BT-Drucksache 14/3390

zu dem Entwurf eines Gesetzes -14/2683, 14/3074, 14/3366, 14/3367- Entwurf eines Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz-StSenkG)

Vom 17. Mai 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/3390
14. Wahlperiode 17. 05. 2000

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Heidemarie Ehlert, Dr. Christa Luft, Rolf
Kutzmutz, Ursula Lötzer, Dr. Uwe-Jens Rössel, Dr. Dietmar Bartsch, Dr. Gregor
Gysi und der Fraktion der PDS

zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksachen 14/2683, 14/3074, 14/3366, 14/3367 –

Entwurf eines Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform
der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz – StSenkG)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der vorgelegte Gesetzentwurf ist nicht geeignet, zur Überwindung der hohen
Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik Deutschland beizutragen. Er verstärkt
die ungerechte Lastenverteilung bei der Finanzierung öffentlicher Aufgaben
und bewirkt, dass Bund, Länder und Kommunen wesentliche Aufgaben der ge-
sellschaftlichen Vorsorge nicht mehr wahrnehmen werden können. Der Gesetz-
entwurf führt zu einem weiteren Verlust an Transparenz des Steuersystems.

1. Die Begünstigung einbehaltener Gewinne fördert nicht automatisch Investi-
tion und Beschäftigung

Angesichts der vergleichsweise geringen Kapazitätsauslastung im produzieren-
den Bereich wird die steuerliche Begünstigung einbehaltener Gewinne nur ge-
ringfügig einen Anreiz zu beschäftigungswirksamen und innovativen Investiti-
onen darstellen können. Vielmehr ist zu erwarten, dass die bisherige Tendenz
der Erhöhung spekulativer Geldanlagen und der Expansion durch den Erwerb
in- und ausländischer Unternehmensbeteiligungen verstärkt wird. Trotz hoher
Gewinnausschüttungen konnten die Gewinnvorträge und Rücklagen in den
Jahren 1995 bis 1998 deutlich aufgestockt werden. Im Resultat beliefen sich in
1998 die nicht entnommenen Gewinne der deutschen Produktionsunternehmen
auf 74 Mrd. DM und waren damit mehr als doppelt so hoch wie in 1991. Doch
schlug sich diese Entwicklung nicht in einer adäquaten Zunahme der Sachin-
vestitionen und schon gar nicht der Arbeitsplätze nieder. Stattdessen stieg das
Beteiligungsvermögen deutscher an ausländischen Unternehmen von 292,5
Mrd. DM in 1995 auf 398,6 Mrd. DM in 1997. Wie die jüngsten Großfusionen

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beweisen, ist damit in der Regel ein massiver Abbau von Arbeitsplätzen
verbunden.

2. Die Steuerbelastung in der Bundesrepublik Deutschland bildet keinen
Standortnachteil im internationalen Wettbewerb

Die Senkung des Körperschaftsteuersatzes für einbehaltene Gewinne auf 25 %
rechtfertigt sich auch nicht durch eine vermeintlich höhere Steuer- und Abga-
benbelastung am Standort Deutschland. Die reale Steuerbelastung von Unter-
nehmensgewinnen bewegt sich im Vergleich zu den anderen Ländern der EU,
der USA und Kanada auf etwa durchschnittlichem Niveau. Auch eine isolierte
Betrachtung der Steuersätze ergibt kein anderes Bild. Dabei ist zu berücksichti-
gen, dass der Körperschaftsteuersatz für einbehaltene Gewinne von derzeit
40 % im Rahmen der Ausschüttungs- und Einlagenpolitik der Unternehmen auf
30 % gesenkt werden kann.

Diese Ergebnisse werden nicht zuletzt durch eine Reihe von Studien gestützt,
wonach sich – trotz des vergleichsweise hohen Körperschaftsteuersatzes für
einbehaltene Gewinne – bei der Eigenkapitalausstattung von deutschen Groß-
unternehmen kaum Unterschiede zu den Unternehmen anderer Staaten feststel-
len lassen.

