BT-Drucksache 14/4070

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes (5. StVollzGÄndG)

Vom 12. September 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/4070
14. Wahlperiode 12. 09. 2000

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Norbert Geis, Ronald Pofalla, Wolfgang Bosbach, Dr. Jürgen
Gehb, Dr. Wolfgang Götzer, Volker Kauder, Norbert Röttgen, Dr. Rupert Scholz,
Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten, Dr. Susanne Tiemann, Andrea Voßhoff,
Bernd Wilz und der Fraktion der CDU/CSU

Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes
(5. StVollzÄndG)

A. Problem

Der Gesetzentwurf soll auf der Grundlage des Urteils des Bundesverfassungs-
gerichts vom 1. Juli 1998 das Arbeitsentgelt für die zur Arbeit verpflichteten
Strafgefangenen in einer Weise neu regeln, die einerseits die verfassungsrecht-
lichen Anforderungen an die Ausgestaltung der Pflichtarbeit im Strafvollzug
als Mittel der Resozialisierung beachtet und die andererseits eine überzogene
Verteuerung der Gefangenenarbeit, die eine Massenarbeitslosigkeit in den Jus-
tizvollzugsanstalten zur Folge hätte, vermeidet.

B. Lösung

Der Entwurf orientiert sich an dem einmütigen Beschluss der Justizministerin-
nen und Justizminister der Länder vom 10. November 1999. Er sieht die Kom-
bination einer maßvollen finanziellen Erhöhung des Arbeitsentgelts mit einem
bedeutenden nicht-monetären Anreiz für die Gefangenen vor. Das Arbeitsent-
gelt der zur Arbeit verpflichteten Gefangenen orientiert sich gegenwärtig an
dem Eckwert von 5 % der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV. Dieser Eckwert soll
auf 7 % der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV erhöht werden. Dies ergibt eine
Steigerung des Gefangenenarbeitsentgelts um 40 %. Als flankierende nicht-
monetäre Maßnahme soll der Zeitraum der Freistellung der Gefangenen von
der Arbeit von 18 Werktagen auf 24 Werktage im Jahr ausgedehnt werden;
hierbei sollen die Gefangenen die sechs zusätzlichen Freistellungstage pro Jahr
zur Vorverlegung des Entlassungszeitpunktes ansparen können. Gefangene, die
grundsätzlich zur Gewährung von Urlaub aus der Haft geeignet sind, können
diese zusätzlichen Freistellungstage alternativ auch für zusätzlichen Urlaub aus
der Haft in Anspruch nehmen. Gefangene, für die eine Vorverlegung des Ent-
lassungszeitpunkts nicht möglich ist, erhalten als Ausgleich einen Anspruch auf
zusätzliches finanzielles Arbeitsentgelt.

Diese Änderungen beschränken sich auf das von Verfassungs wegen gebotene
Maß; der Entwurf beachtet das Erfordernis der konsequenten Durchsetzung ge-

Drucksache 14/4070 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

richtlicher Straferkenntnisse ebenso wie die Haushaltssituation der Länder, die
die Kosten des Gefangenenarbeitsentgelts zu tragen haben.

C. Alternativen

Es bestehen keine realistischen Alternativen. Eine stärkere Erhöhung des Ar-
beitsentgelts der zur Arbeit verpflichteten Strafgefangenen, etwa gar eine Ver-
dreifachung, und eine Einbeziehung weiterer Gefangenengruppen in die Ver-
besserungen würden die Gefangenenarbeit so verteuern, dass insbesondere
viele Unternehmerbetriebe, aber auch Eigenbetriebe der Justizvollzugsanstalten
nicht mehr wirtschaftlich arbeiten könnten und Arbeitsplätze in erheblichem
Ausmaße abbauen würden. Folge wäre ein drastischer Anstieg der ohnehin
schon bedenklich hohen Arbeitslosigkeit unter den Gefangenen. Dies wäre
auch im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kontraproduk-
tiv. Andererseits kann dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts auch nicht
allein durch eine – dann wohl erhebliche – Haftzeitverkürzung für arbeitende
Gefangene Rechnung getragen werden, weil dadurch in unvertretbarer Weise in
den Strafausspruch der Strafgerichte eingegriffen und das Erfordernis der kon-
sequenten Durchsetzung gerichtlicher Straferkenntnisse verfehlt würde.

D. Kosten der öffentlichen Haushalte

Für die Haushalte der Länder wird ein auf Grund der Entscheidung des Bun-
desverfassungsgerichts unvermeidbarer Vollzugsaufwand in Höhe von rund
40 Mio. DM in Form von höherem Arbeitsentgelt für Gefangene entstehen.
Demgegenüber müsste z. B. bei einer Verdreifachung des Arbeitsentgelts für
alle arbeitenden Gefangenen mit einer jährlichen Mehrbelastung der Länder in
der Größenordnung von etwa 229 Mio. DM gerechnet werden.

E. Sonstige Kosten

Soweit es den Ländern gelingen sollte, die Mehrkosten für das Gefangenenar-
beitsentgelt (siehe oben D) in Form von Preiserhöhungen auf die Auftraggeber
für die Gefangenenarbeit abzuwälzen, treffen diese Mehrkosten insbesondere
die mittelständische Wirtschaft, die den größten Teil der Gefangenenarbeit in
Auftrag gibt.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/4070

Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes
(5. StVollzÄndG)

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das
folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Strafvollzugsgesetzes

Das Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der
freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Siche-
rung – Strafvollzugsgesetz (StVollzG) – in der Fassung der
Bekanntmachung vom 16. März 1976 (BGBl. I S. 581,
2088, 1977 I S. 436), zuletzt geändert durch Artikel 1 des
Gesetzes vom 26. August 1998 (BGBl. I S. 2461, 1999 I
S. 1096), wird wie folgt geändert:

1. Nach § 42 wird folgender § 42a eingefügt:

㤠42a
Variable Freistellung von der Arbeitspflicht

(1) Hat der Gefangene zwei Monate lang zusammen-
hängend eine zugewiesene Tätigkeit nach § 37 Abs. 2
bis 4 oder eine Hilfstätigkeit nach § 41 Abs. 1 Satz 2
ausgeübt, so kann er beanspruchen, einen Werktag von
der Arbeitspflicht freigestellt zu werden. § 42 bleibt un-
berührt. Durch Zeiten, in denen der Gefangene infolge
von Krankheit, Ausführung, Ausgang, Urlaub aus der
Haft, Freistellung von der Arbeitspflicht oder eines sons-
tigen Grundes an seiner Arbeitsleistung ohne sein Ver-
schulden verhindert ist, wird die Frist nach Satz 1 ge-
hemmt.

(2) Die Freistellung von der Arbeit nach Absatz 1
wird nur auf Antrag des Gefangenen gewährt. Der Ge-
fangene kann beantragen, dass die Freistellung von der
Arbeitspflicht nach Absatz 1 in Form von Urlaub aus der
Haft gewährt wird; § 11 Abs. 2, § 13 Abs. 2 bis 5 und
§ 14 gelten entsprechend. § 42 Abs. 3 gilt entsprechend.

(3) Stellt der Gefangene keinen Antrag nach Absatz 2
Satz 1 und 2 oder erfüllt der Gefangene im Falle von Ab-
satz 2 Satz 2 nicht die Voraussetzungen für die Gewäh-
rung von Urlaub aus der Haft, wird die Zeit der Freistel-
lung statt dessen von der Anstalt auf den Entlassungs-
zeitpunkt des Gefangenen angerechnet. § 42 Abs. 3 fin-
det keine Anwendung.

(4) Eine Anrechnung nach Absatz 3 ist ausgeschlos-
sen,

1. soweit eine lebenslange Freiheitsstrafe oder Siche-
rungsverwahrung verbüßt wird,

2. wenn dies vom Gericht angeordnet wird (Absatz 5),

3. soweit bei einer Aussetzung der Vollstreckung des
Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung
nach § 57 des Strafgesetzbuches infolge des von der
Entscheidung des Gerichts bis zum Entlassungszeit-
punkt verbleibenden Zeitraums eine Anrechnung
nicht mehr möglich ist,

4. wenn nach § 456a Abs. 1 der Strafprozessordnung
von der Vollstreckung abgesehen wird,

5. für Tätigkeiten des Gefangenen im letzten Monat vor
der Entlassung oder

6. wenn der Gefangene im Gnadenwege aus der Haft
entlassen wird.

(5) Das Gericht schließt bei einer Aussetzung der
Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe
zur Bewährung nach § 57 des Strafgesetzbuches eine
Anrechnung nach Absatz 3 aus, soweit die Lebensver-
hältnisse des Gefangenen oder die Wirkungen, die von
der Aussetzung für ihn zu erwarten sind, die Vollstre-
ckung der Strafe bis zu einem bestimmten Zeitpunkt er-
fordern.

(6) Soweit eine Anrechnung gemäß Absatz 4 Nr. 1 bis
5 ausgeschlossen ist, erhält der Gefangene bei seiner
Entlassung für seine Tätigkeit nach Absatz 1 als Aus-
gleichsentschädigung zusätzlich 15 vom Hundert des
ihm nach § 43 Abs. 1 und 2 gewährten Arbeitsentgelts
oder der ihm nach § 44 gewährten Ausbildungsbeihilfe.
Vor der Entlassung ist der Anspruch auf Auszahlung der
Ausgleichsentschädigung nicht verzinslich, nicht abtret-
bar und nicht vererblich. Einem Gefangenen, bei dem
eine Anrechnung nach Absatz 4 Nr. 1 ausgeschlossen ist,
wird die Ausgleichsentschädigung bereits nach Verbü-
ßung von jeweils zehn Jahren der lebenslangen Frei-
heitsstrafe oder Sicherungsverwahrung zum Eigengeld
(§ 52) gutgeschrieben, soweit er nicht vor diesem Zeit-
punkt entlassen wird; § 57 Abs. 4 des Strafgesetzbuches
gilt entsprechend.“

2. § 121 Abs. 5 wird wie folgt gefasst:

„(5) Für die Kosten des Verfahrens nach den
§§ 109 ff. kann auch ein den fünffachen Tagessatz der
Eckvergütung nach § 43 Abs. 1, § 200 Nr. 2 übersteigen-
der Teil des Hausgeldes (§ 47) in Anspruch genommen
werden.“

3. § 133 Abs. 2 wird wie folgt gefasst:

„(2) Das Taschengeld (§ 46) darf den fünffachen Ta-
gessatz der Eckvergütung nach § 43 Abs. 1, § 200 Nr. 2
im Monat nicht unterschreiten.“

