BT-Drucksache 14/3237

Baldige Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Gefangenenentlohnung

Vom 13. April 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/3237
14. Wahlperiode 13. 04. 2000

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jörg van Essen, Rainer Funke, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig,
Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Ulrich Heinrich, Dr. Werner Hoyer, Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger, Dirk Niebel, Detlef Parr, Dr. Irmgard Schwaetzer,
Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion
der F.D.P.

Baldige Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur
Gefangenenentlohnung

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil vom 1. Juli 1998 die Stel-
lung Strafgefangener gestärkt und den Bundesgesetzgeber gemahnt, das verfas-
sungsrechtliche Resozialisierungsgebot zu verwirklichen. Hierbei sah das
Gericht vor allem § 200 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz (StVollzG) über die Gefan-
genenentlohnung als unvereinbar mit dem Resozialisierungsgebot aus Artikel 2
Abs. 1 i. V. m. Artikel 1 Abs. 1, Artikel 20 Abs. 1 GG, das den Häftlingen er-
möglichen soll, nach ihrer Entlassung ein eigenverantwortliches und straffreies
Leben zu führen, an.

Die in § 200 Abs. 1 StVollzG vorgesehene Vergütung in Höhe von 5 % des
durchschnittlichen Arbeitsentgelts aller in der gesetzlichen Rentenversicherung
Versicherten (das sind ca. 220 DM pro Monat) entsprach diesem Gebot nicht.
Das verfassungsrechtliche Resozialisierungsgebot legt zwar den Gesetzgeber
nicht auf eine bestimmte Regelung fest, sofern jedoch Pflichtarbeit angeordnet
wird, muss sichergestellt werden, dass die geleistete Arbeit „angemessene An-
erkennung“ findet. Dies kann auch auf andere Weise geschehen als nur durch
Zahlung eines höheren Lohns. Zur Debatte steht ein Kombinationsmodell aus
einer maßvollen Erhöhung des Arbeitsentgelts und flankierenden, nicht mone-
tären, anderweitig die Arbeit anerkennenden Maßnahmen (z. B. Eingliederung
in die Rentenversicherung, Ausdehnung des Freistellungszeitraums, Hilfe bei
Schuldentilgung usw.).

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil den Gesetzgeber verpflich-
tet, „umgehend, spätestens aber bis zum 31. Dezember 2000“, eine Neurege-
lung zu schaffen. Sofern bis zu diesem Zeitpunkt keine Neuregelung in Kraft
getreten ist, müssen ab dem 1. Januar 2001 die zuständigen Gerichte über die
Bemessung des in § 43 Abs. 1 Satz 1 StVollzG vorgesehenen Arbeitsentgelts
im Einzelfall entscheiden. Hinsichtlich der Novellierung des Strafvollzugsge-
setzes bleibt die schwierige Finanzlage der Länder, die für den Strafvollzug zu-
ständig sind, die Kosten tragen und aufgrund der Neuregelung zusätzlich finan-
ziell belastet werden, zu berücksichtigen.

Bisher liegt der Öffentlichkeit noch kein Gesetzentwurf vor, obwohl die Um-
setzungsfrist mit dem Jahr 2000 endet und somit gesetzgeberisches Handeln

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geboten ist. Bei Nichteinhaltung der Frist droht eine Belastung des Gerichts-
systems, die sich auf die Dauer anderer Verfahren negativ auswirkt.

In diesem Zusammenhang fragen wir die Bundesregierung:

1. In welchem Entwicklungsstand befindet sich der notwendige Gesetzent-
wurf?

2. Ist eine rechtzeitige Einbeziehung der Bundesländer sichergestellt und
wenn ja, in welcher Form?

3. Auf welche Art und Weise werden dabei die Finanzprobleme der Bundes-
länder berücksichtigt, um Bedenken der Länderfinanzminister aufgrund
von Mehrbelastungen vorzubeugen?

4. Ist die Bundesregierung über den derzeitigen Diskussionsstand bei den
Bundesländern informiert?

5. Welche Positionen vertreten diese in Bezug auf die Umsetzung des Verfas-
sungsgerichtsurteils?

6. Wie wird berücksichtigt, dass es sich bei der Novellierung um ein Zustim-
mungsgesetz handelt?

7. Welche neuen Entlohnungssätze sind bisher in der Diskussion?

8. Welche Auffassung vertritt die Bundesregierung hinsichtlich des oben er-
wähnten Kombinationsmodells?

9. Welche nicht monetären Maßnahmen wären nach Meinung der Bundesre-
gierung vorstell- und umsetzbar?

10. Sollte ein höherer Lohn nicht nur allein den Inhaftierten, sondern insbeson-
dere den Opfern von Straftaten zur Tilgung finanzieller Ansprüche zugute
kommen?

11. Auf welche Weise soll nach Auffassung der Bundesregierung der andere
Pfeiler des Strafvollzugs, der Schutz der Allgemeinheit, im Sinne des Op-
ferschutzes effektiver verwirklicht werden?

12. Warum wurde bisher noch kein Gesetzentwurf oder Referentenentwurf
vorgelegt?

13. Steht ein möglicher Gesetzentwurf im Zusammenhang mit anderen gesetz-
lichen Vorhaben des Bundesministeriums der Justiz?

Berlin, den 11.April 2000

Jörg van Essen
Rainer Funke
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Ulrich Heinrich
Dr. Werner Hoyer
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Dirk Niebel
Detlef Parr
Dr. Irmgard Schwaetzer
Dr. Max Stadler
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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