BT-Drucksache 14/4684

Umsetzung der Empfehlungen der Expertenkommission "Havarie Pallas"

Vom 15. November 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/4684
14. Wahlperiode 15. 11. 2000

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jürgen Koppelin, Birgit Homburger, Marita Sehn, Ulrike Flach,
Hildebrecht Braun (Augsburg), Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Jörg van
Essen, Rainer Funke, Hans-Michael Goldmann, Dr. Karlheinz Guttmacher, Klaus
Haupt, Ulrich Heinrich, Walter Hirche, Dr. Werner Hoyer, Ulrich Irmer, Gudrun
Kopp, Dr. Heinrich L. Kolb, Ina Lenke, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt
am Main), Detlef Parr, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Gerhard Schüßler, Dr. Hermann
Otto Solms, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der F.D.P.

Umsetzung der Empfehlungen der Expertenkommission „Havarie Pallas“

Am 25. Oktober 1998 geriet die Holzladung der MS „Pallas“, das sich auf einer
Reise von Schweden nach Marokko befand, bei stürmischem Wetter vor der dä-
nischen Nordseeküste aus ungeklärter Ursache in Brand.

Bei der Betrachtung der „Pallas“-Havarie haben sich eine Reihe von Probleme
bei der Unfallverhütung, der Unfallbekämpfung und beim Unfallmanagement
gezeigt.

Eine Expertenkommission, eingesetzt vom Bundesminister für Verkehr, Bau-
und Wohnungswesen, hat dazu am 16. Februar 2000 einen Bericht vorgelegt
und auf Schwachstellen im damals bestehenden Notfallkonzept hingewiesen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Hat die Bundesregierung die Empfehlung Nr. 1 der Expertenkommission
„Havarie Pallas“, die mit Aufsichtsaufgaben betrauten auf See tätigen
Dienste des Bundes (Bundesgrenzschutz, Zoll, Fischereiaufsicht, Wasser-
und Schifffahrtsverwaltung) zu einer Einheit mit gemeinsamer Flotte zu-
sammenzufassen und diese einem Havariekommando zu unterstellen sowie
sämtliche Fahrzeuge mit gemischtem Personal aus den beteiligten Dienst-
stellen zu besetzen, die Fahrzeuge einheitlich zu kennzeichnen und unter
der Bezeichnung „Seewache“ zu betreiben, umgesetzt?

2. Hat die Bundesregierung die Empfehlung Nr. 2 der Expertenkommission
„Havarie Pallas“, ein Havariekommando mit Durchgriffsrecht auf alle er-
forderlichen Einsatzkräfte und -mittel von Bund, Ländern und Kommunen
zu bilden, wobei das Havariekommando die Seewache führt, die bisherigen
Einrichtungen und Stellen ersetzt und deren Aufgaben übernimmt, ständig
ein aktuelles Lagebild erstellt, selber bestimmt, in welchen Havarie-Fällen
es das Kommando übernimmt, Notfallpläne erstellt und Trainingspro-
gramme zur ständigen Fortbildung durchführt, mit qualifizierten Fachkräf-
ten verschiedener Fachrichtungen besetzt ist und sich durch externe und

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qualifizierte Fachleute ergänzt und eng (gekoppelt) mit der Marine, der
Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffsbrüchiger (DGzRS) und ande-
ren unabhängigen Institutionen zusammenarbeitet, umgesetzt?

3. Hat die Bundesregierung die Empfehlung Nr. 3 der Expertenkommission
„Havarie Pallas“, die vorhandenen Brandschutzstrukturen (Berufsfeuer-
wehren, Freiwillige Feuerwehren) in die Notfallorganisation einzubeziehen
sowie für die Bundeswehr, das Technische Hilfswerk (THW) und sonstige
Hilfsorganisationen entsprechende Vereinbarungen zu treffen, umgesetzt?

4. Hat die Bundesregierung die Empfehlung Nr. 4 der Expertenkommission
„Havarie Pallas“, eine Verstärkung der Besatzung der Mehrzweckschiffe
des Bundes und anderer Notfall- und Bergungsschiffe im Einsatzfall kurz-
fristig zu ermöglichen und deren Besatzungen für eine Mehrfachverwen-
dung auszubilden, umgesetzt?