4. In § 176 wird folgender Absatz 5 angefügt:

„(5) § 42a und § 200 Nr. 1 finden keine Anwendung.“

5. In § 177 wird folgender Satz 2 angefügt:

„§ 42a und § 200 Nr. 1 finden keine Anwendung.“

6. § 199 Abs. 1 wird wie folgt geändert:

a) In Nummer 2 wird § 47 Abs. 1 wie folgt gefasst:

„(1) Der Gefangene darf von seinen in diesem Ge-
setz geregelten Bezügen

1. im Falle des § 200 Nr. 1 die Hälfte,

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2. im Falle des § 200 Nr. 2 zwei Drittel

monatlich (Hausgeld) und das Taschengeld (§ 46) für
den Einkauf (§ 22 Abs. 1) oder anderweit verwen-
den.“

b) In Nummer 4 wird § 93 Abs. 2 wie folgt gefasst:

„(2) Bei der Geltendmachung dieser Forderungen
kann auch ein den fünffachen Tagessatz der Eckver-
gütung nach § 43 Abs. 1, § 200 Nr. 2 übersteigender
Teil des Hausgeldes (§ 47) in Anspruch genommen
werden.“

7. § 200 wird wie folgt gefasst:

㤠200
Höhe des Arbeitsentgelts

Der Bemessung des Arbeitsentgelts nach § 43 sind

1. bei der Verrichtung zugewiesener Arbeit, sonstiger
Beschäftigung oder einer Hilfstätigkeit nach § 41
Abs. 1 Satz 2 sieben vom Hundert der Bezugsgröße
nach § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch,

2. in den übrigen Fällen fünf vom Hundert der Bezugs-
größe nach § 18 des Vierten Buches Sozialgesetz-
buch

zugrunde zu legen.“

Artikel 2

Änderung der Strafprozessordnung

Die Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntma-
chung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, ber. S. 1319),
zuletzt geändert durch …, wird wie folgt geändert:

In § 454 Abs. 1 wird folgender Satz 5 angefügt:

„Das Gericht entscheidet zugleich, ob eine Anrechnung nach
§ 42a Abs. 3 des Strafvollzugsgesetzes ausgeschlossen wird
(§ 42a Abs. 4 Nr. 2, Abs. 5 des Strafvollzugsgesetzes).“

Artikel 3

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 2001 in Kraft.

Berlin, den 11. September 2000

Norbert Geis
Ronald Pofalla
Wolfgang Bosbach
Dr. Jürgen Gehb
Dr. Wolfgang Götzer
Volker Kauder
Norbert Röttgen
Dr. Rupert Scholz
Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten
Dr. Susanne Tiemann
Andrea Voßhoff
Bernd Wilz
Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/4070

Begründung

A. Allgemeines

I. Gesetzgeberischer Handlungsbedarf

Aufgrund der mit Urteil des Bundesverfassungsgerichts
vom 1. Juli 1998, Az. 2 BvR 441/90 u. a. (BVerfGE 98, 169
= NJW 1998, S. 3337), ausgesprochenen Unvereinbarkeit
von § 200 Abs. 1 des Strafvollzugsgesetzes mit dem Reso-
zialisierungsgebot aus Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit
Artikel 1 Abs. 1 und Artikel 20 Abs. 1 des Grundgesetzes
hat der Bundesgesetzgeber längstens bis 31. Dezember
2000 das Entgelt für die Pflichtarbeit von Gefangenen neu
zu regeln.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil die
Höhe des Arbeitsentgelts als einen Faktor angesehen, von
dem die Eignung der nach Artikel 12 Abs. 3 GG zulässigen
Pflichtarbeit und der Arbeitszuweisung im Strafvollzug als
Mittel der verfassungsrechtlich gebotenen Resozialisierung
abhängt. Arbeit im Strafvollzug, die den Gefangenen als
Pflichtarbeit zugewiesen wird, sei nur dann ein wirksames
Resozialisierungsmittel, wenn die geleistete Arbeit eine an-
gemessene Anerkennung finde. Den Gefangenen müsse in
einem Mindestmaß bewusst gemacht werden können, dass
Erwerbsarbeit zur Herstellung einer Lebensgrundlage sinn-
voll ist. Voraussetzung dafür, dass einem Gefangenen die
Angemessenheit der Vergütung der Arbeit vor Augen ge-
führt werde, sei jedoch ein transparentes und nachvollzieh-
bares Berechnungssystem. Allerdings hat das Bundesver-
fassungsgericht dem Gesetzgeber bei der Regelung dessen,
was angemessen ist, einen weiten Einschätzungsspielraum
eingeräumt, innerhalb dessen die typischen Bedingungen
des Strafvollzugs, insbesondere dessen Marktferne, die
Kosten der Gefangenenarbeit für die Unternehmer und die
Konkurrenz durch andere Produktionsmöglichkeiten in
Rechnung gestellt werden können. Damit hat das Bundes-
verfassungsgericht ausdrücklich klargestellt, dass die zu ge-
währende Anerkennung der Pflichtarbeit nicht dem tatsäch-
lichen Wert der von den Gefangenen geleisteten Arbeit ent-
sprechen muss, sondern in verfassungsrechtlich unbedenkli-
cher Weise auch unterhalb dieses Wertes liegen kann.

Zugleich hat das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen,
dass die Anerkennung der geleisteten Arbeit nicht notwen-
dig finanzieller Art sein muss. Anerkennung sei nicht nur
ein monetäres Konzept; vielmehr sei die moderne Gesell-
schaft geradezu darauf angewiesen, dass freiwillig geleis-
tete oder auch zugewiesene Arbeit andere als finanzielle
Formen der Anerkennung erfahre.

II. Grundkonzeption und wesentlicher Inhalt des Ent-
wurfes

Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts besteht
grundsätzlich eine Vielzahl verschiedener Möglichkeiten,
um Gefangenen, denen eine Arbeit oder eine sonstige Be-
schäftigung zugewiesen oder zugeteilt worden ist oder die
zu einer Hilfstätigkeit verpflichtet worden sind, eine ange-
messene Anerkennung ihrer regelmäßigen Arbeit zu gewäh-

ren, nämlich monetäre Konzepte, nicht-monetäre Konzepte
oder Kombinationsmöglichkeiten aus beiden Konzepten.

1. Nach geltendem Recht besteht ausschließlich ein mone-
täres Konzept für die Entlohnung der Arbeit der Gefan-
genen.

a) Gegenwärtig orientiert sich die Vergütung der Gefan-
genenarbeit gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung
mit § 200 Abs. 1 StVollzG an dem Eckwert von 5 %
der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV. Dies ergibt für
das Jahr 2000 als Tagessatz der Eckvergütung einen
Betrag von 10,75 DM; der Stundensatz beträgt 1,40
DM. Tatsächlich dürfte das Einkommen aufgrund der
Eingruppierung der Gefangenen in die Vergütungs-
gruppen nach der Strafvollzugsvergütungsordnung
und aufgrund der Zahlung der nach dieser Vorschrift
vorgesehenen Zulagen, z. B. Leistungszulagen und
Zulagen für Arbeit zu ungünstigen Zeiten, deutlich
höher sein. Damit wird sich in der Praxis ein reales
Durchschnittseinkommen der beschäftigten Gefange-
nen ergeben, dass um ca. 15 % über der Eckvergü-
tung liegt. Über dieses Arbeitsentgelt hinaus zahlt der
Staat zudem Beiträge zur Arbeitslosenversicherung
in einer Höhe, die das ausgezahlte Arbeitsentgelt
übersteigt. Die Beiträge zur Arbeitslosenversiche-
rung bemessen sich nämlich nicht an der tatsächli-
chen Arbeitsvergütung, sondern an einer fiktiven
Entlohnung in Höhe von 90 % der Bezugsgröße nach
§ 18 SGB IV. Der Staat zahlt neben dem Arbeitgebe-
ranteil auch den weitaus überwiegenden Teil des Ar-
beitnehmeranteils zur Arbeitslosenversicherung, wo-
hingegen der Gefangene nur einen Arbeitnehmeran-
teil in Höhe von 3,25 % der tatsächlich gewährten
Vergütung trägt.

Nach zutreffender Auffassung wären zum Einkom-
men außerdem zusätzlich gewährte Sachleistungen
zu zählen. Der Staat erhebt von Gefangenen, die
Pflichtarbeit verrichten, keine Haftkostenbeiträge
(Nettoprinzip des Gefangenenarbeitsentgelts). Inso-
weit kann die Gewährung von Unterkunft und Ver-
pflegung durchaus in die Gesamtschau der dem Ge-
fangenen zufließenden wirtschaftlichen Vorteile ein-
bezogen werden. Der Wert dieser Sachleistungen
beträgt zum Beispiel bei Einzelunterbringung ca.
650 DM monatlich. Zwar hat das Bundesverfas-
sungsgericht die Berücksichtigung dieser Sachleis-
tungen als Arbeitsentgelt mit der Begründung nicht
anerkannt, Unterbringung und Verpflegung in der
Anstalt würden arbeits-unabhängig gewährt werden.
Jedoch ist diese Feststellung unzutreffend und in der
Sache auch nicht bindend: Nach § 10 Abs. 1 und 2
JVKostO werden Haftkosten nur dann nicht erhoben,
wenn der Gefangene die ihm zugewiesene oder er-
möglichte Arbeit verrichtet oder wenn er ohne sein
Verschulden nicht arbeiten kann. Selbst Gefangene,
die ohne Verschulden länger nicht arbeiten können,
müssen einen Haftkostenbeitrag zahlen, wenn sie auf

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diese Zeit entfallende Einkünfte (z. B. Rente, Miet-
einkünfte o. Ä.) haben. Demzufolge kann der Be-
rücksichtigung dieser Sachleistungen bei dem den
Gefangenen gewährten Arbeitsentgelt nicht entge-
gengehalten werden, dass diese Sachleistungen unab-
hängig von der Arbeit unentgeltlich erbracht würden;
dass die Gewährung von Unterkunft und Verpflegung
auch nichtarbeitenden Gefangenen zugute kommen
kann, beruht gerade auf dem Charakter des Strafvoll-
zugs als Freiheitsentziehung zur Durchsetzung eines
gerichtlichen Straferkenntnisses und ist somit not-
wendige Folge jedenfalls dann, wenn der Gefangene
vermögens- und einkunftslos ist und wegen dieser
Mittellosigkeit Haftkosten nach den genannten Be-
dingungen nicht erhoben werden können.

