BT-Drucksache 14/4525

Deutsche Beiträge zur Umsetzung der Millenniums-Erklärung der Vereinten Nationen

Vom 7. November 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/4525
14. Wahlperiode 07. 11. 2000

Antrag
der Abgeordneten Dr. Dietmar Bartsch, Petra Bläss, Wolfgang Gehrcke,
Carsten Hübner, Heidi Lippmann, Manfred Müller (Berlin), Dr. Winfried Wolf,
Roland Claus und der Fraktion der PDS

Deutsche Beiträge zur Umsetzung der Millenniums-Erklärung
der Vereinten Nationen

Der Bundestag wolle beschließen:

1. Der Deutsche Bundestag unterstreicht die herausragende Bedeutung der
Vereinten Nationen als universelle Weltorganisation. In den Vereinten Nati-
onen entwickeln die Mitgliedstaaten und zunehmend Nichtregierungsorga-
nisationen den globalen Diskurs zu Lösungen für die großen Herausforde-
rungen unserer Zeit und gestalten gemeinsame Initiativen.

2. Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass der UN-Generalsekretär Kofi Annan
mit seinem Bericht „Wir, die Völker: Die Rolle der Vereinten Nationen im
21. Jahrhundert“ zentrale Problemstellungen benannt und Vorschläge für ein
gemeinsames Handeln der Mitgliedstaaten gemacht hat. Damit wurde eine
Grundlage geschaffen, um den Millenniums-Gipfel vom 6. bis 8. September
2000 erfolgreich gestalten zu können. Insbesondere konnten so konkrete
Schritte für die Bewältigung der dringlichsten Aufgaben auf der Generalver-
sammlung beschlossen werden. Für die Umsetzung dieser Aufgaben sind
die Mitgliedstaaten aufgerufen, eigenständige Beiträge zu leisten.

3. Die im Bericht des UN-Generalsekretärs aufgeführten globalen Probleme
wie die ungleiche Verteilung von Lebenschancen, des unterschiedlichen
Wohlstandswachstums im Gefolge der Globalisierung, die weltweit zuneh-
mende Armut, gewaltsame Konfliktaustragung, mangelnde Bildung, Ver-
slumung, ökologische Katastrophen, AIDS und andere Massenkrankheiten
sind ohne Zweifel Geißel der Menschheit, für deren Überwindung politische
Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen.

4. Die beste Prävention für Krisen sind nach wie vor eine effiziente Entwick-
lungspolitik und eine sozial und ökologisch ausgerichtete Steuerung von
Globalisierungsprozessen. Not und Armut, Ressourcenknappheit, Ungleich-
gewichte und weltwirtschaftliche Ungerechtigkeiten sind oft sozialökono-
mischer Nährboden für gewaltsam ausgetragene Auseinandersetzungen.
Ihnen gilt es vorab durch aktive Problemlösungspolitik in verschiedenen
Bereichen zu begegnen.

5. Deutschland sollte sich verstärkt und konkret im zivilen Bereich der Verein-
ten Nationen engagieren. Die Bereitstellung von militärischem Gerät und
deutschen Soldaten ist ein Irrweg. Das diesbezügliche Abkommen mit der
UNO verstärkt den Eindruck, dass Deutschland damit seine Bewerbung um

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einen ständigen Sitz im VN-Sicherheitsrat untermauern will. Ziviles Enga-
gement und militärische Zurückhaltung entsprechen dem Platz, den
Deutschland in der internationalen Gemeinschaft einnehmen sollte.

Als erste Schritte zur Umsetzung der Millenniums-Erklärung und der Empfeh-
lungen des Generalsekretärs der Vereinten Nationen fordert der Deutsche Bun-
destag die Bundesregierung auf:

1. aktiv dazu beizutragen, die Initiative zur Halbierung der Armut bis 2015
zum Erfolg zu führen und dafür den von Bundeskanzler Gerhard Schröder
angekündigten Plan der Bundesregierung für einen eigenständigen Beitrag
zum 1. Januar 2001 vorzulegen.

