BT-Drucksache 14/4414

Für einen offenen und partnerschaftlichen Dialog mit Namibia

Vom 25. Oktober 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/4414
14. Wahlperiode 25. 10. 2000

Antrag
der Abgeordneten Dr. Helmut Haussmann, Ulrich Irmer, Joachim Günther (Plauen),
Jörg van Essen, Ina Albowitz, Hildebrecht Braun (Augsburg), Rainer Brüderle,
Ernst Burgbacher, Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer Funke, Hans-Michael
Goldmann, Dr. Karlheinz Guttmacher, Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Walter Hirche,
Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp,
Jürgen Koppelin, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Dirk Niebel,
Günther Friedrich Nolting, Detlef Parr, Cornelia Pieper, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig,
Marita Sehn, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der F.D.P.

Für einen offenen und partnerschaftlichen Dialog mit Namibia

Der Bundestag wolle beschließen:

Am 8. November 2000 wird der namibische Premierminister, Hage Geingob,
im Rahmen eines Deutschland-Aufenthaltes in Berlin mit der Bundesregierung
Gespräche über den gegenwärtigen Stand und die Perspektiven der deutsch-
namibischen Beziehungen führen. Deutschland ist sowohl durch das aktive
Engagement des damaligen Außenministers, Hans-Dietrich Genscher, für die
Unabhängigkeit Namibias als auch seit 1990 durch umfassende entwicklungs-
politische Zusammenarbeit seiner besonderen Verantwortung als frühere Kolo-
nialmacht gerecht geworden. Heute ist Namibia ein Rechtsstaat mit Mehrpar-
teiensystem und einer von staatlichen Eingriffen weitgehend freien Wirtschaft.
Zehn Jahre nach der Unabhängigkeit häufen sich jedoch Meldungen über Men-
schenrechtsverletzungen, über verfassungswidrige Auslandseinsätze von Streit-
kräften und in letzter Zeit auch über Forderungen nach willkürlichen Enteignun-
gen von Großgrundbesitzern. Die seit 1990 mit absoluter Mehrheit regierende
SWAPO hat die Frage von Landreformen bislang nur zögerlich in Angriff ge-
nommen. Enteignungen können gemäß der namibischen Verfassung nur auf
dem Freiwilligkeitsprinzip („willing seller, willing buyer“) erfolgen. Zwar hat
sich die namibische Regierung von Aufforderungen des simbabwischen Präsi-
denten Mugabe, die namibische Bevölkerung solle sich „ihr Land zurück-
holen“, distanziert. Unter dem Druck der Ereignisse in Simbabwe hat die poli-
tische Forderung zügiger Landreformen in Namibia jedoch an Aktualität
gewonnen. Für erhebliche Verunsicherung hat Präsident Nujomas Bemerkung
gesorgt, wenn der Volkswille sich ändere, dann müsse eben auch die Verfassung
geändert werden. Die SWAPO verfügt mit Dreiviertel der Parlamentssitze über
eine verfassungsändernde Mehrheit.

Nicht nur in der Frage der Landreform, auch bei dem entwicklungspolitisch
prioritären Ziel der Armutsbekämpfung gibt es bislang kaum Fortschritte. Ob-
wohl Namibia statistisch nicht zu den ärmsten Ländern in Afrika gehört, leben
ca. 50 % der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Andererseits werden erheb-

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liche Haushaltsmittel für den Einsatz namibischer Soldaten im Bürgerkrieg in
der Demokratischen Republik Kongo auf Seiten des umstrittenen Präsidenten
Kabila verwandt. Gleichzeitig erlaubt Präsident Nujoma der angolanischen Re-
gierung, von namibischem Staatsgebiet aus gegen UNITA-Rebellen vorzuge-
hen. Seriösen Zeitungsberichten zufolge, die von der namibischen Regierung
allerdings bestritten werden, sollen auch namibische Staatsangehörige an der
Grenze zu Angola von der Eliteeinheit „Special Field Force“ für den Kampf
gegen die UNITA zwangsrekrutiert worden sein. Ferner häufen sich Meldun-
gen über brutales Vorgehen der namibischen Sicherheitskräfte gegen separatis-
tische Kräfte im nordöstlichen Teil Namibias. In eklatantem Widerspruch zur
verfassungsmäßigen Ordnung stehen auch Äußerungen des namibischen In-
nenministers Ekandjo, der namibische Polizisten dazu aufgefordert haben soll,
Homosexuelle „vom Gesicht Namibias zu eliminieren“.