Bei Berücksichtigung der Sachleistungen erhalten
Gefangene, die Pflichtarbeit verrichten, demnach
schon gegenwärtig monatliche Leistungen von annä-
hernd 1 200 DM, ohne Berücksichtigung der Sach-
leistungen immerhin noch solche von rund 530 DM
(Arbeitsentgelt einschließlich Beitrag zur Arbeitslo-
senversicherung). Bei der Bewertung dieser Beträge
ist zu berücksichtigen, dass die Gefangenenarbeit
nach allen praktischen Erfahrungen ohnehin nicht
mehr als 15 bis 20 % der Produktivität eines Arbei-
ters in der freien Wirtschaft erreicht (vgl. auch Neu,
ZfStrVo 1995, 152). Die maßgeblichen Gründe hier-
für sind unter anderem die ständige Fluktuation, ein
im Durchschnitt besonders schlechter Bildungs- und
Ausbildungsstand der Gefangenen, persönlichkeits-
bedingt schlechte Arbeitsleistungen, durch vollzug-
liche Maßnahmen bedingte Ausfallzeiten und erfor-
derliche besondere Sicherheitsvorkehrungen. Zudem
wird davon ausgegangen werden müssen, dass ge-
genüber dem rasanten technischen Fortschritt der
Wirtschaft die Produktivität der – diesem Fortschritt
in der Regel schon aufgrund ihrer problematischen
Persönlichkeit nicht gewachsenen – Gefangenen mit-
telfristig sogar weiter zurückbleiben wird.

Wie oben dargelegt erhalten Gefangene, denen
Pflichtarbeit zugewiesen ist, selbst ohne Berücksich-
tigung der geleisteten Sachbezüge bereits gegenwär-
tig mindestens 12 % der Bezugsgröße nach § 18
SGB IV als Entgelt für die von ihnen geleistete Ar-
beit, also nur geringfügig weniger als es dem tatsäch-
lichen Wert ihrer Arbeit entspricht. Obwohl dem
Bundesverfassungsgericht die niedrige Produktivität
der Gefangenenarbeit bekannt war, hat es dennoch
die derzeitige Vergütung als ungenügend angesehen,
jedoch gleichzeitig keine Aussage über die von Ver-
fassungs wegen gebotene Höhe des Arbeitsentgelts
getroffen.

Für eine solche Mindesthöhe kann auch nicht die der
gesetzgeberischen Konzeption des Jahres 1976 zu-
grunde liegende Vorstellung einer stufenweisen An-
hebung des Entgelts bis auf 40 % der Bezugsgröße
nach § 18 SGB IV herangezogen werden. Die Tatsa-
che, dass die damalige Vorstellung nicht sofort umge-
setzt wurde, belegt, dass der Gesetzgeber zunächst –
zu Recht – die allgemeine Entwicklung der Gefange-

nenarbeit sowie weitere Erkenntnisse abwarten
wollte. Die Bewertung der Gefangenenarbeit zum ge-
genwärtigen Zeitpunkt zeigt aber deutlich, dass eine
Produktivität von 40 % der Bezugsgröße nach § 18
SGB IV regelmäßig bei weitem nicht erreicht werden
kann. Die ursprüngliche Konzeption des Gesetzge-
bers muss daher nach heutigem Wissens- und Erfah-
rungsstand als verfehlt und zugleich angesichts des
Nichterlasses neuer Regelungen als korrigiert ange-
sehen werden. Eine stufenweise Angleichung des Ar-
beitsentgelts der Strafgefangenen an 40 % der Be-
zugsgröße nach § 18 SGB IV ist weder verfassungs-
rechtlich erforderlich noch angemessen; zugleich
wäre eine solche Erhöhung auch gegenüber recht-
schaffenen Kleinrentnern und Geringverdienern in
keiner Weise zu rechtfertigen. Vielmehr sind mit dem
Bundesverfassungsgericht bei der Festlegung eines
ausreichenden Arbeitsentgelts die besonderen Ver-
hältnisse des Vollzugs und damit die mangelhafte
Produktivität der Gefangenenarbeit maßgeblich zu
berücksichtigen.

Selbst wenn das Resozialisierungsgebot erfordern
würde, dass das für die Pflichtarbeit geleistete Ent-
gelt dem Wert der Gefangenenarbeit voll entspricht,
wären damit schon bei einer rein monetären Erhö-
hung des ausgezahlten Arbeitsentgelts auf 8 bis 10 %
der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV die verfassungs-
rechtlichen Vorgaben erfüllt; dann würde das Entgelt
der arbeitenden Gefangenen nämlich tatsächlich etwa
9,25 bis 11,56 % der Bezugsgröße zuzüglich über
5 % der Bezugsgröße in Form des Beitrags zur Ar-
beitslosenversicherung und somit insgesamt etwa 15
bis 17 % der Bezugsgröße betragen. Unter der richti-
gen Annahme des Bundesverfassungsgerichts, dass
eine solche Wertgleichheit angesichts der besonderen
Verhältnisse des Strafvollzugs aber gerade nicht her-
gestellt werden muss, dürfte sich bei einer rein mone-
tären Erhöhung des ausgezahlten Entgelts auf 8 bis
10 % der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV sogar eine
Übererfüllung der verfassungsrechtlichen Vorgaben
ergeben.

b) Da eine verfassungsmäßige Regelung des Arbeitsent-
gelts der Gefangenen also bereits mit einer rein mone-
tären Erhöhung des Entgelts auf 8 bis 10 % der Be-
zugsgröße nach § 18 SGB IV ohne weiteres erreicht
werden könnte, ist offensichtlich, dass politische
Konzepte, die eine Erhöhung des Arbeitsentgelts bis
hin zu einer Verdreifachung auf 15 % der Bezugs-
größe nach § 18 SGB IV vorsehen, sowohl im Hin-
blick auf das von Verfassungs wegen Gebotene als
auch auf die Situation der Länderhaushalte jedes
Augenmaß vermissen lassen. Dies gilt namentlich für
den von der Fraktion der SPD und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gemeinsam einge-
brachten Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Än-
derung des Strafvollzugsgesetzes (Bundestagsdruck-
sache 14/3763). Bei einer derartigen Erhöhung des
Arbeitsentgelts würde es sich nicht nur um eine ange-
sichts der verfassungsrechtlichen Vorgaben völlig un-
nötige Mehrbelastung der Länderhaushalte handeln,

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 7 – Drucksache 14/4070

sondern gleichzeitig um eine Maßnahme, die sich de
facto mittelfristig kontraproduktiv auf die Arbeits-
platzsituation in den Justizvollzugsanstalten und da-
mit auf die Resozialisierungsmöglichkeiten im Voll-
zug auswirken würde. Eine Erhöhung des Arbeitsent-
gelts in dieser Dimension würde insgesamt zu einer
so erheblichen Verteuerung der Arbeitsleistung der
Gefangenen führen, dass damit die – schon jetzt ange-
sichts der Öffnung der Grenzen schwierige – Konkur-
renzsituation der Justizvollzugsanstalten gegenüber
Billiglohnländern weiter verschärft würde. Es wäre
nämlich unrealistisch anzunehmen, in der heutigen
allgemeinen Situation der öffentlichen Haushalte
würden die Länderparlamente in Deutschland Hun-
derte Millionen DM zur Subventionierung der Gefan-
genenarbeit bereitstellen. Die Justizvollzugsanstalten
müssten also versuchen, das erhöhte Arbeitsentgelt
wenigstens zu erheblichen Teilen selbst zu erwirt-
schaften; die Gefangenenarbeit würde sich also deut-
lich verteuern. Dann aber wäre es für private Unter-
nehmen kaum mehr interessant, in den Justizvoll-
zugsanstalten eigene Arbeitsbetriebe zu unterhalten;
viele dieser Unternehmerbetriebe würden abwandern.
Die Justizvollzugsanstalten müssten die erhöhten Ar-
beitskosten in den von ihnen unterhaltenen Eigenbe-
trieben auf die Preise umlegen und könnten deshalb
weniger Aufträge einholen. Das Resultat einer sol-
chen Entwicklung wäre eine drastische Zunahme der
Arbeitslosigkeit in den Justizvollzugsanstalten. Dies
liefe nicht nur dem Anliegen des Bundesverfassungs-
gerichts, die Bedingungen für eine Resozialisierung
der Gefangenen zu verbessern, diametral zuwider,
sondern würde infolge der Zusammenballung be-
schäftigungsloser Strafgefangener auch zu einer er-
heblichen Gefährdung der Sicherheit und Ordnung in
den Justizvollzugsanstalten führen. Eine Verdreifa-
chung des Arbeitsentgelts der Gefangenen hätte des-
halb zur Folge, dass nur für einige wenige Gefangene
eine Besserung eintritt, wohingegen – im Ganzen be-
trachtet – die Zahl der Arbeitsplätze in den Anstalten
voraussichtlich erheblich abnehmen würde. Bei einer
solchen Konzeption wäre es aber mangels vorhande-
ner Arbeitsplätze sowie angesichts der entstehenden
Massenarbeitslosigkeit unter den Gefangenen nicht
möglich, diesen, wie vom Bundesverfassungsgericht
gefordert, bewusst zu machen, dass Erwerbsarbeit zur
Herstellung der Lebensgrundlage sinnvoll ist. Mit der
nach einer Verdreifachung des Arbeitsentgelts über-
wiegend nur noch möglichen angemessenen oder ar-
beitstherapeutischen Beschäftigung (§ 37 Abs. 4 und
5 StVollzG) könnte der angestrebte Bewusstseins-
wandel bei den Gefangenen auf Dauer wohl nicht her-
beigeführt werden.

Eine Verdreifachung des Arbeitsentgelts für alle Ge-
fangenen ist somit verfassungsrechtlich nicht gebo-
ten, nicht finanzierbar, beschäftigungsfeindlich und
zudem aus Resozialisierungsgesichtspunkten kontra-
produktiv.

