BT-Drucksache 14/3206

Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft"

Vom 13. April 2000


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

3206

14. Wahlperiode

13. 04. 2000

Gesetzentwurf

der Abgeordneten Bernd Reuter, Dieter Wiefelspütz, Dr. Peter Struck und
der Fraktion der SPD,

der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Friedrich Merz, Michael Glos und
der Fraktion der CDU/CSU,

der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,

der Abgeordneten Jürgen W. Möllemann, Dr. Max Stadler, Dr. Wolfgang Gerhardt
und der Fraktion der F.D.P.,

der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. Gregor Gysi und der Fraktion der PDS

Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung,
Verantwortung und Zukunft“

A. Problem

Im Zweiten Weltkrieg wurde von Deutschen in vielfältiger Weise großes Un-
recht insbesondere den jüdischen Bürgern Deutschlands und seiner Nachbar-
staaten zugefügt. Zahllose Bürger vor allem der osteuropäischen besetzten Ge-
biete wurden zu Zwangsarbeit herangezogen. Die Bundesrepublik Deutschland
und deutsche Unternehmen wollen daher mit der Stiftung „Erinnerung, Verant-
wortung und Zukunft“ die bisherigen Wiedergutmachungsregelungen noch ein-
mal ergänzen und ein in finanzieller Hinsicht abschließendes Zeichen ihrer mo-
ralischen Verantwortung für die damaligen Geschehnisse setzen.

Ein Teil der Stiftung-Fonds „Erinnerung und Zukunft“ – soll der Zukunftsauf-
gabe dienen, die Erinnerung an den Holocaust und das Gedenken an die Opfer
wachzuhalten und so einer Wiederholung solcher Entwicklungen entgegenzu-
wirken. Mit seinen Erträgen sollen daher Projekte nicht zuletzt der Jugendbe-
gegnungen und der internationalen Zusammenarbeit zur Sicherung von Frieden
und Menschenrechten gefördert werden. Im Rahmen dieser Projekte sollen
auch Interessen der Erben und Hinterbliebenen von Opfern nationalsozialisti-
scher Unrechtsmaßnahmen berücksichtigt werden.

Die Ausgestaltung und Ausstattung der Stiftung ist in mehrmonatigen Verhand-
lungen mit den Verfolgtenverbänden und Regierungen kriegsbeteiligter Staaten
entwickelt und vereinbart worden. Bis Dezember 1999 konnte über wesentliche
inhaltliche Eckpunkte sowie den Finanzrahmen Einvernehmen erzielt werden.
Gleichwohl sind bislang einige Detailfragen offen geblieben. Der Gesetzent-
Drucksache

14/

3206

– 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

wurf ist mit Blick auf das hohe Alter der NS-Opfer jetzt einzuleiten, um eine
Gründung der Bundesstiftung noch bis zum Sommer 2000 zu erreichen. Er
zeichnet das Ergebnis der Verhandlungen nach und spiegelt – soweit die Punkte
strittig sind – die Position der Bundesregierung wider. Der Fortgang der Ver-
handlungen wird im Verlauf des weiteren Gesetzgebungsverfahrens berück-
sichtigt werden können und müssen.

Die weiteren Verhandlungen werden nicht zuletzt die Fragen zum Rechtsfrie-
den für die deutschen Unternehmen lösen müssen. Der Gesetzentwurf will dies
entsprechend dem Vorbild des Contergan- beziehungsweise des HIV-Stiftungs-
gesetzes durch eine Übertragung etwaiger weiterer Ansprüche aus nationalsozi-
alistischem Unrecht auf die Stiftung erreichen, die allein künftig mit ihrem Ver-
mögen hierfür zur Verfügung stehen soll. Des Weiteren ist der Abschluss der
anhängigen und der Schutz vor zukünftigen (Sammel-) Klagen in den USA Vo-
raussetzung der Beiträge der deutschen Unternehmen zur gemeinsamen Stif-
tung. Der Gesetzentwurf sowie die Einschätzung der Länder unterstellt einer-
seits, dass dies gelingen wird. Er macht erste Leistungen der Stiftung an die
Berechtigten andererseits davon abhängig, dass der angestrebte Rechtsfriede
durch das in Aussicht genommene deutsch-amerikanische Regierungsabkom-
men erreicht worden ist.

B. Lösung

Errichtung der öffentlich-rechtlichen Stiftung durch Bundesgesetz.

C. Alternativen

Keine

D. Kosten der öffentlichen Haushalte

1. Haushaltsausgaben einschließlich Vollzugsaufwand

5 Milliarden Deutsche Mark einschließlich der Beiträge der Länder und der
Beiträge von Unternehmen mit mehrheitlicher Bundes- bzw. Landesbeteili-
gung.

2. Steuermindereinnahmen

Die Mitstifter aus der Wirtschaft werden ihre Leistungen als Betriebsausgaben
steuermindernd geltend machen können. Daraus werden Steuermindereinnah-
men in Höhe von voraussichtlich bis zu 2,5 Milliarden Deutsche Mark resultie-
ren.

3. Vollzugsaufwand

Der Vollzugsaufwand – er wird auf rd. 3 % der auszukehrenden Stiftungsmittel
geschätzt – ist aus den Stiftungsmitteln zu decken.

E. Sonstige Kosten

Von den beteiligten Unternehmen sind weitere 5 Milliarden Deutsche Mark zur
Ausstattung des Stiftungsvermögens zugesagt worden. Ein Druck zur Preiser-
höhung besteht für die Wirtschaft voraussichtlich nicht. Vor diesem Hinter-
grund sind Auswirkungen auf die Einzelpreise und das Preisniveau, insbeson-
dere auf das Verbraucherpreisniveau, nicht zu erwarten.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 –

Drucksache

14/

3206

Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwortung
und Zukunft“

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

§ 1
Errichtung und Sitz

(1) Unter dem Namen „Erinnerung, Verantwortung und
Zukunft“ wird eine rechtsfähige Stiftung des öffentlichen
Rechts errichtet. Die Stiftung gilt als mit dem Inkrafttreten
dieses Gesetzes entstanden.

(2) Der Sitz der Stiftung ist Berlin.

§ 2
Stiftungszweck

(1) Zweck der Stiftung ist es, über Partnerorganisationen
Finanzmittel zur Gewährung von Leistungen an ehemalige
Zwangsarbeiter und von anderem Unrecht aus der Zeit des
Nationalsozialismus Betroffene bereitzustellen.

(2) Innerhalb der Stiftung wird ein Fonds „Erinnerung
und Zukunft“ gebildet. Seine dauerhafte Aufgabe besteht
darin, vor allem mit den Erträgen aus den ihm zugewiese-
nen Stiftungsmitteln Projekte zu fördern, die der Völkerver-
ständigung, dem Jugendaustausch, der sozialen Gerechtig-
keit, der Erinnerung an die Bedrohung durch totalitäre
Systeme und Gewaltherrschaft und der internationalen Zu-
sammenarbeit auf humanitärem Gebiet dienen. In diesem
Rahmen sollen auch Interessen der Erben und Hinterbliebe-
nen von Opfern nationalsozialistischen Unrechts angemes-
sen berücksichtigt werden.

§ 3
Stifter und Stiftungsvermögen

(1) Stifter sind die in der Stiftungsinitiative der deutschen
Wirtschaft zusammengeschlossenen Unternehmen und der
Bund.

(2) Die Stiftung wird mit folgendem Vermögen ausge-
stattet:

1. Fünf Milliarden Deutsche Mark, zu deren Bereitstellung
sich die in der Stiftungsinitiative der deutschen Wirt-
schaft zusammengeschlossenen Unternehmen bereiter-
klärt haben, einschließlich der Leistungen, die deutsche
Versicherungsunternehmen dem International Commit-
tee of Holocaust Era Insurance Claims zur Verfügung
gestellt haben oder noch stellen werden.

2. Fünf Milliarden Deutsche Mark, die der Bund in glei-
chen Teilen im Jahr 2000 und zu Beginn des Haushalts-
jahres 2001 zur Verfügung stellt. Der Beitrag des Bundes
umfasst die Beiträge von Unternehmen, soweit der Bund
Alleineigentümer oder mehrheitlich an diesen beteiligt
ist.

(3) Eine Nachschusspflicht der Stifter besteht nicht.

(4) Die Stiftung ist berechtigt, Zuwendungen von Dritten
anzunehmen.

(5) Erträge des Stiftungsvermögens und sonstige Einnah-
men sind nur im Sinne des Stiftungszwecks zu verwenden.

§ 4
Organe der Stiftung

Organe der Stiftung sind

1. das Kuratorium,

2. der Stiftungsvorstand.

§ 5
Kuratorium

(1) Das Kuratorium besteht aus 23 Mitgliedern. Dies sind

1. der vom Bundeskanzler zu benennende Vorsitzende,

2. vier von den in der Stiftungsinitiative der deutschen
Wirtschaft zusammengeschlossenen Unternehmen zu
benennende Mitglieder,

3. drei vom Deutschen Bundestag und zwei vom Bundes-
rat zu benennende Mitglieder,

4. ein Vertreter des Bundesministeriums der Finanzen,

5. ein Vertreter des Auswärtigen Amts,

6. ein Vertreter des Bundesministeriums der Justiz,

7. ein von der Conference on Jewish Material Claims
against Germany zu benennendes Mitglied,

8. ein vom Bundesministerium der Finanzen zu benen-
nendes Mitglied der Sinti und Roma,

9. ein von der Regierung Israels zu benennendes Mit-
glied,

10. ein von der Regierung der Vereinigten Staaten von
Amerika zu benennendes Mitglied,

11. ein von der Regierung der Republik Polen zu benen-
nendes Mitglied,

12. ein von der Regierung der Russischen Föderation zu
benennendes Mitglied,

13. ein von der Regierung der Ukraine zu benennendes
Mitglied,

14. ein von der Regierung der Republik Weißrussland zu
benennendes Mitglied,

15. ein von der Regierung der Tschechischen Republik zu
benennendes Mitglied und

16. ein von der Regierung der Vereinigten Staaten von
Amerika zu benennender Rechtsanwalt.

Die entsendende Stelle kann für jedes Kuratoriumsmitglied
einen Vertreter bestimmen. Sobald die Auszahlung der Leis-
tungen nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 und Satz 2 abge-
schlossen ist, spätestens nach Ablauf der ersten Amtszeit
gemäß Absatz 2 ist das Kuratorium auf die in Nr. 1, 3, 5, 9,
10, 11, 12, 13 sowie zwei der in Nr. 2 genannten Mitglieder
zu vermindern. Durch einstimmigen Beschluss des Kura-
Drucksache

14/

3206

– 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

toriums kann eine andere Zusammensetzung des Kuratori-
ums zugelassen werden.

(2) Die Amtszeit der Kuratoriumsmitglieder beträgt vier
Jahre. Scheidet ein Mitglied vorzeitig aus, kann für den Rest
seiner Amtszeit ein Nachfolger benannt werden. Die Mit-
glieder des Kuratoriums können von der entsendenden
Stelle jederzeit abberufen werden.

(3) Das Kuratorium gibt sich eine Geschäftsordnung.

(4) Das Kuratorium ist beschlussfähig, wenn mehr als die
Hälfte seiner Mitglieder anwesend ist. Es fasst seine Be-
schlüsse mit einfacher Mehrheit. Bei Stimmengleichheit
entscheidet die Stimme des Vorsitzenden.

(5) Das Kuratorium beschließt über alle grundsätzlichen
Fragen, die zum Aufgabenbereich der Stiftung gehören, ins-
besondere über die Feststellung des Haushaltsplans und die
Jahresrechnung. Es überwacht die Tätigkeit des Stiftungs-
vorstands.

(6) Über Projekte des Fonds „Erinnerung und Zukunft“
entscheidet das Kuratorium auf Vorschlag des Stiftungsvor-
stands.

(7) Das Kuratorium erlässt Richtlinien für die Verwen-
dung der Mittel, soweit die Verwendung nicht bereits durch
dieses Gesetz geregelt ist.