Mit Neuzusagen in Höhe von 31,2 Mio. DM ist Namibia nach wie vor Schwer-
punktland deutscher Entwicklungshilfe. Die genannten Probleme im Bereich
der Menschenrechte, der Verwendung erheblicher Haushaltsmittel für ausländi-
sche Militärexpeditionen, aber Unsicherheiten im Zusammenhang mit der ge-
planten Landreform sollten Anlass für die Bundesregierung sein, gegenüber der
namibischen Regierung auf die Einhaltung menschenrechtlicher Mindeststan-
dards, rechtsstaatlicher Verfahren und guter Regierungsführung zu bestehen.
Eine, gerade auch von den Empfängerländern immer wieder geforderte gleich-
berechtigte und partnerschaftliche Zusammenarbeit kann nur auf Grundlage ei-
nes offenen und kritischen Dialoges erfolgen. Dabei muss die Bundesregierung
nicht nur ihrer besonderen Verantwortung für die Entwicklung Namibias im
Allgemeinen, sondern insbesondere auch für die Lage der deutschstämmigen
Namibier gerecht werden.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf,

1. bei den bevorstehenden Gesprächen mit der namibischen Regierung zu un-
terstreichen, dass aus deutscher Sicht eine Landreformpolitik nur auf der
Grundlage der in der namibischen Verfassung festgelegten Eigentumsgaran-
tie infrage kommt, und dass die Verfassungskonformität staatlichen Han-
delns zentrale Voraussetzung für die Fortsetzung der entwicklungspoliti-
schen Zusammenarbeit ist.

2. dabei keinen Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass die Erörterung von
Menschenrechtsverletzungen und rechtswidrigem Verhalten staatlicher Stel-
len Gegenstand eines wohlverstandenen partnerschaftlichen Dialoges sein
müssen, der sich an den inzwischen weltweit etablierten entwicklungspoliti-
schen Grundsätzen guter Regierungsführung orientiert.

3. dabei insbesondere deutlich zu machen, dass verfassungswidrige Zwangs-
rekrutierungen eigener Staatsangehöriger für militärische Einsätze im Aus-
land mit diesen Grundsätzen nicht vereinbar sind.

4. ferner darauf hinzuweisen, dass die von namibischer Seite vorgesehene Er-
höhung des Wehretats sich aus deutscher Sicht nicht im Einklang mit dem
gemeinsamen Ziel einer nachhaltigen Armutsbekämpfung befindet.

5. gegenüber dem namibischen Premierminister überdies klarzustellen, dass
insbesondere das militärische Engagement Namibias im Ausland die Errei-
chung der von beiden Seiten angestrebten entwicklungspolitischen Ziele be-
einträchtigt und daher so schnell wie möglich eingestellt werden sollte.

6. bei zukünftigen Verhandlungen über die weitere Gestaltung der bilateralen
entwicklungspolitischen Zusammenarbeit darauf zu drängen, dass die in
diesem Rahmen durchgeführten Projekte nicht überwiegend zugunsten ein-
zelner Bevölkerungsgruppen in Namibia durchgeführt werden.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/4414

7. dabei ebenfalls deutlich zu machen, dass die deutsch-namibische Zusam-
menarbeit selbstverständlich auch die berechtigten Belange der namibi-
schen Staatsangehörigen deutscher Herkunft berücksichtigen muss.

8. sich dabei insbesondere für die Ausweitung des Deutschunterrichtes u. a.
durch ein Angebot zur Unterstützung der Einrichtung bilingualer Zweige
in Namibia einzusetzen.

9. sich dafür einzusetzen, dass die in Nummer 1. bis Nummer 6. genannten
Grundsätze ebenfalls im Rahmen der entwicklungspolitischen Zusammen-
arbeit der Europäischen Union mit Namibia berücksichtigt werden.

10. der namibischen Seite klarzumachen, dass aus deutscher Sicht eine men-
schenrechtskonforme Entwicklungspolitik nicht nur dem Schutz der ethni-
schen und religiösen Minderheiten, sondern auch der homosexuellen Min-
derheit verpflichtet sein muss.

Berlin, den 24. Oktober 2000

Dr. Helmut Haussmann
Ulrich Irmer
Joachim Günther (Plauen)
Jörg van Essen
Ina Albowitz
Hildebrecht Braun (Augsburg)
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Horst Friedrich (Bayreuth)
Rainer Funke
Hans-Michael Goldmann
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Marita Sehn
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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