BT-Drucksache 14/4418

Betriebliche Altersvorsorge verbessern

Vom 25. Oktober 2000


Deutscher Bundestag

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14. Wahlperiode

25. 10. 2000

Antrag

der Abgeordneten Rainer Brüderle, Rainer Funke, Dr. Hermann Otto Solms,
Hildebrecht Braun (Augsburg), Ernst Burgbacher, Jörg van Essen, Ulrike Flach,
Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich (Bayreuth), Dr. Karlheinz Guttmacher, Klaus
Haupt, Ulrich Heinrich, Walter Hirche, Dr. Werner Hoyer, Ulrich Irmer, Dr. Heinrich
L. Kolb, Jürgen Koppelin, Ina Lenke, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting, Detlef Parr, Cornelia Pieper, Dr. Edzard
Schmidt-Jortzig, Dr. Irmgard Schwaetzer, Marita Sehn, Carl-Ludwig Thiele,
Jürgen Türk, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der F.D.P.

Betriebliche Altersvorsorge verbessern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die aktuelle Diskussion über die Alterssicherung hat ihre Schwerpunkte bei der
ersten Säule – der gesetzlichen Rentenversicherung – sowie der dritten Säule –
der privaten Vorsorge. Die betriebliche Altersversorgung als zweite Säule der
Alterssicherung ist in den Hintergrund gerückt. Dabei kann und muss die be-
triebliche Altersversorgung nicht nur unter sozialpolitischen, sondern auch un-
ter personalpolitischen Aspekten einen viel höheren Stellenwert einnehmen.
Aus Sicht des Arbeitnehmers steht natürlich der Versorgungsgedanke und da-
mit die finanzielle Absicherung im Alter im Vordergrund. Für den Arbeitgeber
kann die betriebliche Altersversorgung nicht nur ein Mittel zur Motivation sei-
nes Arbeitnehmers sein, sondern auch als Instrument zur Bindung wertvoller
Mitarbeiter an das Unternehmen genutzt werden. Hier spielt allerdings der
Kostenfaktor gerade für kleine und mittlere Unternehmen eine besondere
Rolle.

In Deutschland gibt es mit der Direktzusage, der Direktversicherung, der Pen-
sionskasse und der Unterstützungskasse vier Durchführungswege der betrieb-
lichen Altersversorgung, die alle auf dem Kapitaldeckungsverfahren beruhen.
Bei der Direktzusage hat der Arbeitnehmer einen unmittelbaren Versorgungs-
anspruch gegen den Arbeitgeber, die Leistungen werden unternehmensintern
finanziert. Bei den drei anderen Durchführungswegen liegen Pensionsver-
pflichtung und Finanzierung bei einer rechtlich selbständigen, unterneh-
mensexternen Einrichtung. Bei Direktzusage und Unterstützungskasse ist die
Besteuerung nachgelagert. Alle Durchführungswege sehen Leistungszusagen
des Arbeitgebers für den Versorgungsfall (Alter, Invalidität, Tod) vor.
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Die Situation der betrieblichen Altersversorgung ist gekennzeichnet von Stag-
nation und Rückschritt. Die Zahl der Begünstigten sinkt, nur noch rd. 3,6 Pro-
zent des Einkommens der über 65-Jährigen stammen heute aus der betriebli-
chen Altersversorgung. Die Kosten der Unternehmen steigen, obwohl sich das
Niveau der Versorgung nicht verbessert. Die Gründe hierfür sind vielfältig. In-
folge der Globalisierung der Weltwirtschaft mit allen ihren Folgen hat es für
deutsche Unternehmen in den letzten Jahren tiefgreifende Strukturveränderun-
gen gegeben, verbunden mit einer Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse. Die
Träger der betrieblichen Altersversorgung benötigen einerseits die Möglich-
keit, sich auf derartige Veränderungen einzustellen, andererseits aber auch ver-
lässliche und planbare rechtliche Verhältnisse, um solide und vorhersehbare Al-
tersversorgungsleistungen zu erbringen.

