BT-Drucksache 14/3766

Unterstützung des Friedensprozesses in Kolumbien

Vom 4. Juli 2000


Deutscher Bundestag

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14. Wahlperiode

04. 07. 2000

Antrag

der Abgeordneten Lothar Mark, Ernst Bahr, Anke Hartnagel, Karin Kortmann,
Wilhelm Schmidt (Salzgitter), Gert Weisskirchen (Wiesloch), Dr. Peter Struck
und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Monika Knoche, Angelika Köster-Loßack,
Hans-Christian Ströbele, Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
sowie Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der F.D.P.

Unterstützung des Friedensprozesses in Kolumbien

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kolumbien bestehen vielfäl-
tige politische, kulturelle, wirtschaftliche und menschliche Verbindungen. In
der Bundesrepublik Deutschland besteht großes Interesse an einer friedlichen
und demokratischen Entwicklung in Kolumbien sowie in Lateinamerika ins-
gesamt, vor allem auch im Andenraum.

2. Kolumbien ist ein Staat, der seit Jahrzehnten von gewaltsamen inneren Konf-
likten geprägt ist. Soziale Probleme werden mittels Gewalt ausgetragen. Para-
militärische Gruppen, Guerilla und undkriminelle Drogenhändler verletzen
Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht. Auch staatlichen Sicher-
heitsorganen werden Menschenrechtsverletzungen zugeschrieben. Nach An-
gaben von Human Rights Watch hat auch das kolumbianische Militär in der
Vergangenheit schwere Menschenrechtsverletzungen begangen und wenige
Anstrengungen unternommen, Ermittlungen aufzunehmen oder Verantwort-
liche zu bestrafen.

Über 1,5 Millionen Menschen sind innerhalb des Landes vor der Gewalt ge-
flohen und werden auch weiterhin vertrieben.

3. Der kolumbianische Staatspräsident Andres Pastrana hat mit seiner Amtsüber-
nahme 1998 einen Friedensprozess in Gang gesetzt, der eine Verhandlungslö-
sung des bewaffneten Konfliktes zum Ziel hat. verschiedene Guerillagruppen
einbezieht. Wir begrüßen diesen Prozess ausdrücklich und fordern alle Seiten
auf, sofort die Anwendung von Gewalt einzustellen und die Menschenrechte
im gesamten kolumbianischen Staatsgebiet einschließlich der „Entspan-
nungszonen“ in vollem Umfang zu achten.

4. Insbesondere werden alle Gruppen aufgefordert, in ihrer Hand befindliche
Geiseln unverzüglich freizulassen. Geiselnahmen sind schwerste Menschen-
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rechtsverletzungen und Verletzungen des humanitären Völkerrechtes, die
durch nichts zu rechtfertigen sind.

5. Das Klima der Gewalt in Kolumbien ist einerseits eng mit dem Anbau von
und dem Handel mit illegalen Drogen verbunden. Die Gewalt wird aber vor
allem genährt von sozialen und ökonomischen Bedingungen, die der Bevöl-
kerungsmehrheit keine Perspektive für ein menschenwürdiges Leben lassen
und deren Absicherung der Staat nicht in umfassendem Maße Sorge trägt.

6. Die Bekämpfung des Drogenhandels wird auf Repression gegen Organi-
sierte Kriminalität nicht verzichten können. Dies ist eine polizeiliche, keine
militärische Aufgabe. Gut ausgebildete und ausgerüstete Sicherheitskräfte
sind notwendig, um das Gewaltmonopol des Staates in Kolumbien zu si-
chern. Dies darf aber nur mit den demokratisch legitimierten Möglichkeiten
von Recht und Gesetz geschehen. Eine gute polizeiliche Ausbildung muss
rechtsstaatlichen Grundsätzen folgen und vor allem Menschenrechtsaspekte
einbeziehen.

7. Entscheidend für einen Erfolg des Friedensprozesses, der Herstellung von
sozialer Gerechtigkeit, der Wahrung der Menschenrechte und der Bekämp-
fung des Drogenhandels in Kolumbien wird aber das Angebot alternativer
Einkommensquellen für die Regionen sein, wo viele Kleinbauern ihre tradi-
tionellen Produkte nicht mehr rentabel anbauen können, während der Dro-
genanbau trotz geringer Erzeugerpreise weitaus lohnender ist.