– Darüber hinaus wird die Bundesregierung folgende Anstrengungen durch
einen eigenständigen Beitrag und durch Initiativen unterstützen und be-
fördern:

– umgehende und umfassende Schuldenstreichung für die armen und ärms-
ten Länder,

– unverzügliche Schaffung eines „Globalen Fonds“ zur Ausrottung der
Armut, insbesondere durch Kreditvergabe an Arme,

– Anhebung der Mittel für öffentliche Entwicklungshilfe in allen OECD-
Staaten auf die geforderten 0,7 Prozent des BSP innerhalb von fünf
Jahren,

– Umsetzung der 20:20-Initiative, das heißt, vorrangiger Einsatz von Ent-
wicklungshilfe für soziale Basisdienste,

– Schaffung eines rechtsverbindlichen Systems zur Regulierung der Akti-
vitäten transnationaler Konzerne (TNC) auf dem Gebiet des Arbeits-
rechts, der Menschenrechte und der nachhaltigen Entwicklung,

– Überwindung des Agrarprotektionismus in den OECD-Staaten und Ab-
schaffung jeglicher gegen Entwicklungsländer ausgerichteter Exportsub-
ventionierung,

– Reform der internationalen Finanzmärkte und deren wirksame Besteue-
rung (z. B. Tobinsteuer),

– Reform der Bretton-Woods-Institutionen (IWF und Weltbank) und der
Welthandelsorganisation (WTO) hin zu mehr Transparenz, Demokratie
und gleichberechtigter Partizipation sowie deren vollständige Integrie-
rung in das System der Vereinten Nationen;

2. sich aktiv für die Umsetzung der Forderung nach Anerkennung des „Rech-
tes auf Wasser“ als Menschenrecht einzusetzen und dafür jede Unterstüt-
zung hinsichtlich

– der Durchsetzung von individuellen und kollektiven Wasserzugangsrech-
ten,

– der Förderung und Entwicklung regionaler Wasserwirtschaftsstrategien,

– des Ausbaus und der Rehabilitierung von Wasserversorgungsanlagen und

– notwendiger Maßnahmen der Verhinderung von Desertifikation und
Bodenerosion und Schaffung von alternativen Produktions- und Lebens-
bedingungen zu leisten;

3. entsprechend dem Abschnitt II der Millenniums-Erklärung zur Stärkung des
Völkerrechts und des Systems der VN auf eine Änderung der Washingtoner
strategischen Erklärung zu drängen und so sicherzustellen, dass auch die

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NATO ausschließlich in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten
Nationen handelt. Das erfordert die Anerkennung des Gewaltmonopols des
Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Dieses Gewaltmonopol schließt
Ausnahmen aus;

4. sich für die Ausrichtung der VN-Konferenz zur nuklearen Abrüstung zu be-
werben und eigenständig Beiträge zur Abrüstung zu erbringen. Dazu gehört,
die NATO-Partner aufzufordern,

– die noch auf deutschen Boden lagernden nuklearen Sprengköpfe abzuzie-
hen,

– die Kernwaffenfreiheit des europäischen Raums von der Bundesrepublik
Deutschland bis zu den neu aufgenommenen NATO-Partnern in Ost-
europa verlässlich abzusichern,

– erneut auf eine Rücknahme der Option des Ersteinsatzes von Kernwaffen
durch die NATO-Doktrin zu drängen und

– auf eine Ächtung des Einsatzes von angereichertem Uran bei Geschossen
und Panzern hinzuwirken;

5. auf die Vereinigten Staaten einzuwirken, die Römischen Verträge zum Inter-
nationalen Strafgerichtshof zu unterzeichnen;

6. die Bemühungen des Generalsekretärs um eine Reform der Organisation der
Vereinten Nationen zu unterstützen. Deutschland sollte durch einen Verzicht
auf eine Bewerbung für einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat den Weg
für eine Vertretung Afrikas, Asiens und Lateinamerikas freimachen. Europä-
ische Interessen können durch Frankreich und Großbritannien wahrgenom-
men werden;

7. einen erhöhten finanziellen Beitrag angesichts der gestiegenen Aufgabenzu-
weisungen zur Lösung globaler Probleme durch die Staatengemeinschaft
unabhängig vom einzelstaatlichen Interesse zu leisten.

Berlin, den 7. November 2000

Dr. Dietmar Bartsch
Petra Bläss
Wolfgang Gehrcke
Carsten Hübner
Heidi Lippmann
Manfred Müller (Berlin)
Dr. Winfried Wolf
Roland Claus und Fraktion

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