Berücksichtigt man zudem die vergleichsweise hohen Rückstellungen der deut-
schen Unternehmen, so weisen lediglich kleine Unternehmen Defizite bei den
Mitteln zur Eigenfinanzierung aus. Doch ergeben sich gerade für diese Unter-
nehmen keine bzw. nur sehr geringe Vorteile aus der beabsichtigten Reform der
Körperschaftsteuer.

3. Restriktive Haushaltspolitik kompensiert Ausweitung der Nachfrage durch
Steuerreform

Die auf das Jahr 2001 vorgezogene einkommensteuerliche Tarifreform trägt nur
bedingt zu einer Ausweitung der zahlungsfähigen Nachfrage bei. So werden die
Entlastungen bei hohen Einkommen nur im geringen Umfang nachfragewirk-
sam. Weiterhin tragen die Mehrbelastungen im Ergebnis der Gesetze zum Ein-
stieg und zur Fortführung der ökologischen Steuerreform – denen bei Beziehe-
rinnen und Beziehern von Transfereinkommen keine adäquate Entlastung
gegenübersteht – zu einem Rückgang der Nachfrage bei.

Vor allem aber wird mit der Steuerreform die soziale und ökonomische Funk-
tion der öffentlichen Hand entschieden in Frage gestellt. Allein bis zum Jahr
2004 resultieren aus der beabsichtigten Steuerreform Einnahmeausfälle von
127 Mrd. DM. Damit ist nicht nur ein weiterer Abbau von Sozialleistungen
vorprogrammiert, sondern auch ein erheblicher Rückgang öffentlicher Investi-
tionen. Besonders betroffen sind die ostdeutschen Länder und Kommunen, da
diese kaum oder nur in sehr geringem Umfang öffentliches Vermögen zum
Ausgleich der Einnahmeausfälle veräußern können. Verlierer der beabsichtig-
ten Steuerreform sind wieder die Bezieherinnen und Bezieher von Transfer-
einkommen – also Rentnerinnen und Rentner, Arbeitslose, Studentinnen und
Studenten. Verlierer der Steuerreform sind aber auch Familien und Umwelt, da
für den Erhalt und den Ausbau von Einrichtungen der Kinderbetreuung, von
Schulen, öffentlichen Freizeit- und Kulturangeboten und den öffentlichen Ver-
kehr die entsprechenden finanziellen Möglichkeiten nicht mehr gegeben sein
werden.

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4. Die ungerechte Verteilung der Steuer- und Abgabenbelastung wird verstärkt

Ziel einer Steuerreform sollte es sein, auch unter den Bedingungen wachsender
Internationalisierung von Wirtschaft und gesellschaftlichem Leben eine
gerechte Lastenverteilung bei der Finanzierung öffentlicher Aufgaben zu för-
dern. Mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung findet jedoch der Rückzug
von Vermögens- und Kapitaleinkünften aus der Finanzierung öffentlicher Auf-
gaben seine drastische Fortsetzung.

Trotz der Erhöhung des Grundfreibetrags und der Senkung des Eingangssteuer-
satzes entfällt ein hoher Anteil der Steuerentlastungen auf Großunternehmen
sowie auf hohe und Spitzeneinkommen. Neben der Senkung des Spitzensteuer-
satzes bei der Einkommensteuer ist das vor allem Ergebnis der Unternehmen-
steuerreform. Die pauschale Anrechnung des doppelten Gewerbesteuermessbe-
trags und die Ersetzung des körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahrens
durch das sog. Halbeinkünfteverfahren führen vor allem bei Großunternehmen,
beim ertragsstarken Mittelstand und den Besitzern großer Aktienvermögen zu
deutlichen Entlastungen.

