BT-Drucksache 14/4074

Zehnjahres-Bilanz des Umgangs mit der deutsch-deutschen Spionage

Vom 12. September 2000


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

4074

14. Wahlperiode

12. 09. 2000

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Dr. Evelyn Kenzler, Wolfgang Gehrcke, Ulla Jelpke, Petra Pau,
Dr. Gregor Gysi und der Fraktion der PDS

Zehnjahres-Bilanz des Umgangs mit der deutsch-deutschen Spionage

Zehn Jahre nach der friedlichen Vereinigung der beiden deutschen Staaten ist
es an der Zeit, auch hinsichtlich des Umgangs der Bundesrepublik Deutschland
mit der deutsch-deutschen Spionage Bilanz zu ziehen.

Entgegen dem Gebot, auf eine nur noch einseitig mögliche strafrechtliche Ver-
folgung von Spionagetätigkeit zu verzichten, die allein der Bestrafung Einzel-
ner und nicht mehr dem Schutz eines Staates dient, wurden seit der Vereinigung
Spione der Auslandsnachrichtendienste der DDR in der Bundesrepublik
Deutschland strafrechtlich verfolgt und verurteilt. In der DDR verurteilte
Spione bundesdeutscher Geheimdienste werden hingegen als „politisch Ver-
folgte“ behandelt, rehabilitiert und entschädigt. Das Gut-Böse-Schema, wo-
nach die einen für den „richtigen“ und die anderen für den „falschen“ Staat
spioniert hätten, kann schon deshalb nicht tragen, weil die Spione beider Seiten
subjektiv dies für sich in Anspruch nahmen.

Der Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes im Umgang mit den Spionen der
beiden deutschen Staaten kam offensichtlich nicht zur Geltung.

Zehn Jahre nach der friedlichen Vereinigung der beiden deutschen Staaten ist
es an der Zeit, auf jeden Fall die strafrechtliche Ahndung der deutsch-deut-
schen Spionage, auch soweit es die DDR betrifft, zu beenden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Verfahren wurden vom Generalbundesanwalt wegen Spionage zu
Gunsten der DDR seit der Wiedervereinigung eingeleitet, und wie viele Ver-
fahren wurden an die Landesstaatsanwaltschaften abgegeben?

Wie viele DDR-Bürger und wie viele Bürger der Bundesrepublik Deutsch-
land waren bzw. sind davon betroffen (alle Angaben bitte aufgeschlüsselt
nach Jahren und Ländern)?
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2. Wie viele Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts wegen Spionage
zu Gunsten der DDR endeten durch

– Einstellung,

– Anklage,

– aus sonstigen Gründen?

Wie viele Verfahren wurden auf Grund des einschlägigen Beschlusses des
Bundesverfassungsgerichts vom 15. Mai 1995 (Az.: 2 BvL 19/91 u. a.) ein-
gestellt (alle Angaben bitte aufgeschlüsselt nach Jahren und bezogen auf
beschuldigte DDR-Bürger sowie Bürger der Bundesrepublik Deutschland)?

3. Wie verteilen sich die Einstellungsgründe

– nach § 170 Abs. 2 StPO,

– nach den §§ 153 und 153a StPO,

– nach den §§ 153d und 153e StPO,

– wegen dauernder Verhandlungsunfähigkeit,

– wegen Todes,

– aus sonstigen Gründen

(alle Angaben bitte aufgeschlüsselt nach Jahren und bezogen auf beschul-
digte DDR-Bürger sowie Bürger der Bundesrepublik Deutschland)?

4. Wie viele Ermittlungsverfahren wegen Spionage zu Gunsten der DDR sind
noch offen (bitte unterschieden zwischen beschuldigten DDR-Bürgern so-
wie Bürgern der Bundesrepublik Deutschland)?

5. Rechnet die Bundesregierung mit weiteren Ermittlungsverfahren wegen
Spionage zu Gunsten der DDR?

6. Welche Auflagen oder Weisungen bei Einstellungen nach § 153a StPO wur-
den erteilt?

In welcher Höhe bewegten sich die Geldbeträge zu deren Zahlung die Be-
schuldigten verpflichtet wurden?

7. Wie viele Anklagen mit wie vielen Angeklagten wurden seit der Wiederver-
einigung wegen Spionage zu Gunsten der DDR erhoben (alle Angaben bitte
aufgeschlüsselt nach Jahren und bezogen auf beschuldigte DDR-Bürger so-
wie Bürger der Bundesrepublik Deutschland)?

8. Wie verteilt sich die Erledigung der Anklagen des Generalbundesanwalts
wegen Spionage zugunsten der DDR nach

– Anklagerücknahme,

– Ablehnung der Eröffnung,

– Einstellung (durch Beschluss oder Urteile),

– rechtskräftiges Sachurteil (unterschieden nach Verurteilung und Frei-
spruch),

– aus sonstigen Gründen

(alle Angaben bitte aufgeschlüsselt nach Jahren und bezogen auf beschul-
digte DDR-Bürger sowie Bürger der Bundesrepublik Deutschland)?

9. Wie viele Anklagen wegen Spionage zugunsten der DDR sind noch offen
(bitte unterschieden zwischen beschuldigten DDR-Bürgern sowie Bürgern
der Bundesrepublik Deutschland)?
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 –

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10. Wie verteilt sich die Verurteilung wegen Spionage zu Gunsten der DDR
nach

– Verwarnung mit Strafvorbehalt,

– Geldstrafe,

– Freiheitsstrafe

(alle Angaben bitte aufgeschlüsselt nach Jahren und bezogen auf beschul-
digte DDR-Bürger sowie Bürger der Bundesrepublik Deutschland)?

11. Wie verteilt sich der Ausspruch von Freiheitsstrafen wegen Spionage zu
Gunsten der DDR nach

– bis zu zwei Jahren,

– über zwei Jahren?

Welches war die Höchststrafe

(alle Angaben bitte aufgeschlüsselt nach Jahren und bezogen auf beschul-
digte DDR-Bürger sowie Bürger der Bundesrepublik Deutschland)?

12. Wie verteilt sich der Ausspruch von Geldstrafen wegen Spionage zu Guns-
ten der DDR nach Beträgen

– bis 5 000 DM,

– zwischen 5 000 und 10 000 DM,

– über 10 000 DM?

Welches war die Höchststrafe

(alle Angaben bitte aufgeschlüsselt nach Jahren und bezogen auf beschul-
digte DDR-Bürger sowie Bürger der Bundesrepublik Deutschland)?

13. Ist der Bundesregierung bekannt, bis zu welcher Höhe sich die Verfahrens-
kosten, Anwaltskosten, der Einzug von Privatvermögen, Verdienstausfall,
Verlust von Rentenansprüchen bei den Verurteilten belaufen?

14. Welche Personen befinden sich wegen Spionage zu Gunsten der DDR ge-
genwärtig noch im Strafvollzug?

15. Wie viele Spione der Bundesrepublik Deutschland in der DDR wurden
rehabilitiert und entschädigt?

16. Wann dürfte aus Sicht der Bundesregierung die Strafverfolgung wegen
Spionage zu Gunsten der DDR beendet sein?

17. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie in der Öffent-
lichkeit die einseitige Strafverfolgung der Spione im vereinten Deutsch-
land reflektiert wird?

18. Beabsichtigt die Bunderegierung eine Amnestie für Spione der Auslands-
nachrichtendienste der DDR zu initiieren?

Wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 7. September 2000

Dr. Evelyn Kenzler
Wolfgang Gehrcke
Ulla Jelpke
Petra Pau
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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