BT-Drucksache 14/5230

zur Unterrichtung der Bundesregierung zu einer "Neuorientierung der Verbraucher- und Agrarpolitik" EU-Agrarpolitik marktwirtschaftlich reformieren

Vom 7. Februar 2001


Deutscher Bundestag

Drucksache

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5230

14. Wahlperiode

07. 02. 2001

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ulrich Heinrich, Gudrun Kopp, Dr. Dieter Thomae, Dr. Helmut
Haussmann, Rainer Brüderle, Birgit Homburger, Rainer Funke, Marita Sehn,
Hans-Michael Goldmann, Ulrike Flach, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
Hildebrecht Braun (Augsburg), Ernst Burgbacher, Jörg van Essen, Horst Friedrich
(Bayreuth), Dr. Karlheinz Guttmacher, Klaus Haupt, Ulrich Irmer, Dr. Heinrich L.
Kolb, Jürgen Koppelin, Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting, Detlef Parr, Cornelia
Pieper, Dr. Hermann Otto Solms, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Wolfgang Gerhardt
und der Fraktion der F.D.P.

zu der Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung

Neuorientierung der Verbraucher- und Agrarpolitik

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die BSE-Krise erfordert eine Reform der europäischen Agrarpolitik, die die
vielfältigen Ursachen für die jetzige Krise behebt. Die Gesundheit und der
Schutz der Verbraucher müssen stärker im Mittelpunkt stehen. Eine marktwirt-
schaftliche Agrarpolitik ist am ehesten geeignet, die Interessen der Verbraucher
und Steuerzahler, der Landwirte und Tierschützer zu erfüllen. Die F.D.P.-Bun-
destagsfraktion hatte bereits in der vergangenen Legislaturperiode und im Rah-
men der Diskussion zur Agenda 2000 Vorschläge zur Marktentlastung bei
Rindfleisch und Milch vorgelegt. Die Vorschläge wurden von der Bundesregie-
rung leider nicht aufgegriffen und das Überschussproblem nicht gelöst.

Die F.D.P.-Bundestagsfraktion wird das Konzept der Bundesregierung für eine
„Neuorientierung in der Verbraucher- und Agrarpolitik“ anhand dieser Prämis-
sen prüfen und bewerten und ggf. eigene Konzepte vorlegen.

Die Ergebnisse des EU-Agrarministerrates vom 29. Januar und 30. Januar 2001
unterstreichen die Notwendigkeit einer wirksamen BSE-Bekämpfung und ei-
nes vorsorgenden Verbraucherschutzes auf europäischer Ebene.

Hohe nationale Standards allein sind in einem Binnenmarkt keine ausreichende
Lösung.

1. Die EU-Agrarpolitik muss reformiert werden. Dazu muss die bisherige
Planwirtschaft durch ein marktwirtschaftlich orientiertes Konzept ersetzt
werden, das den Landwirten unternehmerische Perspektiven im ländlichen
Raum eröffnet und ihre Leistungen zur Pflege und Erhaltung der Kulturland-
schaft honoriert. Über eine Umschichtung der Fördermittel in die so ge-
nannte zweite Säule müssen Einkommensalternativen ausgebaut und der
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ländliche Raum insgesamt gestärkt werden. Eine größere Unabhängigkeit
der Landwirte von staatlichen Transferzahlungen und ein Bürokratieabbau
stärkt den „ländlichen Unternehmer“ und ermöglicht einen Abbau von Sub-
ventionen.

2. Das Instrument der Kofinanzierung in der Europäischen Agrarpolitik zur
Schaffung von mehr Transparenz muss ausgebaut werden. Eine Stärkung
der Mitgliedstaaten und Länder durch mehr Subsidiarität und größere natio-
nale Steuerungsmöglichkeiten ist wünschenswert.

3. Die Gesundheit und der Schutz der Verbraucher müssen stärker im Mittel-
punkt stehen. Ein vorsorgender Gesundheits- und Verbraucherschutz ist über
die Verankerung der hohen nationalen Standards zur Bekämpfung von BSE
auf europäischer Ebene zu gewährleisten. Vor allem das Verbot der Tier-
mehlverfütterung muss dauerhaft in allen Mitgliedstaaten der EU gelten.

4. Im Rahmen einer Reform der Agrarpolitik muss der Tierschutz national und
auf europäischer Ebene verbessert werden. Die von der Bundesregierung
beschlossene Massenschlachtung darf nicht ausschließlich einer „Marktbe-
reinigung“ dienen. Das wäre ethisch verwerflich und widerspricht dem Tier-
schutzgedanken. Diese Maßnahme ist nur akzeptabel, wenn die Produkte
der BSE-negativ getesteten Tiere verwertet werden. Zudem ist aus ethi-
schen, tierschutzpolitischen und züchterischen Gründen die „Herdenschlach-
tung“ abzulehnen und durch eine „Kohortenschlachtung“ (Schweizer Mo-
dell) zu ersetzen.

5. Die F.D.P. war schon immer der Auffassung, dass der ökologische Landbau
aus Gründen des Umwelt-, Natur- und Tierschutzes von besonderer Bedeu-
tung ist. Er ist durch gezieltes Marketing und eine bessere Absatzförderung
zu unterstützen. Allerdings wird der ökologische Landbau, der heute weni-
ger als drei Prozent der Produktion entspricht, die agrarpolitischen Probleme
allein nicht lösen können. Die „agrarpolitische Wende“ durch einen staatlich
verordneten Ausbau des ökologischen Landbaus festschreiben zu wollen, ist
kontraproduktiv und läßt sich nicht gegen den Markt durchsetzen. Marktme-
chanismen können nicht dauerhaft ohne großen volkswirtschaftlichen Scha-
den ausgeschaltet werden.

6. Angesichts der existenziellen Bedrohung für viele landwirtschaftliche Be-
triebe und wegen der Sicherheit der Verbraucher ist ein schnelles, massives
Forschungsprogramm zur BSE-Forschung notwendig. Die bisherigen An-
strengungen der Bundesregierung sind völlig unzureichend. Zwar können
Forschungsergebnisse nicht auf Knopfdruck oder mit dem bloßen Hinein-
pumpen von mehr Geld erzielt werden. Die Bundesregierung erweckt aber
den Eindruck, in der BSE-Forschung gehe alles seinen bürokratischen Gang.
Wir brauchen eine Forschung mit Hochdruck zur Entwicklung von Schnell-
tests am lebenden Rind, damit nicht mehr Tiere als nötig getötet werden
müssen. Die in ihrer Existenz bedrohten Landwirte und die Verbraucher ha-
ben kein Verständnis dafür, wenn sich die Forschung wegen administrativer
Schwierigkeiten verzögert. Eine Krise erfordert rasches Handeln. Die Ko-
ordination der Forschungsvorhaben von Bund und Ländern und der Mit-
gliedstaaten der Europäischen Union sollte beim Bundesministerium für
Bildung und Forschung angesiedelt werden.

Berlin, den 6. Februar 2001

Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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