8. Es ist zu begrüßen, dass die kolumbianische Regierung mit dem „Plan Co-
lombia“ eine umfassende Lösung der politischen, wirtschaftlichen und sozi-
alen Probleme Kolumbiens anstrebt. Die Europäische Union ist um dessen
finanzielle Unterstützung gebeten worden. Inhaltlich gibt der „Plan Colom-
bia“ der Repression der Drogenkriminalität ein zu hohes Gewicht, während
der alternativen Entwicklung und der Beseitigung der sozialen und wirt-
schaftlichen Ursachen der Konflikte ein zu geringes Gewicht beigemessen
wird.

9. Der Deutsche Bundestag hat vor allem schwere Bedenken gegen eine Poli-
tik der Drogenbekämpfung durch das Besprühen großer Flächen mit Che-
mikalien, die die Umwelt und die menschliche Gesundheit gefährden und
zu weiteren Vertreibungen und Flüchtlingen in Kolumbien beitragen wer-
den. Andere Länder haben bewiesen, dass eine effiziente Bekämpfung des
Drogenanbaus auch ohne solche Maßnahmen möglich ist. Ebenso spricht
sich der Deutsche Bundestag gegen den Einsatz von neuen biologischen Be-
kämpfungsmethoden aus, da nicht auszuschliessen ist, dass dieser negative
Auswirkungen auf das fragile Ökosystem des Amazonas-Regenwaldes ha-
ben wird und die Beschlüsse der UN-Konferenz von Rio 1992 konterkariert.

10. Die instabile Lage gefährdet auch Nachbarländer Kolumbiens, insbesondere
Ecuador. Deshalb sollte jegliche europäische Hilfe für Kolumbien auch die
Auswirkungen auf die Nachbarländer bedenken und diese in die Erarbeitung
von Lösungsmöglichkeiten und ihre Umsetzung einbeziehen.

11. Der Deutsche Bundestag würde es daher begrüßen, wenn die Europäische
Union ihre nicht unerhebliche Kooperation mit Kolumbien bündelt und aus-
baut. Dabei muss zwischen Maßnahmen zur Unterstützung des Friedenspro-
zesses und der Bekämpfung des Drogenhandels in Kolumbien differenziert
werden. Bei der Suche nach einer Lösung der Drogenproblematik sollten die
eigenen europäischen Konzepte auf der Grundlage der nachhaltigen – sozia-
len, ökonomischen und ökologischen – Entwicklung, der Konfliktpräven-
tion und des alternativen Anbaus Vorrang haben. Bei der Unterstützung des
gegenwärtigen Verhandlungsprozesses zwischen der kolumbianischen Re-
gierung und den Guerillagruppen müssen die Menschenrechte, die Rechte
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der Opfer sowie Maßnahmen der Konfliktprävention eine zentrale Rolle spie-
len. Wirtschaftliche Unterstützung muss notwendigerweise Fortschritte bei
der Implementierung der Empfehlungen der Menschenrechtsorgane der Ver-
einten Nationen von Seiten der kolumbianischen Regierung voraussetzen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. sich der kritischen Lage in Kolumbien zu stellen und zu regional orientierten
Konzepten zur Konfliktprävention und Konfliktbewältigung beizutragen. Da-
bei sollte die deutsche Politik gegenüber Kolumbien eng in die gemeinsame
Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union eingebettet sein. Nur
so kann die Kolumbienpolitik das Gewicht entfalten, das notwendig ist, um
auf Frieden und soziale Sicherheit hinzuwirken. Gemäß der politischen Leit-
linien der deutschen Bundesregierung und der EU kommt der Menschen-
rechtsfrage dabei eine zentrale Rolle zu.

2. die Friedensbemühungen von Staatspräsident Andres Pastrana im zivilen Be-
reich ausdrücklich zu unterstützen, indem flankierende Hilfe zur Verbesse-
rung der sozialen und wirtschaftlichen Lage der Bevölkerung angeboten wird.
Die EU sollte möglichst umgehend einen realistischen Finanzrahmen für die
Unterstützung des Friedensprozesses für Kolumbien und die Andenregion
festlegen, um die Mittel frühzeitig zur Verfügung stellen zu können. Gleich-
zeitig ist bei Gesprächen mit der kolumbianischen Regierung darauf hinzu-
wirken, dass diese die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der
Armutsbekämpfung und der sozialen Absicherung in den Mittelpunkt ihres
Regierungshandelns (good governance) rückt.

3. darauf zu achten, dass der deutsche und EU-Beitrag im Sinne einer friedlichen
Konfliktlösung erfolgt und nicht zur Kompensation der Auswirkungen der
militärischen Repression im Rahmen des „Plan Colombia“ eingesetzt wird.
Eine Beteiligung der Gemeinden und Zielgruppen bei der Planung und
Durchführung der Unterstützungsprogramme ist zu gewährleisten. Die zu
fördernden Maßnahmen sollen eine integrale und zukunftsfähige menschen-
würdige und ökologisch nachhaltige Entwicklung der Regionen anstreben.
Über ein unabhängiges Monitoring ist die Transparenz der Maßnahmen und
der effiziente Mitteleinsatz zu gewährleisten.

