BT-Drucksache 14/5294

Politische Entwicklung in Guatemala

Vom 6. Februar 2001


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

5294

14. Wahlperiode

06. 02. 2001

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Hermann Gröhe, Monika Brudlewsky, Dr. Heiner Geißler,
Dr. Christian Schwarz-Schilling, Aribert Wolf, Dr. Norbert Blüm, Dr. Wolfgang
Bötsch, Rainer Eppelmann, Dr. Karl-Heinz Hornhues, Hubert Hüppe,
Ruprecht Polenz, Erika Reinhardt, Hans-Peter Repnik, Dr. Wolfgang Schäuble,
Dr. Andreas Schockenhoff, Dr. Erika Schuchardt, Clemens Schwalbe,
Dr. Rita Süssmuth, Dr. Hans-Peter Uhl und der Fraktion der CDU/CSU

Politische Entwicklung in Guatemala

Die politische Lage in Guatemala hat sich seit dem Beginn des Demokratisie-
rungsprozesses in den achtziger Jahren sukzessive verbessert. Doch auch vier
Jahre nach dem Abschluss des Friedensvertrags vom 29. Dezember 1996 und
zwei Jahre nach der Vorlage des Berichts der „Kommission zur Aufklärung der
Vergangenheit“ unter Vorsitz des deutschen Staats- und Völkerrechtlers Prof.
Dr. Christian Tomuschat am 25. Februar 1999 finden immer noch schwere Men-
schenrechtsverletzungen statt. Das Scheitern eines Gesetzesvorschlags, eine
Kommission zur Durchsetzung der Empfehlungen dieser Wahrheitskommission
einzusetzen, scheint im Interesse der Regierungspartei FRG (Frente Republicano
Guatemalteco) zu liegen, deren Parteigründer und nach wie vor sehr einflussrei-
cher Politiker der ehemalige Militärherrscher General Efraín Ríos Montt ist.
Die juristische Aufarbeitung der Vergangenheit, der systematischen Menschen-
rechtsverletzungen unter der jahrzehntelangen Militärherrschaft und des über
drei Jahrzehnte anhaltenden Bürgerkriegs, dem ungefähr 200 000 Menschen
zum Opfer gefallen sind, ist bislang nicht geschehen. Der anhaltend starke politi-
sche Einfluss der Streitkräfte verhindert eine Aufklärung der meist von den re-
gulären Streitkräften und ihren paramilitärischen Handlangern begangenen
Greueltaten während des Bürgerkriegs.

Der Bericht der Wahrheitskommission bestätigt, dass die regulären Streitkräfte
während des Konflikts zahlreiche „Massaker“ an Zivilisten verübt hatten. Die
Mehrzahl der Opfer waren indigene Kleinbauern und ihre Familien. Explizit
spricht der Kommissionsvorsitzende davon, dass zu gewissen Zeiten in bestimm-
ten Regionen an einzelnen Maya-Gruppen Völkermord begangen worden sei.

Eklatantes Beispiel für die unzureichend arbeitende Justiz ist der Mord an dem
Leiter der kirchlichen Wahrheitskommission und des Menschenrechtsbüros des
Erzbischofs von Guatemala im April 1998. Der Mord, der zwei Tage nach der
Veröffentlichung einer unter seiner Ägide erstellten Studie zur Wiedergewin-
nung der Historischen Wahrheit über den Bürgerkrieg begangen wurde, ist nach
wie vor nicht aufgeklärt. Personen, die mit der Untersuchung dieses Mordes be-
fasst waren, wurde selbst mit Mord gedroht, u. a. auch Mitarbeitern des erzbi-
schöflichen Menschenrechtsbüros, zwei Richtern und einem Staatsanwalt, die
sich daraufhin gezwungen sahen, ihr Land zu verlassen und im Ausland um
Schutz nachzusuchen. Auch in anderen Prozessen waren Überlebende, Zeugen
sowie im Justizwesen tätige Personen Einschüchterungsversuchen und Todes-
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drohungen ausgesetzt. Laut Einschätzung des Zeitungsverbandes World Asso-
ciation of Newspapers gehört Guatemala zu den Ländern, in denen die Presse-
freiheit bedroht ist.

Der von der Regierung zugesagte Reinigungs- und Erneuerungsprozess bei Si-
cherheitskräften und militärischen Streitkräften wurde bislang nicht ernsthaft in
die Wege geleitet. Im Gegenteil ist eine Remilitarisierung der inneren Sicher-
heit zu beobachten. Behauptungen der Regierung, Menschenrechtler seien an
einer Kampagne zur Destabilisierung der Landes beteiligt, lassen vielmehr be-
fürchten, dass sich diese engagierten Bürger in Gefahr befinden. Immer wieder
wird auch nach wie vor von Fällen von „Verschwindenlassen“ unliebsamer Per-
sonen berichtet, wie beispielsweise einer Universitätsdozentin im April 2000,
die aktives Mitglied von Frauenorganisationen war und vor einigen Jahren an
der Erstellung eines Berichts über illegale Adoptionen mitwirkte.

Besorgniserregend ist insbesondere die Situation der Kinder und Jugendlichen
in Guatemala. Trotz internationaler Kritik hat die Regierung Guatemalas noch
kein Gesetz zum Kinderschutz verabschiedet. Es fehlt immer noch eine Rege-
lung der Adoptionen, die angesichts des wachsenden Geschäfts mit illegalen
Adoptionen unbedingt und dringend erforderlich ist.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Bilanz zieht die Bundesregierung zum zweiten Jahrestag der Vorlage
des Berichts der Wahrheitskommission für Guatemala?

2. Mit welchen Maßnahmen unterstützt die Bundesregierung den Demokrati-
sierungsprozess in Guatemala?

Welche Projekte werden auf welche Weise gefördert?

Ist die Bundesregierung bereit, die Förderung des erzbischöflichen Men-
schenrechtsbüros in Guatemala über dieses Jahr hinaus fortzusetzen?

3. Welche Chancen räumt die Bundesregierung der dringend notwendigen Re-
form des guatemaltekischen Justizwesens ein und wie kann diese durch die
Bundesregierung selbst unterstützt werden?

4. Welche Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung über den Einfluss der gua-
temaltekischen Streitkräfte auf die Politik und wie bewertet sie diesen?

5. Unterstützt die Bundesregierung die spanische Justiz bei ihren Ermittlungen
gegen hohe guatemaltekische Militärs und Politiker?

Wenn ja, in welcher Weise?

6. Wie bewertet die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Vorwürfe
des Völkermords an indigenen Gemeinschaften gegen guatemaltekische
Militärs und Politiker?

7. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, insbesondere die Lage der
Kinder zu verbessern, illegale Adoptionen zu verhindern sowie Kinderpros-
titution und Kinderhandel zu unterbinden?

8. Wie bewertet die Bundesregierung die Aussage des Lateinamerikanischen
Instituts für Verbrechensverhütung, das Gewalt gegen Frauen als ein gravie-
rendes Problem in Guatemala bezeichnet?

Berlin, den 6. Februar 2001

Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

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