(8) Die Mitglieder des Kuratoriums sind ehrenamtlich tä-
tig; notwendige Auslagen werden erstattet.

§ 6
Stiftungsvorstand

(1) Der Stiftungsvorstand besteht aus dem Vorsitzenden
und höchstens 2 weiteren Mitgliedern. Mitglieder des Kura-
toriums dürfen nicht zugleich dem Vorstand angehören.

(2) Die Mitglieder des Stiftungsvorstands werden vom
Kuratorium bestimmt.

(3) Der Stiftungsvorstand führt die laufenden Geschäfte
der Stiftung, insbesondere setzt er die Beschlüsse des Kura-
toriums um. Er ist für die Verteilung der Stiftungsmittel an
die Partnerorganisationen und den Fonds „Erinnerung und
Zukunft“ verantwortlich und überwacht ihre zweckentspre-
chende und wirtschaftliche Verwendung, insbesondere, dass
die Partnerorganisationen die Vorgaben dieses Gesetzes und
die vom Kuratorium zur Mittelverwendung aufgestellten
Richtlinien einhalten. Er vertritt die Stiftung gerichtlich und
außergerichtlich.

(4) Das Nähere regelt die Satzung.

§ 7
Satzung

Das Kuratorium beschließt mit einer Mehrheit von zwei
Dritteln eine Satzung. Kommt innerhalb von drei Monaten
nach der konstituierenden Sitzung des Kuratoriums eine
Satzung nicht zustande, schlägt der Vorsitzende eine Sat-
zung vor, die mit einfacher Mehrheit angenommen wird.
Das Kuratorium kann die Satzung mit einer Mehrheit von
zwei Dritteln ändern.

§ 8
Aufsicht, Haushalt, Rechnungsprüfung

(1) Die Stiftung untersteht der Rechtsaufsicht des Bun-
desministeriums der Finanzen, ab der zweiten Amtszeit des
Kuratoriums der Rechtsaufsicht des Auswärtigen Amts.

(2) Die Stiftung hat rechtzeitig vor Beginn eines jeden
Geschäftsjahres einen Haushaltsplan aufzustellen. Der
Haushaltsplan bedarf der Genehmigung des Bundesministe-
riums der Finanzen.

(3) Die Stiftung unterliegt der Prüfung durch den Bun-
desrechnungshof.

§ 9
Verwendung der Stiftungsmittel

(1) Mittel der Stiftung werden den Partnerorganisationen
im Sinne des § 10 zugewiesen. Sie dienen der Gewährung
von Einmalleistungen an die nach § 11 Leistungsberechtig-
ten sowie zur Deckung der bei den Partnerorganisationen
entstehenden Personal- und Sachkosten. Leistungsberech-
tigte nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 können bis zu
15 000 Deutsche Mark und Leistungsberechtigte nach § 11
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis zu 5 000 Deutsche Mark erhalten.
Eine Leistung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder 2 schließt
eine Leistung nach § 11 Abs. 1 Satz1 Nr. 3 nicht aus.

(2) Für die einzelnen beauftragten Partnerorganisationen
werden durch Beschluss des Kuratoriums mit einer Mehr-
heit von zwei Dritteln Höchstbeträge für Leistungen nach
§ 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 sowie Satz 2 (Personenschä-
den) festgelegt. Die Partnerorganisationen müssen mit die-
sen Mitteln die vorgesehenen Leistungen für alle Personen
erbringen, die am 1. Januar 2000 ihren Hauptwohnsitz in ih-
rem jeweiligen sachlichen und örtlichen Zuständigkeitsbe-
reich hatten.

(3) Die Mittel der Stiftung sind weiterhin in Höhe von

1. einer Milliarde Deutsche Mark für Leistungen an Leis-
tungsberechtigte nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und
Satz 4, davon 50 Millionen Deutsche Mark für Leistun-
gen nach § 11 Abs. 1 Satz 4, und

2. 700 Millionen Deutsche Mark für Projekte des Fonds
„Erinnerung und Zukunft“

zu verwenden. Über die Verwendung der nach Absatz 2 zu-
geteilten, aber nicht verbrauchten Mittel entscheidet das
Kuratorium; nicht verbrauchte Mittel nach Satz 1 Nr. 1 flie-
ßen der Conference on Jewish Material Claims against Ger-
many für soziale Zwecke zu.

(4) Die Partnerorganisationen können in Absprache mit
dem Kuratorium innerhalb der Quote für Zwangsarbeiter
nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Unterkategorien nach der
Schwere des Schicksals bilden und entsprechend abgestufte
Höchstbeträge festlegen.

(5) Die Stiftungsmittel nach Absatz 3 Nr. 1 umfassen die
Beträge, die dem International Committee of Holocaust Era
Insurance Claims von der Stiftung oder deutschen Versiche-
rungsunternehmen für Leistungen aus Versicherungsschä-
den zur Verfügung gestellt wurden oder noch werden.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 5 –

Drucksache

14/

3206

(6) Die Höchstbeträge nach Absatz 1 dürfen zunächst nur
in Höhe von 50 vom Hundert für Leistungsberechtigte nach
§ 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und von 35 vom Hundert für Leis-
tungsberechtigte nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 ausge-
schöpft werden. Eine weitere Leistung bis zu 50 vom Hun-
dert der in Absatz 1 genannten Beträge für Leistungsberech-
tigte nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 65 vom Hundert der
in Absatz 1 genannten Beträge für Leistungsberechtigte
nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 erfolgt nach Abschluss
der Bearbeitung aller bei der jeweiligen Partnerorganisation
anhängigen Anträge, wenn und soweit dies im Rahmen der
verfügbaren Mittel möglich ist.

(7) Aus den Mitteln der Stiftung sind Personal- und
Sachkosten zu tragen.

§ 10
Mittelvergabe durch Partnerorganisationen

(1) Die Gewährung und die Auszahlung der Einmalleis-
tungen an die nach § 11 Leistungsberechtigten erfolgen
durch Partnerorganisationen. Die Stiftung ist insoweit we-
der berechtigt noch verpflichtet.

(2) Die Stiftung und ihre Partnerorganisationen sorgen
innerhalb von zwei Monaten nach Inkrafttreten des Geset-
zes für eine angemessene Bekanntmachung der nach diesem
Gesetz möglichen Leistungen für alle in Betracht kommen-
den Gruppen von Leistungsberechtigten in den jeweiligen
Wohnsitzländern. Diese beinhaltet insbesondere Informatio-
nen über die Stiftung und ihre Partnerorganisationen, die
Leistungsvoraussetzungen und Anmeldefristen.

§ 11
Leistungsberechtigte

(1) Leistungsberechtigt nach diesem Gesetz ist, wer

1. in einem Konzentrationslager im Sinne von § 42 Abs. 2
Bundesentschädigungsgesetz oder in einer anderen Haft-
stätte oder einem Ghetto unter vergleichbaren Bedingun-
gen inhaftiert war und zur Arbeit gezwungen wurde,

2. aus seinem Heimatstaat in das Gebiet des Deutschen
Reichs in den Grenzen von 1937 oder in ein vom Deut-
schen Reich besetztes Gebiet deportiert wurde, zu einem
Arbeitseinsatz in einem gewerblichen Unternehmen
oder im öffentlichen Bereich gezwungen und unter ande-
ren Bedingungen als den in Nummer 1 genannten inhaf-
tiert oder haftähnlichen Bedingungen oder vergleichbar
besonders schlechten Lebensbedingungen unterworfen
war; diese Regelung gilt nicht für Personen, die nach Ös-
terreich deportiert worden sind,

3. im Zuge rassischer Verfolgung unter wesentlicher und
schadensursächlicher Beteiligung deutscher Unterneh-
men Vermögensschäden im Sinne der Wiedergutma-
chungsgesetze erlitten hat und mangels Erfüllung der
Wohnsitzvoraussetzungen des Bundesentschädigungsge-
setzes hierfür keine Leistungen erhalten konnte oder auf
Grund seines Wohnsitzes oder dauernden Aufenthalts in
einem Gebiet, mit dessen Regierung die Bundesrepublik
Deutschland keine diplomatischen Beziehungen unter-
hielt, nicht imstande war, fristgerecht Rückerstattungs-
ansprüche geltend zu machen. Sonderregelungen im

Rahmen des International Committee of Holocaust Era
Insurance Claims bleiben unberührt.

Die Partnerorganisationen können im Rahmen der ihnen
nach § 9 Abs. 2 zugewiesenen Mittel Leistungen auch sol-
chen Opfern nationalsozialistischer Unrechtsmaßnahmen
gewähren, die nicht zu einer der in Satz 1 genannten Fall-
gruppen gehören. Diese Leistungen dürfen nicht zu einer
Minderung der für Leistungsberechtigte nach Absatz 1 Nr. 1
vorgesehenen Beträge führen.

Die in § 9 Abs. 3 Ziffer 1 vorgesehenen Mittel können auch
für andere als die in Satz 1 Nr. 3 genannten Vermögensschä-
den verwendet werden, die während des nationalsozialisti-
schen Regimes unter wesentlicher und schadensursächlicher
Beteiligung deutscher Unternehmen verursacht wurden.

(2) Die Leistungsberechtigung ist vom Antragsteller
durch Urkunden nachzuweisen. Die Partnerorganisation hat
entsprechende Beweismittel hinzuzuziehen. Liegen solche
Beweismittel nicht vor, kann die Leistungsberechtigung auf
andere Weise glaubhaft gemacht werden.

(3) Kriegsgefangenschaft begründet keine Leistungsbe-
rechtigung.

§ 12
Begriffsbestimmungen

(1) Kennzeichen für andere Haftstätten im Sinne von
§ 11 Abs. 1 Nr. 1 sind unmenschliche Haftbedingungen, un-
zureichende Ernährung und fehlende medizinische Versor-
gung.

(2) Deutsche Unternehmen im Sinne der §§ 11 und 16
sind alle Unternehmen, die ihren Sitz im Gebiet des Deut-
schen Reiches in den Grenzen von 1937 hatten oder haben,
sowie deren Muttergesellschaften, auch wenn diese ihren
Sitz im Ausland hatten oder haben. Deutsche Unternehmen
sind ferner außerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches
von 1937 gelegene Unternehmen, an denen in der Zeit zwi-
schen dem 30. Januar 1933 und dem Inkrafttreten dieses
Gesetzes deutsche Unternehmen nach Satz 1 unmittelbar
oder mittelbar mit mindestens 25 vom Hundert beteiligt wa-
ren.

§ 13
Antragsrecht

(1) Leistungen nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 und 2 sind höchst-
persönlich und als solche zu beantragen. Ist der Leistungs-
berechtigte nach dem 16. Februar 1999 verstorben oder
werden Leistungen nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 beantragt, sind
der überlebende Ehegatte und die noch lebenden Kinder zu
gleichen Teilen leistungsberechtigt.

(2) Juristische Personen sind nicht leistungsberechtigt.

§ 14
Antragsfrist

Anträge können nur innerhalb von acht Monaten nach In-
krafttreten des Gesetzes bei der zuständigen Partnerorgani-
sation gestellt werden (Ausschlussfrist). Solange eine Part-
nerorganisation noch nicht beauftragt wurde, sind Anträge
innerhalb der Frist unmittelbar an die Stiftung zu richten.
Anträge, die unmittelbar bei der Stiftung oder bei unzustän-
Drucksache

14/

3206

– 6 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

digen Partnerorganisationen eingehen, werden an die je-
weils zuständige Partnerorganisation weitergeleitet. Das
Kuratorium kann für den Bereich einzelner Partnerorganisa-
tionen eine Verlängerung der Antragsfrist auf bis zu insge-
samt einem Jahr zulassen.

§ 15
Berücksichtigung anderer Leistungen

(1) Die Leistungen sollen den Leistungsberechtigten für
erlittenes nationalsozialistisches Unrecht zugute kommen
und dürfen nicht zur Minderung von Einkünften aus der
Sozialfürsorge und dem Gesundheitswesen führen.

