BT-Drucksache 14/4911

Kulturföderalismus in Deutschland erhalten

Vom 6. Dezember 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/4911 (neu)
14. Wahlperiode

Antrag
der Abgeordneten Hans-Joachim Otto (Frankfurt am Main), Ina Albowitz,
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Rainer Funke, Dr. Max Stadler, Hildebrecht
Braun (Augsburg), Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Jörg van Essen, Horst
Friedrich (Bayreuth), Joachim Günther (Plauen), Dr. Karlheinz Guttmacher, Klaus
Haupt, Ulrich Heinrich, Walter Hirche, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Ulrich
Irmer, Jürgen Koppelin, Ina Lenke, Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting, Cornelia
Pieper, Marita Sehn, Dr. Hermann Otto Solms, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Wolfgang
Gerhardt und der Fraktion der F.D.P.

Kulturföderalismus in Deutschland erhalten

Der Bundestag wolle beschließen:

1. Der Deutsche Bundestag bekräftigt die grundgesetzlich festgelegte Kompe-
tenzverteilung zwischen Bund und Ländern hinsichtlich der Kulturpolitik.

2. Ungeachtet dieser verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung bekennt
sich der Deutsche Bundestag zu seiner infolge der Wiedervereinigung
Deutschlands gewachsenen Verantwortung für die Erhaltung herausragender
deutscher Kulturgüter und -institutionen.

3. Die Bundesregierung hat in einem geeinten Europa die Aufgabe, die Unter-
schiede nationaler und regionaler Kulturen gegenüber den europäischen In-
stitutionen zu verteidigen.

Berlin, den 5. Dezember 2000

Hans-Joachim Otto (Frankfurt am Main)
Ina Albowitz
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Rainer Funke
Dr. Max Stadler
Hildebrecht Braun (Augsburg)
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Horst Friedrich (Bayreuth)
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt

Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Ulrich Irmer
Jürgen Koppelin
Ina Lenke
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Cornelia Pieper
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Carl-Ludwig Thiele

Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

Drucksache 14/4911 (neu) – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
Begründung
In jüngster Zeit ist die Diskussion über Inhalt und Umfang bundesdeutscher
Kulturpolitik wieder aufgeflammt. Der Idee einer eigenständigen Bundeskul-
turpolitik wird die Vorstellung der Länder von einer gesamtstaatlichen Kultur-
politik gegenübergestellt. Kern dieser Diskussion ist die Frage nach der Bedeu-
tung des Kulturföderalismus im Deutschland und Europa des 21. Jahrhunderts.

Kulturpolitik ist für Deutschland als eine der großen Kulturnationen dieser Welt
von überragendem politischen Wert. Gerade die letzten 10 Jahre seit der Wie-
dervereinigung wurde die identitätsstiftende und menschenverbindende Wir-
kung einer gemeinsamen deutschen Kultur sichtbar. Für die Menschen in Ost
und West sind die Dresdner Semperoper und der Kölner Dom, die Schlösser
Sanssouci in Potsdam und Neuschwanstein bei Füssen im Allgäu von gleicher
nationaler Bedeutung. Nicht zuletzt das Jahr 1999, in dem Deutschland Weimar
als europäische Kulturhauptstadt feierte und zugleich des 100. Todestags Bis-
marcks, des 250. Geburtstags Goethes gedachte sowie 150 Jahre Paulskirchen-
verfassung zelebrierte, macht die immense Bedeutung nationaler Kulturarbeit
für das Selbstverständnis und das Selbstbewusstsein eines Volkes offenbar.

Dass Deutschland über eine so herausragende Kulturlandschaft verfügt, ist aber
nicht Ergebnis der Politik eines Zentralstaates, sondern gerade derjenigen vieler
Territorialstaaten zu verdanken. Kulturell musste die Einheit Deutschlands
nicht geschaffen werden. In kultureller Hinsicht hat sie, trotz aller Bemühungen
der DDR um eigenständige Identität, nie aufgehört zu existieren.

Die regionale und lokale Verwurzelung kultureller Verschiedenheiten ist ein
Reichtum, der durch die föderale Struktur unseres Landes geschützt wird.
Gerade die Kulturhoheit der Länder bildet einen Kern der bundesstaatlichen
Ordnung.

Die Unterschiedlichkeit der verschiedenen Einflüsse führt im föderalen Rah-
men zu einer flächendeckenden Kulturverbreitung, um die Deutschland von an-
deren Kulturnationen beneidet wird. Dabei stehen die verschiedenen kulturel-
len Strukturen nicht im Gegensatz zueinander, sondern existieren friedlich im
Austausch miteinander. Die Kulturhoheit der Länder als Nukleus des deutschen
Föderalismus ist daher seitens des Bundes nicht nur zu respektieren, sondern zu
bewahren. Dies darf eine Debatte über die Kompetenzen und die Ausgestaltung
einer Bundeskulturpolitik nicht verhindern. Bundeskulturpolitik darf aber erst
dort einsetzen, wo es von der Natur der Sache her unmöglich ist, einem Land
allein kulturpolitische Interessenwahrnehmung für ganz Deutschland zu über-
lassen. Ein solches politisches Feld ist die auswärtige Kulturpolitik. Vor allem
aber auf europäischer Ebene ist die Wahrnehmung kulturpolitischer Interessen
durch eine einzige Stimme notwendig, um deutsche Interessen mit Nachdruck
vertreten zu können.

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