BT-Drucksache 14/3841

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung und der Fraktion SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -14/3372, 14/3645, 14/3799- Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter

Vom 5. Juli 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/3841
14. Wahlperiode 05. 07. 2000

Änderungsantrag
der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Dr. Klaus Grehn, Dr. Heidi Knake-Werner
und der Fraktion der PDS

zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Bundesregierung
– Drucksachen 14/3372, 14/3645, 14/3799 –

Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter
(SchwbBAG)

Der Bundestag wolle beschließen:

Artikel 5 Nr. 5 wird wie folgt ergänzt:

Es wird ein Buchstabe d mit folgendem Wortlaut eingefügt:

„Nach Absatz 1a wird folgender Absatz 1b angefügt:

(1b) Der Anspruch auf Arbeitsassistenz ist bedarfsdeckend und unter Res-
pektierung des Wunsch- und Wahlrechts der behinderten Person zu regeln. Da-
bei sind insbesondere folgende Kriterien einzuhalten:

– Der Anspruch auf Assistenz am Arbeitsplatz ist sicherzustellen, wenn die
individuellen behinderungsspezifischen Bedürfnisse und das Tätigkeitspro-
fil des Arbeitsplatzes der behinderten Person es erfordern. Darüber hinaus
schließt Arbeitsassistenz auch die begleitende Assistenz ein, die während
der Ausübung der beruflichen Tätigkeit der behinderten Person erforderlich
ist.

– Die behinderte Person erhält das Recht, selbst darüber zu entscheiden, wel-
che Person als Assistenzkraft eingestellt wird.

– Die Entscheidung darüber, ob die Assistenzkraft durch den Arbeitgeber der
behinderten Person, die behinderte Person selbst oder durch einen ambulan-
ten Dienst angestellt wird, erfolgt grundsätzlich durch die behinderte Person.
Die Finanzierung der Kosten für die Arbeitsassistenz durch die Hauptfürsor-
gestellen bleibt davon unberührt.

– Ein Ersatz personaler Arbeitsassistenz durch pauschale technische Hilfen ist
nur mit Einverständnis der behinderten Person statthaft und kann durch
diese wieder rückgängig gemacht werden.

Drucksache 14/3841 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

– Der grundsätzliche Anspruch auf Assistenz am Arbeitsplatz ist sowohl
für feste Arbeitsplätze im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 4 SchwbG als auch für
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) und Strukturanpassungsmaßnah-
men (SAM) sicherzustellen.“

Berlin, den 5. Juli 2000

Dr. Ilja Seifert
Dr. Klaus Grehn
Dr. Heidi Knake-Werner
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Erst mit einer Arbeitsassistenz haben viele Schwerbehinderte eine Chance auf
wirkliche Eingliederung in die Arbeitswelt und auf die Realisierung von Mög-
lichkeiten zu eigenständiger Existenzsicherung. Mit Assistenz und technischen
Hilfsmitteln sind Schwerbehinderte bereits heute in qualifizierten Berufen tätig.

Der vorgelegte Gesetzentwurf enthält keine Bestimmung darüber, wann, in
welchem Umfang und nach welchen Kriterien Arbeitsassistenz zur Anwen-
dung kommen sollte. Es wird lediglich der Begriff „notwendige Arbeitsassis-
tenz“ ohne nähere Bestimmung verwendet. Damit würde jedoch die bereits
existierende Situation fortgeschrieben, derzufolge die Gewährung von Ar-
beitsassistenz für behinderte Personen von den Hauptfürsorgestellen in den ein-
zelnen Bundesländern in der Praxis außerordentlich unterschiedlich gehand-
habt wird. Für die Betroffenen hat dieser Zustand zur Folge, dass so genannte
Kannbestimmungen die Gewährung von elementarer Assistenz als Willkürent-
scheidung erscheinen lassen. In vielen Fällen kommt es daher zu Rechtsstrei-
tigkeiten, die bei einer klareren Fassung grundlegender Kriterien für Arbeits-
assistenz vermeidbar wären.

Übergreifender Gesichtspunkt für eine Bestimmung von Arbeitsassistenz muss
die Respektierung des Wunsch- und Wahlrechts der jeweiligen behinderten
Person sein, die anspruchsberechtigt sein soll. Das heißt, dass im jeweiligen
Einzelfall die grundlegenden Entscheidungen darüber, wie die Arbeitsassistenz
ausgestaltet werden soll, durch die betroffene behinderte Person erfolgen muss,
die damit als „kompetent in eigener Sache“ anerkannt wird. In diesem Sinne
soll die Arbeitsassistenz bedarfsdeckend sein.

Eine Beschränkung der Arbeitsassistenz auf Assistenz am Arbeitsplatz wäre
unzureichend, da sie in vielen Fällen zu ungerechtfertigten Einschränkungen
für die behinderte Person führt. Begleitende Assistenz sollte daher in allen Fäl-
len ermöglicht werden, bei denen sich aus der beruflichen Tätigkeit oder Merk-
malen der Beeinträchtigung entsprechende Mobilitätsanforderungen ergeben
(z. B. Dienstgänge bzw. -fahrten, Dienstreisen, aber auch Begleitung und Hilfe
in sanitären Fragen, bei der Pausengestaltung und der Nahrungsaufnahme etc.).

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/3841

Das Wunsch- und Wahlrecht muss einschließen, dass die behinderte Person
selbst darüber entscheidet, wer als Assistenzkraft angestellt wird und wer die
Anstellung vornimmt. Daraus abgeleitet folgt, wer über das Weisungsrecht ver-
fügt und wer für die Entlohnung der Assistenzkraft zuständig ist. Zugleich
muss die Arbeitsassistenz in unternehmerische und Arbeitsabläufe so einge-
bettet werden, dass der Assistenzbetrieb selbst nicht behindert wird. Dies
schließt ein, dass technische Hilfen nicht gegen den Willen der behinderten
Person – z. B. aus Kostengründen – gegen personale Assistenz ausgespielt
werden dürfen.

Konkrete Regelungen zur Umsetzung des Wunsch- und Wahlrechts auf der
Grundlage der o. g. Kriterien könnten auf betrieblicher Ebene im Rahmen der
im neuen § 14b SchwbG vorgesehenen Integrationsvereinbarungen vereinbart
werden.

Mit der Regelung, die Arbeitsassistenz auch für Arbeitsbeschaffungsmaßnah-
men (ABM) und Strukturanpassungsmaßnahmen (SAM) vorzusehen, sollen
zusätzliche Möglichkeiten geschaffen werden, um Schwerbehinderten auch
dann wenigstens vorübergehend Chancen zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit
einzuräumen, wenn auf dem ersten Arbeitsmarkt kein entsprechender Arbeits-
platz zur Verfügung steht. Die Nutzung solcher Möglichkeiten ist dringend
erforderlich, um die Chancen zur Integration von Schwerbehinderten in beruf-
liche Tätigkeit zu verbessern.

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