(2) Frühere Leistungen von Unternehmen zum Ausgleich
von Zwangsarbeit und anderem nationalsozialistischen Un-
recht, auch wenn sie über Dritte gewährt wurden, werden
auf Leistungen nach § 9 Abs. 1 angerechnet.

§ 16
Ausschluss von Ansprüchen

(1) Leistungen aus Mitteln der öffentlichen Hand ein-
schließlich der Sozialversicherung sowie deutscher Unter-
nehmen für erlittenes nationalsozialistisches Unrecht im
Sinne von § 11 können nur nach diesem Gesetz beantragt
werden. Etwaige weitergehende Ansprüche im Zusammen-
hang mit nationalsozialistischem Unrecht sind ausgeschlos-
sen. Das gilt auch, soweit etwaige Ansprüche kraft Geset-
zes, kraft Überleitung oder durch Rechtsgeschäft auf einen
Dritten übertragen worden sind.

(2) Jeder Leistungsberechtigte gibt im Antragsverfahren
eine Erklärung ab, dass er mit Erhalt einer Leistung nach
diesem Gesetz auf jede darüber hinausgehende Geltendma-
chung von Forderungen gegen die öffentliche Hand für
Zwangsarbeit und für Vermögensschäden sowie auf alle
Ansprüche gegen deutsche Unternehmen im Zusammen-
hang mit nationalsozialistischem Unrecht unwiderruflich
verzichtet. Der Verzicht auf Forderungen wegen Zwangsar-
beit bedeutet nicht den Verzicht auf Forderungen wegen
Vermögensschäden und umgekehrt. Dieser Verzicht um-
fasst auch den Ersatz von Kosten für die Rechtsverfolgung.
Das Verfahren wird im Einzelnen durch die Satzung gere-
gelt.

(3) Weitergehende Wiedergutmachungs- und Kriegsfol-
genregelungen bleiben hiervon unberührt.

§ 17
Bereitstellung der Mittel

(1) Die Auszahlung der Stiftungsmittel erfolgt nach dem
Inkrafttreten des deutsch-amerikanischen Regierungsab-
kommens betreffend die Stiftung „Erinnerung, Verantwor-
tung und Zukunft“, frühestens nach Inkrafttreten des Geset-
zes.

(2) Die Stiftung stellt den Partnerorganisationen die Mit-
tel nach Maßgabe des § 9 Abs. 2 und 3 vierteljährlich auf
Grund des nachgewiesenen Bedarfs zur Verfügung. Ihre
Verwendung wird von der Stiftung in angemessener Weise
überprüft.

§ 18
Auskunftsersuchen

(1) Die Stiftung und ihre Partnerorganisationen sind be-
rechtigt, von Behörden und anderen öffentlichen Einrich-
tungen Auskünfte einzuholen, die zur Erfüllung ihrer Auf-
gaben erforderlich sind. Eine Auskunftserteilung
unterbleibt, soweit besondere gesetzliche Verwendungsre-
gelungen entgegenstehen oder die schutzwürdigen Interes-
sen des Betroffenen das Allgemeininteresse an der Aus-
kunftserteilung überwiegen.

(2) Die eingeholten Auskünfte dürfen nur für die Erfül-
lung des Stiftungszwecks, personenbezogene Daten eines
Antragstellers nur für das Verfahren zur Leistungsgewäh-
rung nach § 11 verwendet werden. Die Verwendung dieser
Daten für andere Zwecke ist zulässig, wenn der Antragstel-
ler ausdrücklich zustimmt.

§ 19
Beschwerdeverfahren

Bei den Partnerorganisationen sind unabhängige und kei-
nen Weisungen unterworfene Beschwerdestellen einzurich-
ten. Das Verfahren vor den Beschwerdestellen ist kosten-
frei. Kosten des Antragstellers werden nicht erstattet.

§ 20
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt in Kraft, sobald sichergestellt ist, dass
die in § 3 Abs. 2 Nr. 1 genannten Mittel der Stiftung in vol-
lem Umfang zur Verfügung gestellt werden. Das Bundesmi-
nisterium der Finanzen gibt den Tag des Inkrafttretens im
Bundesgesetzblatt bekannt.

Berlin, den 13. April 2000

Brigitte Adler
Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr
Doris Barnett
Dr. Hans Peter Bartels

Klaus Barthel (Starnberg)
Eckhardt Barthel (Berlin)
Ingrid Becker-Inglau
Wolfgang Behrendt
Dr. Axel Berg
Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher
Petra Bierwirth

Rudolf Bindig
Lothar Binding (Heidelberg)
Kurt Bodewig
Klaus Brandner
Anni Brandt-Elsweier
Willi Brase
Dr. Eberhard Brecht
Bernhard Brinkmann (Hildesheim)
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 7 –

Drucksache

14/

3206

Rainer Brinkmann (Detmold)
Hans-Günter Bruckmann
Edelgard Bulmahn
Ursula Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans-Martin Bury
Hans Büttner (Ingolstadt)
Marion Caspers-Merk
Wolf-Michael Catenhusen
Dr. Peter Wilhelm Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Christel Deichmann
Karl Diller
Peter Dreßen
Rudolf Dreßler
Detlef Dzembritzki
Dieter Dzewas
Dr. Peter Eckardt
Sebastian Edathy
Ludwig Eich
Marga Elser
Peter Enders
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Annette Faße
Lothar Fischer (Homburg)
Gabriele Fograscher
Iris Follak
Norbert Formanski
Rainer Fornahl
Hans Forster
Dagmar Freitag
Lilo Friedrich (Mettmann)
Peter Friedrich (Altenburg)
Harald Friese
Anke Fuchs (Köln)
Arne Fuhrmann
Monika Ganseforth
Konrad Gilges
Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Günter Graf (Friesoythe)
Angelika Graf (Rosenheim)
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Karl Hermann Haack (Extertal)
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Manfred Hampel
Christel Hanewinckel
Alfred Hartenbach
Anke Hartnagel

Klaus Hasenfratz
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Frank Hempel
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Monika Heubaum
Reinhold Hiller (Lübeck)
Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Iris Hoffmann (Wismar)
Walter Hoffmann (Darmstadt)
Jelena Hoffmann (Chemnitz)
Frank Hofmann (Volkach)
Ingrid Holzhüter
Eike Hovermann
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Barbara Imhof
Brunhilde Irber
Gabriele Iwersen
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung (Düsseldorf)
Johannes Kahrs
Ulrich Traugott Kasparick
Sabine Kaspereit
Susanne Kastner
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Marianne Klappert
Siegrun Klemmer
Hans-Ulrich Klose
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Konrad Kunick
Dr. Uwe Küster
Werner Labsch
Christine Lambrecht
Brigitte Lange
Christian Lange (Backnang)
Detlev von Larcher
Christine Lehder

Waltraud Lehn
Robert Leidinger
Klaus Lennartz
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
Christa Lörcher
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß (Herne)
Winfried Mante
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Ulrike Mascher
Christoph Matschie
Heide Mattischeck
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer (Ulm)
Ursula Mogg
Christoph Moosbauer
Siegmar Mosdorf
Michael Müller (Düsseldorf)
Jutta Müller (Völklingen)
Christian Müller (Zittau)
Franz Müntefering
Andrea Maria Nahles
Volker Neumann (Bramsche)
Gerhard Neumann (Gotha)
Dr. Edith Niehuis
Dr. Rolf Niese
Dietmar Nietan
Günter Oesinghaus
Eckhard Ohl
Leyla Onur
Manfred Opel
Holger Ortel
Adi Ostertag
Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Willfried Penner
Dr. Martin Pfaff
Georg Pfannenstein
Johannes Andreas Pflug
Dr. Eckhart Pick
Joachim Poß
Karin Rehbock-Zureich
Dr. Carola Reimann
Margot von Renesse
Renate Rennebach
Dr. Edelbert Richter
Gudrun Roos
Reinhold Robbe
Drucksache

14/

3206

– 8 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Peter René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Birgit Roth (Speyer)
Michael Roth (Heringen)
Gerhard Rübenkönig
Marlene Rupprecht
Thomas Sauer
Dr. Hansjörg Schäfer
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Siegfried Willy Scheffler
Horst Schild
Otto Schily
Dieter Schloten
Horst Schmidbauer (Nürnberg)
Silvia Schmidt
Ulla Schmidt (Aachen)
Dagmar Schmidt (Meschede)
Wilhelm Schmidt (Salzgitter)
Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt (Berg)
Carsten Schneider
Dr. Emil Schnell
Walter Schöler
Olaf Scholz
Karsten Schönfeld
Friedrich Schösser
Ottmar Schreiner
Gerhard Schröder
Gisela Schröter
Dr. Mathias Schubert
Richard Schuhmann (Delitzsch)
Dr. Peter Struck und Fraktion

Brigitte Schulte (Hameln)
Reinhard Schultz (Everswinkel)
Volkmar Schultz (Köln)
Ilse Schumann
Ewald Schurer
Dr. Werner R. Schuster
Dietmar Schütz (Oldenburg)
Dr. Angelica Schwall-Düren
Rolf Schwanitz
Bodo Seidenthal
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast
Wieland Sorge
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Lothar Staffelt
Antje-Marie Steen
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Rita Streb-Hesse
Reinhold Strobl (Amberg)
Joachim Stünker
Joachim Tappe
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher
Adelheid Tröscher
Hans Urbaniak
Rüdiger Veit

Simone Violka
Ute Vogt (Pforzheim)
Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Dr. Konstanze Wegner
Wolfgang Weiermann
Reinhard Weis (Stendal)
Gunter Weißgerber
Matthias Weisheit
Gert Weisskirchen (Wiesloch)
Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker
Jochen Welt
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Dr. Norbert Wieczorek
Jürgen Wieczorek (Böhlen)
Helmut Wieczorek (Duisburg)
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Heino Wiese (Hannover)
Klaus Wiesehügel
Brigitte Wimmer (Karlsruhe)
Engelbert Clemens Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Hanna Wolf (München)
Waltraud Wolff (Zielitz)
Heidemarie Wright
Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel
Peter Zumkley

Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

Marieluise Beck (Bremen)
Angelika Beer
Annelie Buntenbach
Ekin Deligöz
Dr. Uschi Eid
Katrin Göring-Eckardt
Rita Grießhaber
Winfried Hermann
Antje Hermenau

Ulrike Höfken
Angelika Köster-Loßack
Dr. Helmut Lippelt
Dr. Reinhard Loske
Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Cem Özdemir
Claudia Roth (Augsburg)
Irmingard Schewe-Gerigk

Christian Simmert
Christian Sterzing
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Dr. Antje Vollmer
Dr. Ludger Volmer
Helmut Wilhelm (Amberg)

Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und Fraktion
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 9 –

Drucksache

14/

3206

Hildebrecht Braun (Augsburg)
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Gisela Frick
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich (Bayreuth)
Rainer Funke
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt

Dr. Helmut Haussmann
Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Ulrich Irmer
Dr. Klaus Kinkel
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Jürgen W. Möllemann
Dirk Niebel

Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Dr. Günter Rexrodt
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Gerhard Schüßler
Dr. Irmgard Schwaetzer
Dr. Hermann Otto Solms
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Dr. Guido Westerwelle

Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

Monika Balt
Dr. Dietmar Bartsch
Petra Bläss
Maritta Böttcher
Roland Claus
Heidemarie Ehlert
Dr. Heinrich Fink
Dr. Ruth Fuchs
Fred Gebhardt
Wolfgang Gehrcke-Reymann
Dr. Klaus Grehn

Uwe Hiksch
Dr. Barbara Höll
Carsten Hübner
Gerhard Jüttemann
Dr. Evelyn Kenzler
Dr. Heidi Knake-Werner
Rolf Kutzmutz
Ulla Lötzer
Dr. Christa Luft
Heidemarie Lüth
Angela Marquardt

Manfred Müller
Kersten Naumann
Rosel Neuhäuser
Christine Ostrowski
Petra Pau
Dr. Uwe-Jens Rössel
Christina Schenk
Gustav-Adolf Schur
Dr. Ilja Seifert

Dr. Gregor Gysi und Fraktion
Drucksache

14/

3206

– 10 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Begründung

Allgemeiner Teil

Das 20. Jahrhundert war für Deutschland und seine Nach-
barstaaten von zwei schrecklichen Kriegen bestimmt. Die
jüdischen Bürger, die Sinti und die Roma dieser Staaten
wurden durch das NS-Regime einer bis dahin unvorstellba-
ren Vernichtungsaktion ausgesetzt. Entgegen klaren Rege-
lungen des Völkerrechts wurden zahllose Bürger der besetz-
ten Staaten zu Zwangs- und Sklavenarbeitern erniedrigt.
Am Ende dieses Jahrhunderts wollen daher die Bundesrepu-
blik Deutschland und deutsche Unternehmen mit der Bun-
desstiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ – die
bisherigen umfangreichen Wiedergutmachungsregelungen
ergänzend – ein Zeichen ihrer moralischen Verantwortung
für diese Geschehnisse setzen. Abschließend kann dies nur
in finanzieller Hinsicht sein. Bundespräsident Johannes Rau
hat in seiner Ansprache vom 17. Dezember 1999 Folgendes
ausgeführt (Auszug):

„Wir alle wissen, dass man die Opfer von Verbrechen mit
Geld nicht wirklich entschädigen kann. Wir alle wissen,
dass das Leid, das Millionen Frauen und Männer zugefügt
wurde, nicht wiedergutgemacht werden kann. Es macht
auch keinen Sinn, begangenes Unrecht gegeneinander auf-
zurechnen.

