BT-Drucksache 14/3212

Sanitätsdienst der Bundeswehr-Behandlung von Soldaten im Falle einer Wehrdienstbeschädigung

Vom 12. April 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/3212
14. Wahlperiode 12. 04. 2000

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Günther Friedrich Nolting, Hildebrecht Braun (Augsburg),
Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Jörg van Essen, Joachim Günther (Plauen),
Dr. Karlheinz Guttmacher, Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Walter Hirche, Birgit
Homburger, Dr. Werner Hoyer, Gudrun Kopp, Ina Lenke, Dirk Niebel, Hans-Joachim
Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig,
Dr. Irmgard Schwaetzer, Dr. Hermann Otto Solms, Carl-Ludwig Thiele,
Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der F.D.P.

Sanitätsdienst der Bundeswehr – Behandlung von Soldaten im Falle einer
Wehrdienstbeschädigung

Die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages führt in ihrem Jahresbericht
1999 (Drucksache 14/2900) auf Seite 37 mehrere Beispiele von Defiziten in der
medizinischen Versorgung der Bundeswehr auf und stellt fest, dass „diese be-
sorgniserregende Entwicklung … keinen weiteren Aufschub von Maßnahmen,
die zu einer Entspannung der Situation führen,“ erlaubt.

Der Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr räumt in seinem Vorabbe-
richt zu den Auswirkungen der Auslandseinsätze auf den Betrieb der Bundes-
wehr im Inland vom 16. März 2000 ein, dass im täglichen Inlandsdienstbetrieb
lediglich 55 % der truppenärztlichen Tätigkeiten von länger dienenden Sani-
tätsoffizieren wahrgenommen werden können. Dieser Zustand führt zwangs-
läufig zu Einbußen in der sanitätsdienstlichen Inlandsversorgung, wie der In-
spekteur des Sanitätsdienstes ausdrücklich bestätigt.

In der Vergangenheit führten Soldaten wiederholt Beschwerde darüber, dass die
Versorgung für Berufssoldaten mit Wehrdienstbeschädigung (WDB) nach den
Regelungen des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) eine Benachteiligung ge-
genüber Beamten der Wehrverwaltung darstellt. Eine besondere Brisanz erhal-
ten derartige Vorwürfe mit Blick auf Auslandseinsätze der Bundeswehr, wo
Soldaten einem ungleich höheren Risiko für Leib und Leben ausgesetzt sind als
beim inländischen Ausbildungsdienst.

In Anbetracht dieser Situation und vor dem Hintergrund der anstehenden gro-
ßen Bundeswehrreform fragen wir die Bundesregierung:

1. Wie viele Soldaten, nach Statusgruppen getrennt, gibt es, die eine aner-
kannte Wehrdienstbeschädigung haben, und wie viele davon erhalten einen
Ausgleich nach § 85 Soldatenversorgungsgesetz (SVG)?

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2. Wie viele Berufssoldaten a. D. mit anerkannter WDB erhalten hierfür eine
Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG und
wie viele liegen hierbei beim Einkommen über der Pflichtbemessungs-
grenze zur gesetzlichen Krankenversicherung?

3. Trifft es zu, dass ehemalige Berufssoldaten mit anerkannter WDB, die über
der Pflichtbemessungsgrenze liegen, obwohl sie verpflichtet sind, weiter-
hin in eine private Krankenversicherung für sich selbst und ihre Angehöri-
gen einzuzahlen, in der medizinischen Versorgung hinsichtlich ihres für die
WDB maßgeblichen Grundleidens allerdings dem BVG unterliegen und
damit den nach BVG insgesamt medizinisch zu versorgenden, überwie-
gend sozialhilfepflichtigen Statusgruppen unserer Gesellschaft, z. B. Ob-
dachlosen und Asylanten, gleichgestellt werden?

4. Ist der Bundesregierung bekannt, dass es im Rahmen der Versorgung von
ehemaligen Berufssoldaten mit anerkannter WDB, die hinsichtlich ihres
Gesamteinkommens über der Pflichtbemessungsgrenze liegen, immer wie-
der zu Abgrenzungsschwierigkeiten hinsichtlich der Frage kommt, ob Er-
krankungen Folgen der Schädigung im Zusammenhang mit der WDB sind?

5. Ist der Bundesregierung bekannt, dass deren Versorgung bei den privaten
Krankenkassen grundsätzlich ausgeschlossen ist, gegebenenfalls zur Klä-
rung dieser Frage langwierige Verfahren/Prozesse zu führen sind bzw. bis
zur Klärung die erheblichen finanziellen Belastungen von den Betroffenen
selbst zu tragen sind?

6. Wie wurde den bisher Betroffenen geholfen bzw. was wurde bisher auf-
grund der dem Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) zur Kenntnis
gelangten Fälle in dieser Angelegenheit veranlasst?

