BT-Drucksache 14/5286

Stand der Entwicklung der Nanotechnik in Deutschland

Vom 7. Februar 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/5286
14. Wahlperiode 07. 02. 2001

Kleine Anfrage
der Abgeordneten der Abgeordneten Ulrike Flach, Cornelia Pieper,
Birgit Homburger, Horst Friedrich (Bayreuth), Hildebrecht Braun (Augsburg),
Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Jörg van Essen, Paul K. Friedhoff,
Dr. Karlheinz Guttmacher, Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Walter Hirche,
Dr. Werner Hoyer, Ulrich Irmer, Dr. Heinrich L. Kolb, Jürgen Koppelin, Dirk Niebel,
Detlef Parr, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Dr. Irmgard Schwaetzer, Marita Sehn,
Dr. Hermann Otto Solms, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Wolfgang Gerhardt und der
Fraktion der F.D.P.

Stand und Entwicklung der Nanotechnologie in Deutschland

Mit dem Begriff „Nanotechnologie“ werden Forschungs- und Entwicklungsar-
beiten bezeichnet, deren Ziel die Herstellung von funktionalen Elementen ist,
die nur wenige milliardstel Meter groß sind (Nanometer). Die daraus resultie-
renden Materialien und Bauteile könnten gänzlich neue Eigenschaften aufwei-
sen. In der Wissenschaft und der Wirtschaft besteht ein großes Interesse daran,
Nano-Elemente zu entwickeln. Besonders attraktiv scheint die „Bottom-Up“-
Strategie zu sein, bei der kleine Molekülbausteine von Chemikern so entworfen
werden, dass sie sich spontan zu Nanometer großen Einheiten zusammenbauen.
Dieser als „Selbstorganisation“ bezeichnete Prozess ist ein Grundprinzip biolo-
gischer Systeme. Seit der Erfindung des Raster-Tunnel-Mikroskops steht den
Wissenschaftlern auch das Werkzeug zur Verfügung, um einzelne Atome ge-
zielt zu manipulieren.

Zahlreiche Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Nanotechnologie die In-
dustrie in allen wesentlichen Bereichen revolutionieren wird. Der Physik-No-
belpreisträger Horst Störmer sieht das 21. Jahrhundert „ohne Zweifel als das
Jahrhundert der Nanotechnik“ (vgl. Wirtschaftswoche vom 21. Dezember
2000). Die Vorstellung einer Entwicklung von mikroskopisch kleinen Robo-
tern, die aus Atomen beliebige Moleküle zusammensetzen können, birgt gera-
dezu atemberaubende Möglichkeiten.

Vor allem die auf platz- und gewichtssparende Systeme besonders angewiesene
Raumfahrttechnologie ist an den Chancen der Nanotechnologie besonders inte-
ressiert. Auf Kohlenstoff basierende, nur Nanometer große „Nanotubes“ könn-
ten als winzige Nanodrähte dienen, um Elektronikbauteile besser und effektiver
zu verknüpfen. Aber auch die Militärtechnologie würde durch nanotechnologi-
sche Anwendungen verändert werden. Kleinstwaffen, die vom Radar nicht ge-
ortet werden können und die sich im Zielgebiet selbst zusammenbauen und re-
plizieren, könnten gefährliche Realität werden. Die Chiptechnologie könnte
durch die Nanotechnologie nach Meinung von Experten innerhalb der nächsten
20 Jahre in die Lage versetzt werden, Chips mit einer Milliarde Transistoren
herzustellen, die 100 Milliarden Rechenbefehle in der Sekunde ausführen kön-

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nen. Der Leiter des Saarbrücker Instituts für Neue Materialien hält es für mög-
lich, mittels der chemischen Nanotechnik extrem leistungsfähige Katalysatoren
und selbstreinigende Fensterscheiben herzustellen.

Die Anwendungsgebiete sind also sehr weitreichend. Die Nanotechnologie
kann einen qualitativen Sprung für zahlreiche Wirtschaftsbereich bedeuten.
Automobilindustrie, Maschinenbau, Optik, Elektronik, Chemie und Pharmazie,
Medizin, Bio- und Umwelttechnik könnten von mikroskopisch kleinen Bau-
teilen profitieren.

Der frühere amerikanische Präsident Bill Clinton erklärte im November 2000
die Nano-, Gen- und Computertechnologie zu den Schlüsseltechnologien des
21. Jahrhunderts und der US-Kongress verdoppelte die Forschungsförderung
für dieses Gebiet auf knapp 500 Mio. EURO. Anders als bei der Gen- und
Computertechnologie findet in Deutschland eine politische und gesellschaftli-
che Diskussion über das Für und Wider der Nanotechnologie bisher nicht statt.