Sklaven- und Zwangsarbeit bedeutete nicht nur das Vorent-
halten des gerechten Lohnes. Sie bedeutete Verschleppung,
Entrechtung, die brutale Missachtung der Menschenwürde.
Oft war sie planvoll darauf angelegt, die Menschen durch
Arbeit zu vernichten.

Für alle, die damals ihr Leben verloren haben, kommt die
Entschädigung genauso zu spät wie für alle, die inzwischen
gestorben sind.

Umso wichtiger ist es, dass jetzt alle Überlebenden mög-
lichst bald die heute vereinbarte humanitäre Leistung be-
kommen. Ich weiß, dass für viele gar nicht das Geld ent-
scheidend ist. Sie wollen, dass ihr Leid als Leid anerkannt
und das Unrecht, das ihnen angetan worden ist, Unrecht ge-
nannt wird.

Ich gedenke heute aller, die unter deutscher Herrschaft Skla-
venarbeit und Zwangsarbeit leisten mussten und bitte im
Namen des deutschen Volkes um Vergebung.

Ihre Leiden werden wir nicht vergessen.“

Die Bundesregierung schließt sich dieser Bewertung an.

Ein Teil der Bundesstiftung soll Zukunftsaufgaben gewid-
met sein, die einerseits die Erinnerung an den Holocaust
und vielfaches NS-Unrecht wachhalten, andererseits helfen
sollen, durch die Förderung von Information und Begeg-
nungen eine erneute Bedrohung durch totalitäre Systeme zu
vermeiden. Der Sensibilisierung für Menschenrechtsverlet-
zungen aller Art wird hierbei besondere Bedeutung beige-
messen. Dieser Teil der Stiftung wird auf Dauer ausgerich-
tet sein. Seine Zielsetzung und Ausgestaltung ist Ausdruck

der fortbestehenden moralischen Verantwortung Deutsch-
lands auch in der Zukunft.

Das deutsche Wiedergutmachungsrecht ist auf der Grund-
lage alliierter Gesetze begonnen und mit der wiedergewon-
nenen deutschen Selbstverwaltung weiterentwickelt wor-
den.

Inzwischen betragen die Wiedergutmachungsleistungen
über 100 Milliarden Deutsche Mark, und jährlich werden
weitere 1,2 Milliarden Deutsche Mark an Renten nach dem
Bundesentschädigungsgesetz sowie 240 Millionen DM für
laufende Leistungen nach dem Artikel 2 – Abkommen ge-
zahlt.

Im Bewusstsein vielfältiger Verstrickungen der deutschen
Unternehmen in NS-Unrecht soll jedoch mit der Stiftung ein
zusätzliches Zeichen moralischer Verantwortung gesetzt
werden. Ziel der Stiftung ist es, durch eine finanziell be-
deutsame Anstrengung zu ermöglichen, dass NS-Opfer im
Rahmen der Stiftung faire, unbürokratische und schnelle
Leistungen erhalten. Dies gilt vordringlich für die in § 11
des Gesetzes definierten Sklaven- und Zwangsarbeiter. Auf-
grund der Öffnungsklausel des § 11 Abs. 1 Satz 2 können
Leistungen auch in sonstigen, bislang nicht oder nicht ange-
messen berücksichtigten Fällen von NS-Unrecht gewährt
werden. Dies kann zum Beispiel Personen betreffen, die als
Kinder in Konzentrationslagern oder Zwangsarbeitslagern
leben mussten, oder KZ-Häftlinge, die nicht zu Zwangsar-
beit herangezogen waren und wegen des Territorialitätsprin-
zips auch von Leistungen nach dem Bundesentschädigungs-
gesetz ausgeschlossen waren, oder Zwangsarbeiter in der
Landwirtschaft.

Die Konzentration auf die Fallgruppen nach § 11 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 bis 3 bedeutet, dass im Rahmen der Stiftung
vordringlich diejenigen Opfergruppen bedacht werden sol-
len, die in der Zeit des NS-Regimes ein überdurchschnitt-
lich schweres Schicksal erlitten haben. Entsprechend einem
Vorschlag der USA in den Verhandlungen, die dem Gesetz-
gebungsverfahren vorgeschaltet waren, können die Partner-
organisationen, denen die Bereitstellung der individuellen
Leistungen übertragen wird, zu Lasten der Höchstbeträge
für Zwangsarbeiter nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 auch minder-
schwere Fälle nationalsozialistischen Unrechts einbeziehen
(z. B. Zwangsarbeit in der Landwirtschaft) und dabei Unter-
kategorien mit entsprechender Abstufung der Höchstbeträge
bilden (§ 9 Abs. 4).

Im Rahmen der internationalen vorbereitenden Kommission
unter Leitung von Graf Lambsdorff und Vizeminister Eizen-
stat wurde allgemein akzeptiert, dass die Empfänger von
Leistungen der Stiftung individuelle Schlussatteste unter-
zeichnen. Im Stiftungsgesetz ist zusätzlich vorgesehen, dass
– abgesehen von weitergehenden speziellen Wiedergutma-
chungsregelungen – die Stiftung allein und begrenzt auf ihr
Vermögen für abschließende Wiedergutmachungsleistungen
über Partnerorganisationen zur Verfügung steht. Die Kon-
zeption der HIV-Stiftung und der Contergan-Stiftung diente
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 11 –

Drucksache

14/

3206

als Vorbild. Auch hier wurden mögliche Ansprüche kraft
Gesetzes auf eine zentrale Einrichtung konzentriert mit der
Folge, dass alle etwaigen weitergehenden Ansprüche gegen
die Stifter erlöschen.

Das Stiftungsgesetz erweitert die freiwillig akzeptierte Ver-
antwortung der Unternehmen insofern, als die Stiftung Leis-
tungen auch ehemaligen Zwangsarbeitern gewährt, deren
seinerzeitiger Arbeitgeber nicht mehr existiert oder nicht
mehr bekannt oder nicht mehr nachweisbar ist. Die vom
Verursacherprinzip losgelösten Stiftungsleistungen schaffen
somit ein vorwiegend soziales Instrument, weil mit Hilfe
des Stiftungsvermögens ermöglicht wird, dass Zwangsar-
beiter ungeachtet des Fortbestands des seinerzeitigen „Ar-
beitgebers“ Leistungen erhalten können.

Auch deutsche Banken und Versicherungen haben erheblich
zu dem Stiftungsvermögen beigetragen. Sie waren während
des NS-Regimes in dessen „Arisierungs“- oder sonstigen
Maßnahmen gegen jüdisches Eigentum verstrickt. „Arisie-
rungen“ sind im Westen Deutschlands nach dem Krieg in
rechtsstaatlichen Verfahren überprüft und soweit wie mög-
lich rückgängig gemacht oder entschädigt worden. Im Bei-
trittsgebiet wurden diesbezügliche Regelungen – wegen des
Zeitablaufs und den zwischenzeitlichen Entwicklungen an-
gemessen modifiziert – nach der deutschen Einigung nach-
geholt. Aus den osteuropäischen Nachbarländern ins Bun-
desgebiet verbrachte Vermögenswerte waren in diese
Wiedergutmachungsregelungen einbezogen. Soweit die
„arisierten“ Vermögenswerte dort verblieben sind, ist auch
heute allenfalls der jetzige beziehungsweise der letzte Ei-
gentümer rückgabe- bzw. ausgleichsverpflichtet.

Für die im Zuge der Wiedergutmachungspraxis und der
deutschen Wiedergutmachungsregelungen entstandenen
Härten und Lücken gewährt die Stiftung im Rahmen des
hierfür vorgesehenen Plafonds Ausgleich. Nicht ver-
brauchte Mittel dieses ausschließlich für rassisch bedingte
Verfolgungsschäden bestimmten Teils der Unternehmensin-
itiative soll die für diesen Plafond zentral verantwortliche
Jewish Claims Conference eigenverantwortlich für soziale
Maßnahmen einsetzen können.

Die Stiftungsmittel, die den bisher genannten Zwecken die-
nen sollen, sind zur möglichst schnellen Auszahlung an die
Leistungsberechtigten bestimmt. Dagegen ist das übrige
Stiftungsvermögen auf Dauer zu erhalten, damit aus dessen
Erträgen Projekte gefördert werden können, die der Völker-
verständigung, der sozialen Gerechtigkeit, der internationa-
len Zusammenarbeit auf humanitärem Gebiet und dem Ju-
gendaustausch dienen oder die die Erinnerung an die
Bedrohung durch totalitäre Unrechtsstaaten und Gewalt-
herrschaft wach halten.

Die weiteren Regelungen des Gesetzes betreffen die Orga-
nisation der Stiftung. Hervorzuheben ist insoweit die inter-
nationale Besetzung des Kuratoriums. In ihm sollen neben
den Stiftern die verschiedenen Gruppen von Leistungsbe-
rechtigten repräsentiert sein. Die Stiftung soll, um schnellen
und unbürokratischen Einsatz der Mittel sicherstellen zu
können, auf die Erfahrungen und die Grundlagen zurück-
greifen, die sich aus der Durchführung bisheriger Wieder-
gutmachungsregelungen ergeben haben. Sie soll sich daher
bei der Gewährung ihrer Leistungen der Mitarbeit der Con-

ference on Jewish Material Claims against Germany, der
osteuropäischen Stiftungen oder anderer geeigneter Partner-
organisationen bedienen.

Eine Reihe von Treffen einer internationalen vorbereitenden
Konferenz unter gemeinsamer deutsch-amerikanischer Ver-
antwortung hat die Grundzüge des Stiftungskonzepts, der
Berechtigungskriterien und des damit verbundenen rechtli-
chen Abschlusses erarbeitet. Dabei galt es nicht zuletzt,
Rechtsfrieden für die deutschen Unternehmen zu erreichen,
die in den USA vielfältigen Sammelklagen ausgesetzt wa-
ren und diese angesichts des schweren Schicksals und Al-
ters der Kläger nicht allein mit juristischen Mitteln, sondern
vor allem moralisch und sozial angemessen beantworten
wollen. Die Regierung der USA erkennt dies an, indem sie
vor Gericht zugunsten der beklagten deutschen Unterneh-
men interveniert und darauf verweist, dass auch ihrer An-
sicht nach die Stiftung das einzig angemessene Mittel zum
Ausgleich dieses nationalsozialistischen Unrechts ist.

