BT-Drucksache 14/4127

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 48 Abs. 3)

Vom 26. September 2000


Deutscher Bundestag

Drucksache

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14. Wahlperiode

26. 09. 2000

Gesetzentwurf

der Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Jörg van Essen, Hildebrecht Braun
(Augsburg), Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Ulrike Flach, Rainer Funke,
Joachim Günther (Plauen), Dr. Karlheinz Guttmacher, Klaus Haupt, Walter Hirche,
Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Ina Lenke, Günther Friedrich
Nolting, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Cornelia Pieper, Dr. Edzard
Schmidt-Jortzig, Dr. Irmgard Schwaetzer, Marita Sehn, Dr. Max Stadler,
Carl-Ludwig Thiele, Jürgen Türk, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der F.D.P.

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 48 Abs. 3)

A. Problem

Die Entschädigung der Mitglieder des Bundestages und die damit zusammen-
hängenden Entscheidungen des Deutschen Bundestages stehen immer wieder
im Mittelpunkt öffentlicher Kritik. Regelmäßig wird der Vorwurf der Selbst-
bedienung erhoben, denn kein anderer Berufsstand kann über den Umfang und
die Struktur seiner Bezüge selbst entscheiden. Dabei wird übersehen, dass dies
nicht dem Willen der Abgeordneten entspricht, sondern verfassungsrechtlich
vorgegeben ist.

B. Lösung

Mit der Ergänzung des Artikels 48 Abs. 3 Grundgesetz wird die rechtliche
Grundlage für eine vom Bundespräsidenten zu berufende, unabhängige Sach-
verständigenkommission zur Ermittlung und Festsetzung der angemessenen
Abgeordnetenentschädigung geschaffen.

C. Alternativen

Beibehaltung der geltenden Rechtslage.

D. Kosten

Kosten für die Arbeit der Kommission.
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Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 48 Abs. 3)

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das
folgende Gesetz beschlossen; Artikel 79 Abs. 2 des Grund-
gesetzes ist eingehalten:

Artikel 1

Änderung des Grundgesetzes

Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
vom 23. Mai 1949 (BGBl. I S. 1), zuletzt geändert durch …,
wird wie folgt geändert:

In Artikel 48 Abs. 3 wird nach Satz 1 folgender neuer Satz 2
eingefügt:

„Die Höhe der Entschädigung wird von einer unabhängi-
gen, vom Bundespräsidenten einzusetzenden Sachverstän-
digenkommission festgelegt.“

Die bisherigen Sätze 2 und 3 werden die Sätze 3 und 4.

Artikel 2

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in
Kraft.

Berlin, 26. September 2000

Dr. Hermann Otto Solms
Jörg van Essen
Hildebrecht Braun (Augsburg)
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Ulrike Flach
Rainer Funke
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Walter Hirche
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp

Jürgen Koppelin
Ina Lenke
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Cornelia Pieper
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Dr. Irmgard Schwaetzer
Marita Sehn
Dr. Max Stadler
Carl-Ludwig Thiele
Jürgen Türk
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 –

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Begründung

Zu Artikel 1

Die Entschädigung der Mitglieder des Bundestages und die
damit zusammenhängenden Entscheidungen des Deutschen
Bundestages stehen immer wieder im Mittelpunkt öffent-
licher Kritik. Regelmäßig wird der Vorwurf der Selbstbedie-
nung erhoben, denn kein anderer Berufsstand kann über den
Umfang und die Struktur seiner Bezüge selbst entscheiden.
Dabei wird übersehen, dass dies nicht dem Willen der Ab-
geordneten entspricht, sondern verfassungsrechtlich vorge-
geben ist. Der Gesetzgeber hat über die Rechtsstellung der
Abgeordneten – hierzu gehört nicht nur die rechtliche, son-
dern auch die materielle Ausgestaltung des Mandats – durch
Gesetz zu befinden.

Der Deutsche Bundestag hat immer wieder versucht, unab-
hängigen Sachverstand zumindest in den Vorbereitungspro-
zess parlamentarischer Entscheidungen über die Abgeord-
netenentschädigung einzubeziehen, um den Vorwurf der
Selbstbegünstigung zu entkräften. So berief er etwa 1974
zur Frage der Besteuerung der Diäten den Beirat für Ent-
schädigungsfragen, 1990 ein Gremium unabhängiger Per-
sönlichkeiten zur Beratung der Bundestagspräsidentin bei
der Überprüfung der für die Mitglieder des Bundestages be-
stehenden materiellen Regelungen und Bestimmungen und
zuletzt 1992 die Unabhängige Kommission zur Überprü-
fung des Abgeordnetenrechts. Auswirkungen auf Form und
Ausmaß der öffentlichen Kritik hat die Einschaltung dieser
Gremien aber kaum gehabt.

Auch die 1997 beschlossene Orientierung der Abgeordne-
tenentschädigung an den Bezügen eines Richters bei einem
obersten Gerichtshof des Bundes oder eines kommunalen
Wahlbeamten auf Zeit hat nicht dazu beigetragen, dem Vor-
wurf der Selbstbedienung die Grundlage zu entziehen. Die-
ser Vorwurf wird so lange erhoben werden, wie die Ent-
scheidung über die Höhe der Diäten in den Händen des
Deutschen Bundestages selbst liegt. Deshalb ist Artikel 48

Abs. 3 Grundgesetz zu ergänzen, um die rechtliche Grund-
lage für eine unabhängige, vom Bundespräsidenten zu beru-
fende Sachverständigenkommission zu schaffen.

Die gegen eine Änderung des Grundgesetzes vorgebrachte
Argumentation stützt sich auf eine Ausführung des Bundes-
verfassungsgerichts aus dem Jahr 1975 (E 40, 296, 316 f.).
Dieses hatte dargelegt, auch Artikel 48 Abs. 3 des Grund-
gesetzes zähle zu den „Essentialien des demokratischen
Prinzips“ und sei dementsprechend für den Gesetzgeber
unantastbar. Diese Formulierung ist jedoch missverständ-
lich, da der durch Artikel 79 Abs. 3 geschützte unabänder-
liche Kern des Grundgesetzes bei verfassungssystemati-
scher Betrachtung nicht berührt wird.

Zudem ist zu beachten, dass das Festhalten an der geltenden
Rechtslage weiter dazu beitragen würde, das Ansehen des
Deutschen Bundestages bei den Bürgern immer wieder zu
beeinträchtigen und das Vertrauen in das Parlament und
seine Tätigkeit zu schwächen. Auch deshalb ist eine Aus-
nahme vom Gesetzgebungsprivileg des Parlamentes ge-
rechtfertigt. Ein Verstoß gegen das Demokratieprinzip
(Artikel 20 Abs. 2 Grundgesetz) liegt nicht vor, weil die
Kompetenz zur Festsetzung der Abgeordnetenentschädi-
gung durch eine souveräne Entscheidung des Gesetzgebers
in einem Einzelfall und in eigener Sache auf die Kommis-
sion übertragen wird. Die Kommission wird vom Bundes-
präsidenten, der zu überparteilicher Amtsführung verpflich-
tet ist und der hohes Ansehen genießt, berufen. Auf diesem
Weg kann das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in eine
an objektiven Maßstäben orientierte Entscheidung über die
Höhe und Anpassung der Abgeordnetenentschädigung wie-
dergewonnen und das Ansehen des Deutschen Bundestages
gestärkt werden.

Zu Artikel 2

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.

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