Verfehlt wäre auch die Vorstellung, das Strafvoll-
zugsgesetz gebiete es, den Gefangenen gerade durch

die Gewährung eines – überhöhten – Arbeitsentgelts
bei der Regulierung der durch ihre Straftaten verur-
sachten Schäden, der Tilgung ihrer Schulden sowie
der ihnen obliegenden Unterhaltsleistungen Hilfe zu
leisten. § 73 StVollzG normiert insoweit lediglich
eine Unterstützungspflicht des Staates; das Strafvoll-
zugsgesetz schreibt aber gerade nicht vor, dass es Sa-
che der Landesjustizverwaltungen und damit letzt-
endlich des Steuerzahlers sei, den Schaden wieder
gutzumachen, den ein Gefangener durch die Bege-
hung von Straftaten angerichtet hat. Diese Wieder-
gutmachung ist ebenso wie die Erfüllung seiner Un-
terhaltspflichten und die Tilgung sonstiger, durch ei-
genes Verhalten verursachter Verbindlichkeiten pri-
mär Sache des Gefangenen selbst und kann diesem
nicht dadurch abgenommen werden, dass die Landes-
justizverwaltungen für die Leistung minderprodukti-
ver Arbeit die Schuldentilgung, Unterhaltsleistung
und Schadenswiedergutmachung des Gefangenen
übernehmen. Folgerichtig zu Ende gedacht, müsste
nach einem solchen Ansatz das Arbeitsentgelt näm-
lich auch nach den Straftaten der Gefangenen diffe-
renziert werden: Diejenigen Gefangenen, welche mit
der Begehung schwerster Verbrechen den höchsten
Schaden angerichtet haben, müssten demzufolge
auch – unabhängig von der ihnen konkret zugewiese-
nen Arbeit – das höchste Arbeitsentgelt erhalten, um
damit die Folgen ihrer Verbrechen auf Staatskosten
tilgen zu können; solche Straftäter, die keinen blei-
benden Schaden angerichtet oder ihn bereits aus eige-
nen Mitteln getilgt haben, müssten demgegenüber
mit einem geringeren Arbeitsentgelt vorlieb nehmen.
Eine solche Konzeption ist jedoch verfassungsrecht-
lich oder durch das Strafvollzugsgesetz nicht vorge-
geben und zudem weder wünschenswert noch sinn-
voll. Außerdem bietet die Hilfe zur Schuldentilgung
durch höheres Arbeitsentgelt den Gefangenen wohl
auch keinen echten Anreiz für kontinuierliche Ar-
beitsleistung, da der Abbau von Verbindlichkeiten als
lediglich langfristige Folge nach allen Praxiserfah-
rungen bei den in der Mehrzahl eher kurz- bis allen-
falls mittelfristig planenden Gefangenen keinerlei
Rolle spielen dürfte. Wenn also eine Abwälzung der
Opferentschädigung vom Straftäter auf den Steuer-
zahler durch den Gesetzgeber gewünscht würde, so
wäre zumindest eine direkte Entschädigung der Op-
fer die ehrlichere und letztlich auch sinnvollere Alter-
native.

2. Während gegen eine rein monetäre Lösung der Proble-
matik einer verfassungsgemäßen Entlohnung der Gefan-
genenpflichtarbeit vor allem die Kostenexplosion bei der
Gefangenenarbeit mit der Gefahr einer steigenden Ar-
beitslosigkeit unter den Gefangenen spricht, erweisen
sich auch rein nicht-monetäre Konzepte einer verbesser-
ten Belohnung für geleistete Pflichtarbeit als nicht prak-
tikabel.

a) Die als nicht-monetäre Anerkennung denkbare Ein-
beziehung von Strafgefangenen in die Rentenversi-
cherung ist dabei im Hinblick auf die hierdurch ent-
stehende Ungleichbehandlung mit Sozialhilfeemp-

Drucksache 14/4070 – 8 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

fängern, die zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet
und hierbei ebenso wie gegenwärtig die arbeitenden
Strafgefangenen nicht in die Rentenversicherung ein-
bezogen sind, nicht zu rechtfertigen. Letztendlich
steht der Anerkennung geleisteter Pflichtarbeit der
Strafgefangenen durch eine Einbeziehung in die Ren-
tenversicherung aber vor allem entscheidend entge-
gen, dass Gefangene den Hinweis auf eine in Jahr-
zehnten wirksam werdende Rentenanwartschaft nicht
als greifbaren Vorteil ansehen würden, der ihnen für
ihre Arbeit zufließt; wenn Gefangene eine solche
Maßnahme aber nicht als Vorteil ihrer Arbeitsleis-
tung begreifen, vermag diese Maßnahme die Bedeu-
tung regelmäßiger Arbeit als Resozialisierungsmittel
nicht im Sinne des Urteils des Bundesverfassungsge-
richts zu unterstützen.

b) Letzteres würde auch für sonstige nur indirekt wirk-
sam werdende finanzielle Verbesserungen als zusätz-
liche Form des Arbeitsanreizes wie etwa die Über-
nahme der Schuldentilgung oder von Unterhaltsleis-
tungen durch die Justizvollzugsanstalten gelten.
Gleichzeitig wären derartige, auf den einzelnen Ge-
fangenen ausgerichtete Entgeltformen mit einem der-
zeit nicht zu erbringenden Verwaltungsaufwand ver-
bunden. Zudem würde eine solche Form der Aner-
kennung geleisteter Pflichtarbeit neue Vorrechte von
Gläubigern mit ausgefeilter Rangfolge (zum Bei-
spiel: zuerst Opfer, dann unterhaltsberechtigte Ange-
hörige, dann sonstige Gläubiger) begründen und da-
mit dem Grundgedanken des Insolvenzrechts zuwi-
derlaufen, Vorrechte bestimmter Gläubiger abzu-
bauen. Auch dieses Konzept vermag eine sinnvolle
verfassungsgemäße Regelung des Arbeitsentgelts der
Strafgefangenen deshalb nicht herbeizuführen.

c) Ein Übergang zum Bruttoprinzip bei der Gefange-
nenentlohnung mit einer gleichzeitigen allgemeinen
Einführung von Haftkostenbeiträgen wäre nur bei ei-
ner gleichzeitigen massiven Anhebung der Bezüge
der Gefangenen vertretbar und würde vor allem zu
überflüssigem Verwaltungsaufwand führen. Zwar hat
das Bundesverfassungsgericht nur ausgeführt, dass
dem Gefangenen bei Erhebung eines Haftkostenbei-
trags von der Vergütung „jedenfalls ein gewisser Be-
trag“ verbleiben müsse (Urteilsausfertigung Seite
56), doch dürfte es sich insoweit nur um eine unge-
naue Formulierung handeln. Gemeint ist mit diesem
Passus offensichtlich, dass auch bei der allgemeinen
Einführung eines Haftkostenbeitrages dem Gefange-
nen letztlich mehr als bisher von der Vergütung ver-
bleiben müsse. Der Übergang zum Bruttoprinzip in
Form einer deutlichen Erhöhung der nominellen Ar-
beitsvergütung bei gleichzeitiger Einführung von
Haftkostenbeiträgen würde im Übrigen von den Ge-
fangenen zu Recht als unehrliche „Mogelpackung“
empfunden werden und wäre damit nicht geeignet,
die vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene
Stärkung der Resozialisierungsfunktion regelmäßiger
Arbeit zu bewirken.

d) Auch andere rein nicht-monetäre Konzepte erschei-
nen zu einer verfassungsrechtlich akzeptablen Lö-

sung des Problems des Gefangenenarbeitsentgelts
nicht geeignet. Zwar sind der Phantasie bei der Erfin-
dung denkbarer Vorteile für arbeitende Gefangene
kaum Grenzen gesetzt (bisher diskutiert wurden in
diesem Zusammenhang etwa die Gewährung sozialer
Anerkennung wie Belobigungen, Urkunden, Aus-
zeichnungen und Mitspracherechte im Betrieb, Ver-
besserung der sozialen Hilfen, Erweiterung der per-
sönlichen Habe, Verbesserung der Unterbringungsbe-
dingungen und der Verpflegung, verbesserte Freizeit-
angebote durch verlängerten Aufschluss oder Teil-
nahme an Sportveranstaltungen, kulturellen Veran-
staltungen, Freizeitkursen u. a., eine Erhöhung des
Hausgeldanteils, Verbesserung der Außenkontakte –
etwa mit Auswahlmöglichkeit bei den Besuchszeiten,
erweitertem Besuch, vermehrtem Paketempfang oder
mit mehr Telefonaten –, Gewährung von Vollzugslo-
ckerungen u. a.). Alle diese Maßnahmen sind jedoch
nicht geeignet, dem Gefangenen im Sinne eines
transparenten und nachvollziehbaren Berechnungs-
systems die Angemessenheit der Vergütung zu ver-
deutlichen, weil kein konkreter Umrechnungsfaktor
aus der erbrachten Arbeitsleistung der Gefangenen
zur Verfügung steht. Grundsätzlich kommen für das
vom Bundesverfassungsgericht geforderte transpa-
rente und nachvollziehbare Berechnungssystem nur
numerisch skalierbare Größen (also Geld oder Zeit)
zur Herstellung eines formalisierten Bezugs in Be-
tracht. Im Übrigen könnte eine Vielzahl der diskutier-
ten nicht-monetären Verbesserungsmaßnahmen we-
gen des gegenwärtigen Personalmangels bei gleich-
zeitiger Überbelegung in den Justizvollzugsanstalten
ohnehin nicht verwirklicht werden; teilweise wären
sie sogar deutlich kostenintensiver als selbst eine rein
monetäre Entgelterhöhung.

e) Vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich zuge-
lassen wurde die Möglichkeit, eine angemessene An-
erkennung von Arbeit dadurch zu bewirken, dass der
Gefangene – sofern general- und spezialpräventive
Gründe nicht entgegenstehen – durch Arbeit seine
Haftzeit verkürzen kann („good-time“). In diesem
Sinne sah ein Arbeitsentwurf des Bundesministeri-
ums der Justiz vom 15. April 1999 vor, neben einer
Verdoppelung des Arbeitsentgelts bei ordnungsgemä-
ßer Arbeit pro Kalenderwoche einen Tag Haftzeitver-
kürzung zu gewähren. Damit hätte sich eine Haftzeit-
verkürzung um maximal 1/7 der Strafzeit ergeben,
wobei die tatsächliche Verkürzung in der Regel wohl
deutlich darunter, nämlich im Bereich von etwa 1/10,
gelegen hätte. Gefangenen, bei denen eine solche
echte Haftzeitverkürzung nicht in Betracht gekom-
men wäre (z. B. Gefangene mit lebenslanger Frei-
heitsstrafe und sonstige gefährliche Gewalt- und Se-
xualstraftäter), hätte statt dieser Haftzeitverkürzung
zusätzlich zum Arbeitsentgelt eine Ausgleichzahlung
gewährt werden müssen. Zwar hätte dieses Konzept
auch den Effekt gehabt, die Überbelegungssituation
in den Anstalten abzubauen; jedoch würde eine Haft-
zeitverkürzung in dieser Dimension in nicht unerheb-
licher Weise in den Strafausspruch der Strafgerichte
eingreifen und mit dem Erfordernis der konsequenten

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 9 – Drucksache 14/4070

Durchsetzung gerichtlicher Straferkenntnisse kolli-
dieren. Eine derart umfangreiche Haftzeitverkürzung
wäre ein der bisherigen bewährten Systematik des
Strafvollstreckungs- und Strafvollzugsrechts fremdes
gesetzliches Instrument.

