BT-Drucksache 14/3540

zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau und der Fraktion der PDS -14/1183- Anerkennung eines Asylanspruchs für jugoslawische Deserteure und Kriegsdienstverweigerer

Vom 7. Juni 2000


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

3540

14. Wahlperiode

07. 06. 2000

Beschlussempfehlung und Bericht

des Innenausschusses (4. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau und der Fraktion der PDS
– Drucksache 14/1183 –

Anerkennung eines Asylanspruchs für jugoslawische Deserteure und Kriegs-
dienstverweigerer

A. Problem

Mit ihrem Antrag vom 17. Juni 1999 wollte die Fraktion der PDS darauf hin-
weisen, dass serbische Deserteure und Kriegsdienstverweigerer bisher keinen
Anspruch auf Asyl haben.

Sie strebte eine Aufforderung des Deutschen Bundestages an die Bundesregie-
rung an, umgehend die gesetzlichen Grundlagen dafür zu schaffen, dass Deser-
teure und Kriegsdienstverweigerer aus der Bundesrepublik Jugoslawien einen
Anspruch auf Asyl erhalten.

B. Lösung

Der Antrag wird für erledigt erklärt.

Einvernehmen im Ausschuss

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Keine
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– 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 14/1183 für erledigt zu erklären.

Berlin, den 22. Mai 2000

Der Innenausschuss

Ute Vogt (Pforzheim) Rüdiger Veit Dietmar Schlee Marieluise Beck (Bremen)

Vorsitzende Berichterstatter Berichterstatter Berichterstatterin

Dr. Max Stadler Ulla Jelpke

Berichterstatter Berichterstatterin
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 –

Drucksache

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Bericht der Abgeordneten Rüdiger Veit, Dietmar Schlee, Marieluise Beck
(Bremen), Dr. Max Stadler und Ulla Jelpke

Zum Verfahren

1. Der Antrag der Fraktion der PDS wurde in der 67. Sit-
zung des Deutschen Bundestages am 5. November
1999 an den Innenausschuss federführend sowie an den
Auswärtigen Ausschuss und den Ausschuss für Men-
schenrechte und humanitäre Hilfe zur Mitberatung
überwiesen.

2 a. Der

Auswärtige Ausschuss

hat in seiner Sitzung am
15. Dezember 1999 den Antrag mit den Stimmen der
Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN und F.D.P. gegen die Stimmen der Fraktion
der PDS abgelehnt.

Ungeachtet dieses Beschlusses hat der Auswärtige
Ausschuss dem federführenden Innenausschuss emp-
fohlen, den in dem Mitberatungsvotum des Ausschus-
ses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe enthalte-
nen Anregungen möglichst weitgehend Rechnung zu
tragen.

2 b. Der

Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
Hilfe

hat in seiner Sitzung am 1. Dezember 1999 ein-
stimmig nachstehende Stellungnahme beschlossen:

„Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
Hilfe stellt aus menschenrechtlicher Sicht fest, dass es
im deutschen Recht eine Schutzlücke für Soldaten und
Kriegsdienstverweigerer gibt, die sich einem völker-
rechtswidrigen Einsatz sowie menschenrechtsverlet-
zender Anweisungen durch Desertion und Flucht nach
Deutschland entziehen, und fordert den federführenden
Innenausschuss auf, für die Schließung dieser Lücke zu
sorgen.

Zu diesem Zweck bittet der Ausschuss für Menschen-
rechte und humanitäre Hilfe den federführenden Innen-
ausschuss, den mitbeteiligten Ausschüssen folgende In-
formation zukommen zu lassen:

1. Werden die Prozesse gegenüber Deserteuren im frü-
heren Jugoslawien nach wie vor nach den Regelun-
gen des erklärten Kriegszustandes vorgenommen,
was bedeutet, dass keine Überwachung der Ge-
richtsverfahren möglich ist, da sie unter militärische
Sicherheitsbestimmungen fallen oder als geheim
eingestuft werden?

2. Ist es richtig, dass die Verwaltungsbestimmungen
der jugoslawischen Gesetze zur Befreiung vom Mi-
litärdienst in dem Moment, in dem das Kriegsrecht
erklärt wird, ungültig werden? Dies soll auch rück-
wirkend für alle Befreiungen gelten, die vorher er-
klärt worden sind.

3. Wird bei den bisherigen deutschen Asylverfahren
für Deserteure aus dem früheren Jugoslawien be-
rücksichtigt, dass es sich bei den Militäraktionen der
jugoslawischen Armee um Operationen gehandelt
hat, die von der Internationalen Gemeinschaft

schärfstens verurteilt worden sind, so dass es bei
den vorgebrachten Einwänden ,aus Gewissensgrün-
den‘ keiner spezifischen Beweise für den Gewis-
sensnotstand bedarf?“

3. Der

Innenausschuss

hat den Antrag in seinen Sitzun-
gen am 15. Dezember 1999 anberaten und am 10. Mai
2000 abschließend beraten. Nachdem die antragstel-
lende Fraktion ihren Antrag für erledigt erklärt hat, hat
der Innenausschuss die Erledigung einvernehmlich be-
schlossen.