Die beabsichtigte Steuerreform verstärkt die Ungleichbesteuerung der verschie-
denen Einkunftsarten und sozialen Gruppen. Arbeitseinkommen werden in
Relation zu anderen Einkunftsarten auch zukünftig am stärksten belastet. Die
pauschalierte Teilanrechnung der Gewerbesteuer führt dazu, dass die Entlas-
tung großer Unternehmen relativ höher ist als die der kleinen Unternehmen.
Diese Umverteilung wird durch die Verschlechterung der Abschreibungsbedin-
gungen verstärkt, da kleine Unternehmen von diesen relativ stärker betroffen
sind. Weitere Entlastungen ausschließlich für sehr ertragsstarke Unternehmen
resultieren aus der Körperschaftsteueroption.

Das deutliche Auseinanderfallen von einkommensteuerlicher Spitzenbelastung
und Körperschaftsteuersatz eröffnet nicht nur neue Missbrauchs- und Gestal-
tungsmöglichkeiten, sondern erhöht den Druck in Richtung einer weiteren Sen-
kung der Steuerprogression im oberen Einkommensbereich. Im Ergebnis der
Steuerreform wird das Grundprinzip der Steuergerechtigkeit – die Besteuerung
nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit – außer Kraft gesetzt.

II. Der Deutsche Bundestag fordert daher die Bundesregierung auf, einen
Gesetzentwurf vorzulegen, der folgende Neuregelungen vorsieht:

1. Die erst für das Jahr 2005 beabsichtigte Erhöhung des steuerfrei zu stellen-
den Existenzminimums (Grundfreibetrag) auf 15 011 DM ist bereits zum
1. Januar 2001 vorzunehmen. Im Folgezeitraum ist der Grundfreibetrag
schrittweise auf 17 010 DM zu erhöhen. Die Erhöhung des Grundfreibetrags
ist mit dem Übergang auf eine konsequente Individualbesteuerung zu ver-
binden. Der Spitzensteuersatz von 51 % wird wie bisher ab einem Einkom-
men von 114 696 DM angewendet.

2. Statt der proportionalen Körperschaftsteuer von 25 % wird ein progressiver
Staffeltarif eingeführt, der im Eingangsbereich 15 % nicht übersteigt. Die
Spitzenbelastung sollte nicht niedriger als 35 % betragen. Durch die Bun-
desregierung ist auf der Grundlage exakter Berechnungen zu den Vertei-
lungs- und finanziellen Wirkungen eine Konkretisierung des Tarifverlaufs
vorzunehmen. Aufgrund des niedrigeren Körperschaftsteuersatzes für er-
tragsschwächere Unternehmen kann die systemwidrige Anrechnung des
doppelten Gewerbesteuermessbetrags entfallen. Stattdessen ist in Abhängig-
keit von der Erweiterung und Korrektur der ertragsteuerlichen Bemessungs-
grundlage ein teilweiser Abzug der Gewerbesteuer von der Körperschaft-
steuer zuzulassen.

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3. Gewinne aus der Veräußerung eines Anteils an einer Körperschaft, Perso-
nenvereinigung oder Vermögensmasse unterliegen bei der veräußernden
Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im gesamten
Umfang der Körperschaftsteuer.

4. Das Halbeinkünfteverfahren findet keine Anwendung für Gewinne aus Spe-
kulationsgeschäften insbesondere mit Wertpapieren (§ 23 Abs. 1 Nr. 1b
EStG).

5. Die Möglichkeiten zur Steuergestaltung sind durch eine gezielte Besteue-
rung von Darlehen und Zinsen auf Unternehmens- und Gesellschafterebene
einzuschränken.

6. Beschäftigte einer Körperschaft mit maßgeblichem Einfluss auf das Unter-
nehmen werden im Rahmen ihrer Tätigkeitsvergütung (Einkünfte aus nicht-
selbständiger Arbeit) sozialversicherungspflichtig. Analog ist die Ausdeh-
nung der Körperschaftsteuer auf Personenunternehmen mit der Sozial-
versicherungspflicht des Unternehmers im Hinblick auf dessen Vergütung
für eine Tätigkeit im Betrieb zu verbinden.