3. Wesentlicher Inhalt des vorliegenden Entwurfs ist daher
eine Kombination aus einer maßvollen finanziellen Ent-
gelterhöhung und einem zusätzlichen nicht-monetären
Anreiz für eine ordnungsgemäße Arbeitsleistung. Dieser
Anreiz bietet die Möglichkeit, früher (Vorverlegung des
Entlassungszeitpunktes) oder während der Haft öfter
(zusätzlicher Urlaub) der Freiheit teilhaftig zu werden.
Freiheit ist ein von den Gefangenen erfahrungsgemäß
besonders ersehntes und hochgeschätztes Gut, das den
Gefangenen regelmäßig deutlich wertvoller erscheinen
dürfte als eine bloße Verbesserung ihres Arbeitseinkom-
mens in der Haft. Deshalb ist dieser nicht-monetäre An-
reiz neben der maßvollen Erhöhung des finanziellen Ar-
beitsentgelts eine tragfähige zweite Säule des Konzepts
der Neuregelung des Gefangenenarbeitsentgelts.

Mit diesem Konzept orientiert sich der vorliegende Ent-
wurf an dem Beschluss, den die Herbstkonferenz der
Justizministerinnen und Justizminister am 10. November
1999 ohne Gegenstimme gefasst hat. Die Neuregelung
des Entgelts für Pflichtarbeit der Gefangenen besteht da-
nach aus der Kombination einer Erhöhung des Arbeits-
entgelts auf 7 % der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV mit
einer flankierenden nicht-monetären Maßnahme: Es soll
der Freistellungszeitraum gemäß § 42 StVollzG auf 24
Werktage ausgedehnt und zugleich den Gefangenen das
Recht eingeräumt werden, bis zu sechs Freistellungstage
pro Jahr zur Vorverlegung des Entlassungszeitpunkts
ohne Wartefrist anzusparen. Lockerungsgeeignete Ge-
fangene sollen die Möglichkeit erhalten, anstelle der
Vorverlegung des Entlassungszeitpunkts Urlaub zu er-
halten.

Allerdings wird es einzelne Gefangene geben, die aus
tatsächlichen Gründen weder in den Genuss eines zu-
sätzlichen Urlaubs aus der Haft noch einer Vorverlegung
des Entlassungszeitpunktes kommen können und die
auch keinen Antrag auf zusätzliche Freistellung von der
Arbeit in der Justizvollzugsanstalt stellen. Für diese
Gefangenen muss eine finanzielle Ausgleichsentschädi-
gung geschaffen werden, die zusammen mit dem regulä-
ren Arbeitsentgelt so hoch ist, dass die gebotene verfas-
sungsmäßige Entlohnung ihrer Pflichtarbeit allein durch
Geldzahlungen erreicht wird.

Hinsichtlich der Gefangenen, für die die Kombinations-
lösung aus erhöhtem finanziellen Arbeitsentgelt und zu-
sätzlicher Freistellung gelten soll, kann nicht eingewen-
det werden, die zusätzliche Freistellung von sechs Tagen
entspreche nur der Verlängerung des Mindesturlaubs
nach dem Bundesurlaubsgesetz für Arbeitnehmer in
Freiheit und könne deshalb nicht als zusätzlicher nicht-
finanzieller Arbeitsanreiz angesehen werden. Eine sol-
che Argumentation würde vor allem übersehen, dass der
entscheidende Anreizfaktor darin liegt, die zusätzlichen
Freistellungstage in Freiheit verbringen zu können. Dies
hat für Gefangene einen viel höheren Wert als lediglich

eine erweiterte Freistellung von der Arbeitspflicht inner-
halb der Justizvollzugsanstalt, wenngleich es in einigen
wenigen Fällen sicherlich Gefangene geben wird, die
von der Wahlmöglichkeit zugunsten der zusätzlichen
Freistellung innerhalb der Anstalt Gebrauch machen.
Darüber hinaus wäre eine isolierte, von der Frage der
Anpassung der Bezüge unabhängige Erhöhung der den
Gefangenen infolge geleisteter Arbeit gewährten Frei-
stellungstage von 18 auf 24 auch durch die erfolgte Än-
derung des Bundesurlaubsgesetzes nicht geboten. Be-
reits im Vorfeld des Erlasses des Vierten Gesetzes zur
Änderung des Strafvollzugsgesetzes wurde die Frage der
Anpassung des Freistellungszeitraums an das Bundes-
urlaubsgesetz in der Fassung durch Artikel 2 des Geset-
zes zur Vereinheitlichung und Flexibilisierung des Ar-
beitszeitrechts (Arbeitszeitrechtsgesetz – ArbZRG) vom
6. Juni 1994 diskutiert. Bei der Tagung des 82. Strafvoll-
zugsausschusses der Länder vom 25. bis 27. Oktober
1995 in Hamburg bestand hierzu die einhellige Auffas-
sung, dass aus Kostengründen die Ausdehnung der
Dauer der Freistellung von der Arbeitspflicht gemäß
§ 42 StVollzG von derzeit 18 auf 24 Tage nicht vertret-
bar ist. Dieses Kostenargument hat sich seither gerade
angesichts der steigenden Gefangenenzahlen und des
Konkurrenzdrucks gegenüber Billiglohnländern weiter
verschärft. Schon die damalige Bundesministerin der
Justiz hatte mit Schreiben an den Bundestagsabgeordne-
ten Egon Susset vom 5. September 1995 zutreffend da-
rauf hingewiesen, dass bei der Frage einer Anhebung des
Freistellungszeitraums nicht unberücksichtigt bleiben
könne, „… dass die für den Vollzug der Freiheitsstrafe
nach der verfassungsmäßigen Ordnung zuständigen
Bundesländer durch eine Erhöhung des Freistellungsan-
spruches von drei auf vier Wochen mit nicht unerheb-
lichen Kosten belastet würden. Diese würden in erster
Linie die vollzuglichen Arbeitsverwaltungen treffen, de-
ren Ertragskraft durch eine weitere bezahlte Urlaubswo-
che beeinträchtigt würde. Darüber hinaus ist die Voll-
zugsbehörde gehalten, für die Freistellungszeit – für die-
jenigen Gefangenen, die sie in der Anstalt zu verbringen
haben – eine sinnvolle Freizeitgestaltung zu ermög-
lichen. Die damit verbundene personelle und organisato-
rische Belastung der Anstalten würde ebenfalls Kosten-
folgen beinhalten.“ Auch wenn § 42 StVollzG dem Ge-
fangenen als Ausprägung des Angleichungsgrundsatzes
einen Freistellungszeitraum zur körperlichen und seeli-
schen Erholung von der Arbeitsleistung einräumt, so be-
steht doch keine zwingende Notwendigkeit, die Dauer
der Freistellung auch den neuen Bestimmungen des
Bundesurlaubsgesetzes anzupassen. Auch der Anglei-
chungsgrundsatz des § 3 Abs. 1 StVollzG gebietet eine
Angleichung der Lebensverhältnisse in der Anstalt nur
soweit als möglich. Dabei sind die besonderen Verhält-
nisse im Vollzug, und zwar namentlich die verminderte
Produktivität der Gefangenen sowie die regelmäßig ho-
hen Ausfallzeiten durch Vorführungen, Gerichtstermine,
Vollzugsmaßnahmen u. Ä. zu berücksichtigen, die insge-
samt dazu führen, dass die Gefangenen ohnehin deutlich
häufiger der Arbeit fernbleiben als Arbeitnehmer in Frei-
heit. Vor diesem Hintergrund ist die Gewährung von le-
diglich 18 Tagen Freistellung an Gefangene sachgerecht

Drucksache 14/4070 – 10 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

und auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, so
dass eine Erweiterung dieses Freistellungszeitraums
durchaus als zusätzlicher Anreiz für eine ordnungsge-
mäße Arbeit der Gefangenen eingesetzt werden kann.

Auch die finanzielle Komponente der hier vorgeschlage-
nen Kombinationslösung fällt durchaus ins Gewicht. Das
Arbeitsentgelt der Gefangenen wird um 40 % erhöht.
Auch bei einer eher niedrig bezahlten Arbeit kann eine
derartige Entgelterhöhung gerade unter den heutigen all-
gemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen einen
erheblichen Arbeitsanreiz bewirken. Sie wird sich auch
finanziell auf die Länderhaushalte erheblich auswirken:
Die für das Arbeitsentgelt der Gefangenen aufzuwenden-
den Mittel würden sich um rund 45 Mio. DM im Jahr er-
höhen, wenn alle arbeitenden Gefangenen in diese Rege-
lung einbezogen würden. Hierfür besteht jedoch kein
Anlass: Im Interesse einer sparsamen Haushaltsführung
sollen in die Verbesserungen des Arbeitsentgelts nur die-
jenigen Gefangenen einbezogen werden, für die dies von
Verfassungs wegen vorgeschrieben ist. Das Bundesver-
fassungsgericht hat ausdrücklich ausgesprochen, dass für
Gefangene, denen keine Arbeit zugewiesen wird, weil
sie zur Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung
oder zur Teilnahme an anderen Maßnahmen der Aus-
und Weiterbildung oder zum Abschluss der Hauptschule
Gelegenheit erhalten oder arbeitstherapeutisch beschäf-
tigt werden, hinsichtlich der aus dem Resozialisierungs-
gebot ableitbaren Vorgabe angemessener Anerkennung
besondere Maßstäbe gelten. Diese besonderen Maßstäbe
liegen hinsichtlich der arbeitstherapeutischen Beschäfti-
gung in der nicht vorhandenen Produktivität sowie der
Tatsache, dass mit dieser Form der Beschäftigung ange-
sichts der oftmals erheblichen Persönlichkeitsdefizite der
betroffenen Gefangenen ein gänzlich anderer Zweck ver-
folgt wird als bei der durch wirtschaftliche Leistungsge-
sichtspunkte jedenfalls zum Teil mitgeprägten wirt-
schaftlich ergiebigen oder angemessenen Tätigkeit. Die-
ser Zweck liegt primär in der Hinführung dieser Gefan-
genen an die Fähigkeit, sich überhaupt länger auf eine
bestimmte Tätigkeit konzentrieren zu können; mangels
Produktivität der Tätigkeit erscheint hier schon nach der
Wertung des § 43 Abs. 3 StVollzG eine Anpassung des
Entgelts verfehlt. Entsprechendes gilt ebenso für Gefan-
gene, die an einer Maßnahme der Aus- und Weiterbil-
dung teilnehmen. Hier liegt der besondere, den Gefange-
nen unmittelbar zugute kommende Nutzen ihrer Betäti-
gung im Erwerb eines Abschlusses, der ihnen nach der
Entlassung bessere Chancen bei der Suche nach einem
festen Arbeitsplatz bietet. Auch aus Angleichungsge-
sichtspunkten gemäß § 3 Abs. 1 StVollzG ist für diese
Gefangenengruppe eine Erhöhung der Ausbildungsbei-
hilfe nicht angezeigt, da eine Aus- bzw. Fortbildung eben
nicht produktive Leistung, sondern die Vermittlung von
Wissen und Fähigkeiten zum Gegenstand hat und dem-
gemäß auch in Freiheit weniger hoch vergütet wird als
reguläre Arbeit. Selbst während der Haftzeit zieht ein
Gefangener im Übrigen aus dem erfolgreichen Ab-
schluss etwa einer Lehrausbildung bereits unmittelbare
Vorteile, da sich ein erfolgreicher Ausbildungsabschluss
bei einer entsprechenden Tätigkeit in der Anstalt regel-
mäßig in einer höheren Vergütungsstufe und damit dann