Wichtig: Die betriebliche Altersvorsorge ist eine freiwillige Leistung und muss
es bleiben. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollte Wahlfreiheit und ein höchst-
mögliches Maß an Flexibilität eingeräumt werden, um individuelle Lösungen
zu ermöglichen. Ein optimales Alterssicherungskonzept kann nur eine Kombi-
nation aus dem Versorgungsbedarf des Arbeitnehmers und der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers sein.

II. Der Deutsche Bundestag beschließt:

1. Das heutige System der betrieblichen Altersversorgung beruht auf Leis-
tungszusagen des Arbeitgebers für den Versorgungsfall, der in der Regel
weit in der Zukunft liegt. Dadurch können sich Finanzierungsrisiken erge-
ben, falls die Verzinsung des eingezahlten Kapitals nicht ausreicht, um die
zugesagte Leistung abzudecken. Auch Planungs- und Kalkulationssicher-
heit sind nicht gewährleistet. Es sind daher auch auf Beitragszusagen beru-
hende Modelle zuzulassen. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen
liegt hier eine kalkulierbare Alternative, die den Einstieg in eine über-
schaubare betriebliche Altersvorsorge erleichtert.

2. Die steuerlichen Rahmenbedingungen der betrieblichen Altersversorgung
sind unsystematisch und unübersichtlich. Es sind die rechtlichen Voraus-
setzungen dafür zu schaffen, dass auch bei Pensionskassen und der Direkt-
versicherung nachgelagert besteuert wird. Bis dahin sind die Pauschsteuer-
sätze für Direktversicherungen und Pensionskassen zu halbieren.
Angesichts der allgemeinen Politik der Steuerentlastung, die auch zu ei-
nem sinkenden Eingangsteuersatz führt, müssen auch diese Pauschsteuer-
sätze angepasst und wieder auf 10 Prozent gesenkt werden.

3. Der Rechnungszinsfuß für Pensionsrückstellungen wird von heute 6 Pro-
zent auf 3,5 Prozent zurückgeführt. Der Zinsfuß von 6 Prozent ist überhöht
und führt dazu, dass die Rückstellungen den Umfang der Versorgungsver-
pflichtung nicht abdecken können.

4. Der Durchführungsweg Unterstützungskasse ist weiter auszubauen, die
steuerlichen Rahmenbedingungen z. B. für die Rückstellungsbildung sind
zu verbessern.
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5. Die steuerneutrale Überführung von Rentenanwartschaften bzw. bereits
eingezahlter Deckungsmittel in andere Durchführungswege muss erleich-
tert werden. Es besteht in der Praxis häufig das Bedürfnis, Direktzusagen
z. B. auf eine Pensionskasse auszulagern. Die Gründe sind vielfältig. Teils
werden die Mittel zur Innenfinanzierung nicht (mehr) benötigt. Im Versor-
gungsfall wird das Unternehmen durch hohen Verwaltungsaufwand belas-
tet, es kann zu „Rentnergesellschaften“ kommen. Schließlich kann die
Auslagerung von Rentenanwartschaften – für den Begünstigten ohne
Nachteile – Betriebsübergaben erleichtern.

6. Die für Pensionskassen geltenden Anlagevorschriften des Versicherungs-
aufsichtsgesetzes sind zu liberalisieren. Die starren Beschränkungen für
die Zusammensetzung des Anlageportfolios verhindern den Aufbau eines
ausreichend hohen Kapitalstocks. Da Aktien langfristig höhere Renditen
erzielen als andere Anlageformen, muss ein größerer Anteil (bisher 30 Pro-
zent) der Mittel der Pensionskasse am Aktienmarkt investiert werden kön-
nen. Dabei sollte die Altersstruktur der begünstigten Arbeitnehmer bzw.
die Anlagedauer der Mittel ausschlaggebend sein.

