BT-Drucksache 14/5151

zu dem GE der BReg eines G zur Reform der Gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensgesetz - AVmG) -14/5068, 14/4595, 14/5146-

Vom 24. Januar 2001


Deutscher Bundestag

Drucksache

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14. Wahlperiode

24. 01. 2001

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Irmgard Schwaetzer, Dr. Hermann Otto Solms,
Gerhard Schüßler, Ina Albowitz, Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher,
Jörg van Essen, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer Funke,
Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther (Plauen), Dr. Karlheinz Guttmacher,
Klaus Haupt, Dr. Helmut Haussmann, Ulrich Heinrich, Walter Hirche,
Dr. Werner Hoyer, Ulrich Irmer, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp,
Jürgen Koppelin, Ina Lenke, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt),
Cornelia Pieper, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Marita Sehn, Jürgen Türk und der
Fraktion der F.D.P.

zu den Gesetzentwürfen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie der Bundesregierung
– Drucksachen 14/4595, 14/5068, 14/5146 –

Entwurf eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung
und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens
(Altersvermögensgesetz – AVmG)

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die steigende Lebenserwartung und die sinkenden Geburtenraten werden den
Anteil älterer Menschen deutlich zunehmen lassen. Die Notwendigkeit einer
grundlegenden Reform der Altersvorsorge in Deutschland ist unbestritten. Die
generelle Verlängerung des Lebensalters sollte grundsätzlich als eine gute Nach-
richt verstanden werden. Die Bundesregierung hat allerdings mit ihrer Rück-
nahme wesentlicher Teile der Reformmaßnahmen der früheren Bundesregie-
rung – Rentenreformgesetz 1999 und der Einführung eines demographischen
Faktors – Problemlösungen hinausgeschoben. Die notwendigen Anpassungs-
lasten aus der demographischen Entwicklung müssen generationengerecht auf
Ältere und Jüngere verteilt und beiden durch klare Kriterien in Form des demo-
graphischen Faktors eine planbare und kalkulierbare Grundlage für ihre Zu-
kunftssicherung geboten werden.

Ausgangspunkt und gemeinsames Ziel der Rentengespräche waren eine lang-
fristig angelegte Rentenreform. Die Bundesregierung griff zunächst das von den
Oppositionsparteien geforderte Konzept der drei Säulen auf: Eine als Grundver-
sorgung gestaltete gesetzliche Rente wird durch eine deutlich gestärkte kapital-
gedeckte private sowie betriebliche Altersvorsorge ergänzt. Nach einem Jahr
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Rentengespräche, nach zwei Sachverständigenanhörungen und nach einer Fülle
von Änderungsanträgen liegt nun ein Gesetzentwurf vor, der die geforderte
grundlegende Reform nicht einlöst. Zwar geht er mit der Stärkung der privaten
kapitalgedeckten Altersvorsorge grundsätzlich in die richtige Richtung, aber er
springt nach wie vor mit einer unzureichenden Generationengerechtigkeit, einer
mangelnden Beitragssatzstabilität, der fehlenden Steuerbefreiung aller Vorsorge-
beiträge und einer viel zu komplizierten Ausgestaltung der Anlagekriterien deut-
lich zu kurz.

Der Deutsche Bundestag fordert daher die Bundesregierung auf, den Gesetz-
entwurf nach Maßgabe der folgenden Grundsätze zu überarbeiten:

E r s t e n s : Nach wie vor steigt nach dem Gesetzentwurf der Regierungskoali-
tion der

Beitragssatz

auf 22 Prozent ab 2030. Experten wie das ifo Institut für
Wirtschaftsforschung e.V. gehen angesichts äußerst optimistischer und wenig
realistischer Annahmen der Bundesregierung von einem tatsächlichen Beitrags-
satz von 24 Prozent aus. Zusammen mit den angestrebten 4 Prozent für die kapi-
talgedeckte Vorsorge (auch wenn diese von einer anderen Qualität sind) werden
also insgesamt 28 Prozent erreicht. Dies ist für Arbeitnehmer und Unternehmer
unzumutbar und nicht akzeptabel. Künftige Generationen werden Beiträge für
die Altersvorsorge zu bezahlen haben, die weit über das heutige Niveau hinaus-
gehen. Angesichts der weltweit höchsten Lohnzusatzkosten, angesichts steigen-
der Beiträge für Kranken- und Pflegeversicherung, angesichts einer deutlich zu
hohen Gesamt-Abgabenbelastung des Durchschnittsverdieners gilt daher, dass
das Belastungsniveau 20 Prozent nicht überschreiten sollte.