4. im Rahmen der EU gemeinsam mit der kolumbianischen Regierung eigene
Vorstellungen zur flankierenden Unterstützung eines dauerhaften Friedens für
Kolumbien zu entwickeln. Dabei wird es auch darauf ankommen, dass in
Kolumbien die internen Ressourcen mobilisiert werden. Eine breitere Steuer-
basis durch eine gerechte und effiziente Steuerreform ist ebenso notwendig
wie eine Landreform.

5. darauf zu bestehen, dass der kolumbianische Staat seine Verantwortung für
den Schutz der Menschenrechte stärker wahrnimmt, vor allem auch die der
indigenen Bevölkerung und vor allem präventive Maßnahmen ergreift, um
Massaker und Vertreibungen zu verhindern sowie für einen besseren Schutz
der Menschenrechtsverteidiger sorgt. Auch muss die kolumbianische Regie-
rung Vorwürfe der Zusammenarbeit zwischen Armee und Paramilitärs auf-
klären und Menschenrechtsverletzer bestrafen. VN-Empfehlungen zur Auf-
lösung der paramilitärischen Gruppen müssen unmittelbar und effektiv
umgesetzt werden.

6. die deutsche Entwicklungszusammenarbeit unter dem Gesichtspunkt zu über-
prüfen, ob sie möglichst schnell einen noch stärkeren Beitrag zur sozialen und
wirtschaftlichen Flankierung des Friedensprozesses leisten kann. Dabei sollte
sie eng mit einem gemeinsamen europäischen Konzept für Kolumbien und
die Andenländer verzahnt werden.
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7. die Bemühungen des Beauftragten der Vereinten Nationen für Kolumbien,
Jan Egeland, ausdrücklich zu unterstützen. Das gleiche gilt für das Men-
schenrechtsbüro der VN in Bogotá und für die Bemühungen des VN-Hoch-
kommissariats für Flüchtlingsfragen. Mittel für Konfliktprävention sollten
verstärkt zur Unterstützung der zivilgesellschaftlichen Gruppen in Kolum-
bien eingesetzt werden, die eindeutig den Frieden und das Ende der Gewalt
durchsetzen wollen. Auf eine integrierte Umsetzung von Friedens- und
Menschenrechtspolitik ist zu achten.

8. im Rahmen der EU den von den Staats- und Regierungschefs der EU, Latein-
amerikas und der Karibik auf dem Gipfel in Rio de Janeiro im Jahre 1999
bestätigten Drogenaktionsplan schneller und mit zusätzlichen Mitteln um-
zusetzen. Dabei ist vom Prinzip der gemeinsamen Verantwortung der Produ-
zenten- und der Konsumentenländer auszugehen. Die Mittel müssen über-
wiegend für alternative Einkommensquellen der Bevölkerung eingesetzt
werden – vor allem auch präventiv in den Gebieten, wo der Übergang zum
Drogenanbau droht.

9. eine Politik, die auf gewaltsame Repression ohne nachhaltige soziale Ent-
wicklung setzt und militärische Optionen an die Stelle von Projekten alter-
nativen Anbaus den Vorrang gibt, nicht zu unterstützen.

10. darauf hinzuwirken, dass die Reduzierung der Drogenanbauflächen mit Me-
thoden erfolgt, die Umwelt ebenso wie Leben und Gesundheit der dort le-
benden Bevölkerung nicht gefährden. Das Besprühen großer Flächen mit
giftigen Stoffen ist abzulehnen. Hilfen aus Deutschland und der EU dürfen
solche Besprühungsaktionen nicht fördern, zumal die Erfahrung die geringe
Effizienz solcher Aktionen gezeigt hat. Ebenso ist der Einsatz von Bioziden
abzulehnen, da negative Auswirkungen auf das Ökosystem nicht auszu-
schließen sind.

11. den Dialog der EU mit der Andengemeinschaft zu nutzen, um eine gemein-
same Konzeption zur Überwindung der Krise im Andenraum zu entwickeln.
Die Auswirkungen der Krise in Kolumbien auf seine Nachbarländer sollten
von Anfang an in die Überlegungen einbezogen werden.

Berlin, den 4. Juli 2000

Dr. Peter Struck und Fraktion
Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und Fraktion
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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