BT-Drucksache 14/4041

Anerkennung der Rentenversicherungszeiten von Blinden- und Sonderpflegegeldempfängerinnen und Sonderpflegegeldempfängern der DDR

Vom 5. September 2000


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

4041

14. Wahlperiode

05. 09. 2000

Antrag

der Abgeordneten Monika Balt, Petra Bläss, Dr. Ruth Fuchs, Gerhard Jüttemann,
Dr. Heidi Knake-Werner, Heidemarie Lüth, Dr. Ilja Seifert und der Fraktion der PDS

Anerkennung der Rentenversicherungszeiten von Blinden- und Sonderpflege-
geldempfängerinnen und Sonderpflegegeldempfängern der DDR

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf:

Zeiten der Berufstätigkeit von Invalidenrentnerinnen und -rentnern der DDR,
die gleichzeitig Anspruch auf Blinden- bzw. staatliches Sonderpflegegeld hat-
ten, in das SGB VI im § 233a als neuen Absatz 6 zu übernehmen.

Berlin, den 29. August 2000

Monika Balt
Petra Bläss
Dr. Ruth Fuchs
Gerhard Jüttemann
Dr. Heidi Knake-Werner
Heidemarie Lüth
Dr. Ilja Seifert
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

1. Invalidenrentnerinnen und -rentner der DDR, die gleichzeitig Blinden- und
Sonderpflegegeld erhielten, waren nach DDR-Recht während einer Berufs-
tätigkeit pflichtversichert. Von der eigenen Beitragszahlung zur Sozial-
pflichtversicherung waren sie jedoch befreit (§ 7 der Zweiten Verordnung
über die Gewährung und Berechnung der Renten der Sozialversicherung
vom 10. Mai 1972 bzw. § 15 der Verordnung über die Sozialpflichtversiche-
rung vom 17. November 1977). Sie wurden bei der Rentenberechnung wie
Pflichtversicherte behandelt (§ 18 Erste Durchführungsbestimmung der
Rentenverordnung vom 23. November 1979). Die Rentenversicherungsbei-
träge galten daher als gezahlt; die betrieblichen Anteile (Arbeitgeberhälfte)
wurden pünktlich und regelmäßig abgeführt.
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Diese Beitragsbefreiung trug den Charakter eines Nachteilsausgleichs für
zusätzliche Aufwendungen von Menschen mit Behinderungen bei ihrer Be-
rufstätigkeit. Bei der Berechnung nach SGB VI werden diese versicherten
Entgelte jedoch bisher nicht rentenwirksam.

Dieser Personenkreis war darüber hinaus berechtigt, für den über die Pflicht-
versicherung von 600 Mark erzielten Arbeitsverdienst, Beiträge zur Freiwil-
ligen Zusatzrentenversicherung (FZR) zu zahlen, was sich rentensteigernd
auswirkte (FZR-Verordnung vom 18. November 1977, §§ 1 und 19). Dort
wird deutlich, dass es sich bei den Entgelten bis 600 Mark um rentenwirk-
same und nicht um versicherungsfreie Zeiten handelt.

Die Geltendmachung ungenügender Rentenansprüche muss bereits vor dem
1. Januar 1997 möglich sein.

2. Menschen mit Behinderungen erhielten in der DDR eine Invalidenrente. Da-
für waren keine Anwartschaften erforderlich. Die Bezeichnung „Invaliden-
rente“ ist insofern irreführend. Sie war wie unter Nr. 1 der Begründung er-
sichtlich, eine Art von Nachteilsausgleich, der wie eine Rente gezahlt
wurde. Blinde hatten gleichzeitig Anspruch auf Blindengeld. Von bestimm-
ten Behinderungsgraden ab (z. B. beide Beine amputiert) stand Frauen und
Männern ein staatliches Sonderpflegegeld zu. Die Beträge lagen zwischen
120 und 180, in Ausnahmefällen bei 240 DDR-Mark.

3. Invalidenrentnerinnen und -rentner, die weder Blinden- noch staatliches
Sonderpflegegeld erhielten, durften im so genannten „Lohndrittel“ hinzu-
verdienen. Für Anspruchsberechtigte mit Blinden- und staatlichem Sonder-
pflegegeld fiel diese Grenze weg. Im Wesentlichen betraf das junge Men-
schen, die entweder von Geburt an blind oder anderweitig behindert waren.
Sehr viele von ihnen erhielten in Blinden- und Körperbehinderten-Sonder-
schulen, die bis zum Abitur reichten, eine solide Schulbildung. Auf dieser
Grundlage absolvierten sie – z. B. in Rehabilitationseinrichtungen – eine
anerkannte Facharbeiter- oder – falls das behinderungsbedingt unmöglich
war – eine Teilfacharbeiterausbildung. Andere studierten an den allgemei-
nen Hoch- und Fachschulen. Um einen diesen Ausbildungen adäquaten Be-
ruf ausüben zu können, musste ihnen die Möglichkeit des vollen Verdienstes
gegeben werden, da das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ galt. Als
Kriterium für diese Möglichkeit des unbegrenzten Hinzuverdienstes galt
eben das Blinden- oder Sonderpflegegeld. Damit war dem Missbrauch inso-
fern vorgebeugt, als man sich nicht einfach eine Invalidenrente erschleichen
und anschließend mit zusätzlichem Verdienst und zusätzlichem Kündi-
gungsschutz weiterarbeiten konnte.

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