BT-Drucksache 14/3785

Bevölkerung wirksam vor "Kampfhunden" schützen

Vom 5. Juli 2000


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

3785

14. Wahlperiode

05. 07. 2000

Antrag

der Abgeordneten Dr. Guido Westerwelle, Ulrich Heinrich, Dr. Edzard Schmidt-
Jortzig, Hildebrecht Braun (Augsburg), Ernst Burgbacher, Jörg van Essen, Rainer
Funke, Dr. Karlheinz Guttmacher, Ulrich Irmer, Günther Friedrich Nolting, Hans-
Joachim Otto (Frankfurt am Main), Detlef Parr, Gerhard Schüßler, Dr. Max Stadler,
Rainer Brüderle, Ulrike Flach, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich (Bayreuth), Hans-
Michael Goldmann, Joachim Günther (Plauen), Klaus Haupt, Dr. Helmut
Haussmann, Walter Hirche, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Dr. Heinrich L.
Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Ina Lenke, Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger, Cornelia Pieper, Dr. Irmgard Schwaetzer, Marita Sehn,
Dr. Hermann Otto Solms, Carl-Ludwig Thiele, Jürgen Türk, Dr. Wolfgang Gerhardt
und der Fraktion der F.D.P.

Bevölkerung wirksam vor „Kampfhunden“ schützen

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das Thema „Kampfhunde“ beschäftigt die öffentliche Diskussion schon seit
langem. Immer wieder werden Menschen von aggressiven Hunden angefallen,
verletzt oder sogar getötet. Der tragische Todesfall eines 6-jährigen Jungen in
Hamburg am 26. Juni 2000 ist der jüngste traurige Höhepunkt einer langen
Kette von schlimmen Zwischenfällen. Die Politik hat darauf bisher nicht aus-
reichend reagiert. Zwar haben einige Bundesländer Maßnahmen ergriffen, die
das Problem zum Teil entschärft haben. Andere Länder dagegen waren eher zö-
gerlich. Die Innenministerkonferenz hat den Ländern bei ihrer Tagung am
5. Mai 2000 eine Reihe konkreter Maßnahmen zum besseren Schutz der Bevöl-
kerung vor gefährlichen Hunden empfohlen. Dazu gehören Zucht- und Han-
delsverbote, Kastrations- und Sterilisierungsgebote, Mitteilungspflichten von
Haltern und Züchtern gegenüber der Ordnungsbehörde sowie Sachkunde- und
Zuverlässigkeitsnachweise für Hundehalter.

Der Deutsche Bundestag nimmt die Besorgnis der Menschen vor den Gefahren,
die von Kampfhunden ausgehen, sehr ernst. Der vielfach entstandene Eindruck,
die Verantwortung werde zwischen den verschiedenen staatlichen Ebenen hin-
und hergeschoben, ist fatal und birgt die Gefahr einer Bürgerverdrossenheit, die
sich gegen die Politik insgesamt richtet.

Der Deutsche Bundestag begrüßt deshalb, dass sich die Länder angesichts der
jüngsten Vorfälle zu ihrer Verantwortung bekannt haben und fordert sie auf, die
von den Innenministern beschlossenen Maßnahmen unverzüglich umzusetzen
und damit im Rahmen der verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsordnung ihrer
Aufgabe der Gefahrenabwehr gerecht zu werden. Ebenso appelliert der Deut-
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sche Bundestag an die Kommunen, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um
vor Ort die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen und durchzusetzen; gerade
im Vollzug und in der Sanktionierung der bereits bestehenden Maßnahmen ist
es in der Vergangenheit zu nicht hinnehmbaren Defiziten gekommen. Die dazu
erforderliche personelle und sachliche Ausstattung ist zu gewährleisten.

Der Deutsche Bundestag ist weiterhin der Auffassung, daß darüber hinaus zum
wirksamen Schutz der Bevölkerung alle bundesrechtlichen Zuständigkeiten
ausgeschöpft werden müssen. Dazu gehört insbesondere ein Zucht- und Im-
portverbot von Kampfhunden.

Der Deutsche Bundestag fordert daher die Bundesregierung auf, unverzüglich
die folgenden Maßnahmen zu ergreifen:

1. Bei der anstehenden Novellierung des Waffengesetzes ist der Waffenbegriff
auf Kampfhunde zu erweitern, damit die waffenrechtlichen Verbote und
sonstigen Schutzvorschriften auch auf Kampfhunde und ihre Halter ange-
wandt werden können.