7. Trifft es zu, dass das BMVg einem Betroffenen auf dessen Bitte um Ab-
hilfe mitgeteilt hat, dass in dieser Angelegenheit kein Handlungsbedarf ge-
sehen wird und ebenfalls keine entsprechenden gesetzlichen Änderungs-
vorschläge angeregt werden?

8. Trifft es zu, dass Beamte des Bundesgrenzschutzes, wie auch Beamte der
Wehrverwaltung, die im Status eines Soldaten an Einsätzen im erweiterten
Aufgabenspektrum teilnehmen (und Anspruch auf die sog. freie Heilfür-
sorge haben), bei gleicher Dienstbeschädigung eine im Vergleich zum
Berufssoldaten in der ärztlichen Versorgung/Beschädigtenversorgung bei
dauernder Dienstunfähigkeit mit der Folge einer Versetzung in den Ruhe-
stand unterschiedliche Behandlung erfahren?

9. Trifft es weiterhin zu, dass für ehemalige Beamte des Bundesgrenzschutzes
und auch ehemalige Beamte der Wehrverwaltung, wenn diese zum Zeit-
punkt des Schadensereignisses Soldaten waren, die Mindestversorgung der
Kombination Beihilfe/private Krankenversicherung mit uneingeschränkter
Arztwahl, Zweibettzimmer, sog. Chefarztbehandlung greift, während der
geschädigte ehemalige Berufssoldat der Versorgung nach dem einfachen
Standard der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) unterliegt?

10. Trifft es zu, dass Disziplinarvorgesetzte bzw. Truppenärzte verpflichtet
sind, bei Vorliegen von Anhaltspunkten für eine WDB das Verfahren auch
ohne das Einverständnis des betroffenen Soldaten einleiten müssen?

11. Teilt die Bundesregierung die Auffassung des BMVg, dass Berufssoldaten
a. D. mit WDB auch deswegen nach dem BVG versorgt werden müssen,
um Ungleichbehandlungen mit Kriegsbeschädigten auszuschließen?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/3212

12. Handelt es sich bei den vom BMVg angesprochenen Kriegsbeschädigten
ausschließlich um ehemalige Soldaten der Wehrmacht?

13. Welche anderen Personen rechnen gegebenenfalls sonst dazu?

14. Wie viele solcher Fälle gibt es 55 Jahre nach dem Ende des Zweiten Welt-
krieges noch?

15. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Situation dieser Kriegs-
beschädigten mit der der ehemaligen Berufssoldaten der Bundeswehr mit
WDB vergleichbar ist?

16. Warum werden Soldaten hinsichtlich der Besoldung Bundesbeamten
gleichgestellt, nicht jedoch in Bezug auf eine WDB?

17. Trifft es zu, dass die gesetzlichen Krankenversicherungen pro WDB-Fall
(so genannter Roter Behandlungsschein) ca. 300 DM pro Quartal erstattet
bekommen und medizinische Leistungen, deren Kosten evtl. bedeutend
höher liegen, voll bezahlen müssen?

18. Trifft es weiterhin zu, dass der zu vermutende Differenzbetrag von der
Solidargemeinschaft der gesetzlich Versicherten zu tragen ist und diese da-
mit mittelbar für die Folgen herangezogen werden?

19. Wurden die Soldaten im Rahmen der Fürsorgepflicht des Dienstherrn und
im Rahmen des gegenseitigen Treueverhältnisses über diese Sachlage bis-
her ausreichend aufgeklärt und wie erfolgt diese Aufklärung gegenwärtig?

20. Wie beurteilt die Bundesregierung mögliche Auswirkungen der Benachtei-
ligung von Soldaten im Falle einer WDB auf die Motivation der Soldaten
bei Einsätzen im erweiterten Einsatzspektrum mit erheblich höherem Ge-
fahrenpotenzial?

21. Trifft es zu, dass bei nachgewiesenen Fehlbehandlungen im Rahmen der
unentgeltlichen truppenärztlichen Versorgung dem Soldaten bei Entschädi-
gungsforderungen nur der Weg über eine WDB mit Aussicht auf Erfolg
bleibt, er dadurch aber im Ruhestand die negativen Auswirkungen der me-
dizinischen Versorgung nach dem BVG erfährt?

22. Werden Soldaten zu diesem Sachverhalt vor der Übernahme in das Verhält-
nis eines Berufssoldaten aufgeklärt und wird diese Aufklärung aktenkundig
festgehalten?

23. Ist die unentgeltliche truppenärztliche Versorgung für Soldaten auch im in-
ländischen Ausbildungs- und Friedensdienst weiterhin unabdingbar?

24. Welche Gründe sprechen gegebenenfalls für die Aufrechterhaltung der um-
fassenden unentgeltlichen truppenärztlichen Versorgung für Soldaten?

25. Ist es alleinige Absicht der unentgeltlichen truppenärztlichen Versorgung
Soldaten den Beitrag zu einer Krankenversicherung zu ersparen oder wird
das Ziel verfolgt, auch in Nicht-Einsatzzeiten jederzeit über den Gesund-
heitszustand jedes einzelnen Soldaten umfassend unterrichtet zu sein?