5. Hat die Bundesregierung die Empfehlung Nr. 5 der Expertenkommission
„Havarie Pallas“, eine laufende Kommunikation des Havariekommandos
mit den entsprechenden Einrichtungen der Nachbarstaaten nach einem
standardisierten Verfahren jederzeit zu gewährleisten und mit den Nachbar-
ländern Polen und Schweden entsprechende Vereinbarungen abzuschlie-
ßen, umgesetzt?

6. Hat die Bundesregierung die Empfehlung Nr. 6 der Expertenkommission
„Havarie Pallas“, die Ausstattung der für die Notfallbekämpfung vorgese-
henen Fahrzeuge zu verbessern, um z. B. eine sichere Schleppverbindung
herzustellen und Anker von Havaristen aufnehmen zu können, umgesetzt?

7. Hat die Bundesregierung die Empfehlung Nr. 7 der Expertenkommission
„Havarie Pallas“, eine dem Risikopotential angemessene Pfahlzugkapazität
für Notschleppeinsätze auch mit kleineren seegängigen Schleppern abzu-
decken bzw. Kapazität auf dem Londoner Schleppermarkt über Makler zu
binden oder durch internationale Vereinbarungen für länderübergreifenden
Einsatz zu sichern, umgesetzt?

8. Hat die Bundesregierung die Empfehlung Nr. 8 der Expertenkommission
„Havarie Pallas“, die Transpondertechnik für die Fahrzeuge der Seewache
einzuführen, die Daten beim Havariekommando zusammen mit der Radar-
überwachung zu einem elektronischen Positionsbild zusammenzufassen
sowie die Softwaresysteme zum Krisenmanagement zu verbessern, umge-
setzt?

9. Hat die Bundesregierung die Empfehlung Nr. 9 der Expertenkommission
„Havarie Pallas“, in Einzelfällen Schiffen mit hohem Risikopotential oder
in gefährlichen Situationen über die Verkehrszentralen die nach geltendem
Recht bereits mögliche Anweisung zu geben, in küstenfernere Fahrwasser
auszuweichen sowie nach Abstimmung mit den Niederlanden über die
Internationale Seefahrtorganisation (IMO) den Verkehrstrennungsweg Ter-
schelling – Deutsche Bucht bei Borkumriff um 5 sm nach Norden zu ver-
schwenken, umgesetzt?

10. Hat die Bundesregierung die Empfehlung Nr. 10 der Expertenkommission
„Havarie Pallas“, zwischen dem Bund und den Küstenländern abgestimmte
Einsatzszenarien – insbesondere auch für Maßnahmen des ersten Augen-
blicks – zu erarbeiten, diese fortzuschreiben und regelmäßig mit allen Be-
teiligten zu trainieren, umgesetzt?

11. Hat die Bundesregierung die Empfehlung Nr. 11 der Expertenkommission
„Havarie Pallas“, Konzepte aufzustellen, um ggf. größere Mengen zu ber-
gender Ladung, aufgenommenes Öl und andere Schadstoffe zügig zu ent-

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sorgen und die notwendigen Entsorgungswege vorsorglich rechtlich abzu-
sichern, umgesetzt?

12. Hat die Bundesregierung die Empfehlung Nr. 12 der Expertenkommission
„Havarie Pallas“, die Ausbildung und Schulung der Verantwortlichen für
das Unfallmanagement zu verbessern und die Erarbeitung und Durchfüh-
rung von Trainings- und Schulungskonzepten durch das Havariekom-
mando sicherzustellen, umgesetzt?

13. Hat die Bundesregierung die Empfehlung Nr. 13 der Expertenkommission
„Havarie Pallas“, Strukturen für eine wirkungsvolle Unterrichtung der Öf-
fentlichkeit zu schaffen und dabei sicherzustellen, dass eine einheitliche
Zuständigkeit vorhanden ist, andererseits auch eine ereignisnahe Öffent-
lichkeitsarbeit erfolgt („Bewertung zentral – Fakten dezentral“) sowie die
Zuständigkeit kraft Amtes für die zentrale Öffentlichkeitsarbeit eines Mit-
arbeiters des Havariekommandos zu gewährleisten, umgesetzt?

