BT-Drucksache 14/3813

Zukunftsorientierte Energieforschung - Fusionsforschung

Vom 5. Juli 2000


Deutscher Bundestag

Drucksache

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3813

14. Wahlperiode

05. 07. 2000

Antrag

der Abgeordneten Ulrike Flach, Cornelia Pieper, Birgit Homburger, Horst Friedrich
(Bayreuth), Hildebrecht Braun (Augsburg), Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher,
Jörg van Essen, Rainer Funke, Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther
(Plauen), Dr. Karlheinz Guttmacher, Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Walter Hirche,
Ulrich Irmer, Dr. Heinrich Leonhard Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin,
Günther Friedrich Nolting, Hans-Joachim Otto (Frankfurt am Main), Detlef Parr,
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Dr. Irmgard Schwaetzer, Marita Sehn,
Dr. Hermann Otto Solms, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Wolfgang Gerhardt und
der Fraktion der F.D.P.

Zukunftsorientierte Energieforschung – Fusionsforschung

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Energieforschungspolitik der Zukunft muss sich an völlig neuen Energie-
konzepten orientieren, will sie den Herausforderungen des Weltenergiever-
brauchs und der Entwicklung in der Dritten Welt gewachsen sein.

Im Mittelpunkt stehen auf der einen Seite



die Erhaltung der Energieversorgungssicherheit,



die Erhaltung einer lebenswerten Umwelt auch für künftige Generationen,



die Erhaltung eines angemessenen Energie-Preis-Niveaus,



die Verringerung der weltweiten energiebedingten Spannungspotentiale an-
gesichts der absehbaren Verknappung der Energieressourcen,

auf der anderen Seite



der Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien und



die Weiterführung der Fusionsforschung.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf:

1. Auf der Grundlage seiner umfangreichen wissenschaftlichen und techni-
schen Kenntnisse in der Fusionsforschung und der vom europäischen Auf-
sichtsgremium des Projekts „ITER“ am 20. Januar 2000 in Tokio erarbeite-
ten Empfehlungen beteiligt sich Deutschland an der Entwicklung und dem
Bau des modifizierten Internationalen Thermonuklearen Experimentierreak-
tors (ITER).
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2. Deutschland wird sich als Standort für den Internationalen Thermonuklearen
Experimentierreaktor (ITER) bewerben, was seiner Rolle und Bedeutung als
führende Industrienation in der Welt entspricht.

3. Mit dem nationalen Fusionsforschungsprojekt „WENDELSTEIN 7-X“, dem
weltweit größten Fusionsexperiment nach dem Stellarator-Prinzip, verfolgt
Deutschland das Ziel, einen auf künftigen Dauerbetrieb ausgelegten Fusi-
onsreaktor zu bauen.

4. Im Haushalt 2001 wird ein ausreichender Ansatz für Fusionsforschung in
Deutschland ausgebracht.

5. Die Fusionsforschung ist integraler Bestandteil der Energieforschung in
Deutschland, die in ihrer Gesamtheit auf die Lösung globaler Energiepro-
bleme ausgerichtet ist und somit auch die Interessen der Länder der Dritten
Welt berücksichtigt.

6. Die Fusionsforschung orientiert sich ausschließlich an der friedlichen Nut-
zung dieser Energieform.

Berlin, den 4. Juli 2000

Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

Begründung

Die Fusionsforschung hat inzwischen ein Stadium erreicht, in dem es wissen-
schaftlich und technisch möglich ist, mit dem Bau eines Experimentalreaktors,
als einer Vorstufe zu einem Fusionskraftwerk, zu beginnen.

Daher muss an der politischen Option Kernfusion für eine zukünftige Energie-
versorgung festgehalten und die Forschungs- und Entwicklungsprojekte in
Deutschland in diesem Bereich erfolgreich durchgeführt werden.

Angesichts der internationalen Konkurrenz ist es sehr wichtig, die deutsche
Wissenschaftskompetenz und Technologieführerschaft unter Beweis zu stellen.
Eine zukunftsweisende Energieforschungspolitik muss einen Beitrag zur Siche-
rung des Industrie- und Wirtschaftsstandortes Deutschland leisten. Vor diesem
Hintergrund soll sich die zukünftige staatliche geförderte Energieforschung
stärker an den neuen Herausforderungen ausrichten.