2. Das im Tierschutzgesetz enthaltene Verbot der Qual- und Aggressionszucht
ist in einer Rechtsverordnung zu konkretisieren; dabei sind insbesondere be-
stimmte Zuchtformen der Aggressionszucht von Hunden zu verbieten.

3. Um die Züchtung neuer Kampfhunderassen zu verhindern, sind Hunde mit
genetisch artfremden Eigenschaften nach Maßgabe einer Rechtsverordnung
von der Zucht auszuschließen.

4. Es ist von der Ermächtigung im Tierschutzgesetz Gebrauch zu machen und
durch Rechtsverordnung sind der Export und Import qual- und aggressions-
gezüchteter Wirbeltiere zu untersagen.

5. Die Bundesregierung muss sich auf europäischer Ebene nachdrücklich für
ein Export- und Importverbot sowie Handelsverbot von qualgezüchteten
Wirbeltieren einsetzen.

6. Es ist ein Straftatbestand zu schaffen, der Verstöße gegen das Zucht- und
Importverbot wirksam sanktioniert.

7. Der Bußgeldrahmen des als Ordnungswidrigkeit geahndeten Tatbestandes
des „Haltens gefährlicher Tiere“ ist auf 50 000 DM zu erhöhen.

8. Es ist analog der Kfz-Haftpflicht eine gesetzliche Pflicht-Haftpflichtversi-
cherung für die Halter gefährlicher Hunde einzuführen. Die vertragliche
Versicherungsleistung für Personenschäden darf dabei nicht unter 1 Mio.
DM liegen.

Berlin, den 4. Juli 2000

Dr. Guido Westerwelle
Ulrich Heinrich
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Hildebrecht Braun (Augsburg)
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Rainer Funke
Dr. Karlheinz Guttmacher
Ulrich Irmer
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto (Frankfurt am Main)
Detlef Parr
Gerhard Schüßler
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 –

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Dr. Max Stadler
Rainer Brüderle
Ulrike Flach
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich (Bayreuth)
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)
Klaus Haupt
Dr. Helmut Haussmann
Walter Hirche
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Cornelia Pieper
Dr. Irmgard Schwaetzer
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Carl-Ludwig Thiele
Jürgen Türk
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

Begründung

Zu 1.

Auch wenn es unter tierschutzrechtlichen Gesichtspunkten Gründe für ein Ein-
schreiten gegen Kampfhunde gibt, so liegt der Schwerpunkt der Zielrichtung
doch im Schutz der Menschen. Weil die Halter die gefährlichen Tiere häufig
wie eine Waffe einsetzen, ist das Waffenrecht der geeignete Bereich, um bun-
desrechtlich wirksame Maßnahmen zu ergreifen. Da die Bundesregierung
ohnehin eine Novellierung des Waffengesetzes beabsichtigt, sollten in diesem
Zusammenhang der Waffenbegriff auf Kampfhunde ausgedehnt und das wirk-
same Instrumentarium des Gesetzes zur Anwendung gebracht werden. Analog
den Vorschriften über die Sicherung von Waffen, insbesondere Schusswaffen,
wäre hier ein Ansatzpunkt für einen bundesweit geltenden Anlein- und Maul-
korbzwang für Kampfhunde. Da es noch längere Zeit dauern kann, bis ein
Zuchtverbot die erwünschte Wirkung erzielt, kann zumindest für eine Über-
gangszeit auf derartige Maßnahmen nicht verzichtet werden. Darüber hinaus
kann sich das Waffengesetz auf Hunderassen beziehen, die von dem Zuchtver-
bot nicht erfasst werden, die aber ebenfalls gefährlich sind.

Zu 2.

