BT-Drucksache 14/3236

"Unumgänglichkeit" standortnaher Zwischenlager und mögliche Alternativen

Vom 13. April 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/3236
14. Wahlperiode 13. 04. 2000

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Birgit Homburger, Ulrike Flach, Horst Friedrich (Bayreuth),
Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Jörg van Essen, Walter Hirche, Dr. Werner
Hoyer, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Cornelia Pieper, Dr. Edzard
Schmidt-Jortzig, Dr. Hermann Otto Solms, Carl-Ludwig Thiele und der
Fraktion der F.D.P.

„Unumgänglichkeit“ standortnaher Zwischenlager und mögliche Alternativen

Zur Beantwortung der Frage, wie mit Kernbrennstäben nach Ablauf ihrer be-
stimmungsgemäßen Nutzungsdauer verfahren werden kann, existieren grund-
sätzlich drei Alternativen: Die abgebrannten Elemente können erstens der Wie-
deraufarbeitung zugeführt werden, um dann von neuem in den Kreislauf ihrer
energetischen Nutzung eingebracht zu werden. Zweitens können die abge-
brannten Elemente zentral in dafür ausgewählte unterirdische Lagerstätten vor-
übergehend oder zum endgültigen Verbleib eingebracht werden. Alternativ be-
steht drittens die Möglichkeit, die abgebrannten Elemente in so genannten
oberirdischen Zwischenlagern vorübergehend am jeweiligen Kraftwerksstand-
ort zu lagern.

Vor diesem Hintergrund verwundert die Antwort der Bundesregierung auf die
Kleine Anfrage „Standortnahe Zwischenlager“ (Antwort: Drucksache 14/2980),
dass die Errichtung standortnaher Zwischenlager „unumgänglich“ sei. Im Rah-
men der ersten Gespräche zum so genannten Ausstieg aus der Kernenergie wurde
seitens der Energieversorgungsunternehmen die Option eines – überdies vertrag-
lich vereinbarten – Transports an die Einrichtungen zur Wiederaufarbeitung im
europäischen Ausland ausdrücklich vorbehalten. Weiterhin wurden vom Bundes-
amt für Strahlenschutz am 25. Januar 2000 fünf Beförderungsgenehmigungen für
innerdeutsche Transporte zum Brennelementezwischenlager Ahaus erteilt. Diese
Genehmigungen betreffen die Kraftwerksstandorte Biblis, Philippsburg und
Neckarwestheim. Dem Bundesamt für Strahlenschutz liegen unter anderem für
diese Standorte jedoch auch Genehmigungsanträge für atomare Zwischenlager
am jeweiligen Kraftwerksstandort vor.

Wir fragen deshalb die Bundesregierung:

1. Weshalb hält die Bundesregierung die Errichtung standortnaher Zwischen-
lager für unumgänglich, obwohl Transportgenehmigungen an ein zentrales
Zwischenlager vorliegen?

2. Liegen den zuständigen Behörden Genehmigungsanträge bezüglich eines
Transports abgebrannter Brennelemente in die Anlagen zur Wiederauf-
arbeitung vor?

Drucksache 14/3236 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

3. Wenn ja: Für welche Kernkraftwerke wurden entsprechende Anträge ge-
stellt?

4. Wie beurteilt die Bundesregierung generell die Erfolgsaussichten von Ge-
nehmigungsanträgen zur Zulassung von Transporten in die Wiederauf-
arbeitung?

5. Wie begründet die Bundesregierung ihre diesbezügliche Einschätzung an-
gesichts des Sachverhalts, dass gegen derartige Transporte keine wissen-
schaftlich fundierten Bedenken mehr bestehen, welche den technischen
Sicherheitsstandard betreffen?

6. Wie viele Anträge auf Genehmigung eines Transports von Brennelementen
an zentrale Zwischenlager in Deutschland liegen dem Bundesamt für
Strahlenschutz insgesamt vor und wie viele Transportgenehmigungen wur-
den seit Jahresbeginn 2000 erteilt?

7. Trifft es zu, dass die Errichtung oberirdischer Zwischenlager den Kraft-
werksbetreibern seitens der Bundesregierung nahe gelegt worden ist?

8. Wenn ja: Welche Überlegungen waren für eine solche Empfehlung maß-
geblich?

9. Welche Zeitspanne wird nach Einschätzung der Bundesregierung vergehen,
bis die vorliegenden Anträge auf Genehmigung standortnaher Zwischen-
lager entschieden sein werden?

10. Welche Zeitspanne wird nach Einschätzung der Bundesregierung vergehen,
bis die standortnahen Zwischenlager faktisch genutzt werden können?

11. Wie gedenkt die Bundesregierung sicherzustellen, dass die Errichtung
standortnaher Zwischenlager im Einzelfall tatsächlich genehmigt wird?

12. Wie gedenkt die Bundesregierung mit abgebrannten Brennelementen ver-
fahren zu lassen, falls im Einzelfall eine solche Genehmigung nicht erteilt
wird?

13. Wie groß werden – jeweils für die einzelnen Kraftwerksstandorte geson-
dert – Gewicht, Volumen und Strahlungsintensität der abgebrannten Brenn-
elemente insgesamt sein, welche sich im Lauf der kommenden rd. 30 Jahre
dort ansammeln werden?

14. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass eine Endlagerung atoma-
rer Abfälle in jedem Fall und unabhängig von dem von ihr betriebenen
Ausstieg aus der Kernenergie geregelt werden muss?

15. Bestehen wissenschaftlich fundierte Zweifel an der Eignung des Salzstocks
in Gorleben als Endlager für atomare Abfälle?

16. Falls ja: Welche neuen Erkenntnisse liegen dazu vor?

17. Beabsichtigt die Bundesregierung, jene abgebrannten Brennelemente, die
während der Bau- und Genehmigungsphase für standortnahe Zwischen-
lager anfallen, auch im Salzstock Gorleben einzulagern?

18. Ist das weitere Verfahren mit Blick auf die Erkundungsarbeiten am Salz-
stock Gorleben Gegenstand laufender Verhandlungen im Rahmen der so
genannten Konsensgespräche zum Atomausstieg?

19. Erwartet die Bundesregierung Schadensersatzforderungen für den Fall,
dass eine Nutzung des Salzstocks in Gorleben als Endlagerstätte für atoma-
ren Abfall nicht realisiert werden kann?

20. Falls ja: In welcher Höhe sind derartige Forderungen zu erwarten?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/3236

21. Sind derartige Schadensersatzforderungen Gegenstand laufender Verhand-
lungen im Rahmen der so genannten Konsensgespräche zum Atomaus-
stieg?

Berlin, den 12. April 2000

Birgit Homburger
Ulrike Flach
Horst Friedrich (Bayreuth)
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Walter Hirche
Dr. Werner Hoyer
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Cornelia Pieper
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Dr. Hermann Otto Solms
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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