BT-Drucksache 14/5322

zu dem Dritten Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland: Alter und Gesellschaft und Stellungnahme der Bundesregierung -14/5130-

Vom 14. Februar 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/5322
14. Wahlperiode 14. 02. 2001

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Christa Lörcher, Arne Fuhrmann, Christel Humme,
Dr. Hans-Peter Bartels, Anni Brandt-Elsweier, Dieter Dzewas, Hans Forster,
Renate Gradistanac, Kerstin Griese, Christel Hanewinckel, Monika Heubaum,
Christine Lehder, Günter Oesinghaus, Wilhelm Schmidt (Salzgitter),
Dr. Angelica Schwall-Düren, Rolf Stöckel, Hildegard Wester, Hanna Wolf
(München), Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Christian Simmert,
Volker Beck (Köln), Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
– Drucksache 14/5130 –

Dritter Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik
Deutschland: Alter und Gesellschaft und Stellungnahme der Bundesregierung

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Dritte Bericht zur Lage der älteren Generation beschreibt umfassend die
Lebenssituation der älteren Menschen in der Bundesrepublik Deutschland. Er
zieht eine Bilanz des ersten Jahrzehnts nach Vollendung der deutschen Einheit
und entwickelt Zukunftsperspektiven für die Seniorenpolitik des 21. Jahrhun-
derts.

Der Bericht zeichnet ein differenziertes und realistisches Bild des Alters in un-
serer Gesellschaft. Ältere Menschen unterscheiden sich in ihrer körperlichen
und seelisch-geistigen Leistungsfähigkeit, in ihren Interessen und in der Gestal-
tung ihres Alltags. Zentrale Bedeutung für die Qualität des Lebens im Alter und
die Teilhabe älterer Menschen am gesellschaftlichen Leben besitzt die Frage
nach den persönlichen Fähigkeiten einerseits und der gesellschaftlichen Unter-
stützung andererseits oder – wie es die Sachverständigenkommission zur Er-
stellung des 3. Altenberichts formuliert hat – den „individuellen und gesell-
schaftlichen Ressourcen“, die älteren Menschen zur Verfügung stehen.

Nach Erkenntnissen des Sachverständigenberichts „Alter und Gesellschaft“
sind 80 % der Menschen im Alter von 70 Jahren oder älter zu einer weitgehend
selbständigen Lebensführung in der Lage. Der größte Teil der älteren Bevölke-
rung lebt die ersten 15 bis 20 Jahre nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben
unabhängig von Hilfe und Pflege. Durch diese guten Voraussetzungen engagie-

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ren sich ältere Menschen vielfältig in ihrem familiären Umfeld oder in Kommu-
nen, Vereinen und in ihrer Nachbarschaft. So profitiert die Gesellschaft in
hohem Maß von dem Erfahrungswissen und den Fähigkeiten älterer Menschen.

Andererseits zeigt der Bericht ebenfalls, dass ältere Menschen unterschiedliche
Formen gesellschaftlicher Unterstützung benötigen. Anforderungen erwachsen
insbesondere an die soziale Sicherung und an die medizinischen Versorgungs-
systeme. Im hohen Lebensalter steigen die Risiken chronischer Erkrankungen,
der Multimorbidität sowie der Hilfe- und Pflegebedürftigkeit spürbar an. Es ist
zu begrüßen, dass sich der Vierte Bericht zur Lage der älteren Generation mit
dem Thema „Chancen und Risiken der Hochaltrigkeit unter besonderer Berück-
sichtigung von Demenz – eine Herausforderung an Politik, Wissenschaft und
Gesellschaft“ speziell mit der Situation der Hochaltrigen und der an einer
Demenz Erkrankten befassen wird.

Die demografische Entwicklung erfordert einen wachsenden Bedarf an quali-
fizierten Pflegekräften, genügend Ausbildungsplätze und Weiterbildungsmög-
lichkeiten sowie eine Stärkung der Pflegewissenschaft.

II. Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

ihre Politik für ältere Menschen konsequent fortzusetzen, die darauf abzielt, so-
wohl die Rahmenbedingungen für ein aktives Altern mitten in der Gesellschaft
zu stärken als auch den Schutz und die Hilfe für diejenigen zu verbessern, die
hierauf insbesondere bei Krankheit und Pflegebedürftigkeit angewiesen sind.
Dazu gehört es, den 1998 in der Altenhilfe vorgefundenen Reformstau gesetz-
geberisch weiter konsequent abzubauen wie auch auf dem Wege der Alten-
berichterstattung und durch geeignete Forschungs- und Modellmaßnahmen die
theoretischen und praktischen Grundlagen für seniorenpolitisches Handeln auf
Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene weiter zu verbessern.

Im Einzelnen wird die Bundesregierung aufgefordert, weiterhin in jeder Legis-
laturperiode einen Altenbericht vorzulegen, und zwar abwechselnd einen um-
fassenden Bericht über die Lage der älteren Menschen in der Bundesrepublik
Deutschland und einen Schwerpunktbericht zu einem aktuellen Thema. In der
15. Legislaturperiode soll mit einem Schwerpunktbericht begonnen werden.