Zu den einzelnen Vorschriften

Zu § 1

(Errichtung und Sitz)

§ 1 des Gesetzes regelt den Namen, die Rechtsform, die
Entstehung und den Sitz der Stiftung.

Absatz 1

Nach Absatz 1 erhält die Stiftung den Namen „Erinnerung,
Verantwortung und Zukunft“, der vorher allein für eine Stif-
tung deutscher Unternehmen vorgesehen war, aber auch für
eine gemeinsame Unternehmens- und Bundesstiftung pas-
send und der Öffentlichkeit bereits bekannt ist. Sie erhält
die Rechtsform einer Stiftung des öffentlichen Rechts, weil
so die rechtlichen Rahmenbedingungen gelöst und die
Überwachung ihrer Tätigkeit durch die Bundesrepublik
Deutschland am besten gewährleistet werden können. Mit
Inkrafttreten dieses Gesetzes entsteht die Stiftung mit eige-
ner Rechtspersönlichkeit.

Absatz 2

Absatz 2 legt die Bundeshauptstadt Berlin als Sitz der Stif-
tung fest. Der Gesetzgeber will damit die Bedeutung der
Stiftung und die Notwendigkeit der Nähe zum Parlament
betonen.

Zu § 2

(Stiftungswerk)

In § 2 werden die grundsätzlichen Ziele der Stiftung ein-
schließlich der Einrichtung eines Fonds „Erinnerung und
Zukunft“ festgeschrieben. Die in § 2 allgemein aufgeführten
Zielsetzungen werden in den §§ 9 und 11 konkretisiert.

Absatz 1

Zweck der Stiftung ist es vor allem, eine Plattform zu schaf-
fen, auf der deutsche Unternehmen aus humanitären und so-
zialen Erwägungen ihrer moralischen Verpflichtung gerecht
werden können, indem sie einen abschließenden Beitrag zu
einem angemessenen und gerechten Ausgleich für Opfer na-
tionalsozialistischen Unrechts leisten. Der Beitrag der öf-
Drucksache

14/

3206

– 12 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

fentlichen Hand schließt Gerechtigkeitslücken, die sich dar-
aus ergeben, dass sich die deutschen Unternehmen
verständlicherweise nur derjenigen Zwangsarbeiter anneh-
men wollen, die wenigstens zeitweise bei privatwirtschaftli-
chen Betrieben eingesetzt waren.

Absatz 2

Neben der Gewährung von Leistungen an Einzelpersonen
sollen aus dem Stiftungsvermögen auch langfristige Pro-
jekte im sozialen und kulturellen Bereich mit Bezug zur
Veranlassung der Stiftung gefördert werden. Dazu wird der
Fonds „Erinnerung und Zukunft“ gebildet. Ihm wird an-
fangs ein Betrag von 700 Millionen Deutsche Mark aus dem
Stiftungsvermögen zur Verfügung gestellt (§ 9 Abs. 3), aus
dessen Erträgen oder unter Verwendung sonstiger Zuwen-
dungen gemäß § 3 Abs. 4 entsprechende Projekte zu finan-
zieren sind. Dabei sollen auch die Interessen der Nach-
kommen von NS-Opfern angemessen berücksichtigt wer-
den.

Zu § 3

(Stifter und Stiftungsvermögen)

§ 3 nennt die Stifter und regelt die finanzielle Ausstattung
der Stiftung.

Als Ergebnis der schwierigen Verhandlungen mit Regie-
rungs- und Interessenvertretern stellen die in der Stiftungs-
initiative der deutschen Wirtschaft zusammengeschlossenen
Unternehmen und die öffentliche Hand insgesamt zehn Mil-
liarden Deutsche Mark zur Verfügung.

Fünf Milliarden davon entfallen auf die Unternehmen. Die
von deutschen Versicherungsunternehmen dem Interna-
tional Committee of Holocaust Era Insurance Claims
(ICHEIC) bereits zur Verfügung gestellten Mittel (ein-
schließlich Verwaltungskosten) sind hierin enthalten. Mit
dem Beitrag der Unternehmen werden diese ihrer Aufgabe
gerecht, einerseits betroffene Unternehmen vor Schadenser-
satzklagen und internationalen Boykottdrohungen zu be-
wahren und somit den Gesellschaftszweck zu schützen und
andererseits dem Ansehen der deutschen Wirtschaft insge-
samt zu dienen, das für eine auf den Export und die welt-
weite wirtschaftliche Zusammenarbeit angewiesene Nation
von besonderer Bedeutung ist.

Der Beitrag der öffentlichen Hand zum Stiftungsvermögen
beträgt fünf Milliarden Deutsche Mark. Diese Leistungen
erfolgen auch für die im mehrheitlichen Besitz der öffentli-
chen Hand stehenden Unternehmen und für die Bundesan-
stalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben/Treuhandan-
stalt. Es steht im Ermessen der einzelnen ehemaligen
Unternehmen der BvS/THA sich nach Privatisierung an der
Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft zu beteiligen.

Die Länder haben in Aussicht gestellt, einen Anteil dazu
beizutragen. Der Bundeskanzler und die Ministerpräsiden-
ten der Länder haben am 16. Dezember 1999 vereinbart,
über die Beteiligung der Länder an der Bundesstiftung nach
Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens zu beraten. Die
Länder, die während des NS-Regimes keine eigene Rechts-
persönlichkeit darstellten, würden mit ihrem Beitrag solida-
risch für die Kommunen und für die landwirtschaftlichen

Betriebe, die wegen ihrer wirtschaftlichen Lage nicht selbst
herangezogen werden können, eintreten. Beiträge der Län-
der würden auf den Beitrag des Bundes angerechnet und
auch Beiträge von Unternehmen umfassen, soweit das je-
weilige Land Alleineigentümer oder mehrheitlich an diesen
beteiligt ist.

Die Gründungsstifter erbringen einmalige Einlagen. Sie
wollen über fünfzig Jahre nach dem Untergang des Dritten
Reichs auch ein Zeichen für einen positiven Abschluss der
Diskussionen über Verantwortung und Schuld in finanziel-
ler Hinsicht setzen.

Zu § 4

(Organe der Stiftung)

Zur Durchführung der Stiftungsaufgaben wird ein Kurato-
rium bestellt. Die Verwaltung der Stiftung und ihre rechtli-
che Vertretung ist Aufgabe des Stiftungsvorstands.

Zu § 5

(Kuratorium)

Absatz 1

Durch die Besetzung des Kuratoriums ist sichergestellt,
dass auch hier die Interessen der Leistungsberechtigten und
der Stifter angemessen berücksichtigt werden. Es besteht
aus Vertretern der Stifter und aus Vertretern der Leistungs-
berechtigten oder deren Heimatstaaten, die von den jeweili-
gen Institutionen gegenüber der Bundesregierung benannt
und in das Kuratorium entsandt werden. Damit werden die
Interessen von Stiftern und Leistungsberechtigten ausgewo-
gen berücksichtigt. Die entsendenden Regierungen sind auf-
gerufen, Verfolgtenverbände oder die Versöhnungsstiftun-
gen dabei zu berücksichtigen.

Der Vorsitzende des Kuratoriums wird vom Bundeskanzler
benannt. Dies soll auch die besondere Bedeutung unterstrei-
chen, die die Bundesregierung der Lösung der Zwangsar-
beiterproblematik und der Probleme, mit denen deutsche
Unternehmen derzeit insbesondere im Ausland konfrontiert
sind, zumisst. Wünschenswert wäre es, wenn grundsätzlich
Persönlichkeiten mit internationaler Reputation benannt
würden.

Aus wichtigem Grund können der Vorsitzende und die Mit-
glieder des Kuratoriums von der entsendenden Stelle abbe-
rufen werden.

Nach Auskehr der personenbezogenen Mittel wird die Stif-
tung im Wesentlichen nur noch mit den Aufgaben des
Zukunftsfonds befasst sein. Es ist dann eine erhebliche
Verkleinerung des Kuratoriums angebracht. Die Benen-
nungsberechtigten sind aufgerufen, zumindest ab dieser
Aufgabenverlagerung international erfahrene Persönlichkei-
ten aus den Bereichen des öffentlichen Lebens und beson-
ders auch der Kultur und Wissenschaft zu entsenden.

Absatz 2

Die entsprechende Stelle soll jederzeit in der Lage sein, das
von ihr benannte Kuratoriumsmitglied abzuberufen. Dabei
wird davon ausgegangen, dass dies nur aus wichtigen Grün-
den erfolgt.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 13 –

Drucksache

14/

3206

Absatz 3

Die Geschäftsordnung regelt die internen Geschäftsabläufe
des Kuratoriums und das Zusammenwirken mit dem Vor-
stand.

Absatz 4

Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsit-
zenden, um Patt-Situationen zu vermeiden. Dies gilt, wenn
der Vorsitzende abwesend ist, auch für den Stellvertreter des
Vorsitzenden.

Absatz 5

Das Kuratorium bestimmt alle grundsätzlichen Aufgaben
der Stiftung und überwacht die Tätigkeit des Vorstands.

Absatz 7

Die vom Kuratorium erlassenen Richtlinien werden für die
Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Zu § 6

(Stiftungsvorstand)

Absatz 1

Da das Kuratorium die wesentlichen Vorgaben für die Tä-
tigkeit des Stiftungsvorstands aufstellt und diesen kontrol-
liert, ist es zweckmäßig auszuschließen, dass Kuratoriums-
mitglieder auch dem Stiftungsvorstand angehören.

Absatz 2

Der Vorstand der Stiftung wird vom Kuratorium bestimmt.
Er richtet eine Geschäftsstelle ein und kann weitere Mitar-
beiter beschäftigen, die ihn bei der Wahrnehmung seiner
Aufgaben unterstützen. Das Arbeitsverhältnis und die Ent-
gelte des Stiftungsvorstands sollen vom Kuratorium im Ein-
zelfall durch Vertrag geregelt werden. Das Nähere wird in
der Satzung geregelt.

Absatz 3

Der Stiftungsvorstand soll die laufenden Geschäfte der Stif-
tung führen und sie gerichtlich und außergerichtlich vertre-
ten. Außerdem ist er verantwortlich für die Bewirtschaftung
und Verteilung der Stiftungsmittel. Der Stiftungsvorstand
schließt die erforderlichen Vereinbarungen mit Partnerorga-
nisationen und weist ihnen die jeweils vorgesehenen Mittel
entsprechend dem aktuellen Bedarf zu.

Zu § 7

(Satzung)

Die Satzung bestimmt insbesondere Näheres über:

– die Aufgaben des Vorstands

– die Arbeitsverhältnisse der Vorstandsmitglieder, insbe-
sondere die Entgelte und die Dauer der Arbeitsverhält-
nisse

– die Aufstellung des Haushaltsplans, die Haushaltsfüh-
rung und -überwachung

– Einzelheiten der Mittelverwendung

– die Abgabe individueller Verzichtserklärungen

– die Beauftragung der Partnerorganisationen und die
Überprüfung deren Mittelverwendung

– die Ausgestaltung des Beschwerdeverfahrens

– die Zielsetzungen und Projekte des Zukunftsfonds

– Erstellung und Veröffentlichung eines jährlichen Re-
chenschaftsberichts

Die Satzung wird im Gemeinsamen Ministerialblatt bekannt
gemacht und im Internet veröffentlicht.

Zu § 8

(Aufsicht, Haushalt, Rechnungsprüfung)

Die Tätigkeit der Stiftung und der Partnerorganisationen
muss angemessen überwacht werden. Das ist auch im Hin-
blick auf die Einlagen des Bundes und der Länder ange-
bracht.

Deshalb unterliegt die Stiftung der Rechtsaufsicht des Bun-
desministeriums der Finanzen und dem Prüfungsrecht des
Bundesrechnungshofs.

Einzelheiten zum Rechtsverhältnis zwischen Bundesstif-
tung und Partnerorganisationen sowie zum Prüfungsrecht
der Bundesstiftung wird diese in ihren Vereinbarungen mit
den Partnerorganisationen festschreiben.

