskandidaten mit Blick auf einen zügigen Beitritt zur EU
entfalten. Der Deutsche Bundestag hält es deshalb für richtig, das
strukturpolitische Instrument für die Beitrittsvorbereitungen in enger
Anlehnung an den Kohäsionsfonds auszugestalten und auf die Förderung
von Maßnahmen im Umwelt- und Verkehrsbereich zu konzentrieren. Zudem
müssen die Maßnahmen zur Anpassung der Agrarsektoren in den
Bewerberländern so ausgestaltet werden, daß der Strukturwandel
insbesondere in den ländlichen Regionen der Bewerberstaaten wirksam
flankiert wird und möglichst viele neue Arbeitsplätze außerhalb der
Landwirtschaft in diesen Regionen geschaffen werden;
6. sich im Rahmen der Heranführungsstrategie auch für die Förderung
der grenzüberschreitenden Kooperation an den Ostgrenzen der
Beitrittskandidaten der ersten Verhandlungsrunde einzusetzen. Dazu
gehören insbesondere die partnerschaftliche Ausgestaltung der EUREGIOS
und eine engere Zusammenarbeit bei den Grenzregimen;
7. sich dafür einzusetzen, daß die Öffnung der Verkehrsmärkte zu den
neuen Mitgliedstaaten im Einklang mit einer Harmonisierung der
entsprechenden Wettbewerbsbedingungen vollzogen wird und im Rahmen der
Heranführungsstrategie Investitionen in eine umweltgerechte
Verkehrsinfrastruktur besonders gefördert werden;
8. im Rahmen realer Konstanz des EU-Haushalts die Mittel für
Bildungs- und Forschungsprogramme verstärkt werden.
Bonn, den 16. März 1999
Dr. Norbert Wieczorek
Günter Gloser
Marianne Klappert
Dr. Jürgen Meyer (Ulm)
Hans-Werner Bertl
Hans Büttner (Ingolstadt)
Gernot Erler
Rainer Fornahl
Lilo Friedrich (Mettmann)
Monika Heubaum
Uwe Hiksch
Gerd Höfer
Helga Kühn-Mengel
Detlev von Larcher
Winfried Mante
Christoph Matschie
Ingrid Matthäus-Maier
Markus Meckel
Dietmar Nietan
Günter Oesinghaus
Eckhard Ohl
Holger Ortel
Karin Rehbock-Zureich
Michael Roth (Heringen)
Dr. Hermann Scheer
Dieter Schloten
Wilhelm Schmidt (Salzgitter)
Reinhard Schultz (Everswinkel)
Hedi Wegener
Gert Weisskirchen (Wiesloch)
Lydia Westrich
Dr. Wolfgang Wodarg
Dr. Peter Struck und Fraktion
Christian Sterzing
Ulrike Höfken
Claudia Roth (Augsburg)
Dr. Helmut Lippelt
Monika Knoche
Klaus Wolfgang Müller (Kiel)
Kerstin Müller (Köln),
Rezzo Schlauch und Fraktion

16.03.1999 nnnn

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