Darüber hinaus hält es der Deutsche Bundestag für erforderlich, dass die Bun-
desregierung vor allem angesichts der demografischen Veränderungen in unserer
Gesellschaft

– dem Miteinander wie dem Ausgleich der Generationen und der Geschlechter
dauerhaft besondere Aufmerksamkeit widmet; die Verantwortung für das
soziale Miteinander muss – in der Ehrenamts- und Freiwilligenarbeit ebenso
wie bei der Pflege – zukünftig stärker bei beiden Geschlechtern, also bei
Männern und Frauen, gleichermaßen liegen,

– weitere Initiativen, wie z. B. bereits mit dem Modellprogramm „Erfahrungs-
wissen für Initiativen“ begonnen, ergreift, die es älteren Menschen erleich-
tern, ihre im Lebensverlauf erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten in die
Gesellschaft einzubringen und an jüngere Menschen weiter zu vermitteln,

– die Grundlagen für die bundesweite Selbstorganisation älterer Menschen mit
dem Ziel erweitert, deren gesellschaftliche Partizipation u. a. durch den Aus-
bau geeigneter, auch geschlechtsspezifischer Bildungsangebote zu verbes-
sern,

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/5322

– Projekte der Alternsforschung weiter verfolgt bzw. neu initiiert. Dies gilt
z. B. für die Themenbereiche der intergenerativen Beziehungen, der sich
verändernden Lebens- und Haushaltsformen künftiger Altengenerationen,
der Möglichkeiten und Grenzen selbständiger Lebensführung älterer pflege-
bedürftiger Menschen, der besseren Nutzung der modernen Technik für das
Leben im Alter, der Gewalt gegen ältere Menschen (vor allem in Pflegesitu-
ationen), der demenziellen Erkrankungen sowie der interkulturellen Erfor-
dernisse in unserer sich verändernden Gesellschaft,

– die den heutigen Wohnbedürfnissen nicht mehr entsprechende Heimmin-
destbauverordnung überarbeitet,

– die Ergebnisse des Modellprogramms „Altenhilfestrukturen der Zukunft“
nutzt, um darauf hinzuwirken, dass die Koordination, Kooperation und Ver-
netzung vorhandener Hilfsangebote für ältere Menschen verbessert und
strukturelle Defizite des Altenhilfesystems behoben werden,

– die Einführung von rationalen und allgemein anerkannten Verfahren für die
Bemessung von Leistungen und Personal in der Pflege (wie z. B. das Perso-
nalbemessungsverfahren PLAISIR) durch weitere Erprobung fördert und
auf die Umsetzung in der Praxis hinwirkt,

– darauf hin wirkt, dass die geriatrische Versorgung im ambulanten Bereich,
z. B. durch frühzeitige Erkennung geriatrischer Risikofaktoren bei Männern
und Frauen sowie durch berufsbegleitende geriatrische Qualifizierung von
Hausärzten, verbessert wird,

– eine Aufklärungskampagne zu Demenzerkrankungen und möglichen Hilfe-
angeboten mit dem Ziel durchführt, die Basiskompetenz einer breiten Bevöl-
kerung im Umgang mit Betroffenen und die Sensibilität für die Situation der
Angehörigen zu stärken. Dazu sollten u. a. Forschungs- und Projektergeb-
nisse gebündelt und allgemeinverständlich aufbereitet werden,

– den Ausbau und die Stärkung hospizlich geprägter Sterbebegleitung, beson-
ders im ambulanten Bereich, unterstützt und prüft, ob gesetzliche Regelun-
gen erforderlich sind.

III. Der Bundestag appelliert an die Bundesländer und die Kommunen,

– bei der Ausgestaltung der örtlichen Infrastruktur auf die spezifischen Versor-
gungsbedürfnisse älterer Menschen mit wachsenden Mobilitätseinschrän-
kungen besonders zu achten. Dies gilt vor allem für die ortsnahe medizini-
sche und pflegerische Infrastruktur, das Angebot an Waren und Diensten für
den täglichen Bedarf wie auch für den öffentlichen Personennahverkehr,

– das Netz an Wohnberatungsstellen für ältere Menschen unter Nutzung der
Erkenntnisse des Bundesmodellprogramms „Selbstbestimmt wohnen im
Alter“ dichter zu knüpfen und weitere Anstrengungen zu unternehmen, um
eine verlässliche Finanzierung der Wohnberatung sicherzustellen,

– die Erprobung neuer, bedarfsgerechter Wohnformen für ältere, besonders
auch für behinderte oder pflegebedürftige alte Menschen zu unterstützen;
hierzu gehören auch Konzepte des Mehr-Generationen-Wohnens.

IV. Der Bundestag regt an,

– dass die Sozialpartner angesichts des demografischen Wandels eine stärker
altersintegrative Tarifpolitik verfolgen, um die Beschäftigungschancen älte-
rer, erfahrener Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu verbessern,

Drucksache 14/5322 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
– dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber aus Gründen der wirtschaftlichen
Vernunft wie der sozialen Verantwortung durch Förderung einer zukunfts-
orientierten betrieblichen Personalpolitik Vorkehrungen dafür treffen, auch
neue Produktions- und Dienstleistungskonzepte sowie neue technologische
Herausforderungen mit einer älteren Erwerbsbevölkerung bewältigen zu
können. Dazu ist es unerlässlich, auch ältere Beschäftigte systematisch in
die berufliche Fort- und Weiterbildung einzubeziehen und so „lebensbeglei-
tendes Lernen“ zu verwirklichen.

Berlin, den 14. Februar 2001

Dr. Peter Struck und Fraktion
Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und Fraktion

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