Z w e i t e n s : Im Interesse der

Generationengerechtigkeit

sind die notwendi-
gen Anpassungslasten gleichmäßig auf Alte und Jüngere zu verteilen. Bereits ab
2002 ist eine einheitliche demographische Komponente einzuführen, die die
Höhe der Rentenanpassung mit der Steigerung der Lebenserwartung verknüpft.
Im Übrigen wird ein wesentlicher Punkt gerne übersehen: In einem System mit
mehreren tragenden Säulen zählt nicht das Rentenniveau nur einer Säule, son-
dern das Gesamtniveau: Das Niveau der Alterssicherung wird sich in Zukunft
sowohl aus umlagefinanzierten wie auch aus kapitalgedeckten Vorsorgeformen
zusammensetzen. In diesem Zusammenhang sollte auch jährlich eine Generatio-
nenbilanz vorgelegt werden, um die Lasten abzuschätzen, die sich aus der Fi-
nanzwirtschaft des Staates für gegenwärtig und zukünftig lebende Generationen
ergeben; alle wichtigen steuer- und sozialpolitischen Reformvorhaben hinsicht-
lich ihrer Nachhaltigkeit mit Hilfe dieses Konzeptes zu überprüfen und die
Bilanz in die offizielle Haushaltsstatistik des Bundes aufzunehmen, um damit
einen langfristigen Indikator für die gegenwärtigen und zukünftigen Zahlungs-
verpflichtungen des Staates und seiner Bürgerinnen und Bürger zu erhalten.

D r i t t e n s : Im Gesetzentwurf der Regierungskoalition fehlt ein klares Be-
kenntnis, alle Vorsorgeformen, also die Beiträge zur privaten, zur betrieblichen
und auch zur umlagefinanzierten Vorsorge (nicht den jetzigen Rentenbestand)
der nachgelagerten Besteuerung zu unterwerfen. Das Bundesverfassungsgericht
hat angekündigt, bis zum Frühsommer 2001 hierzu eine Entscheidung zu fällen.

Alle Vorsorgebeiträge

für jede Art der Altersvorsorge – z. B. auch die der
Selbständigen – sind schrittweise

von der Besteuerung zu befreien

. In dem
Maße, wie die Rente aus steuerfreien Beiträgen finanziert wird, soll sie in Zu-
kunft – mit einem dann geringeren Steuersatz – steuerpflichtig werden. Die
nachgelagerte Besteuerung schafft für den Beitragszahler den notwendigen An-
reiz, um die kapitalgedeckte Vorsorge aufzubauen. Zugleich erhält er zusätzli-
chen finanziellen Spielraum, um die notwendig gewordene Zusatzvorsorge zu
bewältigen. Diese in den OECD-Ländern am weitesten verbreitete Form der
Besteuerung von Renten und Pensionen beendet die inkonsequente Besteue-
rungsvielfalt und Ungleichheiten in der Besteuerung in Deutschland. Sie ver-
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meidet schließlich in Europa auch mobilitätshemmende Verzerrungen und Dop-
pelbesteuerungen.

Vi e r t e n s : Die

Anlagekriterien

für die geförderte kapitalgedeckte Alters-
vorsorge werden den wahren Wert des künftigen Rentensystems bestimmen.
Davon wird abhängen, ob von der neuen Vorsorgemöglichkeit auch tatsächlich
Gebrauch gemacht wird. Die im Gesetzentwurf vorgesehenen elf Anlagekrite-
rien führen zu überbordender Bürokratie - sie sind viel zu kompliziert, völlig
unpraktikabel und intransparent. Sowohl Ansparphase wie Auszahlungsphase
sind überreguliert. Das in dem neuen Zertifizierungsgesetz vorgesehene Verfah-
ren ist zu verwaltungsaufwendig. Dem mündigen Bürger und Verbraucher wird
Entscheidungsfreiheit genommen, was nicht zuletzt zu Lasten der Rendite geht.

