BT-Drucksache 14/5216

zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung - 14/3611- Bericht zum "Girokonto für jedermann"

Vom 5. Februar 2001


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

5216

14. Wahlperiode

05. 02. 2001

Beschlussempfehlung und Bericht

des Finanzausschusses (7. Ausschuss)

zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
– Drucksache 14/3611 –

Bericht zum „Girokonto für jedermann“

A. Problem

Im Hinblick auf Probleme bei der Eröffnung oder durch die Kündigung von
Girokonten hatten die im Zentralen Kreditausschuss (ZKA) zusammenge-
schlossenen Verbände der Kreditwirtschaft 1995 eine Empfehlung ausgespro-
chen, grundsätzlich für jedermann auf dessen Wunsch ein Girokonto zu führen,
um weiten Teilen der Bevölkerung die Teilnahme am bargeldlosen Zahlungs-
verkehr zu ermöglichen. Die Bundesregierung hat auf Bitten des Deutschen
Bundestages nunmehr bereits den zweiten Bericht über die Umsetzung der
Empfehlung vorgelegt.

B. Lösung

Verabschiedung einer Entschließung, mit der die Bundesregierung aufgefordert
werden soll, alle zwei Jahre einen Bericht über die Umsetzung der Empfeh-
lungen, die Wirkung von Beschwerdestellen und die Struktur der Inhaber von
„Girokonten für jedermann“ als Grundlage für die Prüfung einer gesetzlichen
Regelung vorzulegen und das Problem der „Mehrfachpfändungen“ bei der
Neuregelung der Pfändungsfreigrenzen zu beachten.

Annahme mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. bei Enthaltung der Fraktion der
PDS

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Keine
Drucksache

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5216

– 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen:

1. Der Deutsche Bundestag stellt fest, dass es eine sich aus der Gemeinwohlver-
pflichtung des Eigentums ergebende Aufgabe aller Kreditinstitute ist, die
Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr ohne Diskriminierung zu er-
möglichen. Damit wird auch ein wirksamer Beitrag zur Armutsprävention ge-
leistet. Der Deutsche Bundestag erkennt an, dass die Empfehlung des Zentra-
len Kreditausschusses in vielen Fällen zur Einrichtung eines Girokontos
geführt hat. Der Deutsche Bundestag erwartet, dass die öffentlich-rechtlichen
Kreditinstitute ihrer besonderen Verantwortung in diesem Bereich nachkom-
men.

2. Der Bericht der Bundesregierung weist allerdings auch aus, dass die Empfeh-
lungen des Zentralen Kreditausschusses bei einigen Fallgruppen, die nicht als
Einzelfälle zu werten sind, noch nicht zu befriedigenden Ergebnissen führen,
insbesondere





den 90 000 Leistungsfällen im Bereich von Arbeitslosengeld und Ar-
beitslosenhilfe sowie 70 000 Leistungsfällen im Bereich des Kinder-
geldes





einer erheblichen Zahl von Leistungsfällen bei den Sozialämtern, ins-
besondere auch in Bezug auf die Regelung der Pfändungsfreiheit





den von der Arbeitsgemeinschaft „Schuldnerberatung der Verbände“
(AG SBV) im Zusammenhang mit der Schuldnerberatung als problema-
tisch herausgestellten Fällen





in Fällen von Mehrfachpfändungen.

3. Der Deutsche Bundestag sieht in der Einrichtung von Beschwerdestellen ei-
nen sinnvollen Beitrag dazu, das Ziel eines „Girokontos für jedermann“ um-
fassender zu erreichen. Er bittet die Bundesregierung, alle zwei Jahre einen
Bericht über die Umsetzung der Empfehlungen, die Wirkung der Beschwer-
destellen und die Struktur der Inhaber von Girokonten für jedermann (Jugend-
liche, überschuldete Haushalte, Sozialhilfebezieher) als Grundlage für die
Prüfung vorzulegen, ob eine gesetzliche Regelung notwendig ist.

4. Die Bundesregierung wird aufgefordert, das Problem der so genannten Mehr-
fachpfändungen in die Überlegungen zur Neuregelung der Pfändungsfrei-
grenzen einzubeziehen.