7. Die Gewerbesteuerumlage wird auf dem derzeitigen Niveau beibehalten.
Eine Überprüfung und ggf. Anpassung in Abhängigkeit von den realen,
durch die Unternehmensteuerreform veränderten Einnahmen erfolgen ab
dem Jahr 2003 jeweils für die vorangegangenen Jahre. Die Gewerbesteuer
ist im Zusammenhang mit einer grundsätzlichen Neugestaltung der
Kommunalfinanzen zu reformieren.

8. Für arbeitsintensive Reparatur- und Dienstleistungen sowie für Umsätze des
öffentlichen Verkehrs (u. a. Umsätze der Verkehrsbetriebe der Städte und
Landkreise, der Deutschen Bahn AG, der nichtbundeseigenen Eisenbahnen)
ist ein ermäßigter Umsatzsteuersatz festzusetzen.

9. Die Vermögensteuer ist auf der Grundlage einer reformierten Bemessungs-
grundlage zu erheben.

Berlin, den 17. Mai 2000

Dr. Barbara Höll
Heidemarie Ehlert
Dr. Christa Luft
Rolf Kutzmutz
Ursula Lötzer
Dr. Uwe-Jens Rössel
Dr. Dietmar Bartsch
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Zu Nummer 1

Im Bericht über die Höhe des Existenzminimums von Kindern und Familien
ermittelte die Bundesregierung für das Jahr 2001 das Existenzminimum für
einen Erwachsenen in Höhe von 12 804 DM. Dieser Berechnung ignoriert, dass
seit 1992 die Regelsätze der Sozialhilfe weder bedarfsgerecht noch entspre-
chend der allgemeinen Entwicklung des Wohlstandes in der Bundesrepublik

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/3390

Deutschland fortgeschrieben wurden. Die Regelsätze wurden nicht einmal an
die gestiegenen Lebenshaltungskosten angepasst. Auch die Fortschreibung der
für 1999 ermittelten Regelsätze auf die Jahre 2000 und 2001 bleibt weit hinter
der zu erwartenden Steigerung der Lebenshaltungskosten zurück.

Da die einmaligen Leistungen in Abhängigkeit von den Regelsätzen ermittelt
wurden, sind auch diese viel zu gering ausgewiesen. Zudem beruht das zu-
grunde gelegte Verhältnis von einmaligen Leistungen und Regelsätzen auf völ-
lig veralteten Sonderhebungen des Statistischen Bundesamtes aus den Jahren
1982 und 1991. Neben zu niedrig angesetzten Miet- und Heizkosten wurde
darüber hinaus bei der Berechnung des Existenzminimums der in einen Ab-
setzungsbetrag umgewandelte Mehrbedarfzuschlag für Erwerbstätige nicht
berücksichtigt.

Auf dieser Grundlage ist davon auszugehen, dass auch die für 2001 beabsich-
tigte Erhöhung des Grundfreibetrags auf 14 000 DM weder die gestiegenen
Lebenshaltungskosten noch die allgemeine Wohlstandsentwicklung in der
Bundesrepublik Deutschland adäquat abbildet.

Zu Nummer 2

Unternehmen werden bereits in verschiedenen Staaten mit gewinnabhängig
steigenden Steuersätzen besteuert. So kennt Belgien einen dreistufigen, die
USA einen vierstufigen Körperschaftsteuertarif.

Die Einführung eines progressiven Körperschaftsteuertarifs beseitigt nicht die
Probleme, die sich mit der Neuregelung der Unternehmensbesteuerung verbin-
den, verringert sie jedoch.

Nach dem „Steuersenkungsgesetz“ soll die Höchstbelastung für einbehaltene
und ausgeschüttete Gewinne von derzeit 51 % auf insgesamt 43 % gesenkt
werden. In den Jahren 2001 und 2002 soll dagegen die Spitzenbelastung für an-
dere Einkünfte 48,5 % betragen. Aufgrund des Körperschaftsteuersatzes von
35 % wird gewährleistet, dass die Steuerbelastung von Aktionären mit hohen
Einkommen auch zukünftig annähernd 51 % beträgt.