14. Hat die Bundesregierung die Empfehlung Nr. 14 der Expertenkommission
„Havarie Pallas“, auf europäischer und internationaler Ebene Schiffsicher-
heitsbelange aktiver als bisher einzubringen und die dafür notwendigen
personellen und materiellen Ressourcen in ausreichendem Umfang zur
Verfügung zu stellen, umgesetzt?

15. Hat die Bundesregierung die Empfehlung Nr. 15 der Expertenkommission
„Havarie Pallas“, die derzeitigen Aktivitäten der IMO zu unterstützen, die
zu Sanktionen gegen Flaggenstaaten führen, wenn eine mangelhafte Um-
setzung oder Überwachung von Sicherheitsvorschriften für die Seeschiff-
fahrt festgestellt wird, umgesetzt?

16. Hat die Bundesregierung die Empfehlung Nr. 16 der Expertenkommission
„Havarie Pallas“, den bei der IMO erarbeiteten Vorschlag über die Ausrüs-
tung von Tankern mit Notschleppgeschirren zu unterstützen und anschlie-
ßend in deutsches Recht umzusetzen, Vorschriften zur Ausrüstung auch
von anderen Schiffen mit Notschleppeinrichtungen auf internationaler
Ebene zu erarbeiten und verpflichtend einzuführen und bis dahin sicherzu-
stellen, dass auf allen Schiffen beim Befahren verkehrsreicher Gebiete
(z. B. Deutsche Bucht, westliche Ostsee) ein Schleppdraht bereitgehalten
wird, wie er auf Tankern als „Feuerdraht“ im Hafen bereits vorgeschrieben
ist, umgesetzt?

17. Hat die Bundesregierung die Empfehlung Nr. 17 der Expertenkommission
„Havarie Pallas“, auf nationaler und internationaler Ebene Regeln für eine
geeignete Ausbildung und Weiterbildung der Schiffsbesatzungen für
Notfallsituationen verbindlich einzuführen und die Notfallausbildung und
-weiterbildung in geeigneten Ausbildungszentren zu unterstützen und zu
fördern, umgesetzt?

18. Hat die Bundesregierung die Empfehlung Nr. 18 der Expertenkommission
„Havarie Pallas“, einen Forschungsschwerpunkt bei der Verbesserung der
Sicherheitstechnik an Bord und der Entwicklung von Entscheidungshilfen
zur Erhöhung der Handlungssicherheit in der Schiffsführung zu setzen, da-
bei Klassifikationsgesellschaften, Industrie- und Forschungsinstitutionen
einzubeziehen und die Ergebnisse in internationalen Vorschriften verbind-
lich zu machen, umgesetzt?

19. Hat die Bundesregierung die Empfehlung Nr. 19 der Expertenkommission
„Havarie Pallas“, in Ergänzung zu Empfehlung Nr. 10 eine Sammlung ein-
schlägiger Szenarien von Unfallabläufen mit Schadstoffaustritten und de-
ren Bekämpfung aufzubauen, fortzuschreiben, zu optimieren und bewährte
Unfallbekämpfungsmaßnahmen zuzuordnen, diese Sammlung im Rahmen

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von Übungen unter Einbeziehung aller beteiligten Fachleute zu erproben
und zu verbessern, die Sammlung in einem Datenverarbeitungssystem auf-
zubereiten und für die praktische Arbeit verfügbar zu machen und Zugriffe
auf andere Informationsträger vorzusehen, umgesetzt?

20. Hat die Bundesregierung die Empfehlung Nr. 20 der Expertenkommission
„Havarie Pallas“, die mittel- und langfristigen Folgen nach einem Unfall
mit erheblichem Schadstoffsaustritt systematisch zu untersuchen und die
Auswirkungen, insbesondere in ökologischer und ökonomischer Hinsicht
festzustellen und die wissenschaftlichen Untersuchungen dem Havarie-
kommando zur Verfügung zu stellen, umgesetzt?

21. Hat die Bundesregierung die Empfehlung Nr. 21 der Expertenkommission
„Havarie Pallas“, ein Entscheidungsraster zur Ölschadensbekämpfung auf-
zubauen, wobei die mechanischen Ölsammelmaßnahmen und der Einsatz
von Dispergatoren zur Auflösung von Ölteppichen zu berücksichtigen
sind, umgesetzt?