Die Grundlagenforschung muss in verstärkter Form und in internationaler Ko-
operation nach neuen Möglichkeiten der Energieerzeugung und der Behand-
lung und des Verbleibs der Rückstands- und Abfallprodukte des Energiegewin-
nungsprozesses suchen. Hierzu zählen auf der einen Seite alle Arten der Nut-
zung regenerativer Energieträger aber auch innovative Kernreaktoren, die ent-
scheidende Maßnahmen zum Schutz der schädlichen Wirkung ionisierender
Strahlen außerhalb des abgeschlossenen Gebäudes der Anlagen nicht erforder-
lich machen.

Die nachhaltige Zurückführung der energiebedingten Emissionen in die Erd-
atmosphäre kann nur dann erreicht werden, wenn global durch emissionsarme
oder -freie Energieträger Potenziale zur Energieeffizienzsteigerung und zur
Energieeinsparung verfügbar und wettbewerbsfähig gemacht werden.

Die Forschungseinrichtungen, z. B. in Jülich (KfA), Karlsruhe (FZK), Garching
und Greifswald (IPP), bieten die Möglichkeit, bei marktfernen Konzepten von
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der Grundlagenforschung bis hin zur Technologieentwicklung interdisziplinär
und international neue Wege zu gehen.

Die deutsche Forschung muss neben nationalen Aktivitäten immer stärker in
die europäische und internationale Energieforschung integriert werden.

Für den Zeitraum 1999 bis 2002 ist das 5. Rahmenprogramm der Europäischen
Union im Bereich der Forschung, der technologischen Entwicklung und De-
monstration im Dezember 1998 mit einer Finanzausstattung von rund 15 Mrd.
Euro im Forschungsministerrat verabschiedet worden.

Im Vermittlungsverfahren zwischen Rat und Europäischen Parlament wurde
am 18. November 1998 eine Einigung auf 14,96 Mrd. Euro erzielt, von denen
13,7 Mrd. Euro auf nicht nukleare Programme, 1,26 Mrd. Euro auf die EURA-
TOM-Programme und 739 Mio. Euro für die gemeinsame Forschungsstelle
entfallen. Für die kontrollierte Kernfusion sollen 80,6 % der geplanten Mittel
des EURATOM-Programms aufgewandt werden.

Im Rahmen eines spezifischen Programms der europäischen Atomgemein-
schaft (EURATOM) für Maßnahmen im Bereich der Forschung und Ausbil-
dung für die Jahre 1998 bis 2002 ist die Leitaktion „Kontrollierte Kernfusion“
eingebunden. In dieser Leitaktion geht man davon aus, dass künftig alle Ener-
giequellen genutzt werden müssen, um bis zum Jahre 2025 die weltweit
gestiegene Energienachfrage decken zu können. Mit der Förderung der Fu-
sionsforschung im internationalen Maßstab wird das Ziel verfolgt, einen Reak-
torprototyp zu bauen.

Für den Erfolg der Fusionsforschung ist von Bedeutung, ob eine weltweite Zu-
sammenarbeit für den Bau des ersten Versuchsreaktors, ITER, zwischen der
Europäischen Union, Japan, Russland und ggf. Kanada vereinbart werden
kann. Diese Entscheidung soll im Jahr 2001 getroffen werden.

Derzeit werden durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung nati-
onale Forschungen auf dem Gebiet der Plasmaphysik gefördert. Dabei wird der
Weg beschritten, die zwei wesentlichen Konfigurationsarten von Fusionsfor-
schungsreaktoren, dem TOKAMAK und dem STELLARATOR, zu optimieren.
Förderungsempfänger sind das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik und die
Forschungszentren Jülich sowie Karlsruhe als Mitglieder der Hermann von
Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren (HGF).

Gefördert wird ausschließlich die Grundlagenforschung in Höhe von 100 % der
entstehenden Kosten (gemäß Assoziationsvertrag mit EURATOM, institutio-
nelle Förderung nach Artikel 91b Grundgesetz).

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