Die Ausgestaltung als eine öffentlich-rechtliche und entspre-
chend überwachte Stiftung zusammen mit der Regelung des
§ 16 ist Voraussetzung für ein begleitendes deutsch-amerika-
nisches Regierungsabkommen über Rechtssicherheit auch
vor amerikanischen Gerichten und Behörden.

Der Haushaltsplan soll der Öffentlichkeit zugänglich sein.

Zu § 9

(Verwendung der Stiftungsmittel)

Davon ausgehend, dass die der Stiftung für ihre Aufgaben
zur Verfügung stehenden Mittel begrenzt sind, war es erfor-
derlich

– Fallgruppen nach Schadenstatbeständen aufzustellen,

– Abweichungen von den Fallgruppen nur im Rahmen der
jeweiligen Quote zuzulassen,

– Individualleistungen auf einmalige Leistungen zu be-
schränken,

– unterschiedliche Höchstbeträge für Individualleistungen
an Leistungsberechtigte der Fallgruppen nach § 11
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 festzulegen und

– zum Ausgleich verfolgungsbedingter Vermögensschä-
den und den Fonds „Erinnerung und Zukunft“ jeweils ei-
nen festen Gesamtbetrag anzusetzen.

Nur unter diesen Voraussetzungen kann gewährleistet wer-
den, dass möglichst vielen Leistungsberechtigten der Zu-
gang zu Stiftungsleistungen ermöglicht wird und trotzdem
vertretbare Individualleistungen gewährt werden können.
Die finanzielle Ausstattung des Fonds „Erinnerung und Zu-
kunft“ ist anders zu bewerten, weil im Stiftungsgesetz gere-
gelt wird, dass seine Projekte aus den Erträgen des
Fonds-Anteils zu finanzieren sind.
Drucksache

14/

3206

– 14 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Absatz 1

Leistungsberechtigte, die unter den besonders schweren
Haftbedingungen von Konzentrationslagern und Ghettos zu
leiden hatten, erhalten einmalig bis zu 15 000 Deutsche
Mark. Betroffene, die ins Deutsche Reich oder in von ihm
besetzte Gebiete außerhalb ihres Heimatstaates deportiert,
dort inhaftiert, zur Arbeit gezwungen wurden und nicht zur
ersten Fallgruppe gehören, erhalten bis zu 5 000 Deutsche
Mark. Eine Differenzierung der Leistungsberechtigten nach
Nationalität oder Wohnort erfolgt nicht, wobei Abstufungen
nach der Schwere der Schädigung und ein Unterschreiten
des Höchstbetrags bei der zweiten Fallgruppe gemäß Ver-
fügbarkeit der zugewiesenen Mittel möglich sind. Betrof-
fene, die verfolgungsbedingte Vermögensschäden erlitten
haben, können ebenfalls bis zu 15 000 DM erhalten. Diese
Höchstgrenze wurde gewählt, um kein Missverhältnis der
Leistungen für persönlich oder im Vermögen Geschädigte
zu begründen.

Regelungen des International Committee of Holocaust Era
Insurance Claims, die auch höhere Leistungen vorsehen
können, werden davon nicht berührt.

Absatz 2

Die Stiftungsmittel werden zur Vereinfachung der Durch-
führung vom Kuratorium auf Plafonds für die Partnerorga-
nisationen aufgeteilt. Dabei sollen die Erkenntnisse des vom
Bundeskanzleramt beauftragten Historikers Prof. Dr. Niet-
hammer sowie die von anderen Verhandlungspartnern bei-
gesteuerten Daten herangezogen werden. Abweichungen
hiervon sind möglich, soweit es notwendig erscheint, den
Stiftungszweck angemessen zu erreichen, das heißt insbe-
sondere einen Zuschlag zu den voraussichtlichen Leistun-
gen an die Berechtigten nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2
festzulegen, der ermöglicht, Leistungen für prioritäre Fälle
in Anwendung der Öffnungsklausel (§ 11 Abs. 1 Satz 2 ) zu
gewähren. Entsprechendes gilt auch für die Festlegung der
regionalen Quoten.

Als Partnerorganisationen kommen bisher

– die Stiftung Deutsch-Polnische Aussöhnung,

– die Russische Stiftung „Verständigung und Aussöh-
nung“ (für ihren derzeitigen örtlichen Zuständigkeitsbe-
reich),

– die Ukrainische Nationale Stiftung „Verständigung und
Aussöhnung“ (für ihren derzeitigen örtlichen Zuständig-
keitsbereich),

– die Weißrussische Stiftung „Verständigung und Aussöh-
nung“ (für ihren derzeitigen örtlichen Zuständigkeitsbe-
reich),

– der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds,

– die Conference of Jewish Material Claims against Ger-
many (für jüdische Leistungsberechtigte in dem Staat Is-
rael, den Vereinigten Staaten von Amerika und den übri-
gen westlichen Staaten)

in Betracht.

Für die von den vorgenannten Organisationen nicht erfass-
ten Leistungsempfänger ist noch eine international bekannte
Partnerorganisation zu finden.

Absatz 5

Absatz 5 stellt klar, dass die von deutschen Versicherungs-
unternehmen bereits an die ICHEIC erbrachten oder noch
zu erbringenden Leistungen als Teil des Stiftungsvermögens
anzusehen sind. Mit anderen Worten: Der Anteil der Unter-
nehmen am Stiftungsvermögen von fünf Milliarden Deut-
sche Mark verringert sich um diesen Betrag. Nur so ist si-
chergestellt, dass einzelne Unternehmen nicht zweimal in
die Pflicht genommen werden können. Gleiches gilt für
Leistungen ausländischer Unternehmen, die für ihre deut-
schen Tochterunternehmen oder mehrheitliche Beteiligun-
gen erfolgten.

Absatz 6

Weil mehr Leistungsberechtigte Anträge stellen könnten, als
bei der Planung der Stiftung angenommen, sieht Absatz 6
vor, dass die Individualleistungen zunächst nur in Höhe von
50 beziehungsweise 35 vom Hundert gewährt werden. Die
Höhe der zweiten Rate, die bis zu weiteren 50 beziehungs-
weise 65 vom Hundert betragen kann, ist abhängig davon,
wie viele Anträge tatsächlich gestellt und positiv beschieden
werden können und – bei Leistungsberechtigten nach § 11
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 – in welchem Umfang die Partnerorga-
nisationen von der Möglichkeit Gebrauch machen, über
§ 11 Abs. 1 Satz 2 auch andere NS-Opfer einzubeziehen.
Außerdem kann sich die Leistung im Einzelfall um berück-
sichtigungs- und anrechnungsfähige Beträge im Sinne des
§ 15 Abs. 2 vermindern. In jedem Fall haben die Partneror-
ganisationen sicherzustellen, dass die jeweils zugeteilte
Quote insgesamt nicht überschritten wird. Letztlich moti-
viert die Aufteilung der Leistung auf zwei Raten die Part-
nerorganisationen, auf eine zügige Abwicklung der An-
tragsverfahren zu achten.

Absatz 7

Zu den Personal- und Sachkosten, die von der Stiftung zu
tragen sind, gehören auch die Aufwendungen, die die Stif-
tung den an den multilateralen Verhandlungen beteiligten
Anwälten zu ersetzen hat.

Zu § 10

(Mittelvergabe durch Partnerorganisationen)

Absatz 1

Um den Verwaltungsaufwand der Stiftung gering zu halten,
greift sie bei der Durchführung der Antragsverfahren und
der Leistungsvergabe vorwiegend auf bereits bestehende
Einrichtungen zurück, die entsprechende Erfahrungen auf-
weisen. Die Rechtsbeziehungen zwischen der Stiftung und
den einzelnen Partnerorganisationen werden jeweils durch
eine Vereinbarung geregelt. Gedacht ist in erster Linie an
die Stiftungen in Warschau, Moskau, Kiew und Minsk, an
die Einrichtungen, die das 80-Millionen-Programm der
Bundesregierung für die übrigen mittel- und osteuropäi-
schen Staaten umsetzen und Opferverbände wie die Confe-
rence on Jewish Material Claims against Germany. Letztere
eignet sich neben der Verteilung von Mitteln an Leistungs-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 15 –

Drucksache

14/

3206

berechtigte nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 besonders
für die Übernahme der Aufgaben, die beim Ausgleich von
verfolgungsbedingten Vermögensschäden erwachsen. In
den bisherigen Gesprächen hat die Conference on Jewish
Material Claims against Germany erkennen lassen, dass sie
insoweit bereit ist, auch Anträge nicht jüdischer Leistungs-
berechtigter zu bearbeiten. Sie wird hierbei auch eng mit der
ICHEIC zusammenarbeiten müssen.

Forderungen im Hinblick auf Versicherungspolicen, die von
deutschen Versicherungsunternehmen und deren in- und
ausländischen Mutter- und Tochtergesellschaften begeben
wurden, werden allein über die ICHEIC nach den dortigen
Maßgaben abgewickelt.

Es ist nicht Aufgabe der Stiftung, über Einzelfälle zu ent-
scheiden. Leistungsberechtigte sollen ihre Anträge an die
für sie zuständige Partnerorganisation richten (vgl. auch
§ 19). Zwischen der Stiftung selbst und den Antragstellern
bestehen keine Rechtsbeziehungen.

Anderes gilt für die Verwaltung des Fonds „Erinnerung und
Zukunft“. Hier entscheidet ausschließlich die Stiftung (vgl.
auch § 5 Abs. 6).

Absatz 2

Um möglichst viele Leistungsberechtigte zu erreichen, wer-
den die Stiftung und die Partnerorganisationen beauftragt,
für eine ausreichende Bekanntmachung der Leistungsmög-
lichkeiten Sorge zu tragen. Dies ist auch ein besonderes An-
liegen unserer amerikanischen Verhandlungspartner. Soweit
innerhalb von zwei Monaten nach Inkrafttreten des Geset-
zes nicht alle Partnerorganisationen bestimmt werden konn-
ten, sorgt die Stiftung selbst für eine überregionale Bekannt-
machung.

Zu § 11

(Leistungsberechtigte)

§ 11 legt die Leistungsberechtigten fest.

Nationalsozialistisches Unrecht erstreckte sich grenzüber-
greifend auf nahezu alle Lebensbereiche. Schon in der un-
mittelbaren Nachkriegszeit stimmten die Alliierten darin
überein, dass es nicht möglich sei, alle entstandenen Schä-
den vollständig auszugleichen. Auch die Stiftung muss ihre
begrenzten Mittel auf abgrenzbare Tatbestände beschrän-
ken.

Absatz 1

Nach Absatz 1 Nr. 1 sind ehemalige Zwangsarbeiter berech-
tigt, die in einem Konzentrationslager im Sinne des § 42
Abs. 2 Bundesentschädigungsgesetz in Verbindung mit der
Zweiten Verordnung zur Änderung der Sechsten Verord-
nung zur Durchführung des Bundesentschädigungsgesetzes
(2. ÄndV – 6. DV-BEG) vom 20. September 1977 (BGBl. I
S. 1786), zuletzt geändert durch die Dritte Verordnung zur
Änderung der Sechsten Verordnung zur Durchführung des
Bundesentschädigungsgesetzes (3. ÄndV – 6. DV-BEG)
vom 24. November 1982 (BGBl. I S. 1571) oder in einer
anderen Haftstätte oder einem geschlossenen Ghetto unter
vergleichbar schweren Haftbedingungen leben und arbeiten
mussten.