22. Hat die Bundesregierung die Empfehlung Nr. 22 der Expertenkommission
„Havarie Pallas“, Dispergatoren und andere Ölbekämpfungsmethoden wei-
terzuentwickeln sowie Dispergatoren mit möglichst geringen ökologischen
Sekundärschäden vorzuhalten, umgesetzt?

23. Hat die Bundesregierung die Empfehlung Nr. 23 der Expertenkommission
„Havarie Pallas“, zu dem Internationalen Übereinkommen von 1989 über
Bergung (Bergungsübereinkommen) schnellstmöglich das Ratifizierungs-
verfahren einzuleiten, umgesetzt?

24. Hat die Bundesregierung die Empfehlung Nr. 24 der Expertenkommission
„Havarie Pallas“, unverzüglich den Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung
des Seeunfalluntersuchungsgesetzes vom 6. Dezember 1985 an den inter-
nationalen Standard (nach dem Vorbild des Flugunfall-Untersuchungsge-
setzes) vorzulegen, umgesetzt?

25. Hat die Bundesregierung die Empfehlung Nr. 25 der Expertenkommission
„Havarie Pallas“, zu prüfen, ob die persönliche Inanspruchnahme von Mit-
gliedern des Havariekommandos wegen Schäden, die sie bei Ausübung
ihrer Tätigkeit verursacht haben, auf Fälle vorsätzlichen Fehlverhaltens
beschränkt werden kann, umgesetzt?

26. Hat die Bundesregierung die Empfehlung Nr. 26 der Expertenkommission
„Havarie Pallas“, zu dem Protokoll von 1996 zur Änderung des Überein-
kommens von 1976 über die Beschränkung der Haftung von Seeforderun-
gen (LLMC ’96) schnellstmöglich das Ratifizierungsverfahren einzuleiten,
umgesetzt?

27. Hat die Bundesregierung die Empfehlung Nr. 27 der Expertenkommission
„Havarie Pallas“, sich auf internationaler Ebene, insbesondere bei der IMO
für die Erarbeitung von Regelungen einzusetzen mit dem mittelfristigem
Ziel, dass für alle Schiffe der Nachweis einer Haftpflichtversicherung zu
führen ist, bei allen Schiffen die direkte Inanspruchnahme des Versicherers
für Haftpflichtschäden ermöglicht wird und die Haftungssumme weiter
entsprechend den tatsächlichen Risiken in der Seeschifffahrt erhöht wird,
umgesetzt?

28. Hat die Bundesregierung die Empfehlung Nr. 28 der Expertenkommission
„Havarie Pallas“, zu dem Internationalen Übereinkommen von 1996 über
die Haftung und Entschädigung für Schäden bei der Beförderung schädli-
cher und gefährlicher Stoffe auf See (HNS ’96) schnellstmöglich das Rati-
fizierungsverfahren einzuleiten, umgesetzt?

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29. Hat die Bundesregierung die Empfehlung Nr. 29 der Expertenkommission
„Havarie Pallas“, mit den Nordsee- und Ostseeanrainerstaaten bzw. auf
EU-Ebene (Europäisches Binnenmeer und Europäischer Mittelmeerraum)
Vereinbarungen über besondere Gefahrenzonen zu treffen, bei deren Be-
fahren höhere Mindestversicherungen abgeschlossen werden müssen, um-
gesetzt?

30. Hat die Bundesregierung die Empfehlung Nr. 30 der Expertenkommission
„Havarie Pallas“, sich bei der IMO für die zügige Erarbeitung und Zeich-
nung eines Haftungsübereinkommens für austretendes Bunkeröl einzuset-
zen und anschließend das Ratifizierungsverfahren einzuleiten, umgesetzt?

Berlin, den14. November 2000

Jürgen Koppelin
Birgit Homburger
Marita Sehn
Ulrike Flach
Hildebrecht Braun (Augsburg)
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Rainer Funke
Hans-Michael Goldmann
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Dr. Werner Hoyer
Ulrich Irmer
Gudrun Kopp
Dr. Heinrich L. Kolb
Ina Lenke
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto (Frankfurt am Main)
Detlef Parr
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Gerhard Schüßler
Dr. Hermann Otto Solms
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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