BT-Drucksache 14/4753

Kraft-Wärme-Kopplung im Wettbewerb stärken

Vom 27. November 2000


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

4753

14. Wahlperiode

27. 11. 2000

Antrag

der Abgeordneten Dr. Christian Ruck, Hartmut Schauerte, Gunnar Uldall, Dr. Peter
Paziorek, Dagmar Wöhrl, Wolfgang Zeitlmann, Wolfgang Börnsen (Bönstrup),
Cajus Caesar, Hansjürgen Doss, Marie-Luise Dött, Albrecht Feibel,
Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), Erich G. Fritz, Dr. Jürgen Gehb, Georg Girisch,
Peter Götz, Kurt-Dieter Grill, Ernst Hinsken, Ulrich Klinkert, Dr. Martina Krogmann,
Dr. Norbert Lammert, Helmut Lamp, Dr. Paul Laufs, Vera Lengsfeld, Dr. Martin
Mayer (Siegertsbrunn), Bernward Müller (Jena), Elmar Müller (Kirchheim), Bernd
Neumann (Bremen), Franz Obermeier, Friedhelm Ost, Dr. Bernd Protzner, Thomas
Rachel, Christa Reichard (Dresden), Hans-Peter Repnik, Dr. Heinz Riesenhuber,
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr, Karl-Heinz Scherhag, Dietmar Schlee, Hans Peter
Schmitz (Baesweiler), Max Straubinger, Andrea Voßhoff, Matthias Wissmann,
Werner Wittlich und der Fraktion der CDU/CSU

Kraft-Wärme-Kopplung im Wettbewerb stärken

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Die kombinierte Erzeugung von Strom und Wärme (Kraft-Wärme-Kopp-
lung, KWK) ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen eine höhere
Brennstoffausnutzung als die Erzeugung in getrennten Systemen. Aufgrund
dessen wird der KWK parteiübergreifend ein besonderer Stellenwert hin-
sichtlich ihres Beitrages zur effizienten Nutzung der eingesetzten Ressour-
cen und zur Verringerung von CO

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-Emissionen beigemessen. Es zeigt sich
aber, dass die KWK unter Klimagesichtspunkten erst dann einen positiven
Beitrag erwarten lässt, wenn hohe Energieausnutzungsgrade erreicht wer-
den. Entscheidend hierfür ist der Absatz der erzeugten Wärme. Ohne einen
gesicherten, das Jahr über gleichbleibenden Wärmeabsatz wird die KWK
unwirtschaftlich und verliert auch zugleich ihre ökologischen Vorteile. Be-
reits jetzt kann die KWK – sowohl im kommunalen als auch im industriellen
Bereich – gegenüber anderen Technologien im Wettbewerb bestehen.

2. Das von der Bundesregierung beabsichtigte Ziel der Verdoppelung des
Stroms aus KWK-Anlagen mittels Quoten-/Zertifikatshandelsmodell ist
folglich aufgrund der undifferenzierten Förderung aller KWK-Anlagen we-
der ökonomisch noch ökologisch sinnvoll. Das Quotenmodell mit Zertifi-
katshandel führt zu Mitnahmeeffekten bei den Erzeugern, deren Kosten un-
ter dem Zertifikatspreis liegen. Die Anerkennung bzw. Überprüfung der
Quotentauglichkeit produzierter KWK-Strommengen bzw. entsprechender
Zertifikate erfordert einen hohen bürokratischen Aufwand. Die Erfüllung
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der Quotenpflicht durch die Vielzahl der Stromanbieter und Eigenerzeuger
müsste ebenfalls intensiv kontrolliert werden. Aus europarechtlicher Sicht
wäre eine Quotenregelung höchst problematisch. Sie setzt voraus, dass auch
ausländische Stromanbieter, die Strom an deutsche Endverbraucher liefern,
die Erfüllung einer KWK-Quote nachweisen müssen. Außerdem soll die
Anrechnung von im Ausland erzeugtem KWK-Strom auf die Quote davon
abhängig gemacht werden, dass im betreffenden Staat ebenfalls eine KWK-
Förderung nach dem Quotenmodell stattfindet. Ein Verstoß gegen den
Grundsatz des freien Warenverkehrs im Allgemeinen und die Strom-Bin-
nenmarkt-Richtlinie im Besonderen liegt dabei auf der

Hand.

3. Durch die Liberalisierung der Energiemärkte wurde ein Strukturwandel aus-
gelöst, der kommunale und private Unternehmen gleichermaßen hart trifft.
Überkapazitäten werden abgebaut. Dieser Anpassungsprozess wird die
nächsten Jahre andauern. Die bisher bekannt gewordenen Pläne der Bundes-
regierung führen zum Zubau neuer KWK-Kraftwerkskapazitäten mit einer
elektrischen Leistung von ca. 15 000 MW, obwohl für zusätzliche Erzeu-
gungskapazitäten derzeit und in den folgenden Jahren kein Bedarf existiert.

4. Die Förderung neuer zentraler KWK-Anlagen nach dem heutigen Stand der
Technik bedeutet die Festlegung auf vorhandene Strukturen für mehrere
Jahrzehnte. Damit wird die Entwicklung und Praxiserprobung effizienter
moderner Technologien behindert.

