BT-Drucksache 14/5091

Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Vermögensgesetzes (Zweites Vermögensrechtsergänzungsgesetz - 2. VermREerG)

Vom 17. Januar 2001


Deutscher Bundestag Drucksache 14/5091
14. Wahlperiode 17. 01. 2001

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Rainer Funke, Jörg van Essen,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Ulrich Heinrich, Hildebrecht Braun (Augsburg),
Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Paul K. Friedhoff, Hans-Michael Goldmann,
Dr. Karlheinz Guttmacher, Klaus Haupt, Dr. Helmut Haussmann, Walter Hirche,
Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Ulrich Irmer, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun
Kopp, Jürgen Koppelin, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Dirk Niebel,
Günther Friedrich Nolting, Detlef Parr, Cornelia Pieper, Dr. Hermann Otto Solms,
Carl-Ludwig Thiele, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der F.D.P.

Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Vermögensgesetzes
(Zweites Vermögensrechtsergänzungsgesetz – 2. VermRErgG)

A. Problem

Das Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz) hat in
§ 1 Abs. 6 zu Recht seine entsprechende Anwendung „auf vermögensrechtliche
Ansprüche von Bürgern und Vereinigungen (festgelegt), die in der Zeit vom
30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 aus rassischen, politischen, religiösen
oder weltanschaulichen Gründen verfolgt wurden und deshalb ihr Vermögen
infolge von Zwangsverkäufen, Enteignungen oder auf andere Weise verloren
haben“. Erfasst sind davon auch Vermögenseinziehungen durch Strafurteile,
wie sie etwa vom nationalsozialistischen Volksgerichtshof bei der Verurteilung
von Widerstandskämpfern vorgenommen wurden. Aufgrund der Vorschrift ha-
ben die Erben der hingerichteten Widerstandskämpfer die seinerzeitigen Ver-
mögensverluste nach Maßgabe des Gesetzes rückgängig gemacht erhalten. Das
war eine ganz selbstverständliche Verpflichtung, die der deutsche Rechtsstaat
den Opfern des Kampfes gegen das barbarische Unrechtsregime schuldete.

Allerdings hatte man dabei nicht auch an diejenigen Widerstandskämpfer ge-
dacht, die im NS-Staat tatsächlich nicht mehr ermittelt, dingfest gemacht oder
verurteilt wurden. Soweit ihre Vermögenswerte in der nachmaligen sowjeti-
schen Besatzungszone belegen waren, wurden diese dann zumeist im Zuge der
„Bodenreform“ konfisziert. Die entsprechend betroffenen ehemaligen Wider-
standskämpfer (bzw. ihre Erben) erhalten heute indessen ihr Vermögen nach
Maßgabe des Vermögensgesetzes nicht zurück, weil § 1 Abs. 8 Buchstabe a
VermG die Geltung des Gesetzes für „Enteignungen von Vermögenswerten auf
besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage“ ausschließt.
Dies ist mit Gerechtigkeitsmaßstäben nicht zu vereinbaren. Denn der aktive
Kampf jener Personen gegen den Nationalsozialismus unter Einsatz ihres Le-
bens war genau derselbe wie bei denen, die von den NS-Schergen ergriffen und
hingerichtet worden sind. Einzig den Tod der Widerständler und nicht ihren
Einsatz als Grund für die Rückerstattung der eingezogenen Habe gelten lassen

Drucksache 14/5091 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

zu wollen, wäre wahrlich zynisch. Der bittere Satz „Nur die toten Widerstands-
kämpfer sind gute!“ darf so nicht stehenbleiben. Für jene besonderen Fälle ist
deshalb der Zugang zur Wiedergutmachung nach dem Vermögensgesetz zu öff-
nen.

B. Lösung

Die bisherige Sperre greift an der formell ersten (und einzigen) Vermögensent-
ziehung unter besatzungsrechtlicher bzw. besatzungshoheitlicher Verantwor-
tung an. Der innere Grund für eine notwendige Ausräumung des erlittenen Ver-
mögensverlustes ist aber die aktive Beteiligung am Widerstand gegen die
nationalsozialistische Gewaltherrschaft. Angesichts dessen erscheint die Frage,
ob jemand von den NS-Häschern noch ergriffen und verurteilt wurde oder sich
bis zum Zusammenbruch des Regimes versteckt halten konnte und mit dem
Leben davonkam, nicht entscheidend. Auch diese Fälle politischer, geheimpo-
lizeilicher oder justizieller Verfolgung müssen also in den Geltungsbereich des
Vermögensgesetzes einbezogen werden. Es empfiehlt sich mithin ein Zusatz,
der dies klarstellt.

C. Alternativen

Die erwünschte Begradigung der Verhältnisse wäre sicherlich auch durch
ersatzlose Streichung der Ausschlussklausel für die „Enteignungen auf be-
satzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage“ insgesamt zu er-
reichen. Dies würde aber einem Dammbruch gleichkommen und dürfte auch
politisch kaum konsensfähig sein. Hier geht es stattdessen um einen ganz
begrenzten Personenkreis und ihre Gerechtigkeits- bzw. Vermögensbelange,
deren gesetzliches Dilemma zudem unmittelbar einleuchtet. Eine Alternative zu
der vorgeschlagenen Sondervorschrift gibt es deshalb nicht.