Im Vergleich zur proportionalen Körperschaftsteuer von 25 % kann darüber hi-
naus durch die gewinnabhängigen Steuersätze eine deutlichere Entlastung klei-
ner und mittlerer Unternehmen bewirkt werden. Die geringere Vorbelastung auf
der Unternehmensebene erhöht zudem für potentielle Kapitalgeber den Anreiz,
sich in diesen Unternehmen zu engagieren.

Für ertragsstarke Unternehmen ermöglichen gewinnabhängig steigende Kör-
perschaftsteuersätze die Anwendung eines deutlich höheren Steuersatzes als
von der Bundesregierung vorgesehen. Somit wird gewährleistet, dass sich Kon-
zerne, Banken und Versicherungen nicht aus der finanziellen Verantwortung für
das Gemeinwesen entziehen können.

Der progressive Körperschaftsteuertarif bildet nicht nur die Grundlage für eine
leistungsgerechtere Unternehmensbesteuerung. Aufgrund der Entlastung
kleiner und mittlerer Unternehmen bereits im Rahmen des Tarifs besteht die
Möglichkeit, die Körperschaftsteuer auf alle bilanzierenden Unternehmen aus-
zudehnen. Dadurch kann die systemwidrige Anrechnung des doppelten Gewer-
besteuermessbetrags auf die Einkommensteuer entfallen.

Zu Nummer 3

Die von der Bundesregierung beabsichtigte Körperschaftsteuerbefreiung für
Veräußerungsgewinne privilegiert Kapitalgesellschaften gegenüber Personen-
unternehmen. Sie begünstigt steuerliche Missbrauchs- und Gestaltungsmög-

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lichkeiten. Da bei der Veräußerung von Unternehmensanteilen vor allem nicht
versteuerte stille Reserven aufgedeckt werden, ist deren Besteuerung nicht nur
während der Fortgeltung des bisherigen Körperschaftsteuerrechts für Alt-
gewinne, sondern auch darüber hinaus steuersystematisch gerechtfertigt.

Zu Nummer 4

Die Einbeziehung von Gewinnen aus der Veräußerung von Anteilen an Körper-
schaften, Vermögensmassen und Personenvereinigungen in das sog. Halb-
einkünfteverfahren rechtfertigt sich durch die körperschaftsteuerliche Vorbelas-
tung der Gewinne auf der Unternehmensebene.

Gewinne aus solchen Anteilen, die innerhalb eines Jahres realisiert werden,
können jedoch damit nicht gleichgesetzt werden. Diese Wertpapiergeschäfte
sind vor allem durch die Erwartung kurzfristiger Kurssteigerungen motiviert.

Die hälftige Besteuerung von Gewinnen aus kurzfristigen Wertpapiergeschäf-
ten (§ 23 Abs. 1 Nr. 1b EStG) fördert zudem die kurzfristige spekulative Ver-
mögensanlage. Sie sind deshalb auch zukünftig – wie Grundstücksveräußerun-
gen – in gesamten Umfang der Einkommensteuer zu unterwerfen.

Zu Nummer 5

Die Ersetzung des Anrechnungsverfahrens durch eine – wenn auch gemäßigte
– Doppelbesteuerung der Gewinne von Körperschaften, Personenvereinigun-
gen, Vermögensmassen sowie optierender Personenunternehmen eröffnet neue
steuerliche Gestaltungs- und Missbrauchsmöglichkeiten. So werden Gesell-
schafter zur Vermeidung der höheren Steuerbelastung bei Gewinnentnahme
diese zukünftig verstärkt durch Darlehen ersetzen. Um eine zeitnahe Besteue-
rung der Unternehmensgewinne zu gewährleisten werden deshalb beispiels-
weise in Großbritannien Darlehen an den Gesellschafter dem entsprechenden
Körperschaftsteuersatz unterworfen. Werden die Darlehen zurückgezahlt, er-
folgt die Erstattung der insoweit vorausgezahlten Körperschaftsteuer.

Insbesondere im Hinblick auf Zinszahlungen an ausländische Darlehensgeber
ist darüber hinaus eine Ausweitung der Kapitalertragsbesteuerung zu prüfen.