Deutschland hat in einigen Bereichen der Nanotechnologie eine strategische
Führungsposition erreicht. Diese gilt es zu halten und auszubauen. Die F.D.P.
sieht in der Nanotechnologie ein enormes Potenzial, das nicht ungenutzt blei-
ben darf.

Wir fragen deshalb die Bundesregierung:

1. Wie beurteilt die Bundesregierung die Chancen und Risiken der Nanotech-
nologie?

2. Wie haben sich die Bundesausgaben zur Förderung nanotechnologischer
Vorhaben in den letzten fünf Jahren entwickelt (bitte nach Ressorts auf-
schlüsseln)?

3. Wie hoch schätzt die Bundesregierung den FuE-Bedarf (FuE: Forschung
und Entwicklung) in der Nanotechnologie ein?

4. Wie beurteilt die Bundesregierung den Stand der nanotechnologischen For-
schung in Deutschland im Vergleich zu wichtigen Mitbewerbern wie den
USA, Japan, Südostasien, Großbritannien und Frankreich?

5. Wie schätzt die Bundesregierung das Marktpotenzial dieser Technologien
ein?

6. Wie viele Unternehmen sind gegenwärtig nach Kenntnis der Bundesregie-
rung im Bereich der Nanotechnologie tätig?

7. Welche Umsätze erzielen diese Unternehmen nach Kenntnis der Bundes-
regierung mit nanotechnologischen Entwicklungen bzw. Produkten?

8. Ist der Bundesregierung eine Studie des Verbandes der Elektrotechnik,
Elektronik und Informationstechnik (VDE) in Frankfurt bekannt, die eine
Verdopplung des Weltmarktes für Mikroelektronik bis 2003 voraussagt und
wie beurteilt sie diese Studie?

9. Welche aus Bundesmitteln geförderten Forschungs- und Entwicklungsvor-
haben werden gegenwärtig durchgeführt (bitte nach Ressorts aufschlüs-
seln)?

10. Wie viele Arbeitsplätze bei Forschungsinstituten und Unternehmen stehen
direkt oder indirekt im Zusammenhang mit nanotechnologischer For-
schung und Entwicklung?

11. Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussage des Präsidenten der Max-
Planck-Gesellschaft, Hubert Markl, auf einer Fachveranstaltung des Wis-
senschaftszentrums NRW in Düsseldorf, die Nanotechnologie bedürfe
einer noch stärkeren Überwachung als die Seuchenforschung?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/5286

12. Sieht die Bundesregierung in der Nanotechnologie im militärischen Be-
reich Gefahren für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland?

13. Wie steht die Bundesregierung zum Aufbau eines grundlagen- und anwen-
dungsorientierten Nanotechnologie-Netzwerkes zur Bündelung von Akti-
vitäten z. B. der European Space Agency (ESA) und des Deutschen Zent-
rums für Luft- und Raumfahrt (DLR) sowie der Raumfahrtindustrie?

14. Welche Rolle spielt die Nanotechnologie bei der Vorbereitung der industri-
ellen Nutzung der Internationalen Raumstation (ISS)?

15. Welche Erfahrungen liegen der Bundesregierung über die Einrichtung von
sechs virtuellen Kompetenzzentren zu einzelnen Nanotechnologieberei-
chen (u. a. Optik, Analytik, Materialien) durch das Bundesministerium für
Bildung und Forschung vor?

16. Welche Finanzmittel stehen für diese Kompetenzzentren zur Verfügung?

17. Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit zur Festlegung wissenschafts-
ethischer Richtlinien hinsichtlich der Entwicklung der Nanotechnologie?

18. Wie beurteilt die Bundesregierung den dramatischen Rückgang der Studi-
enanfänger und der Absolventen in den Fächern Chemie, Mathematik und
den Ingenieurwissenschaften im Hinblick auf die deutsche Forschungspo-
sition in der Nanotechnologie?

19. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des VDE-Vorsitzenden, dass in
Europa ca. 500 000 Fachkräfte in der IT-Branche fehlen?

20. Plant die Bundesregierung, auch im Bereich der Nanotechnologie ausländi-
sche Fachkräfte anzuwerben und „Green-Cards“ zu erteilen?

21. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung kurz-, mittel- und langfris-
tig zur Förderung der Nanotechnologie?

22. Welche Rolle spielt dabei die Sicherheitsforschung?

23. Ist die Bundesregierung bereit, im Rahmen der Gespräche im „Bündnis für
Arbeit“ eine Strategie zur Förderung der Nanotechnologie zu entwickeln?

Berlin, den 6. Februar 2001

Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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