auch höherem tatsächlichen Einkommen niederschlägt.
Aus diesem Grund ist auch eine Einbeziehung von Ju-
gendstrafgefangenen in eine Erhöhung des Arbeitsent-
gelts abzulehnen. Zudem steht der Vollzug der Jugend-
strafe ohnehin unter wesentlich anderen gesetzlichen
Vorgaben, namentlich des Erziehungsgedankens des Ju-
gendstrafrechts. Dieser Erziehungsgedanke gebietet aber
gerade nicht, durch eine überhöhte und nicht leistungsge-
rechte Form der Entgeltzahlung eine positive Einstellung
zur Arbeit zu erzeugen. Entscheidend muss bei diesen
Gefangenen vielmehr sein, in ihrer Persönlichkeit un-
abhängig von kurzfristigen Gewinnerwartungen diese
Einstellung hervorzurufen, wobei eine überzogene Form
materialistischen Denkens angesichts der besonderen
Formbarkeit von Jugendstrafgefangenen nur kontrapro-
duktiv sein kann. Auch junge Untersuchungsgefangene
sind nach Nummer 80 Abs. 2 UVollzO allein aus erzie-
herischen Gesichtspunkten zur Arbeit verpflichtet, so
dass auch hier eine Einbeziehung in eine Erhöhung des
Arbeitsentgelts nicht angezeigt ist. Nicht einzubeziehen
sind ferner erwachsene Untersuchungsgefangene. Für
diese Gefangenen gilt keine Arbeitspflicht, so dass die
verfassungsrechtlichen Erwägungen zum Arbeitsentgelt
der Strafgefangenen von vornherein nicht zum Tragen
kommen können. Gegen den Ausschluss der genannten
Gefangenengruppen von einer Erhöhung des Arbeitsent-
gelts kann auch nicht eingewendet werden, hierdurch
würden unzumutbare Unzuträglichkeiten in den Anstal-
ten hervorgerufen. Unterschiede zwischen den genann-
ten Gefangenengruppen bestehen, was die arbeitsthera-
peutische Beschäftigung angeht, ohnehin gemäß § 43
Abs. 3 StVollzG und im Übrigen aufgrund der normativ
vorgeschriebenen Differenzierung zwischen jungen und
erwachsenen Gefangenen einerseits sowie zwischen
Straf- und Untersuchungsgefangenen andererseits. We-
sentlich stärkere Unzuträglichkeiten sind durch eine
Nichteinbeziehung der aufgezählten Gefangenengruppen
realistisch wohl nicht zu erwarten; vielmehr könnte der
Ausschluss der Untersuchungsgefangenen sogar zu dem
positiv zu bewertenden Nebeneffekt führen, die Zahl –
auch aus Sicht der Untersuchungsgefangenen – völlig
aussichtsloser Rechtsmittel, die allein zur Aufrechterhal-
tung des Status der Untersuchungshaft eingelegt werden,
zu verringern.

Mit einer solchen Beschränkung der Gefangenengrup-
pen, für die das Arbeitsentgelt erhöht wird, könnte die
Mehrbelastung für die Länderhaushalte durch die Zah-
lung erhöhten Gefangenenarbeitsentgelts auf ca. 40 Mio.
DM jährlich begrenzt werden.

B. Zu den einzelnen Vorschriften

I. Zu Artikel 1 (Änderung des Strafvollzugsgesetzes)

1. Zu Nummer 1 (Einfügen eines § 42a – Variable
Freistellung von der Arbeitspflicht)

Mit der Einfügung eines § 42a StVollzG werden Strafge-
fangenen nicht-monetäre Vorteile für dauerhaft geleistete
Arbeit gewährt.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 11 – Drucksache 14/4070

Durch Absatz 1 erhält ein Strafgefangener zusätzlich zu sei-
nem Arbeitsentgelt als weiteren Arbeitsanreiz über die Frei-
stellung von der Arbeitspflicht nach § 42 StVollzG hinaus
einen Anspruch auf weitere Freistellung. Da es nach den
Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts geboten ist, den
Strafgefangenen den Sinn dauerhaft geleisteter Arbeit ver-
ständlich zu machen, ist Voraussetzung für den Anspruch
auf zusätzliche Freistellung eine zusammenhängende Tätig-
keit des Gefangenen in einem Zeitraum von zwei Monaten.
Im Strafvollzug kann allerdings infolge einer Vielzahl von
vollzuglichen Maßnahmen oder sonstigen Ereignissen, die
nicht im Verschulden des Gefangenen liegen, eine durch-
gehende Arbeitsleistung unmöglich werden. Da die Ge-
währung zusätzlicher Freistellung nach § 42a StVollzG den
Gefangenen in seinem Bemühen um Resozialisierung unter-
stützen soll und gleichzeitig verhindert werden muss, dass
sich der Gefangene notwendigen, im Interesse der Resozia-
lisierung liegenden vollzuglichen Maßnahmen verschließt,
wird den nicht vom Gefangenen verschuldeten Hindernis-
gründen eine echte hemmende Wirkung zuerkannt. Damit
werden die Zeiträume der Verhinderung zwar nicht bei der
Berechnung des Zweimonatszeitraums angerechnet, doch
beginnt nach einer solchen Unterbrechung der Zweimonats-
zeitraum nicht erneut von vorne zu laufen. Durch diese
Regelung wird sichergestellt, dass eine Freistellung nach
§ 42a StVollzG auch tatsächlich erreicht werden kann.

Absatz 2 Satz 1 regelt, dass die variable Freistellung als
echte Freistellung in der Justizvollzugsanstalt nur auf An-
trag des Gefangenen gewährt wird. Dabei wird davon aus-
gegangen, dass eine Anrechnung auf den Entlassungszeit-
punkt den Interessen des Gefangenen regelmäßig eher
entsprechen wird als eine Freistellung während der Haftzeit.
Um unnötigen Verwaltungsaufwand durch eine regelmäßig
wiederkehrende Befragung des Gefangenen zu seinen Wün-
schen hinsichtlich der variablen Freistellung zu vermeiden,
muss der Gefangene, wenn er eine variable Freistellung in-
nerhalb der Anstalt wünscht, von sich aus einen entspre-
chenden Antrag stellen. Dieses Verfahren hat sich auch bei
der Freistellung nach § 42 StVollzG in der Praxis bewährt.
Demgegenüber wird durch Absatz 3 Satz 2 klargestellt, dass
der Gefangene für die auf den Entlassungszeitpunkt ange-
rechnete Freistellungszeit keine Bezüge erhält.

Ebenfalls nur auf Antrag des Gefangenen wird nach Absatz
2 Satz 2 die Freistellung in Form von Urlaub aus der Haft
gewährt. Auch hierbei muss davon ausgegangen werden,
dass den Interessen der Gefangenen eine Anrechnung auf
den Entlassungszeitpunkt regelmäßig eher entsprechen wird
als diese Form der Freistellung. Hierbei handelt es sich um
eine besondere Form des Urlaubs, die nicht auf den Urlaub
aus der Haft nach § 13 StVollzG angerechnet wird, für die
aber § 13 Abs. 2 bis 5 StVollzG, § 14 StVollzG und insbe-
sondere § 11 Abs. 2 StVollzG entsprechend zur Anwendung
kommen. Der Schutz der Allgemeinheit darf auch bei der
Gewährung variabler Freistellung von der Arbeit in Form
von Urlaub aus der Haft nicht dadurch aufgeweicht werden,
dass an Flucht- oder Missbrauchsbefürchtungen geringere
Anforderungen gestellt werden als beim Urlaub nach § 13
StVollzG.

Durch Absatz 2 Satz 3 wird sichergestellt, dass auch bei
einer variablen Freistellung innerhalb der Anstalt oder in

Form von Urlaub aus der Haft der Gefangene seine zuletzt
gezahlten Bezüge weiter erhält.

Absatz 3 trägt der Tatsache Rechnung, dass für Gefangene,
die eine Freiheitsstrafe verbüßen, regelmäßig eine mög-
lichst frühzeitige Entlassung eine ganz besonders hohe Wer-
tigkeit hat. Demgemäß ist die Anrechnung der variablen
Freistellung auf den Entlassungszeitpunkt ein erheblicher
Vorteil, der geeignet ist, die Gefangenen zu regelmäßiger
Arbeit zu motivieren. Dieser Gewinn an persönlicher Frei-
heit stellt einen so starken Arbeitsanreiz dar, dass er in Ver-
bindung mit den bereits bisher gewährten Leistungen und
der maßvollen Erhöhung des Arbeitsentgelts um immerhin
40 % auf 7 % der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV die ver-
fassungsrechtlichen Vorgaben an eine angemessen vergütete
Arbeit erfüllt. Wegen der besonders hohen Wertigkeit der
Freiheit wird die Anrechnung auf den Entlassungszeitpunkt
vorbehaltlich eines Antrags des Gefangenen nach Absatz 2
auch als Regelfall der variablen Freistellung nach § 42a
StVollzG angesehen. Ebenso ist in den Fällen, in denen ein
Gefangener die Voraussetzungen für die Gewährung von
Urlaub aus der Haft nicht erfüllt, unabhängig von einem
Antrag nach Absatz 2 Satz 2 eine Anrechnung der variablen
Freistellung auf den Entlassungszeitpunkt vorzunehmen.

Technisch handelt es sich bei der Anrechnung auf den Ent-
lassungszeitpunkt um eine Vorverlegung, die Ähnlichkeit
mit der Regelung des § 16 Abs. 2, 3 StVollzG hat, die Voll-
streckung nicht berührt und damit als vollzugliche Maß-
nahme von der Anstalt durchgeführt wird.

Die Erlangung eines Freistellungsanspruches von einem
Tag nach zwei Monaten regelmäßiger Arbeit, also von ins-
gesamt maximal sechs Tagen im Jahr, ist vom Umfang der
Freistellung her so überschaubar, dass auch bei grundsätz-
lich gefährlichen Gefangenen eine solche Vorverlegung des
Entlassungszeitpunktes auch unter Berücksichtigung der
Sicherheitsinteressen der Bevölkerung und der konsequen-
ten Durchsetzung des gerichtlichen Straferkenntnisses als
vertretbar erscheint. Deshalb wird davon abgesehen, solche
Gefangenen von der Anrechnung auf den Entlassungszeit-
punkt auszunehmen. Unabhängig davon sind jedoch Fälle
denkbar, in denen eine Anrechnung auf den Entlassungs-
zeitpunkt ausgeschlossen werden muss; diese sind in Absatz
4 abschließend geregelt.