26. Ist die Bundesregierung trotz der grundlegend geänderten sicherheitspoli-
tischen Lage weiterhin der Auffassung, dass die freie Arztwahl für Solda-
ten eingeschränkt bleiben muss und die Inanspruchnahme von Ärzten mit
Spezialkenntnissen nach Wunsch des einzelnen Soldaten praktisch ausge-
schlossen ist?

27. Trifft es zu, dass Soldaten die Kosten zu tragen haben, wenn sie einen zivi-
len Arzt ihres Vertrauens aufsuchen?

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28. Trifft es darüber hinaus zu, dass sie danach einen entsprechenden Arzt-
bericht dem zuständigen Truppenarzt ohne Kostenerstattung vorlegen
müssen?

29. Wie begründet die Bundesregierung die im Merkblatt BMVg-PSZ V 1 vom
29. März 1999 unterschiedlich geregelte Versorgung von Soldaten einer-
seits und Beamten der Wehrverwaltung im Soldatenstatus andererseits im
Falle einer WDB?

30. Wie lautet die Begründung für diese unterschiedliche Behandlung?

31. Trifft es zu, dass wehrübende Beamte, die nicht der Wehrverwaltung ange-
hören, im Falle einer WDB gegenüber Beamten der Wehrverwaltung Be-
nachteiligungen hinzunehmen haben?

32. Warum werden Soldaten der Bundeswehr, mit Ausnahme der Beamten der
Wehrverwaltung im Soldatenstatus, nach dem BVG versorgt, obwohl das
BMVg wiederholt die Auffassung vertreten hat, dass die Leistungen nach
dem BVG den Leistungen nach dem Beamtenversorgungsgesetz im Ergeb-
nis gleichkommen?

33. Trifft es zu, dass die 2 300 Frauen, die Ende der siebziger Jahre beim größ-
ten DDR-Arzneimittelskandal mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert wurden,
als Entschädigung sowohl eine Einmalzahlung als auch eine monatliche
Rente zwischen 500 DM und 2 000 DM erhalten sollen?

34. Ist sich der Bundesregierung bewusst, dass wehrdienstbeschädigte Berufs-
soldaten/ehemalige Berufssoldaten keine Einmalentschädigung erhalten
und dass die Ausgleichszahlungen/Renten bei diesen lediglich zwischen
222 DM und 1 149 DM monatlich betragen?

35. Wie begründet die Bundesregierung diese möglicherweise unterschiedli-
chen Entschädigungsleistungen und was gedenkt sie zu tun, um Ungleich-
behandlungen zu Ungunsten der wehrdienstgeschädigten Berufssoldaten/
ehemaligen Berufssoldaten der Bundeswehr zu beseitigen?

36. Ist der Bundesregierung bekannt, dass Berufssoldaten mit WDB und An-
spruch auf Ausgleichsleistungen nach ihrer Zurruhesetzung nur dann Aus-
gleich bzw. Rente für die WDB-Schädigungen nach dem BVG erhalten,
wenn sie einen Antrag mit begründenden Unterlagen bei der zuständigen
Versorgungsbehörde/Amt des Landes stellen, in dem sie wohnen?

37. Ist der Bundesregierung bekannt, dass danach in einem erneuten, meist
langwierigen Verwaltungsverfahren der Geschädigte erneut Beweis zu füh-
ren hat, obwohl in einem WDB-Verwaltungsverfahren bei der zuständigen
Wehrbereichsverwaltung dies schon alles erfolgt ist?

38. Wie stellt sich hierzu im Vergleich die Versorgung von ehemaligen Beam-
ten mit Dienstbeschädigung nach dem Beamtenversorgungsgesetz dar?

39. Sieht die Bundesregierung einen Handlungsbedarf, um die Gleichbehand-
lung der Berufssoldaten/ehemaligen Berufssoldaten mit WDB auch auf
diesem Feld sicherzustellen?

40. Beabsichtigt die Bundesregierung erschwerende Doppelverwaltungsver-
fahren (während der aktiven Dienstzeit: WDB-Verfahren und danach: Lan-
desbehörden) zukünftig zu vermeiden, dadurch den Verwaltungsaufwand
zu reduzieren und Kosteneinsparungen zu erzielen?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 – Drucksache 14/3212

41. Wie begründet die Bundesregierung die Tatsache, dass Berufssoldaten bei
Versetzung in den Ruhestand eine Einmalzahlung in Höhe von bis zu
8 000 DM erhalten, hingegen Berufssoldaten, die aufgrund einer WDB
vorzeitig in den Ruhestand treten müssen, diese Einmalzahlung nicht ge-
währt wird?

Berlin, den 12. April 2000

Günther Friedrich Nolting
Hildebrecht Braun (Augsburg)
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Gudrun Kopp
Ina Lenke
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Dr. Irmgard Schwaetzer
Dr. Hermann Otto Solms
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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