Berlin, den 24. Januar 2001

Der Finanzausschuss

Christine Scheel

Vorsitzende

Klaus-Peter Willsch

Berichterstatter

Dr. Barbara Höll

Berichterstatterin
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 –

Drucksache

14/

5216

Bericht der Abgeordneten Klaus-Peter Willsch und Dr. Barbara Höll

1. Verfahrensablauf

Die Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht zum
„Girokonto für jedermann“ – Bundestagsdrucksache 14/
3611 – ist dem Finanzausschuss gemäß § 80 Abs. 3 der Ge-
schäftsordnung am 7. Juli 2000 zur federführenden Bera-
tung sowie dem Rechtsausschuss, den Ausschüssen für
Wirtschaft und Technologie, für Arbeit und Sozialordnung
und für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur Mitbera-
tung überwiesen worden. Im Finanzausschuss ist die Vor-
lage am 24. Januar 2001 behandelt worden. Von den mitbe-
ratenden Ausschüssen haben sich der Rechtsausschuss in
seiner Sitzung am 15. November 2000, der Ausschuss für
Wirtschaft und Technologie in seiner Sitzung am
27. September 2000 und die beiden weiteren mitberatenden
Ausschüsse in ihren Sitzungen am 6. Dezember 2000 mit
der Vorlage befasst.

2. Inhalt der Vorlage

Die Bundesregierung kommt mit dem Bericht einer Auffor-
derung des Deutschen Bundestages nach, bis zum 31. De-
zember 1999 erneut über die Umsetzung der Empfehlung
vom Juni 1995 „Girokonto für jedermann“ der im ZKA zu-
sammengeschlossenen Verbände der Kreditwirtschaft zu
berichten. In dieser Empfehlung an die Mitgliedsinstitute
der Verbände wurde im Hinblick auf eine Vielzahl von Fäl-
len, in denen es zu Schwierigkeiten gekommen war, die Be-
reitschaft erklärt, für jede Bürgerin und jeden Bürger auf
deren Wunsch ein Girokonto zu führen, wenn dies nicht un-
zumutbar sei. Art und Höhe der Einkünfte wie auch Eintra-
gungen bei der Schufa seien kein Grund für die Verweige-
rung eines Girokontos.

Nachdem die Verbände der Kreditwirtschaft für den nun-
mehr zweiten Bericht der Bundesregierung über die Um-
setzung der Empfehlung Datenmaterial geliefert hätten,
zeige sich anhand der von 250 000 auf 1 116 000 gestiege-
nen Anzahl der „Girokonten für jedermann“, dass sich die
Situation insgesamt weiter gebessert habe. Eine gesetzliche
Regelung im Sinne eines Kontrahierungszwanges sei nicht
angezeigt, vielmehr solle die ZKA-Empfehlung um die Ein-
richtung von Schlichtungsstellen bei den Verbänden der
Kreditwirtschaft erweitert werden, um auch in der verblie-
benen Vielzahl von Einzelfällen zu einer Lösung zu kom-
men.

3. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der

Rechtsausschuss

empfiehlt einstimmig, die Vorlage
zur Kenntnis zu nehmen.

Der

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

hat den
Bericht der Bundesregierung zur Kenntnis genommen.

Der

Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung

hat die Vor-
lage zur Kenntnis genommen. Darüber hinaus hat er emp-
fohlen, folgenden Antrag zu beschließen:

1. Der Bundestag stellt fest, dass es eine sich aus der Ge-
meinwohlverpflichtung des Eigentums ergebende Auf-
gabe aller Kreditinstitute ist, die Teilnahme am bargeld-
losen Zahlungsverkehr ohne Diskriminierung zu

ermöglichen. Damit wird auch ein wirksamer Beitrag
zur Armutsprävention geleistet. Der Bundestag erkennt
an, dass die Empfehlung des Zentralen Kreditausschus-
ses in vielen Fällen zur Einrichtung eines Girokontos ge-
führt hat.