Zu Nummer 6

Beschäftigte einer GmbH oder Aktiengesellschaft mit maßgeblichem Einfluss
werden im Rahmen der Einkommensbesteuerung und des Sozialversicherungs-
rechts widersprüchlich erfasst. Beispielsweise wird in der gesetzlichen Renten-
versicherung auch im Hinblick auf das vertraglich vereinbarte Arbeitsentgelt
von einem Überwiegen der Unternehmereigenschaft des Beschäftigten ausge-
gangen, weshalb keine Versicherungspflicht entsteht. Bei der Einkommens-
besteuerung wird dieser Teil des Betriebsergebnisses dagegen als Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit besteuert. Neben der Werbungskostenpauschale von
2 000 DM können diese Beschäftigten verschiedene in der Person des Steuer-
pflichtigen begründete Frei- und Abzugsbeträge in Anspruch nehmen. Mit der
Unternehmensteuerreform wird diese Widersprüchlichkeit verstärkt, da mit
dem Wegfall des Anrechnungsverfahrens der strukturelle Zusammenhang zwi-
schen Einkommensbesteuerung und Unternehmensbesteuerung aufgehoben
wird.

Die Einbeziehung von Beschäftigen mit maßgeblichem Einfluss auf das Unter-
nehmen in die Sozialversicherungspflicht beseitigt diese Widersprüchlichkeit.
Zugleich stellt diese Maßnahme einen Schritt zur Ausgestaltung der gesetzli-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 7 – Drucksache 14/3390

chen Rentenversicherung als allgemeine gesetzliche Altersvorsorge dar, die
schrittweise alle bisher nicht versicherten Personenkreise erfasst.

Zu Nummer 7

Die Gemeinden sollen neben Einbußen bei der Einkommensteuer auch mit
einer unbefristeten Erhöhung der Gewerbesteuerumlage zur Finanzierung der
Unternehmenssteuerreform herangezogen werden. Die Gemeinden werden
über die Umlageerhöhung im nächsten Jahr 1,4 Mrd. DM, im Jahr 2002
3,2 Mrd. DM und in den beiden folgenden Jahren sogar rund 4,9 Mrd. DM
bzw. 5,1 Mrd. DM zusätzlich an Bund und Länder abführen. Mit dieser Erhö-
hung würde die Umlage, in die bisher rund 20 % der Gewerbesteuer fließen,
auf über 27 % steigen. Die Gewerbesteuer verliert damit immer mehr den Cha-
rakter einer Kommunalsteuer und wird zunehmend zu einer vierten Gemein-
schaftssteuer.

Die Bemessung der Gewerbesteuerumlageerhöhung beruht nicht auf nachprüf-
baren Fakten, sondern auf Schätzungen des Bundesfinanzministeriums, die
mangels geeigneter Datengrundlagen und wegen schwer prognostizierbarer
Auswirkungen der Unternehmenssteuerreform auf das Verhalten der Unterneh-
men sehr risikobehaftet sind. Auch die den Städten und Gemeinden zugeschrie-
benen Steuermehreinnahmen durch veränderte Abschreibungsmodalitäten sind
ungeeignet, dauerhafte Mindereinnahmen zu kompensieren. Die zeitliche Stre-
ckung von Abschreibungen führt zwar zunächst zu höheren, in späteren Jahren
aber zu geringeren Steuereinnahmen.

Angesichts der hohen Schätzrisiken dürfen langfristige Entscheidungen über
die Anhebung der Gewerbesteuerumlage nicht auf der Basis von BMF-Schät-
zungen getroffen werden. Sie müssen vielmehr davon abhängig gemacht
werden, ob die in den Schätzungen unterstellten Wirkungen auch tatsächlich
eintreten.

Durch das Gesetz zur Fortführung der Unternehmenssteuerreform von 1998
wurde die Gewerbesteuerumlage bereits unbefristet erhöht, obwohl aus dem
Abbau der Drohverlustrückstellungen nur zeitweilige Mehreinnahmen resul-
tierten. Da sich der Finanzierungseffekt zwischenzeitlich erschöpft hat, ist auch
aus diesem Grunde die Beibehaltung der Gewerbesteuerumlage von rund 20 %
und deren nachträgliche Anpassung in Abhängigkeit von den tatsächlichen
Auswirkungen des „Steuersenkungsgesetzes“ gerechtfertigt.