Zur Begründung

Der Antrag hat seine Erledigung gefunden, nachdem die
Bundesregierung die Sach- und Rechtslage klargestellt hat.
Sie hat ausgeführt, dass die Forderung, durch Änderung der
gesetzlichen Grundlagen für jugoslawische Deserteure und
Kriegsdienstverweigerer einen Asylanspruch anzuerkennen,
ins Leere geht. Bereits nach der geltenden Rechtslage kann
eine zu erwartende Bestrafung wegen Wehrdienstverweige-
rung und Desertion zur Asylanerkennung nach Artikel 16a
Grundgesetz (GG) oder der Gewährung von Abschiebe-
schutz wegen politischer Verfolgung nach § 51 Abs. 1 Aus-
ländergesetz (AuslG) führen.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung stellt eine we-
gen Wehrdienstverweigerung/Desertion zu erwartende Be-
strafung zwar für sich allein keine politische Verfolgung
im Sinne von Artikel 16a GG und § 51 Abs. 1 AuslG dar. In
eine politische Verfolgung schlagen derartige Maßnahmen
aber dann um, wenn sie zielgerecht gegenüber bestimmten
Personen eingesetzt werden, die durch diese Maßnahmen ge-
rade wegen ihrer – tatsächlichen oder vermeintlichen – poli-
tischen Überzeugung oder eines sonstigen asylerheblichen
persönlichen Merkmals getroffen werden sollen (Polit-
malus). Anhaltspunkte für eine solche politische Verfolgung
sind insbesondere das willkürliche Verhängen überharter
Strafen sowie das Ansehen der Verweigerer/Deserteure als
Verräter an der gemeinsamen Sache und ihre allgemeine
Ächtung.

Die Erkenntnislage, wie die Bundesrepublik Jugoslawien
mit Deserteuren und Wehrdienstverweigerern verfahre, ist
lange Zeit unzureichend gewesen. Aus diesem Grund war
das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flücht-
linge angewiesen worden, Asylanträge dieses Personenkrei-
ses – bis auf Drittstaatenverfahren und DÜ-Verfahren –
nicht zu entscheiden.

Inzwischen liegen Erkenntnisse über die Behandlung von
Deserteuren und Wehrdienstverweigerern in der Bundesre-
publik Jugoslawien vor, die das Bundesministerium des In-
nern veranlasst haben, den Entscheidungsstopp am 3. April
2000 aufzuheben. Die Verfahren dieses Personenkreises
werden in der Zentrale des Bundesamtes in Nürnberg kon-
zentriert durchgeführt. Betroffen sind nach dem derzeitigen
Stand vom 25. April 2000 133 Deserteure und 235 Wehr-
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– 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
dienstverweigerer. Diese Anträge wurden seit dem 25. März
1999 statistisch erfasst. Diese Zahl wird sich durch die Ein-
beziehung des Zeitraums ab Herbst 1998 voraussichtlich
noch erhöhen. Darüber liegen statistische Erfahrungen im
Einzelnen nicht vor.

Mit einer positiven Entscheidung können diejenigen Perso-
nen rechnen, die beweisen bzw. glaubhaft vortragen, ab
Herbst 1998 bis zu Beendigung des Kriegszustandes nach
dem 26. Juni 1999 den Wehrdienst verweigert zu haben
bzw. desertiert zu sein. Eine Asylanerkennung nach Arti-
kel 16a GG wird allerdings nur in Ausnahmefällen möglich
sein, da der betroffene Personenkreis im Regelfall über si-
chere Drittstaaten nach Deutschland eingereist ist.

Die Bundesregierung weist aber ausdrücklich darauf hin,
dass Personen, bei denen das Vorliegen der Voraussetzun-
gen des § 51 Abs. 1 AuslG (sog. „Kleines Asyl“) bejaht
worden ist, eine Aufenthaltsbefugnis und einen Reiseaus-
weis gemäß Artikel 28 der Genfer Flüchtlingskonvention
erhalten. Dieser Personenkreis kann damit auf Dauer im
Bundesgebiet bleiben. Eine zu schließende Gesetzeslücke
besteht daher nach Auffassung der Bundesregierung nicht.

Seitens des Innenausschusses wird die Klärung einer unkla-
ren Situation aufgrund einer parlamentarischen Initiative
begrüßt. Die Fraktionen der SPD, F.D.P. und PDS plädieren
im Übrigen dafür, bei einer vergleichbaren Situation wie im
Kosovo auch nach § 51 Abs. 1 AuslG zu verfahren.

Berlin, den 23. Mai 2000

Rüdiger Veit Dietmar Schlee Marieluise Beck (Bremen)

Berichterstatter Berichterstatter Berichterstatterin

Dr. Max Stadler Ulla Jelpke

Berichterstatter Berichterstatterin

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