Im Rahmen der kapitalgedeckten Altersvorsorge sind im Wesentlichen nur zwei
Kriterien entscheidend: Die

Qualität der Anlageprodukte

und die

Zweckbin-
dung

für die Altersvorsorge. Es müssen ein echter Wettbewerb aller Anbieter
gewährleistet sein, ein vererbbarer Kapitalstock gebildet werden können, die
angebotenen privaten Altersvorsorgeprodukte bestimmten Mindeststandards
genügen und für einen möglichen Konkursfall des Anbieters Vorsorge getroffen
werden. Die Anpassung auch der bestehenden Verträge muss möglich sein. Der
Bürger muss bei der Auszahlung Wahlfreiheit je nach seinen individuellen
Bedürfnissen haben: Er muss entscheiden können, ob er zum Beispiel eine Ver-
rentung, einen lebenslangen Auszahlungsplan in abnehmenden oder steigenden
Raten wählt oder sich einen Platz in einem Alten- oder Pflegeheim sichern will.
Schließlich muss das Verfahren der staatlichen Förderung einfach, verständlich
und damit dem Bürger vermittelbar sein. Auch sollte die Dauer der Förderung
überdacht werden. Erst 2008 werden die insgesamt in Aussicht gestellten rd. 20
Mrd. DM Förderung erreicht. Nur wenn mit dem Aufbau kapitalgedeckter Vor-
sorge rasch begonnen wird - also bereits in diesem Jahr 2001, können ausrei-
chende Zinseszinseffekte über die kritische Phase der Bevölkerungsentwick-
lung hinweghelfen, die um das Jahr 2015 beginnt.

F ü n f t e n s : Der Erwerb einer

Immobilie

für die Altersvorsorge ist in die
Förderung privater Altersvorsorge

einzubeziehen

. Der Gesetzentwurf, der
diese den elf Kriterien unterwerfen will, ist völlig unpraktikabel und kehrt den
ideellen Wert eines selbstgenutzten Eigentums um, weil durch die Vorgabe der
Aufzehrung des Vermögens diese Anlageform unattraktiv würde. Wohneigen-
tum ist die klassische Form der Altersvorsorge, denn ein Rentner, der im Eigen-
heim wohnt, muss keine Miete bezahlen und ihm kann nicht gekündigt werden.
Viele Bürger, gerade Haushalte mit mittlerem Einkommen und junge Familien,
werden das begünstigte Alterssicherungssparen und die Finanzierung von
Wohneigentum nicht gleichzeitig bewältigen können. Vorgeschlagen wird ein
Weg, der zum einen die Förderung privat genutzten Wohneigentums sichert und
zum anderen gewährleistet, dass auch das Eigenheim vererbbar bleibt. Hierfür
eignet sich eine pauschale Abgeltung der Fördervorteile: Bei Auszahlung der
geförderten angesparten Mittel wird ein Abschlag vorgenommen, mit dem die
bei anderen Anlageformen bei Rentenbezug sehr viel später erfolgende nachge-
lagerte Besteuerung pauschal erfasst wird. Diese Lösung vermeidet die Einfüh-
rung einer Nutzungswertbesteuerung für einen Teil der selbstgenutzten Woh-
nungen.