5. Die Liberalisierung des Strommarktes hat für die stromverbrauchende Wirt-
schaft und die privaten Haushalte erhebliche Preissenkungen gebracht.
Dadurch wurde die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen gestärkt;
die Bürgerinnen und Bürger, insbesondere die Familien, wurden entlastet.
Günstige Strompreise nutzen deutschen Unternehmen im internationalen
Wettbewerb und sichern so Arbeitsplätze. Jedoch sind bereits heute durch
das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und das KWK-Vorschaltgesetz
vom 18. Mai 2000 über 10 % der Stromerzeugung dem Wettbewerb in
Deutschland entzogen. Diese Marktintervention kostet den Verbraucher
rund 4 Mrd. DM/Jahr mit steigender Tendenz. Hinzu kommen die Belastun-
gen aus der Stromsteuer mit derzeit rund 6 Mrd. DM/Jahr. Wenn die von der
Bundesregierung geforderte Verdopplung der KWK erfolgen sollte, würden
bis 2010 insgesamt etwa 40 % des deutschen Strommarktes dem Wettbe-
werb entzogen. Die mit dem KWK-Ausbau verbundenen Kosten beliefen
sich, einschließlich der Aufwendungen aus EEG und Stromsteuer, im Jahr
2010 auf weit mehr als 30 Mrd. DM. Mit dem Ausbau der KWK-Förderung
würden folglich die erzielten Vorteile des Stromwettbewerbs zu Lasten von
Verbrauchern und Standort vernichtet.

6. Innovative dezentrale Energiewandlungsanlagen (z. B. Brennstoffzellen)
sind aus heutiger Sicht hervorragende Einsatzmöglichkeiten zur bedarfsge-
rechten dezentralen Energiebereitstellung. Das hierin liegende Potential
kann durch ein haushaltsfinanziertes neues Markteinführungsprogramm
sinnvoll erschlossen werden. Die Energiewirtschaft ist aufgefordert, diesen
Prozess durch innovative Organisations- und Finanzierungsmodelle wie
z. B. das sog. „contracting“, d. h. das Betreiben solcher dezentraler Anlagen
beim Verbraucher, zu unterstützen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. die Pläne zum Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung mittels Quoten-/Zerti-
fikatshandel nicht weiterzuverfolgen und starre Zielvorgaben wie die Ver-
dopplung der gekoppelten Stromerzeugung als staatlichen Handlungsauftrag
aufzugeben. Eine weitere Belastung der Verbraucher und der Wirtschaft
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durch zusätzliche KWK-Subventionierungen ist zu unterlassen, da diese
bereits jetzt durch die Kosten aus EEG, KWK-Vorschaltgesetz und Strom-
steuer übermäßig hoch ist;

2. den kommunalen und privaten Energieunternehmen Planungssicherheit für
die Entwicklung wirtschaftlich und ökologisch nachhaltiger Energieerzeu-
gung zu bieten. Die Förderung existierender KWK-Anlagen ist so zu ändern,
dass diese an ökologische Kriterien (z. B. Monatsnutzungsgrad von mindes-
tens 60 % bei monatlicher Abrechnung) gebunden sowie zeitlich befristet
und degressiv ausgestaltet werden. Andernfalls werden veraltete KWK-An-
lagen zu Lasten der Umwelt und auch der Stromkunden künstlich länger
betrieben werden;

3. die vorhandenen Förderprogramme zur Forschung und Entwicklung inno-
vativer, dezentraler Energieumwandlungsanlagen wie bespielsweise der
Brennstoffzelle aufzustocken und die Markteinführung dezentraler inno-
vativer KWK-Anlagen mit einem längerfristig angelegten Programm auf-
grund einer politisch festzulegenden Gesamtnennleistung zu unterstützen
(„Brennstoffzelleneinführungsprogramm“). Die Finanzierung muss aus dem
Bundeshaushalt erfolgen.

Berlin, den 27. November 2000

Dr. Christian Ruck
Hartmut Schauerte
Gunnar Uldall
Dr. Peter Paziorek
Dagmar Wöhrl
Wolfgang Zeitlmann
Wolfgang Börnsen (Bönstrup)
Cajus Caesar
Hansjürgen Doss
Marie-Luise Dött
Albrecht Feibel
Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof)
Erich G. Fritz
Dr. Jürgen Gehb
Georg Girisch
Peter Götz
Kurt-Dieter Grill
Ernst Hinsken
Ulrich Klinkert
Dr. Martina Krogmann
Dr. Norbert Lammert
Helmut Lamp

Dr. Paul Laufs
Vera Lengsfeld
Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn)
Bernward Müller (Jena)
Elmar Müller (Kirchheim)
Bernd Neumann (Bremen)
Franz Obermeier
Friedhelm Ost
Dr. Bernd Protzner
Thomas Rachel
Christa Reichard (Dresden)
Hans-Peter Repnik
Dr. Heinz Riesenhuber
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Karl-Heinz Scherhag
Dietmar Schlee
Hans Peter Schmitz (Baesweiler)
Max Straubinger
Andrea Voßhoff
Matthias Wissmann
Werner Wittlich
Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

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