Zu Nummer 8

Angesichts der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik
Deutschland sind Maßnahmen zur Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen
notwendiger denn je. Mit der Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes für
arbeitsintensive Dienstleistungen besteht die Möglichkeit gezielt jene Bereiche
der Volkswirtschaft zu fördern, die sich durch eine relativ hohe Arbeitsintensi-
tät auszeichnen. Das betrifft insbesondere Reparatur- und andere Leistungen
des Handwerks, in dem rund 6 Millionen Beschäftigte tätig sind und fast 40 %
der Auszubildenden einen Beruf erlernen.

Die Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes kann zu niedrigeren
Verbraucherpreisen führen und somit die Nachfrage nach diesen besonders
arbeitsintensiven Dienstleistungen anregen. Mit dem ermäßigten Mehrwert-
steuersatz besteht infolge die Möglichkeit, das erhebliche Arbeitsplatzpotential
dieser – in der Regel nur lokal tätigen – Unternehmen zu erschließen.

Weiterhin funktioniert der Mehrwertsteuermechanismus nur mangelhaft in Sek-
toren mit wenigen vorsteuerabzugsfähigen Einsatzleistungen und mit Abneh-

Drucksache 14/3390 – 8 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
mern, die zumeist private Verbraucher sind. In diesem Fall ist die Mehrwert-
steuer Bestandteil des Preises und kann vom Verbraucher leicht umgangen
werden. Ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz würde den Anreiz, Leistungen
„schwarz“ zu beziehen, daher vermindern.

Aufgrund der Begünstigung von Reparaturleistungen sind zudem Effekte in
Richtung einer Senkung des Ressourcenverbrauchs zu erwarten.

Der ermäßigte Mehrwertsteuersatz für Umsätze des öffentlichen Verkehrs soll
die Mehrbelastungen aus der Einführung und Erhöhung von Energie- und
Mineralölsteuer kompensieren und einen Anreiz schaffen, vergleichsweise öko-
logischere Verkehrsmittel zu benutzen.

Zu Nummer 9

Die Steuerpolitik der Regierung aus CDU/CSU und FDP hatte eine massive
Verengung der finanziellen Handlungsspielräume der öffentlichen Hand zur
Folge. Infolgedessen sind nicht nur die Kommunen, sondern auch viele Bun-
desländer kaum noch in der Lage, aktiv fördernd und gestaltend auf die regio-
nale Wirtschaft und Beschäftigung sowie Kultur und Bildung einzuwirken. In
der Politik der Bundesregierung von SPD und BÜNDNIS 90/Die Grünen findet
diese Entwicklung ihre Fortsetzung. So müssten die Bundesländer allein durch
das von der Bundesregierung vorgelegte „Steuersenkungsgesetz“ bis zum Jahr
2004 Mindereinnahmen in Höhe von fast 52 Mrd. DM hinnehmen. Vor diesem
Hintergrund sind Maßnahmen zur Erschließung langfristig wirksamer Finan-
zierungsquellen dringend geboten. Die durch den Bundesfinanzminister anvi-
sierte Erhöhung der Mehrwertsteuer kann in diesem Zusammenhang keine
sozial gerechte Alternative darstellen. Jegliche Erhöhung von Verbrauchssteu-
ern belastet überproportional untere Einkommensschichten bzw. Empfängerin-
nen und Empfänger von Transfereinkommen, da diese relativ höhere Konsum-
quoten nachweisen. Vielmehr ist es notwendig, Vermögende und ertragsstarke
Unternehmen stärker an der Finanzierung des Gemeinwesens zu beteiligen.
Dieses Erfordernis an eine sozial gerechte Steuer- und Finanzpolitik fände
durch die Erhebung der Vermögensteuer seine Entsprechung.

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