S e c h s t e n s : Im Rahmen der

betrieblichen Altersvorsorge

sind alle
Durchführungswege gleich zu behandeln. Das gilt sowohl für die Förderung wie
für die nachgelagerte Besteuerung. Direktzusagen und Unterstützungskassen
dürfen nicht diskriminiert werden. Sichergestellt werden muss auch, dass steuer-
liche Förderung und Beitragsfreiheit der Vorsorgeaufwendungen sich nicht ge-
genseitig ausschließen. Die vorgesehenen Regelungen im Gesetzentwurf zu den
angeblichen Pensionsfonds sehen nur einen ,versicherungsförmigen Durchfüh-
rungsweg‘ vor und erscheinen wegen der umfassenden Verordnungsermächti-
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gung verfassungsrechtlich bedenklich. Mit diesem deutschen Sonderweg wird
eine Chance vertan, auch bei der betrieblichen Altersvorsorge echte

Pensions-
fonds

einzuführen, die rentabel, europatauglich und international wettbewerbs-
fähig sind. Strikt

abzulehnen

ist ein

Tarifvorrang

, der kollektive Tarifverträge
zur Bedingung für die Förderung der privaten Altersvorsorge macht. Dafür sind
Wahlfreiheit und individuelle Altersvorsorge für den Arbeitnehmer, aber auch
Spielraum für die betriebliche Ausgestaltung und Anpassung an die individuel-
len Versorgungsmöglichkeiten für den Arbeitgeber zu wichtig. Gemein-
schaftstöpfe ohne individuell zuzuordnende Ansprüche und ohne Wahlfreiheit
hinsichtlich der Anlageformen sind aus ordnungs- und vermögenspolitischen
Gründen abzulehnen. Dem Bürger muss die Wahlfreiheit zwischen betrieblicher
und privater Vorsorge erhalten bleiben, wobei Verzahnungsmöglichkeiten zu
prüfen sind.

S i e b t e n s : Bei der

Hinterbliebenenversorgung

ist eine Entdynamisierung
der Freibeträge für Witwen und die vollständige Anrechnung aller Einkom-
mensarten abzulehnen, da dies zur Abkopplung von der allgemeinen Einkom-
mensentwicklung führt und mit dem Anreiz zur Eigenvorsorge und dem Leis-
tungsprinzip in der Rentenversicherung nicht vereinbar erscheint. Bei dem
optionalen Rentensplitting muss die Ehefrau ein eigenes Konto erhalten. Das
vorgesehene Wahlrecht zwischen Hinterbliebenensicherung und Splitting
zwingt Ehegatten dazu, eine Entscheidung darüber zu treffen, wer von ihnen
zuerst stirbt, denn mit der Entscheidung über Splitting oder Hinterbliebenen-
rente sind erhebliche finanzielle Vor- und Nachteile verbunden. Eine solche
Entscheidung kann und darf man den Versicherten nicht zumuten. Das als Op-
tion für die Versicherten vorgesehene Rentensplitting, d. h. der Aufteilung der
in der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften auf beide Ehepartner anstelle
einer späteren Hinterbliebenenrente, dürfte in vielen Fällen weniger, nur in
einigen Fällen mehr als die bisherige Hinterbliebenenrente erbringen.

A c h t e n s : Nach dem jüngsten Gesetzentwurf wird eine ,

bedarfsorientierte
Grundsicherung

‘ nun nicht mehr im Rahmen des Bundessozialhilfegesetzes
verfolgt, sondern in einem eigenen 'Grundsicherungsgesetz' im Altersvermö-
gensgesetz eingeführt. Träger der Grundsicherung sollen die Kreise und kreis-
freien Städte werden. Mit einer solchen neuen rentengleichen Dauerleistung
werden über 65-Jährige und über 18-Jährige voll erwerbsgeminderte gegenüber
anderen Sozialhilfeempfängern privilegiert. Dies ist mit der Systematik der So-
zialhilfe als subsidiäres Sicherungssystem und nachrangige Hilfe für vor-
übergehende Notlagen nicht zu vereinbaren. Auch erscheinen die hiermit ver-
bundenen Mehrkosten durch den vollständigen Verzicht auf die Heranziehung
Unterhaltspflichtiger, die beschränkte Anrechnung von Vermögen, die wegfal-
lende Motivation für beitragspflichtige Beschäftigte sowie die Pauschalierung
der einmaligen Leistungen für die Sozialhilfe nicht kalkulierbar und dürften
auch nicht durch die angebotene Kompensation ausgeglichen werden.

Berlin, den 23. Januar 2001

Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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