BT-Drucksache 14/5180

Wirtschaftliche und soziale Perspektiven für Ostdeutschland - Thesen zur Vorbereitung eines Aktionsprogramms

Vom 24. Januar 2001


Deutscher Bundestag

Drucksache

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5180

14. Wahlperiode

24. 01. 2001

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Jürgen Koppelin, Cornelia Pieper, Rainer Brüderle,
Ina Albowitz, Ernst Burgbacher, Jörg van Essen, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich
(Bayreuth), Rainer Funke, Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther (Plauen),
Dr. Karlheinz Guttmacher, Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Walter Hirche,
Dr. Werner Hoyer, Ulrich Irmer, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Dirk Niebel,
Günther Friedrich Nolting, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr,
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Dr. Irmgard Schwaetzer, Marita Sehn, Jürgen Türk,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der F.D.P.

Wirtschaftliche und soziale Perspektiven für Ostdeutschland –
Thesen zur Vorbereitung eines Aktionsprogramms

Der Solidarpakt II soll mit Beginn des Jahres 2004 in Kraft treten. Es ist des-
halb dringend an der Zeit, dass die Bundesregierung klare Vorstellungen für die
wirtschaftlichen Perspektiven in den neuen Ländern entwickelt und präsentiert.

Der stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Wolfgang Thierse hat fünf Thesen
zur Vorbereitung eines Aktionsprogramms für Ostdeutschland vorgelegt. Diese
Thesen sind bei der Bundesregierung und bei den Landesregierungen der neuen
Ländern zum Teil auf massive Kritik gestoßen. Die Äußerungen des Ministers
für Wirtschaft und Technologie von Sachsen-Anhalt, Matthias Gabriel, im
„SPIEGEL“ vom 15. Januar 2001 sind nur ein Beispiel.

Wir fragen die Bundesregierung daher:

1. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass sich die Zukunft Ostdeutsch-
lands noch vor der kommenden Bundestagswahl entscheidet?

2. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Mobilitätshilfen für
Jugendliche über das JUMP-Programm der Bundesregierung im Ergebnis
einen Beitrag zur konjunkturellen Abkoppelung des Ostens und zu einer
Verschärfung der Ost-West-Spaltung des Arbeitsmarktes leisten, weil sie die
Abwanderung fördern?

3. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Ausgleichszahlungen an
die Gemeinden Ostdeutschlands im Rahmen des Finanzausgleichs nicht aus-
reichen, um erforderliche Investitionen in die kommunale Infrastruktur zu
finanzieren, weil wachsende Sozialausgaben die verbliebenen Spielräume
einengen?

4. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass der Aufholprozess in den
neuen Ländern stagniert?
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5. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass eine Politik der Versteti-
gung der Zuwendungen den bereit stattfindenden Vertrauensverlust in Ost-
deutschland nicht mehr kompensieren kann, so dass die Orientierung auf
einen Neuanfang im Rahmen des Solidaritätspakts 2004 zu spät kommt?

6. Wird die Bundesregierung die Transfers bis 2010 auf der gegenwärtigen
relativen Höhe von 3,5 % des Bruttosozialprodukts festschreiben?

7. Wie steht die Bundesregierung zur Forderung, die Kommunen als lokale
und regionale Auftraggeber von Investitionen entsprechend dem Vorschlag
des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen des Landes
Brandenburg einzusetzen und dafür im Rahmen einer beschäftigungspoliti-
schen Initiative zur kommunalen Infrastrukturförderung u. a. durch Bund
und Bundesanstalt für Arbeit mit Mitteln auszustatten?

8. Wie beurteilt die Bundesregierung die Erfolgsbilanz des „Zweiten Arbeits-
markts“ generell und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus für die
Chancen eines öffentlichen Beschäftigungssektors?

9. Wie steht die Bundesregierung zum Vorschlag, Investoren, die eine Stand-
ortbindung und -verflechtung garantieren, grundsätzlich besser zu stellen
als solche, die nach der Förderung problemlos abwandern können?

10. Hält die Bundesregierung eine solche Differenzierung von Investitionen
und zwischen Investoren für machbar?

11. Teilt die Bundesregierung die Beobachtung, dass die Menschen im Osten
sich angesichts des erfolgreichen Westens als abgehängt betrachten?

12. Sieht die Bundesregierung ostdeutsche Identität und gesamtdeutsche Iden-
tifikation als Widerspruch?

13. Folgt die Bundesregierung der Einteilung der ostdeutschen Gesellschaft in
Drittel, wonach nur das obere Drittel sich erfolgreich integriert hat?

14. Wie steht die Bundesregierung zur Forderung des Ministers für Wirtschaft
und Technologie von Sachsen-Anhalt, Matthias Gabriel, einen Zeitplan
bzw. Maßnahmenkatalog vorzulegen, nach dem die spezielle Ostförderung
gestrichen werden kann?

15. Unterstützt die Bundesregierung die Forderung des Ministers für Wirt-
schaft und Technologie, Matthias Gabriels, spätestens 2005 ein Fördersys-
tem zu haben, das strukturschwache Regionen egal ob in Ost oder West
gleichermaßen unterstützt?

16. Teilt die Bundesregierung die Ansicht des Ministers für Wirtschaft und
Technologie, Matthias Gabriels, dass das Amt des Sonderbeauftragten Ost
im Kanzleramt am Ende der Legislaturperiode abgeschafft werden sollte?

17. Wie verträgt sich der Aufbau Ost als Chefsache mit der Bestellung eines
Sonderbeauftragten?

18. Worauf führt es die Bundesregierung zurück, dass die Investitionen in den
ostdeutschen Kapitalstock sinken, während sie im Westen steigen?

19. Sieht auch die Bundesregierung in der Schrumpfung der ostdeutschen In-
dustrieforschung ein entscheidendes Strukturdefizit?
Wenn ja, welche Lösungsmöglichkeiten sieht sie dafür?

20. Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, neue Prioritäten für die jetzi-
gen Instrumente der Wirtschaftsförderung für die neuen Länder zu setzen?

Berlin, den 23. Januar 2001

Dr. Wolfgang Gerhard und Fraktion

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