Die Zucht von Hunden ist oftmals mit erheblichen Qualen für die Tiere verbun-
den, die zu gravierenden gesundheitlichen Schädigungen der Hunde führen. Die
resultierenden genetischen Schäden mit krankmachenden Folgen reichen von
Allergien über Knochenschädigungen bis zu einem übersteigerten Aggressions-
verhalten. Das bewusste oder unbewusste Züchten auf solche Merkmale, das zu
Leiden bei den Tieren führt und dem Tierschutz entgegen steht, muss verboten
werden. Darüber hinaus ist aus Sicht des Tierschutzes zu berücksichtigen, dass
Kampfhunde gezielt für brutalste Hundekämpfe missbraucht werden, die erst
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dann enden, wenn ein Tier getötet ist. Das Tierschutzgesetz (TierSchG) vom
25. Mai 1998 untersagt in § 11b Qualzuchten bei Wirbeltieren. Wie die bisheri-
gen Erfahrungen in der Praxis aber gezeigt haben, bieten die geltenden Rechts-
vorschriften ohne den Erlass einer entsprechenden Rechtsverordnung den zu-
ständigen Behörden noch keine ausreichenden Möglichkeiten, um gegen
Verstöße gegen § 11b TierSchG wirkungsvoll vorzugehen. Weil in jedem Einzel-
fall nachzuweisen ist, dass ein Verstoß gegen § 11b Abs. 1 oder 2 TierSchG vor-
liegt, bleibt der gewünschte Erfolg oftmals aus. Deshalb muss unverzüglich das
bereits bestehende Zucht- und Vermehrungsverbot für Kampfhunde sowie Kreu-
zungen mit diesen Kampfhunden nach dem Tierschutzgesetz durch eine Rechts-
verordnung wirksamer ausgestaltet und konkretisiert werden.

Zu 3.

Es ist darauf zu achten, dass Aggressionszucht ausdrücklich bei sämtlichen Hun-
derassen verboten sein muss und nicht auf einige Rassen beschränkt werden darf.
Das ist notwendig, damit die Züchtung neuer Kampfhunderassen verhindert
wird. Weiterhin ist ein Wesenstest für die Hundezucht einzuführen. Tiere, die den
Wesenstest nicht bestehen, werden von der Zucht ausgeschlossen.

Zu 4. und 5.

Der Import von qualgezüchteten Kampfhunden aus osteuropäischen Ländern
stellt den Tierschutz vor große Probleme. Daher ist es dringend notwendig, die
bestehende Gesetzeslücke für den Import von Qualzuchten aus europäischen
und außereuropäischen Ländern schnellstens zu schließen. Um das Umgehen
des nationalen Zuchtverbotes auszuschließen, müssen zügig die Lücken im na-
tionalen und europäischen Recht geschlossen werden, die bislang einen legalen
Handel qualgezüchteter Tiere erlauben.

Zu 6.

Der Verstoß gegen das Verbot der Qual- und Aggressionszucht ist bisher ledig-
lich als Ordnungswidrigkeit sanktioniert (§ 18 Abs. 1 Nr. 22 TierSchG). Dies
reicht nicht aus. Daher ist ein neuer Straftatbestand in § 17 TierSchG zu schaf-
fen, der sowohl den Verstoß gegen das Qual- und Aggressionszuchtverbot als
auch gegen das neu zu schaffende Importverbot mit Freiheitsstrafe bis zu drei
Jahren oder mit Geldstrafe belegt.

Zu 7.

Nach § 121 Abs. 1 OWiG handelt ordnungswidrig, wer ein „bösartiges Tier
sich frei umherbewegen lässt oder als Verantwortlicher für die Beaufsichtigung
eines solchen Tieres es unterlässt, die nötigen Vorsichtsmaßnahmen zu treffen,
um Schäden duch das Tier zu verhüten“. Die Höhe der zu verhängenden Geld-
buße kann maximal 2 000 DM betragen (§ 17 Abs. 1 OWiG). Dies reicht nicht
aus. Deshalb ist der Bußgeldrahmen auf 50 000 DM zu erhöhen. Diese Höhe
entspricht dem Maximalbetrag, der bisher bei einem Verstoß gegen das Qual-
und Aggressionszuchtverbot nach dem Tierschutzgesetz gesetzlich festgelegt
ist (§ 18 Abs. 3 TierSchG).

Zu 8.

Eine Versicherungspflicht für Kampfhundehalter kann zwar keine Schäden ver-
hindern, sie kann aber dazu beitragen, dass die Geschädigten wenigstens einen
angemessenen finanziellen Ersatz ihrer Schäden erhalten, wenn bei dem Schä-
diger nichts oder wenig zu holen ist.

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