BT-Drucksache 14/3694

Innerstaatliche Umsetzung von Menschenrechtsstandards

Vom 27. Juni 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/3694
14. Wahlperiode 27. 06. 2000

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Hermann Gröhe, Monika Brudlewsky, Dr. Heiner Geißler,
Dr. Christian Schwarz-Schilling, Aribert Wolf, Dr. Norbert Blüm, Rainer Eppelmann,
Hubert Hüppe, Dr. Erika Schuchardt, Dr. Hans-Peter Uhl, Angelika Volquartz,
Heinz Schemken und der Fraktion der CDU/CSU

Innerstaatliche Umsetzung von Menschenrechtsstandards

Die Bundesrepublik Deutschland hat viele internationale Menschenrechtsab-
kommen gezeichnet und ratifiziert. Dennoch bestehen hinsichtlich des Rangs
dieser völkerrechtlichen Regeln, der Umsetzbarkeit und der Reaktion auf Aus-
führungen von Menschenrechtsschutzinstanzen etliche Unklarheiten, wenn
nicht gar Widersprüche.

Obgleich das Völkerrecht nicht vorschreibt, welchen Rang seine Regeln im in-
nerstaatlichen Recht haben und theoretisch daher die Einordnung völkerrechtli-
cher Verträge als mit Bundesgesetzen ranggleichen Normen unbedenklich ist,
können in der Praxis Probleme entstehen, wenn spätere Bundesgesetze wider-
sprechende Bestimmungen enthalten. In manchen Ländern wird diesen Verträ-
gen daher Übergesetzesrang eingeräumt, wie beispielsweise der Europäischen
Menschenrechtskonvention (EMRK) in Österreich. In Belgien, Frankreich, Zy-
pern, Griechenland, den Niederlanden, Portugal, Spanien und der Türkei hat die
EMRK Übergesetzesrang, bleibt dem Verfassungsrecht jedoch untergeordnet.
In Österreich, Italien und der Schweiz kommt der EMRK Verfassungsrang zu.

Zu zahlreichen Bestimmungen in menschenrechtlichen Verträgen hat die Bun-
desrepublik Deutschland Vorbehalte erklärt. Dabei ist es allerdings auch zu Wi-
dersprüchlichkeiten gekommen. Beispielsweise wurde gegen Artikel 7 Abs. 2
der EMRK ein Vorbehalt erklärt, aber gegen Artikel 15 Abs. 2 des Internationa-
len Pakts über bürgerliche und politische Rechte nicht, obwohl es sich inhalt-
lich um die gleiche Bestimmung handelt, in diesem Fall um die Verurteilung
oder Bestrafung für eine Handlung oder Unterlassung, die zur Zeit ihrer Bege-
hung nach den von der Völkergemeinschaft anerkannten allgemeinen Rechts-
grundsätzen strafbar war.

Bislang besteht kein Verfahren, wie den rechtlich bindenden Urteilen des Euro-
päischen Gerichtshofs für Menschenrechte nachgekommen werden soll. Zum
einen ist nicht klar, ob innerstaatlich eine vom Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte für konventionswidrig gehaltene nationale Norm weiter ange-
wandt werden darf. Zum anderen wird eine solche Norm keiner automatischen
Überprüfung durch den Gesetzgeber unterzogen. Hinzu kommt, dass es keine
Regelungen für ein Verfahren gibt, wie den Empfehlungen der verschiedenen
Menschenrechtsausschüsse Rechnung zu tragen ist und wie diese umzusetzen
sind. Ein grundsätzliches Problem ist dabei unter anderem jedoch, dass diese

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Entscheidungen oft selbst Juristen nicht bekannt sind, weil die einschlägigen
Materialien nicht in deutscher Sprache zur Verfügung stehen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welchen Rang haben nach Auffassung der Bundesregierung die Menschen-
rechtsverträge?

Sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf, Menschenrechtsabkommen ei-
nen Übergesetzesrang zu verleihen?

2. Welche Vorbehalte hat die Bundesrepublik Deutschland zu welchen Men-
schenrechtsabkommen erklärt?

3. Bestehen nach Ansicht der Bundesregierung Widersprüchlichkeiten bei Vor-
behalten gegen einzelne Bestimmungen von Menschenrechtsabkommen?

Wie gedenkt die Bundesregierung, die Unstimmigkeiten zu bereinigen und
in Zukunft zu vermeiden?

Findet eine laufende Überprüfung der Vorbehalte zu Menschenrechtsver-
trägen statt?

4. Wie gedenkt die Bundesregierung, mit den Empfehlungen der verschiede-
nen Menschenrechtsausschüsse umzugehen?

Auf welche Weise wird die Bundesregierung diese Empfehlungen umsetzen?

Wie steht die Bundesregierung zu einer automatischen Zuleitung der Kabinett-
stellungnahme an den Deutschen Bundestag?

5. Gibt es Überlegungen in der Bundesregierung, wie die gerade Deutschland
betreffenden Empfehlungen publik gemacht werden könnten?

Wie steht die Bundesregierung zu dem Gedanken, den Tenor der Entschei-
dungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Bundesan-
zeiger zu veröffentlichen, jedenfalls soweit die Bundesrepublik Deutschland
davon betroffen ist?

6. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um die Kenntnis
über die einschlägige internationale Rechtsprechung auf dem Gebiet der
Menschenrechte zu verbessern?

Berlin, den 27. Juni

Hermann Gröhe
Monika Brudlewsky
Dr. Heiner Geißler
Dr. Christian Schwarz-Schilling
Aribert Wolf
Dr. Norbert Blüm
Rainer Eppelmann
Hubert Hüppe
Dr. Erika Schuchardt
Dr. Hans-Peter Uhl
Angelika Volquartz
Heinz Schemken
Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

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