Nach Absatz 1 Nr. 2 sind ehemalige Zwangsarbeiter berech-
tigt, die aus ihrem Heimatstaat in das Gebiet des Deutschen
Reichs in den Grenzen von 1937 einschließlich der von dem
deutschen Reich besetzten Gebiete deportiert wurden, dort
unter anderen Bedingungen als nach Absatz 1 Nr. 1 inhaf-
tiert oder haftähnlichen Bedingungen oder vergleichbar be-
sonders schlechten Lebensbedingungen unterworfen waren
und Zwangsarbeit in der gewerblichen Wirtschaft oder bei
einem öffentlichen „Arbeitgeber“ verrichten mussten. Eine
Ausnahme gilt für nach Österreich Deportierte; die Repub-
lik Österreich wird eine eigenständige Regelung für dort be-
schäftigte Zwangsarbeiter erlassen.

Haftähnliche Bedingungen liegen vor, wenn der Zwangsar-
beiter erheblichen und laufenden behördlich streng über-
wachten Einschränkungen seiner Bewegungsfreiheit unter-
worfen war und nach den sonstigen sich ergebenden
Bedingungen ein Leben führen musste, das dem eines Häft-
lings sehr nahe kommt. Merkmale sind insbesondere stän-
dige polizeiliche Kontrolle, nächtliche Razzien und Appelle
sowie nachhaltige Absonderung von der Umwelt. Haft-
ähnliche Bedingungen liegen grundsätzlich nicht vor bei
Beschränkungen auf bestimmte Orte, zum Beispiel Zwangs-
aufenthalt in einem Dorf, wenn der Betroffene sich inner-
halb des ihm zugewiesenen Ortsgebiets frei bewegen
konnte.

Vergleichbar besonders schlechten Lebensbedingungen wa-
ren insbesondere Zwangsarbeiter aus Polen oder der ehe-
maligen Sowjetunion unterworfen, deren Bewegungsraum
und sonstige Lebensbedingungen durch besondere, ihre
Volksgruppe diskriminierende Vorschriften des nationalso-
zialistischen Regimes außerordentlich eingeengt waren. Von
haftähnlichen Bedingungen kann für sie daher auch dann
ausgegangen werden, wenn sie in einem nicht bewachten
Lager untergebracht waren, ihre besonderen Lebensum-
stände aber eine freie Beweglichkeit nicht zuließen.

Deportation, die in der Regel mit der Verbringung in ein an-
deres Sprachgebiet verbunden war, wird als besonderer leis-
tungsbegründender Tatbestand erachtet.

Die Einweisung in ein Arbeitserziehungslager ist dem Re-
gelfall des Absatzes 1 Nr. 2 gleichgestellt. Die konkreten
Umstände in dem jeweiligen Arbeitserziehungslager kön-
nen gegebenenfalls auch die Einstufung unter Absatz 1
Satz 1 Nr. 1 rechtfertigen. Leistungsberechtigung ist auch
gegeben, wenn die Voraussetzung der Inhaftierung nur zeit-
weilig gegeben war.

§ 11 Abs. 1 Satz 2 schafft allerdings eine Möglichkeit, den
Kreis der Leistungsberechtigten unter Einhaltung der für die
Partnerorganisationen vorgesehenen Quoten zu erweitern.

Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 sieht Leistungen an Personen vor, die
selbst oder als hinterbliebene Ehegatten und Kinder eines
rassisch Verfolgten oder wegen ihres Eintretens für rassisch
Verfolgte Vermögensschäden im Sinne des deutschen Wie-
dergutmachungsrechts (§§ 51 ff. Bundesentschädigungsge-
setz, § 2 Bundesrückerstattungsgesetz) durch Einziehung
oder durch Arisierung unter Beteiligung deutscher Unter-
nehmen erlitten haben, soweit sie hierfür aus bestimmten
formellen Gründen keine Leistungen nach Wiedergutma-
chungsgesetzen erhalten konnten. Gedacht ist an die Betrof-
fenen, die als Juden oder Sinti und Roma wegen ihres
Drucksache

14/

3206

– 16 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Wohnsitzes im ehemaligen Ostblock von deutschen Wieder-
gutmachungsleistungen rechtlich oder faktisch ausgeschlos-
sen waren. Diesen Personen sollen nun doch noch Leistun-
gen zuteil werden, ohne die Fristen des abgeschlossenen
Wiedergutmachungsrechts wieder zu eröffnen.

Bei den Vermögensschäden unter Beteiligung deutscher Un-
ternehmen geht es im Wesentlichen um den Entzug von
Wertpapieren und Geldvermögen durch Kreditinstitute, die
während der deutschen Besatzungszeit vor allem an der
„Arisierung“ jüdischer Vermögenswerte in Mittel- und Ost-
europa von Stellen der damaligen Reichsregierung einge-
schaltet waren, und um den Entzug von Versicherungsan-
sprüchen.

Zu Vermögensschäden im Sinne des Bundesentschädi-
gungsgesetzes zählen Schäden jeder Art – an Grundstücken,
Sachen, Rechten, Geld –, soweit das Vermögen im Reichs-
gebiet in den Grenzen vom 31. Dezember 1937 belegen
war. Eine Restitution oder Entschädigung nach den Rücker-
stattungsgesetzen für die Bundesrepublik Deutschland hatte
zur Voraussetzung, dass der ns-verfolgungsbedingt entzo-
gene Vermögensgegenstand in den Geltungsbereich dieser
Rückerstattungsbestimmungen gelangt war. Auf das Ver-
bringungserfordernis kann nicht verzichtet werden. Eine
Geltendmachung des Anspruchs war jedoch manchen Per-
sonen, die ihren Wohnort oder Aufenthaltsort in einem Ge-
biet hatten, mit dem die Bundesrepublik Deutschland keine
diplomatische Beziehungen unterhielt, nicht möglich. Die-
ser Personenkreis soll nun in das Stiftungsgesetz einbezo-
gen werden. Entziehungstatbestände sind die Wegnahme,
Beschlagnahme, Vermögenseinziehung, Zwangsabliefe-
rung u. a. Die Entziehung muss aufgrund der Rasse erfolgt
sein.

Weil Vermögensschäden aufgrund rassischer Verfolgung
nahezu ausnahmslos jüdischen NS-Opfern zugefügt wur-
den, wird in § 9 Abs. 3 Satz 2 bestimmt, dass nicht für Indi-
vidualleistungen verbrauchte Mittel der Conference on Jew-
ish Material Claims against Germany zur Verwendung für
soziale Zwecke zufließen sollen. Die Conference on Jewish
Material Claims against Germany verwendet einen ange-
messenen Anteil dieser Mittel zugunsten der in gleicher
Weise rassisch verfolgten Sinti und Roma.

Absatz 1 Satz 2 soll es den Partnerorganisationen ermögli-
chen, je nach regionalem Schwerpunkt von den Kriterien
nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 abzuweichen, um auch an-
dere, unter Beteiligung deutscher Unternehmen durch
NS-Unrecht Geschädigte und Zwangsarbeiter im landwirt-
schaftlichen Bereich berücksichtigen zu können. Zu beach-
ten ist aber, dass diese Ausweitung der Leistungsberechti-
gung finanziell zu Lasten der Leistungsberechtigten nach
Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 geht. Die nach § 9 Abs. 2 festgeleg-
ten Quoten dürfen nicht überschritten werden. Die Rege-
lung dient somit als Öffnungstatbestand für alle weiteren
Personenschäden, insbesondere von Personen, die die Vor-
aussetzungen von Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 nur teilweise
erfüllen. Hierzu zählen zum Beispiel die Kinder unter zwölf
Jahren, die zusammen mit ihren Eltern inhaftiert wurden,
aber selbst keine Zwangsarbeit verrichten mussten, sonstige
Personen, die unter Haftbedingungen leben, aber keine

Zwangsarbeit leisten mussten, Mütter, die ihre Kleinkinder
infolge rechtsstaatswidriger Trennung und deren Behand-
lung in Kinderheimen verloren haben und dadurch gesund-
heitliche (auch seelische) Schäden erlitten haben, Opfer
medizinischer Versuche, Dislozierte und Zwangsarbeiter im
landwirtschaftlichen Bereich.

Leistungen können auch für nicht unter Absatz 1 Satz 1
Nr. 3 fallende Vermögensschäden im Rahmen des Plafonds
nach § 9 Abs. 3 Nr. 1 gewährt werden. In diesem Rahmen
wird ein Unterplafonds eingerichtet, der Leistungen bei
nicht verfolgungsbedingten Vermögensschäden ermöglicht.
Diese Öffnung ist – angesichts der begrenzt verfügbaren
Mittel – auf Härtefälle beschränkt.

Absatz 2

Schon heute liegen umfangreiche Nachweise über die Tatsa-
che der Verfolgung und den Zwangsarbeitereinsatz vor.
Diese können und müssen genutzt werden. Geeignete Be-
lege im Sinne der Vorschrift können auch schriftliche Zeu-
genaussagen sein. Den Betroffenen sollen aber wegen ihres
hohen Alters nicht unzumutbare oder langwierige Nach-
weispflichten aufgebürdet werden. Ein einfacher Eintrag
beispielsweise als KZ-Häftling oder als Zwangsarbeiter in
den Archiven des Internationalen Suchdienstes in Arolsen
wird darum als hinreichender Beleg zur Erfüllung der Nach-
weispflicht anerkannt.

Der Antragsteller kann, soweit solche Beweismittel nicht
vorliegen, die behauptete Schädigung glaubhaft machen
(vgl. auch § 18).

Absatz 3

Kriegsgefangene, die zu Arbeiten herangezogen wurden,
können dafür grundsätzlich keine Leistungen erhalten, denn
nach den Regeln des Völkerrechts durften Kriegsgefangene
von dem Gewahrsamsstaat zu Arbeiten herangezogen wer-
den. Aus der Kriegsgefangenschaft entlassene, in den Zivil-
arbeiterstatus überführte Personen können, wenn sie die Vo-
raussetzungen im Übrigen erfüllen, zum Berechtigtenkreis
nach Absatz 1 gehören.

Zu § 12

(Begriffsbestimmungen)

Absatz 1

Die Begriffsbestimmung des § 12 Abs. 1 gibt Anhalts-
punkte dafür, unter welchen Voraussetzungen eine nicht im
Konzentrationslagerverzeichnis der 2. ÄndV – 6. DV-BEG,
zuletzt geändert durch die 3. ÄndV – 6. DV-BEG, aufge-
führte Haftstätte als „andere Haftstätte mit vergleichbaren
Bedingungen“ im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 1 angesehen
werden kann.

Absatz 2

§ 12 Abs. 2 begrenzt die Leistungen der Stiftung auf die Tä-
tigkeit deutscher Unternehmen, die ihren Sitz im Gebiet des
Deutschen Reichs in den Grenzen von 1937 hatten und ihre
Mutter- und Tochtergesellschaften, auch wenn letztere ihren
Sitz im Ausland hatten oder jetzt haben.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 17 – Drucksache 14/3206

Zu § 13 (Antragsrecht)

Absatz 1

Auch § 13 Abs. 1 trägt dem Umstand Rechnung, dass die
Stiftungsmittel begrenzt sind. Damit möglichst viele noch
lebende unmittelbar Betroffene erreicht werden können,
müssen die Leistungen nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2
auf diese beschränkt werden. Erben und Hinterbliebene ha-
ben kein Antragsrecht, es sei denn, der Leistungsberechtigte
ist nach Bekanntmachung der Stiftungsinitiative deutscher
Unternehmen in der Gemeinsamen Erklärung vom
16. Februar 1999 verstorben. Nur in diesen Fällen oder bei
Leistungen nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 haben hinterblie-
bene Ehegatten und überlebende Kinder ein eigenes An-
tragsrecht. Gibt es mehrere Leistungsberechtigte, steht ih-
nen die Summe zur gesamten Hand zu. Andere Erben und
Hinterbliebene haben kein Antragsrecht. Sammelanträge
sind unzulässig.

Absatz 2

Die Stiftungsmittel sollen den Betroffenen unmittelbar zu
Gute kommen. Deswegen sind nur natürliche Personen an-
tragsberechtigt.