2. Der Bericht der Bundesregierung weist allerdings auch
aus, dass die Empfehlungen des zentralen Kreditaus-
schusses bei einigen Fallgruppen, die nicht als Einzel-
fälle zu werten sind, noch nicht zu befriedigenden Ergeb-
nissen führen, insbesondere





den 90 000 Leistungsfällen im Bereich von Arbeits-
losengeld und Arbeitslosenhilfe sowie 70 000 Leis-
tungsfällen im Bereich des Kindergeldes





einer erheblichen Zahl von Leistungsfällen bei den
Sozialämtern, insbesondere auch in Bezug auf die
Regelung der Pfändungsfreiheit





von der Arbeitsgemeinschaft „Schuldnerberatung der
Verbände“ (AG SBV) im Zusammenhang mit der
Schuldnerberatung als problematisch herausgestell-
ten Fällen





in Fällen von Mehrfachpfändungen.

3. Der Bundestag sieht in der Einrichtung von Beschwerde-
stellen einen sinnvollen Beitrag dazu, das Ziel eines
„Girokontos für jedermann“ umfassender zu erreichen.
Er bittet die Bundesregierung alle zwei Jahre um einen
Bericht über die Umsetzungen der Empfehlungen, die
Wirkung der Beschwerdestellen und die Struktur der
Inhaber von Girokonten für jedermann (Jugendliche,
überschuldete Haushalte, Sozialhilfebezieher) als
Grundlage für die Prüfung, ob eine gesetzliche Regelung
notwendig ist.

4. Die Bundesregierung wird aufgefordert, das Problem
der sogenannten Mehrfachpfändungen in die Über-
legungen zur Neuregelung der Pfändungsfreigrenzen
einzubeziehen.

Der

Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend

empfiehlt die Kenntnisnahme der Unterrichtung
und mit den Stimmen der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN, F.D.P. und PDS gegen die Stimmen der
Fraktion der CDU/CSU die Annahme eines Entschließungs-
antrags, der mit dem vom Ausschuss für Arbeit und Sozial-
ordnung empfohlenen Entschließungsantrag identisch ist.

4. Ausschussempfehlung

Im federführenden

Finanzausschuss

hat die Fraktion der
CDU/CSU ihre Ablehnung des von den Koalitionsfraktio-
nen eingebrachten und vom Ausschuss verabschiedeten
Entschließungsantrags (vgl. S. 2) damit begründet, dass sie
nach dem Bericht der Bundesregierung keinen weiteren
Handlungsbedarf auf Bundesebene sehe. Der beachtliche
Anstieg der „Girokonten für jedermann“ um fast 350 %
zeige, dass die Selbstverpflichtung der Kreditwirtschaft
greife. Die verbliebenen Problemfälle könnten auf kommu-
naler Ebene durch den Einfluss der Kommunen und Land-
kreise als Gewährträger der Sparkassen aufgegriffen wer-
den.
Drucksache

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– 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
Der Fraktion der PDS geht der Entschließungsantrag der
Koalitionsfraktionen dagegen nicht weit genug, da Tau-
sende von Menschen betroffen seien, die noch immer vom
bargeldlosen Zahlungsverkehr ausgeschlossen würden, ob-
wohl gerade die Sparkassen eine große Rolle bei der Füh-
rung der „Girokonten für jedermann“ spielten. Die Bitte um
zweijährliche Berichte der Bundesregierung sei unzurei-
chend und führe letztlich nur den Beschluss aus dem Jahre
1996 weiter. Auch die Beschwerdestellen würden kaum die
vielen Probleme lösen können.

Die Koalitionsfraktionen haben argumentiert, dass noch im-
mer Bürgerinnen und Bürger kein Girokonto bekämen und
damit Schwierigkeiten hätten, beispielsweise einen Arbeits-

platz zu finden. Zudem entstünden bei Kommunen und Ren-
tenversicherungsträgern hohe Kosten, wenn Leistungsemp-
fänger nicht am bargeldlosen Zahlungsverkehr teilnehmen
könnten. Der Handlungsbedarf ergebe sich trotz vielfacher
Initiativen auch von Kreistagen, um flächendeckend ent-
sprechende Erfolge zu erzielen.

Der Finanzausschuss hat die Unterrichtung durch die Bun-
desregierung zur Kenntnis genommen und empfiehlt die
Verabschiedung des Entschließungsantrags mit den Stim-
men der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und F.D.P. bei Stimmenthaltung der
Fraktion der PDS.

Berlin, den 24. Januar 2001

Klaus-Peter Willsch

Berichterstatter

Dr. Barbara Höll

Berichterstatterin

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