Während der Verbüßung einer lebenslangen Freiheitsstrafe
oder einer Sicherungsverwahrung ist eine Vorverlegung des
Entlassungszeitpunkts mangels eines feststehenden Entlas-
sungstermins grundsätzlich nicht möglich. Solchen Gefan-
genen stehen zwar die Möglichkeiten nach Absatz 2 offen,
doch kann eine Anrechnung nach Absatz 3 nicht durch-
geführt werden. Von der Regelung des Absatzes 4 Nr. 1
unberührt bleiben jedoch zeitige Freiheitsstrafen, die in Un-
terbrechung einer lebenslangen Freiheitsstrafe oder Siche-
rungsverwahrung verbüßt werden.

In bestimmten Fällen kann es zudem bei einer Aussetzung
einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung nach § 57
StGB erforderlich sein, wegen der spezifischen Auswirkun-
gen der Aussetzung oder der besonderen Lebensverhältnisse
des Gefangenen eine Anrechnung der variablen Freistellung
einer Freiheitsstrafe zur Bewährung gemäß Absatz 4 Nr. 2
auszuschließen. Hierbei handelt es sich um die in Absatz 5

Drucksache 14/4070 – 12 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

genannten Fälle, in denen die Entlassung eines Gefangenen
zu einem genau bestimmten Zeitpunkt für eine erfolgreiche
Resozialisierung unerlässlich ist. Dabei ist insbesondere an
die Situationen zu denken, in denen für die Zeit nach der
Entlassung eine Aufnahme des Gefangenen in ein Über-
gangswohnheim oder in eine therapeutische Einrichtung er-
forderlich ist, der Gefangene dort aber erst ab einem be-
stimmten Zeitpunkt aufgenommen werden kann. Bei diesen
Konstellationen könnte eine Vorverlegung des Entlassungs-
zeitpunktes durch Absatz 3 dazu führen, dass der Gefangene
entgegen der mit der Aussetzungsentscheidung verfolgten
Absicht längere Zeit in Freiheit verbringt, ohne die Unter-
stützung der in Aussicht genommenen Anlaufstelle in An-
spruch nehmen zu können; eine erneute Straffälligkeit und
ggf. der Nichtantritt der vorgesehenen Therapie wären hier-
bei nicht unwahrscheinlich. Nach Absatz 4 Nr. 2 schließt
das für die Aussetzung der Vollstreckung nach § 57 StGB
zuständige Gericht deshalb bei Vorliegen der Voraussetzun-
gen des Absatzes 5 eine Anrechnung der variablen Freistel-
lung auf den Entlassungszeitpunkt aus; diese Entscheidung
wird mit der Entscheidung über die Aussetzung durch die
Ergänzung des § 454 Abs. 1 StPO zwingend verbunden.

In einigen Fällen kann zudem die Aussetzungsentscheidung
eines Gerichts nach § 57 StGB so kurzfristig erfolgen, dass
eine vollständige Anrechnung bis zum Entlassungszeitpunkt
rein technisch nicht mehr möglich ist; für diesen Fall
schließt Absatz 4 Nr. 3 eine Anwendung des Absatzes 3 aus.

Auch bei einem Absehen von der Vollstreckung nach
§ 456a Abs. 1 StPO wird eine Anrechnung nach Absatz 3
regelmäßig nicht mehr erfolgen können; auch hier muss ge-
mäß Absatz 4 Nr. 4 eine Anrechnung unterbleiben.

Die Tätigkeit des Gefangenen während des letzten Monats
vor der Entlassung ist gemäß Absatz 4 Nr. 5 bei der Anrech-
nung auf den Entlassungszeitpunkt ebenfalls nicht mehr zu
berücksichtigen, da hier durch kurzfristige Schwankungen
in der Dauer der Arbeitsleistung sowie verstärkte Ausfall-
zeiten infolge intensivierter Entlassungsvorbereitung der
Entlassungszeitpunkt nicht mehr sachgerecht berechnet
werden könnte und sich oft noch kurz vor Strafende verän-
dern würde.

Eine Anrechnung auf den Entlassungszeitpunkt scheint
auch dann nicht mehr gerechtfertigt, wenn ein Gefangener
im Gnadenwege aus der Haft entlassen wird. Inhalt der
Gnadenentscheidung ist gerade der Gnadenerweis zu einem
bestimmten Termin hin; eine darüber hinausgehende Vor-
verlegung des Entlassungszeitpunkts wäre mit der Natur des
Gnadenrechts als Durchbrechung der Durchsetzung des ge-
richtlichen Straferkenntnisses kaum zu vereinbaren.

Um die Verfassungsmäßigkeit der variablen Freistellung
nach § 42a StVollzG im Hinblick auf die Gewährung eines
angemessenen Entgelts für regelmäßige Arbeit herzustellen,
muss Gefangenen, bei denen eine Anrechnung wegen Ab-
satz 4 ausgeschlossen ist, gemäß Absatz 6 ein entsprechen-
der und angemessener Ausgleich gewährt werden. Soweit
deshalb in diesen Fällen eine Anrechnung der variablen
Freistellung auf den Entlassungszeitpunkt nicht durchge-
führt werden kann, ist dem Gefangenen statt dessen man-
gels anderer zur Verfügung stehender nicht-monetärer Aus-
gleichsmöglichkeiten eine weitere finanzielle Zuwendung

zu gewähren. Dem Gefangenen wird deshalb für diejenige
Arbeitszeit, für die eine Anrechnung auf den Entlassungs-
zeitpunkt wegen Absatz 4 ausgeschlossen ist, eine zusätzli-
che Ausgleichsentschädigung gewährt, die 15 % des ihm für
diesen Zeitraum unter Einschluss etwaiger Zulagen und
Eingruppierungen gewährten Entgelts bzw. der ihm für die-
sen Zeitraum gewährten Ausbildungsvergütung beträgt. An-
gesichts der ohnehin gewährten Bezüge einschließlich der
Leistungen zur Arbeitslosenversicherung empfangen auch
diese Gefangenen für ihre Tätigkeit Leistungen in einem
Umfang, welcher die Sinnhaftigkeit der regelmäßigen Ar-
beit verdeutlicht.

Ausgeschlossen von der Gewährung der Ausgleichsentschä-
digung sind jedoch Gefangene, die infolge eines Gnadener-
weises aus der Haft entlassen werden; dieser Gnadenerweis
stellt infolge der Durchbrechung der Vollstreckung eines ge-
richtlichen Straferkenntnisses einen Vorteil so großen Aus-
maßes dar, dass er die unterbliebene Vorverlegung des Ent-
lassungszeitpunktes mit aufzehrt.

Die Ausgleichsentschädigung nach Absatz 6 ist im Übrigen
auch dann zu gewähren, wenn eine Anrechnung nach Ab-
satz 4 unterbleiben muss und der Gefangene einen Antrag
nach Absatz 2 nicht gestellt hat.

Der Anspruch auf Auszahlung der Ausgleichsentschädi-
gung entsteht erst bei der Entlassung des Gefangenen, damit
diesem der Wert der Ausgleichsentschädigung für die Zeit
nach der Haftentlassung ungeschmälert zur Verfügung steht;
auch eine vorherige Verzinsung, Abtretung oder Vererbung
des Anspruches ist ausgeschlossen. Lediglich bei Gefange-
nen, bei denen eine Anrechnung auf den Entlassungszeit-
punkt während der Verbüßung einer lebenslangen Freiheits-
strafe oder einer Sicherungsverwahrung nach Absatz 4 Nr. 1
ausgeschlossen ist, wird bereits nach Ablauf von jeweils
zehn Jahren die bis dahin rechnerisch aufgelaufene Aus-
gleichsentschädigung dem Eigengeld gutgeschrieben; diese
Regelung verfolgt den Zweck, auch diesen Gefangenen den
Vorteil der Ausgleichszahlung bereits zu einem greifbaren
Zeitpunkt zur Verfügung zu stellen, um den Anreiz zur Er-
bringung dauerhafter Arbeit angesichts der besonders lan-
gen und im Ergebnis nicht absehbaren Verbüßungsdauer
aufrecht zu erhalten.

2. Zu Nummer 2 (Änderung des § 121 Abs. 5 – Her-
anziehung der Gefangenen zu Verfah-
renskosten)

Die Gewährung nicht-monetärer Vorteile durch § 42a
StVollzG sowie die teilweise Anhebung des monetären Ar-
beitsentgelts durch § 200 Nr. 1 StVollzG sollte nicht zur
Folge haben, dass Gefangene mit einem Entgelt von 7 % der
Bezugsgröße nach § 18 SGB IV für Verfahrenskosten im
Rahmen der §§ 109 ff. StVollzG erst ab einem höheren frei-
bleibenden Betrag als bisher in Anspruch genommen wer-
den können; wenn erfolglos Verfahren nach den §§ 109 ff.
StVollzG betrieben werden, besteht kein Grund, nicht auch
den durch die Erhöhung des Arbeitsentgelts erzielten Mehr-
betrag zur Bestreitung der Verfahrenskosten heranzuziehen.
Zudem ist kein sachlicher Grund ersichtlich, der es rechtfer-
tigen würde, bei Gefangenen, die kein Entgelt in Höhe von
7 % der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV beziehen, einen be-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 13 – Drucksache 14/4070

tragsmäßig anderen Anteil ihres Einkommens für die Ver-
fahrenskosten heranzuziehen. Im Gegenteil ist es durchaus
denkbar, dass Gefangene zeitweise Bezüge auf der Grund-
lage des § 200 Nr. 1 StVollzG und zeitweise auf der Grund-
lage des § 200 Nr. 2 StVollzG beziehen. Ein sachgerechter
Anknüpfungspunkt, welche Entgeltgrundlage bei einer In-
anspruchnahme für Verfahrenskosten herangezogen werden
soll, ist nicht ersichtlich. Somit ist die Schaffung einer ein-
heitlichen Regelung unabdingbar. Den Gefangenen ver-
bleibt durch die Regelung des § 121 Abs. 5 StVollzG auch
weiterhin ein ausreichender Anteil des Hausgeldes, der für
Verfahrenskosten nicht in Anspruch genommen werden
kann.

