BT-Drucksache 14/3851

Abbau der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter durch den Abbau von Barrieren

Vom 5. Juli 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/3851
14. Wahlperiode 05. 07. 2000

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Heinrich L. Kolb, Dr. Irmgard Schwaetzer, Rainer Brüderle,
Ernst Burgbacher, Jörg van Essen, Gisela Frick, Rainer Funke,
Dr. Werner Hoyer, Jürgen Koppelin, Hans-Joachim Otto (Frankfurt am Main),
Cornelia Pieper, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Marita Sehn, Dr. Hermann Otto
Solms, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der F.D.P.

Abbau der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter durch den Abbau von Barrieren

Gegenwärtig beträgt die Quote arbeitsloser Schwerbehinderter ca. 18 % und ist
damit annähernd doppelt so hoch wie die durchschnittliche Arbeitslosenquote.
Es ist daher dringender Handlungsbedarf gegeben.

Als vordringliche Aufgabe sehen wir die Schaffung umfassender Barrierefrei-
heit, so dass Schwerbehinderte eigenständig eine ihren Kompetenzen entspre-
chende Arbeit aufnehmen und so aktiv am Leben teilnehmen können.

Der Begriff „Barriere“ ist umfassend zu verstehen. So gibt es Barrieren im bau-
technischen Sinne, im Straßenverkehr und nicht zuletzt in den Köpfen der
Menschen. Abhängig von der Art der Behinderung ergeben sich unterschied-
lichste Barrieren. So stellen Stufen sowohl am Arbeitsplatz selbst als auch auf
dem Weg dorthin für einen im Bewegungsapparat behinderten Menschen u. U.
eine unüberwindliche Hürde dar und verhindern so die Erreichbarkeit eines Ar-
beitsplatzes. Für einen sehbehinderten Menschen kommt es dagegen darauf an,
dass Wege, Schalter etc. kontrastreich markiert sind, um weitgehend ohne
fremde Hilfe auskommen und nicht zuletzt arbeiten zu können. Für Blinde
schließlich ist eine markante Oberflächenstruktur notwendig.

Genügt ein Arbeitsplatz oder ein Arbeitsweg nicht diesen Anforderungen, so
liegen Barrieren vor, die die Arbeitsaufnahme eines Schwerbehinderten und
damit den Abbau der Arbeitslosigkeit verhindern, denn trotz entsprechender
fachlicher Eignung verhindern bauliche Hemmnisse eine Arbeitsaufnahme.

Daneben gibt es Barrieren im informationellen Sinne. Für Sehbehinderte sind
Informationen unzugänglich, die sich in Publikationen finden, welche die
Schrifttypen wechseln, einzelne Passagen farblich unterlegen u. Ä. mehr.
Blinde wiederum sind beim Lesen vollständig auf fremde Hilfe angewiesen.

So werden Arbeitsplätze nicht von Schwerbehinderten besetzt, obgleich sie
fachlich qualifiziert sind, weil sie die entsprechenden Stellenangebote nicht le-
sen können und so schlecht oder gar nicht Kenntnis von freien Arbeitsplätzen
erlangen. Aber auch ganz grundsätzlich bedeutet in der Wissensgesellschaft die
Behinderung des Zugangs zu Informationen die Einschränkung der Arbeits-
möglichkeiten und damit eine Verfestigung der Arbeitslosigkeit. Daher ist es
auch erforderlich, die in den elektronischen Massenmedien bestehenden Barri-

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eren beispielsweise durch den verstärkten Einsatz von Audiodeskription abzu-
bauen, um Blinden und Sehbehinderten diesen Bereich des Informationsmark-
tes zu erschließen.

Um also das Ziel des Entwurfs der Bundesregierung über ein Gesetz zur Be-
kämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter (SchwbBAG) zu erreichen,
kommt es u. a. darauf an, wie es auf die Rahmenbedingungen, unter denen
Schwerbehinderte arbeiten sollen, einwirkt, ob es also Barrierefreiheit unter
Berücksichtigung der unterschiedlichen Bedürfnisse der verschiedenen Behin-
derungen erreichen kann.

Als Mittel der Integration Schwerbehinderter in den ersten Arbeitsmarkt sieht
das Gesetz u. a. die Integrationsfachdienste (Artikel 1 Nr. 19 SchwbBAG) aber
auch den Einsatz von Arbeitsassistenzen (Artikel 1 Nr. 17c SchwbBAG) vor.
Nach dem Gesetzentwurf soll u. U. ein Schwerbehinderter einen Anspruch auf
eine notwendige Arbeitsassistenz haben.

Hieraus ergeben sich für uns folgende Fragen an die Bundesregierung:

1. Was ist unter Arbeitsassistenz, insbesondere „notwendige“ Arbeitsassistenz
zu verstehen?

a) Ist es sinnvoll, den Begriff im Gesetz zu definieren und wie sieht diese
Definition aus?

b) Wie wird der Anspruch auf die Arbeitsassistenz finanziell abgesichert
werden, da auch die Integrationsfachdienste und die Behindertenwerk-
stätten durch die Einnahmen aus der Ausgleichsabgabe finanziert werden
sollen bzw. finanziert werden?

c) Wann entsteht der Anspruch – bereits vor oder erst mit Antritt eines
Beschäftigungsverhältnisses?

2. Ist eine Altersbegrenzung für Integrationsmaßnahmen vorgesehen, wenn ja
welche und findet hierbei die Verlängerung der Lebensarbeitszeit von Beam-
ten Berücksichtigung?

3. Wie wird die gleichrangige Behandlung verschiedenster Behinderungen,
also Barrierefreiheit im weitesten Sinne gewährleistet?

Wie wird dies bei den Integrationsfachdiensten sichergestellt, sind z. B. In-
tegrationsfachdienste auch für Sehbehinderte vorgesehen?

4. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um die Barriere-
freiheit im weitesten Sinne insbesondere in öffentlichen Gebäuden, Ver-
kehrsmitteln und bei den Veröffentlichungen der Verfassungsorgane sowohl
im Printbereich als auch im Internet unter Berücksichtigung der unterschied-
lichsten Anforderungen der verschiedenen Behinderungen zukünftig ent-
scheidend zu verbessern?

Berlin, den 5. Juli 2000

Dr. Heinrich L. Kolb
Dr. Irmgard Schwaetzer
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Gisela Frick
Rainer Funke
Dr. Werner Hoyer

Jürgen Koppelin
Hans-Joachim Otto (Frankfurt am Main)
Cornelia Pieper
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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