7. Der Strukturwandel auf dem Arbeitsmarkt lässt die einheitliche Erwerbs-
biographie immer mehr zur Ausnahme werden. Das Betriebsrentengesetz
ist zu statisch und darauf nicht eingestellt. Lange Unverfallbarkeitszeiten,
die Arbeitnehmer an ein Unternehmen binden sollen, und Altersgrenzen
müssen überdacht werden. Die Fraktion der F.D.P. fordert die Verkürzung
der Unverfallbarkeitsfristen von heute zehn auf höchstens fünf Jahre.

8. Die Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversor-
gung ist nach dem Betriebsrentengesetz in das Ermessen des Arbeitgebers
gestellt, von der Rechtsprechung allerdings zum Anspruch erhoben wor-
den. Das hält gerade kleine und mittlere Unternehmen vom Aufbau einer
betrieblichen Altersversorgung ab, da sie einem nicht überschaubaren Fi-
nanzierungsrisiko ausgesetzt sind. Es wird gesetzlich klargestellt, dass
Rentenanpassungen von der aktuellen Leistungsfähigkeit des Unterneh-
mens abhängen.

9. Arbeitnehmer erhalten die Möglichkeit, sich stärker am Aufbau einer
Altersversorgung im Betrieb zu beteiligen. Das ermöglicht eine Verzah-
nung von betrieblicher und privater Vorsorge und damit die Einbeziehung
individueller Bedürfnisse.

10. Innerhalb der einzelnen Durchführungswege muss mehr Flexibilität mög-
lich sein. Denkbar ist eine Aufspaltung in Grund- und Ergänzungsversor-
gung, Eigenanteil und/oder die ggf. externe Absicherung biometrischer
Risiken. Arbeitgebern und Arbeitnehmern wird hier mehr Flexibilität ein-
geräumt, wobei z. B. die oft schwankende wirtschaftliche Leistungsfähig-
keit des Unternehmens berücksichtigt werden muss.

11. Der Arbeitgeber behält die freie Wahl der für ihn günstigsten Finanzie-
rungsform. Das gilt gerade für die Direktzusage. Die Pensionsrückstellung
stellt für viele Unternehmen immer noch ein wichtiges Finanzierungs-
instrument dar.

12. Neue Entlohnungsformen wie Leistungsprämien, erfolgsabhängige Zah-
lungen oder Elemente der Gehaltsumwandlung wie stock options werden
stärker in die betriebliche Altersvorsorge eingebaut.
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13. Bei Direktzusagen spielt die Insolvenzsicherung für Versorgungsleistungen
durch den Pensions-Sicherungs-Verein eine wichtige Rolle für die Begüns-
tigten. Bei Verbesserungen oder dem Neuaufbau der betrieblichen Alters-
versorgung ist auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den anfallenden
Kosten für die Absicherung und der individuellen Sicherheitsbedürfnisse
des Arbeitnehmers hinsichtlich der Versorgung zu achten.

14. Es werden Pensionsfonds nach angelsächsischem Muster zugelassen. Die
Kennzeichen: Unternehmensexterne Anlage der Mittel, Auslagerung des
Verwaltungsaufwands aus dem Unternehmen, nachgelagerte Besteuerung,
gesetzlich garantierte Anlagefreiheit. Die unternehmensexterne Anlage er-
öffnet die Chance auf höhere Renditen am Kapitalmarkt. Die Auslagerung
der Mittel hat für den Arbeitnehmer den Vorteil, dass das Konkursrisiko
des Unternehmens für ihn endgültig entfällt: Die Absicherung durch einen
Pensions-Sicherungs-Verein wird entbehrlich.

Berlin, den 24. Oktober 2000

Rainer Brüderle
Rainer Funke
Dr. Hermann Otto Solms
Hildebrecht Braun (Augsburg)
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich (Bayreuth)
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Dr. Werner Hoyer
Ulrich Irmer
Dr. Heinrich L. Kolb
Jürgen Koppelin
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Dr. Irmgard Schwaetzer
Marita Sehn
Carl-Ludwig Thiele
Jürgen Türk
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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