3. Zu Nummer 3 (Änderung des § 133 Abs. 2 –
Taschengeld)

Die Anpassung des Arbeitsentgelts für Strafgefangene ver-
langt weder aus verfassungsrechtlicher Sicht eine Erhöhung
des Mindestbetrags des Taschengelds für Sicherungsver-
wahrte, noch ist eine solche aus Gründen der Gleichbehand-
lung im Hinblick auf die durch den Gesetzentwurf unverän-
dert bleibende Höhe des Taschengelds der Strafgefangenen
wünschenswert. Die bisherige Höhe des Mindestbetrages
des Taschengelds der Sicherungsverwahrten ist aus verfas-
sungsrechtlicher Sicht ebenso wie aus vollzugspraktischen
Erfordernissen ausreichend, um die Bedürfnisse der Siche-
rungsverwahrten in ausreichender Weise zu befriedigen.

4. Zu Nummer 4 (Ergänzung des § 176 – Arbeitsent-
gelt in Jugendstrafanstalten)

Eine Einbeziehung der Jugendstrafgefangenen in die Ge-
währung alternativer Freistellung von der Arbeit nach § 42a
StVollzG und eines Arbeitsentgelts von 7 % der Bezugs-
größe nach § 200 Nr. 1 StVollzG ist nicht erforderlich, da
die Arbeitspflicht dieser Gefangenengruppe unter dem Ge-
sichtspunkt des Erziehungsgedankens konzipiert ist und so-
mit andere Zwecke verfolgt als die Arbeitspflicht der Straf-
gefangenen. Die jungen Untersuchungsgefangenen werden
durch die Änderung des § 177 StVollzG erfasst.

5. Zu Nummer 5 (Ergänzung des § 177 – Arbeitsent-
gelt für Untersuchungsgefangene)

Da junge Untersuchungsgefangene allein aus erzieherischen
Gründen zur Arbeit verpflichtet sind, ist eine Einbeziehung
in die vorgeschlagene Regelung nicht geboten.

Erwachsene Untersuchungsgefangene unterliegen nicht der
Arbeitspflicht. Da sie somit allenfalls auf freiwilliger Basis
Arbeit verrichten, ist auch eine Einbeziehung in die Gewäh-
rung alternativer Freistellung von der Arbeit nach § 42a
StVollzG und eines Arbeitsentgelts von 7 % der Bezugs-
größe nach § 200 Nr. 1 StVollzG nicht erforderlich. Eine
solche Anpassung ist auch nicht geboten, da hierdurch die
Länderhaushalte unnötig mit weiteren Kosten belastet wür-
den und nicht hinnehmbare Unzuträglichkeiten in den An-
stalten nicht zu erwarten sind. Da Untersuchungsgefangene
gegenüber Strafgefangenen ohnehin weitreichende Vorteile
genießen, erscheint die Gewährung einer Vergütung von le-
diglich 5 % der Bezugsgröße ohne weiteres vertretbar.

6. Zu Nummer 6 (Änderung des § 199 – Höhe und In-
anspruchnahme des Hausgeldes)

a) Neufassung des § 47 Abs. 1 StVollzG:

Da Strafgefangenen infolge der Neufassung des § 200
StVollzG Arbeitsentgelte zustehen, die entweder auf der
Basis von 5 % der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV oder
auf der Basis von 7 % der Bezugsgröße nach § 18
SGB IV beruhen, ist eine Neufassung der Regelung des
Hausgeldanteils erforderlich. Im Hinblick darauf, dass
den Pflichtarbeit oder die dieser in § 200 Nr. 1 gleichge-
stellte Tätigkeiten verrichtenden Gefangenen durch die
Schaffung eines greifbaren Vorteils der Sinn dauerhafter
Arbeitstätigkeit vor Augen geführt werden soll, ist es
zweckmäßig, den durch die Erhöhung des Entgelts auf
7 % der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV entstehenden
Mehrbetrag nicht ausschließlich dem – auch dem Zugriff
Dritter, etwa von Gläubigern, ausgesetzten – Eigengeld,
sondern zumindest zu einem Teil auch dem Hausgeld zu-
zuschlagen, damit die Gefangenen auch im täglichen Le-
ben einen greifbaren Vorteil ihrer Arbeit erfahren. Indem
Gefangenen, die Arbeitsentgelt auf der Basis von 7 %
der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV erhalten, infolge der
Neufassung des § 47 Abs. 1 StVollzG nunmehr die
Hälfte ihrer Bezüge zum Hausgeld gutgeschrieben wird,
steigt der absolute Betrag des Hausgeldes von ca.
150 DM (bei einem durchschnittlichen monatlichen Ent-
gelt von 224 DM, basierend auf 5 % der Bezugsgröße
nach § 18 SGB IV im Jahr 2000) auf nunmehr an-
nähernd 157 DM (bei einem durchschnittlichen monat-
lichen Entgelt von 313,60 DM, basierend auf 7 % der
Bezugsgröße nach § 18 SGB IV im Jahr 2000) an, also
um annähernd 5 %. Dies stellt einen ausreichend greif-
baren unmittelbaren finanziellen Vorteil dar, der anderer-
seits jedoch noch nicht so groß ist, dass damit eine Ver-
stärkung unerwünschter subkultureller Aktivitäten in
den Justizvollzugsanstalten durch unerlaubte Geschäfte
und die damit erfahrungsgemäß einhergehenden Abhän-
gigkeitsverhältnisse zu befürchten wäre. Eine Anpas-
sung des Hausgeldbetrages derjenigen Gefangenen, de-
ren Entgelt weiterhin auf 5 % der Bezugsgröße nach
§ 18 SGB IV basiert, ist nicht erforderlich. Diesen Ge-
fangenen steht damit auch weiterhin der unveränderte
und zur Befriedigung persönlicher Bedürfnisse durchaus
ausreichende bisherige Hausgeldbetrag zur Verfügung.

b) Neufassung des § 93 Abs. 2 StVollzG:

Eine Neufassung des § 93 Abs. 2 StVollzG ist im Hin-
blick auf die Herstellung einer einheitlichen Rechtslage
für die Inanspruchnahme von Gefangenen nach § 93
StVollzG aus den bereits zu § 121 Abs. 5 StVollzG ge-
nannten Gründen erforderlich.

7. Zu Nummer 7 (Änderung des § 200 – Höhe des Ar-
beitsentgelts)

Eine Erhöhung des finanziellen Arbeitsentgelts von Strafge-
fangenen muss sich im Rahmen des für die Länderhaushalte
Finanzierbaren halten.

In Kombination mit der Gewährung nicht-monetärer Vor-
teile nach § 42a StVollzG ist angesichts der zusätzlich ent-

Drucksache 14/4070 – 14 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

richteten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung selbst ohne
Berücksichtigung der Gewährung von sonstigen Sachleis-
tungen wie Unterbringung und Verpflegung bereits eine
maßvolle Erhöhung des Entgelts um 40 % auf 7 % der Be-
zugsgröße nach § 18 SGB IV geeignet, den Gefangenen den
Wert regelmäßiger produktiver Arbeit deutlich zu machen.

Ausgeschlossen von der Entgelterhöhung sind durch § 200
Nr. 2 StVollzG namentlich diejenigen Gefangenen, welche
an Aus- oder Fortbildungsmaßnahmen im Sinne des § 37
Abs. 3 StVollzG teilnehmen oder die nach § 37 Abs. 5
StVollzG arbeitstherapeutisch beschäftigt werden; diese Ge-
fangenengruppen leisten keine produktive Arbeit, die in der
modernen Leistungsgesellschaft regelmäßig den maßgebli-
chen Anknüpfungspunkt für eine angemessene Bezahlung
darstellt. Durch die Beschränkung der Entgelterhöhung auf
diejenigen Gefangenen, die zugewiesene Arbeit, eine sons-
tige Beschäftigung – insbesondere angemessene Beschäfti-
gung nach § 37 Abs. 4 StVollzG – oder eine Hilfstätigkeit
nach § 41 Abs. 1 Satz 2 StVollzG verrichten (§ 43 Abs. 1
Satz 1 StVollzG), wird den Gefangenen zugleich deutlich
gemacht, dass nur produktive Arbeit Vorteile im Rahmen
des Arbeitsentgelts rechtfertigt. Zwar handelt es sich zwei-
fellos auch bei der Teilnahme an Aus- und Fortbildungs-
maßnahmen durchaus um Tätigkeiten, die im Interesse gu-
ter Chancen auf dem Arbeitsmarkt und damit auch der
Resozialisierung förderungswürdig sind. Allerdings muss
den Gefangenen bewusst gemacht werden, dass solche
Maßnahmen auch in Freiheit regelmäßig nicht ohne kurz-
fristige finanzielle Einbußen gegenüber anderen Werktäti-
gen erreicht werden können. Um auch weiterhin einen An-
reiz für die Teilnahme an solchen Veranstaltungen zu bieten,
werden die Gefangenen, die an Maßnahmen nach § 37

Abs. 3 StVollzG teilnehmen, von der variablen Freistellung
von der Arbeitspflicht nach § 42a StVollzG auch ausdrück-
lich nicht ausgenommen. Davon unberührt bleibt jedoch,
dass Anknüpfungspunkt für ein Entgelt nach § 200 Nr. 1
StVollzG ausschließlich produktive Beschäftigung sein soll.
Soweit sonstige Vorschriften auf § 200 StVollzG Bezug
nehmen, wird – von den in § 200 Nr. 1 StVollzG abschlie-
ßend aufgezählten Einzelfällen abgesehen – regelmäßig
§ 200 Nr. 2 StVollzG als Auffangnorm die Grundlage für
die Berechnung von Leistungen darstellen. Dies gilt insbe-
sondere für die in Absatz 2 der Bundeseinheitlichen Verwal-
tungsvorschriften zu § 46 StVollzG geregelte Berechnung
des Taschengeldes für Strafgefangene.

II. Zu Artikel 2 (Änderung der Strafprozessordnung)

Um zu ermöglichen, dass bei der Entscheidung über die
Aussetzung einer zeitigen Freiheitsstrafe nach § 57 StGB
eine Entscheidung nach § 42a Abs. 3, 4 Nr. 2 StVollzG
getroffen wird, ist § 454 Abs. 1 StPO um eine entspre-
chende Regelung zum Inhalt der Entscheidung zu ergänzen.
Schließt das Gericht in seinem Aussetzungsbeschluss eine
Anrechnung nicht ausdrücklich nach § 42a Abs. 4 Nr. 2,
Abs. 5 StVollzG aus, so ist davon auszugehen, dass § 42a
Abs. 4 Nr. 2 StVollzG nicht zur Anwendung kommen soll.

III. Zu Artikel 3 (Inkrafttreten)

Das Gesetz soll am 1. Januar 2001 in Kraft treten. Zu die-
sem Zeitpunkt endet die vom Bundesverfassungsgericht
dem Gesetzgeber eingeräumte Frist zur Neuregelung des
Arbeitsentgelts für die Pflichtarbeit der Gefangenen.

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