BT-Drucksache 14/3749

Kurdische Namensgebung in der Bundesrepublik Deutschland ermöglichen

Vom 4. Juli 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/3749
14. Wahlperiode 04. 07. 2000

Antrag
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Eva-Maria Bulling-Schröter, Roland Claus,
Carsten Hübner, Christina Schenk, Heidi Lippmann, Heidemarie Lüth, Petra Pau
und der Fraktion der PDS

Kurdische Namensgebung in der Bundesrepublik Deutschland ermöglichen

Der Bundestag wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, Vorschriften zu erlassen, nach denen
bundesdeutsche Standesämter angewiesen werden, kurdischen Eltern zu er-
möglichen, ihren Kindern kurdische Namen zu geben.

Berlin, den 6. Juni 2000

Ulla Jelpke
Eva-Maria Bulling-Schröter
Roland Claus
Carsten Hübner
Christina Schenck
Heidi Lippmann
Heimemarie Lüth
Petra Pau
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Nach dem türkischen Gesetz haben kurdische Eltern nicht die Möglichkeit, ih-
ren Kindern kurdische Namen zu geben. Artikel 16 des Personenstandsgesetzes
Nr. 1587 schreibt vor, dass Namen, die der nationalen Kultur, den moralischen
Werten und Gepflogenheiten nicht entsprechen, worunter kurdische verstanden
werden, nicht vergeben werden dürfen. Wenn Eltern sich dennoch für einen
kurdischen Namen entscheiden, müssen sie mit Strafverfolgung rechnen.

Aufgrund dieser Praxis in der Türkei ist es auch in der Bundesrepublik
Deutschland die Regel, dass kurdische Namensgebung verweigert wird. Be-
gründung dafür ist, dass deutsche Standesbeamte bei der Namensgebung die
türkische Rechtsprechung zur Grundlage nehmen müssen und damit die von
kurdischen Eltern gewählten Namen nicht anerkennen können. Kurdische El-
tern werden aufgefordert, einen Namen aus der türkischen Namensliste auszu-
wählen.

Drucksache 14/3749 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
Darüber hinaus werden auch Erkundigungen über die Zulässigkeit des Namens
bei türkischen Vertretungen in der Bundesrepublik Deutschland eingeholt. In
Fällen, in denen die Namen nicht türkisch sind, werden diese mit der Begrün-
dung „Verstoß gegen türkische Sitten und Gebräuche“ abgelehnt.

Das türkische Rechtssystem, das Kurden und Kurdinnen jegliche politische, so-
ziale und kulturelle Betätigung verbietet und deshalb mit grundlegenden Men-
schenrechten unvereinbar ist, darf aber nicht zur Grundlage bei der Namensge-
bung für kurdische Kinder in der Bundesrepublik Deutschland werden.

Die Prozedur bei der standesamtlichen Registrierung der Namen für ihre Kin-
der erinnert hier lebende kurdische Eltern nicht selten an den Rassismus, mit
dem sie in der Türkei konfrontiert waren. Für kurdische Eltern ist es unver-
ständlich, weshalb ein Rechtsstaat wie die Bundesrepublik Deutschland dem
restriktiven türkischen Recht folgt.

Zwar gibt es Einzelfälle, in denen kurdische Eltern amtsgerichtlich ihren Na-
menswunsch durchgesetzt haben. Doch dieser Weg ist für viele Familien unzu-
mutbar. Darüber hinaus sind sich viele Familien dieser rechtlichen Möglichkeit
nicht bewusst. So werden sie gezwungen, einen türkischen Namen für ihr Kind
hinzunehmen, der ihnen widerstrebt.

Eltern haben in der Bundesrepublik Deutschland nach der herrschenden Recht-
sprechung grundsätzlich die Wahl, welchen Vornamen sie ihrem Kind geben
wollen. Nach Artikel 6 des Grundgesetzes obliegt Eltern die Existenzsorge für
das Kind. Eingriffe des Staates müssen das Kindeswohl berücksichtigen.

Die derzeitige Praxis der deutschen Standesämter bei der Namensgebung für
kurdische Kinder steht im Widerspruch zum Recht der Eltern. Sie berücksich-
tigt zudem in keiner Weise das Kindeswohl.

Bewusst oder unbewusst setzen deutsche Standesbeamte dadurch die Türkisie-
rungspolitik gegen Kurdinnen und Kurden in der Türkei in der Bundesrepublik
Deutschland fort. Dieser Zustand wirft neben den oben genannten Aspekten er-
hebliche Probleme bei der Entfaltung der kurdischen Kinder auf, die bereits
kurz nach ihrer Geburt einer kulturellen und politischen Diskriminierung aus-
gesetzt werden.

Die prokurdische Tageszeitung „Özgür Politika“ berichtete am 6. März 2000
über ein Urteil des obersten türkischen Berufungsgerichtes, nach dem einer
kurdischen Familie in Siirt erstmals das individuelle Grundrecht, ihrer Tochter
einen kurdischen Namen zu geben, zugestanden wurde. Dieses Urteil muss von
der Bundesregierung als ein Zeichen für eine Änderung der Kurdenpolitik in
der Türkei aufgegriffen und zu eigener Rechtsgewährung an kurdische Eltern
genutzt werden.

Kurden und Kurdinnen dürfen in der Bundesrepublik Deutschland bei der Na-
mensvergabe für ihre Kinder nicht länger aufgrund ihrer ethnischen Zugehörig-
keit diskriminiert werden.

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