D. Kosten

Sicherlich werden Staatsaktiva in Anspruch genommen. Das gilt für den Fall
der Restitution bezüglich des staatlichen Grundvermögens ebenso wie (bei
faktischer bzw. interessenbedingter Ausgeschlossenheit einer Rückgabe) für
den Fall der Entschädigung bezüglich des staatlichen Haushalts. Die einschlä-
gige Fallzahl ist jedoch nur verschwindend gering. Und hier Gerechtigkeit ein-
kehren zu lassen, muss den Aufwand allemal wert sein.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/5091

Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Vermögensgesetzes
(Zweites Vermögensrechtsergänzungsgesetz – 2. VermRErgG)

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das
folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Das Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermö-
gensgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. De-
zember 1998 (BGBl. I S. 4027), zuletzt geändert durch Ge-
setz vom 15. September 2000 (BGBl. I S. 1382), wird wie
folgt geändert:

In § 1 Abs. 6 wird folgender Satz 3 angefügt:

„Die Anwendungserweiterung nach Satz 1 gilt auch für dieje-
nigen, welche einem Vermögensverlust nur dadurch entgan-
gen sind, dass sie als aktive Widerständler bis zum 8. Mai
1945 nicht mehr ermittelt oder verurteilt wurden.“

Artikel 2

Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.

Berlin, den 16. Januar 2001

Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Rainer Funke
Jörg van Essen
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Ulrich Heinrich
Hildebrecht Braun (Augsburg)
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Paul K. Friedhoff
Hans-Michael Goldmann
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Dr. Helmut Haussmann
Walter Hirche
Birgit Homburger,
Dr. Werner Hoyer
Ulrich Irmer
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Dr. Hermann Otto Solms
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

Drucksache 14/5091 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Begründung

I. Allgemeines

Die Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland gegen-
über denen, die sich aktiv gegen die nationalsozialistische
Unrechtsherrschaft eingesetzt haben, ist unbestritten. Sie
haben ihr Leben für Frieden, Rechtsstaatlichkeit und Huma-
nismus aufs Spiel gesetzt und in dunkler Zeit das Ansehen
Deutschlands in der Welt hochgehalten. Mit der deutschen
Wiedervereinigung von 1990 hat § 1 Abs. 6 des Vermögens-
gesetzes die Wiedergutmachung der diesen Menschen zuge-
fügten Vermögensverluste auch im Beitrittsgebiet deshalb
zu Recht angeordnet. Und konsequenterweise fügte der
Gesetzgeber dann auch 1992 (2. VermRÄndG vom 14. Juli
1992, BGBl. I S. 1257) mit Satz 2 der Vorschrift noch eine
Beweiserleichterung hinzu.

Dabei war immer klar, dass dieses Wiedergutmachungsziel
selbst gegen die Ausschlussklausel von § 1 Abs. 8 Buch-
stabe a des Gesetzes durchhalten müsse. Denn die Ausdeh-
nung des Vermögensgesetzes auf die Opfer der nationalso-
zialistischen Gewaltherrschaft sollte auch dann gelten,
wenn der betreffende Vermögenswert später unter sowjeti-
scher Besatzungshoheit (d. h. zwischen dem 8. Mai 1945
und dem 7. Oktober 1949) dem neuen Eigentümer oder –
nach vorübergehender Rückerstattung des Vermögens nach
dem 8. Mai 1945 – dem Verfolgten des NS-Regimes bzw.
seinen Erben erneut entzogen wurde. Darin wird indessen
kein Widerspruch zu Absatz 8 Buchstabe a gesehen, weil
die Regelung des Absatzes 6 in diesem Fall nicht auf die
Korrektur einer Maßnahme unter sowjetischer Besatzungs-
hoheit, sondern auf die Korrektur nationalsozialistischen
Unrechts abzielt; erstere ist lediglich mittelbar Folge des
letzteren (vgl. K. Stern/B. Schmidt-Bleibtreu, Einigungsver-
trag, 1990, Erl. zu § 1 Abs. 6 VermG, S. 836 f.). Artikel 41
Abs. 1 und 3 des Einigungsvertrages in Verbindung mit der
Gemeinsamen Erklärung der Regierungen beider deutscher
Staaten zur Regelung offener Vermögensfragen vom
15. Juni 1990 (Anlage III des Vertrages) stehen gleichfalls

nicht entgegen, weil die Gemeinsame Erklärung zu den in
§ 1 Abs. 6 VermG behandelten Fällen keine Aussage trifft.

Die Ausweitung des § 1 Abs. 6 VermG auf die Widerstands-
kämpfer, welche nicht ermittelt, ergriffen oder noch verur-
teilt wurden, liegt zudem voll im Sinne der Grundregelung.
Und eine inakzeptable Ausdehnung der (neuen) Fälle ist
nicht zu gewärtigen, weil die Voraussetzung aktiven Wider-
stands den Kreis verlässlich eingrenzt.

II. Einzelbegründung

Zu Artikel 1

Die ausdrückliche Beschränkung der Geltungsausweitung
auf aktive Widerständler gegen die nationalsozialistische
Gewaltherrschaft verhindert, dass nachträglich auch andere
als die aufgrund zeitgeschichtlicher Aufarbeitung ausgewie-
senen Resistenten und Verschwörer mit Ansprüchen noch
auftreten können. Nach Schätzung von Verfolgtenorganisa-
tionen wird es sich zudem, da die nationalsozialistischen Si-
cherheitsorgane bis zum Schluss mit mörderischer Präzision
und Konsequenz arbeiteten, um weniger als zehn Fälle han-
deln.

Eingeschlossen dürfte auch jene vorstellbare Konstellation
sein, dass ein Widerstandskämpfer zwar noch ermittelt und
verurteilt wurde, aber entweder nicht mehr festgesetzt wer-
den konnte (also in Abwesenheit verurteilt wurde) oder wie-
der zu entkommen vermochte bzw. es zu keiner Vollziehung
des Urteils mehr kam (weil die Befreiung durch Militärein-
heiten der Alliierten rascher war).

Zu Artikel 2

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.

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