Zu § 14 (Antragsfrist)

Den Betroffenen soll zügig geholfen werden. Um möglichst
schnell die Zahl der Leistungsberechtigten abschließend
feststellen und damit die Höhe einer zweiten Auszahlungs-
rate (§ 9 Abs. 6) ermitteln zu können, muss eine kurze An-
tragsfrist in Aussicht genommen werden. Anträge, die un-
mittelbar bei der Stiftung oder bei einer unzuständigen
Partnerorganisation eingehen, werden unverzüglich nach
deren Beauftragung an die jeweils örtlich zuständige Part-
nerorganisation abgegeben. Insbesondere für nichtjüdische
Berechtigte in Ländern, in denen keine Stiftungen „Verstän-
digung und Aussöhnung“ eingerichtet waren und daher
nicht auf erhebliche Vorarbeiten zurückgegriffen werden
kann, soll eine Verlängerung der Antragsfrist ermöglicht
werden können.

Zu § 15 (Berücksichtigung anderer Leistungen)

Absatz 1

Es ist der erklärte Wille des Gesetzgebers, dass die gewähr-
ten Individualleistungen den Leistungsberechtigten aus-
schließlich und ungemindert als Ausgleich für das erlittene
schwere Schicksal zugute kommen. Sie dürfen daher nicht
zur Minderung von anderen Leistungen führen, auf die die
Leistungsberechtigten gesetzlichen Anspruch insbesondere
aus dem Bereich der Sozialfürsorge und dem Gesundheits-
wesen haben. Da feststeht, dass der größte Teil der Leis-
tungsberechtigten im Ausland lebt und den dortigen Rechts-
vorschriften unterliegt, soll dies gleichzeitig ein Appell an
die jeweiligen Heimatstaaten sein, entsprechend zu verfah-
ren. Auch die Partnerorganisationen sollen im Rahmen ihrer
Zuständigkeit darauf hinwirken.

Nach § 3 Nr. 8 EStG sind u. a. Kapitalentschädigungen, die
aufgrund gesetzlicher Vorschriften zur Wiedergutmachung
nationalsozialistischen Unrechts gewährt werden, steuerfrei.
Unter diese Befreiungsvorschrift lassen sich auch die Leis-

tungen der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zu-
kunft“ subsumieren. Einer weiteren gesonderten Befrei-
ungsvorschrift im Leistungsgesetz bedarf es daher nicht.
Darüber hinaus hat die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 8
EStG, soweit sie nicht als Renten gewährte Entschädigungs-
leistungen betrifft, ohnehin nur deklaratorischen Charakter,
da Kapitalentschädigungen von vornherein nicht steuerbar
sind.

Absatz 2

Die Leistungen deutscher Unternehmen für ehemalige
Zwangsarbeiter betrugen rund 100 Millionen DM. Die Stif-
tung wendet sich u.a. an Betroffene, die bisher nicht oder
nur in geringem Umfang an diesen Leistungen teilhaben
konnten. Leistungen aus Mitteln deutscher Unternehmen für
denselben Sachverhalt müssen deshalb angerechnet werden.

Empfängern regelmäßiger deutscher Wiedergutmachungs-
leistungen soll nahegelegt werden, auf Zahlungen der Stif-
tung zugunsten Bedürftiger zu verzichten.

Forderungen im Hinblick auf Versicherungspolicen, die von
deutschen Versicherungsunternehmen oder deren ausländi-
sche Tochterunternehmen begeben wurden, werden aus-
schließlich über die ICHEIC nach den dortigen Maßgaben
abgewickelt. Sie können darüber hinaus nicht zusätzlich ge-
gen die Stiftung geltend gemacht werden.

Zu § 16 (Ausschluss von Ansprüchen)

Absatz 1

Die Stiftung setzt zur Jahrtausendwende ein weiteres Zei-
chen für die umfassende Wiedergutmachung und Entschädi-
gung nationalsozialistischen Unrechts in der Bundesrepub-
lik Deutschland. Die bisherigen Regelungen und Leistungen
ergänzend soll sie allen Beteiligten Rechtsfrieden einräu-
men. Etwaige Ansprüche gegen Dritte werden mit dem In-
krafttreten des Gesetzes ausgeschlossen. Weitergehende
Ansprüche nach anderen Wiedergutmachungs- und Kriegs-
folgenregelungen einschließlich des Vermögensgesetzes
und des NS-Verfolgtenentschädigungsgesetzes bleiben un-
berührt.

Mit diesem Gesetz wird eine abschließende Regelung für
Ansprüche wegen Zwangsarbeit und Vermögensschäden ge-
troffen. In der juristischen Diskussion und im parlamentari-
schen Raum ist strittig, ob es Rechtsansprüche wegen
Zwangsarbeit – vor allem gegen Unternehmen – gibt. Nach
Auffassung der Bundesregierung sind die derzeit gegen sie
und deutsche Kommunen geltend gemachten Forderungen
nicht begründet. Die Wiedergutmachungsgesetze der Bun-
desrepublik Deutschland sehen einen Entschädigungsan-
spruch wegen Zwangsarbeit nicht vor. Nach Auffassung der
Unternehmen können auch keine Ansprüche gegen sie gel-
tend gemacht werden. Bislang ist keine rechtskräftige Ent-
scheidung bekannt, die den Anspruch eines Zwangsarbei-
ters für begründet erachtet. Mehrere Klagen wurden bereits
abgewiesen. Dennoch gibt es eine Vielzahl von Klagen vor
deutschen und ausländischen Gerichten. Deshalb besteht ein
dringendes Interesse, dass die Unbegründetheit weiterge-
hender Forderungen gesetzlich festgestellt wird.

Drucksache 14/3206 – 18 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Dies fällt umso leichter und ist unter verfassungsrechtlichen
Aspekten des Artikels 14 des Grundgesetzes umso unbe-
denklicher, als an die Stelle vermeintlicher Ansprüche ge-
gen vielerorts nicht mehr existierende Anspruchsgegner
eine angemessen ausgestattete Stiftung tritt, die auch ehe-
maligen Zwangsarbeitern offen steht, deren früherer „Ar-
beitgeber“ nicht mehr haftbar gemacht werden kann und
auch nicht zu den Stifterunternehmen gehört. Diese Überle-
gung war auch für die US-Regierung bei der Gewährung
von Rechtsfrieden für die deutschen Unternehmen maßgeb-
lich.

Die Umformung etwaiger privatrechtlicher Forderungen in
gesetzliche Leistungsansprüche gegen ein angemessen aus-
gestattetes, ersatzweise haftendes Stiftungsvermögen ist –
wie durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
zum Gesetz über die Errichtung einer Stiftung „Hilfswerk
für behinderte Kinder“ vom 17. Dezember 1971 (BGBl. I
S. 2018) bestätigt wurde – verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden (vgl. BVerfGE 42, 263, 295 ff.). Diese
höchstrichterliche Feststellung greift im vorliegenden Falle
umso mehr, als nur vermeintliche Ansprüche aus dem pri-
vatrechtlichen Bereich umgeformt werden.

Die Stiftung erbringt auch Leistungen an Zwangsarbeiter,
die in Unternehmen beschäftigt waren, die nicht mehr beste-
hen. Es bleibt also nicht dem Zufall überlassen, ob ehema-
lige Zwangsarbeiter eventuell noch Forderungen gegen ihre
früheren Arbeitgeber geltend machen können. Gleiches gilt
für Vermögensschäden, die durch ein Unternehmen mitver-
ursacht wurden, das heute nicht mehr besteht. Dies rechtfer-
tigt es, eventuelle Forderungen von Zwangsarbeitern in ei-
ner vorwiegend sozialrechtlich und -politisch bestimmten
Maßnahme auf die Stiftung überzuleiten. Die Stiftung er-
füllt etwaige Forderungen im Hinblick auf ihre begrenzten
Mittel zwar nicht vollständig, aber sozial ausgewogen.

Forderungen gegen die öffentliche Hand umfassen alle For-
derungen gegen öffentliche Rechtsträger (das ehemalige
Deutsche Reich, alle Gebietskörperschaften, Anstalten,
Körperschaften, Stiftungen) und öffentliche Unternehmen.

Unternehmen, an denen deutsche Unternehmen, die seiner-
zeit Zwangsarbeiter beschäftigt haben, mit weniger als 25
vom Hundert beteiligt sind, müssen durch den Haftungsaus-
schluss nicht geschützt werden, weil es hier an der Verant-
wortung für die Einbindung in NS-Unrecht während des
Zweiten Weltkriegs fehlt.

Absatz 2

Um dem Anliegen deutscher Unternehmen, umfassenden
und dauerhaften Rechtsfrieden in- und außerhalb Deutsch-
lands zu erhalten, Rechnung zu tragen, sieht das Gesetz vor,
dass jeder Leistungsempfänger zusätzlich eine individuelle
Verzichtserklärung abgibt. Diese Verzichtserklärungen sind
der Stiftung von den Partnerorganisationen vorzulegen.

Die Verzichte umfassen nicht die weiterhin mögliche Inan-
spruchnahme bestehender Wiedergutmachungsregelungen.
Dies gilt auch für etwaige Spät- oder Verschlimmerungsan-
träge nach BEG oder AKG oder die Fortsetzung vor Frist-
ablauf beantragter Restitutions- oder Entschädigungsverfah-
ren zum Beispiel nach dem Gesetz zur Regelung offener
Vermögensfragen. Die deutschen öffentlichen Hände haben

sich in einer gemeinsamen Erklärung bereit erklärt, im Zuge
von NS-Verfolgung weggenommene Kunstwerke ungeach-
tet einer rechtlichen Verpflichtung zurückzugeben; es wird
daher davon ausgegangen, dass sie sich bei Anträgen auf
Rückgaben nicht auf eine Verzichtserklärung gemäß § 16
Abs. 2 berufen werden.

Zu § 17 (Bereitstellung der Mittel)

Absatz 1

Zahlungen aus dem Stiftungsvermögen können naturgemäß
erst nach Inkrafttreten dieses Gesetzes erfolgen. Es ist über-
dies angebracht, dass die Zahlungen aus der Stiftung erst
nach dem Inkrafttreten des deutsch-amerikanischen Ab-
kommens über Rechtsfrieden beginnen. Im Verständnis der
Stifterunternehmen ist überdies eine Verwendung der einge-
zahlten Mittel erst möglich, wenn die in den USA anhängi-
gen Klagen zurückgenommen oder abgewiesen sind und so-
mit das Ziel des Rechtsfriedens erreicht wurde.

Absatz 2

Als Steuerungselement für die beauftragten Partnerorgani-
sationen dient der Stiftung nicht zuletzt die Mittelzuwei-
sung. Zum einen müssen die Partnerorganisationen sich in
den vorgegebenen Länderquoten bewegen, zum anderen
werden ihnen vierteljährlich nur die Mittel zur Verfügung
gestellt, die dem aktuellen Bedarf entsprechen. Es ist ange-
strebt, die jährliche Prüfung der Mittelvergabe der Partner-
organisationen durch international tätige Wirtschaftsprü-
fungsgesellschaften sicherzustellen. Die Auszahlungsnach-
weise hinsichtlich der individuellen Leistungen sind der
Stiftung von den Partnerorganisationen vorzulegen.

Zu § 18 (Auskunftsersuchen)

Absatz 1

Die hier zu beurteilenden, lange zurückliegenden Sachver-
halte können selten ohne Beteiligung von Archiven oder an-
deren Informationssammelstellen abschließend bearbeitet
werden. Außerdem werden weitergehende Informationen
auch mit Blick auf zu berücksichtigende Vorleistungen der
öffentlichen Hand und deutscher Unternehmen erforderlich
sein. Den beteiligten Partnerorganisationen soll daher kraft
Gesetzes die Möglichkeit eingeräumt werden, in Betracht
kommende Informationsquellen zu nutzen.

Die deutschen Unternehmen werden gebeten, ihre Archive
für Nachweise hinsichtlich der geleisteten Zwangsarbeit zu
öffnen.

Absatz 2

Die eingeholten Auskünfte müssen, wie alle anderen Infor-
mationen auch, vertraulich behandelt und dürfen nur im
Rahmen des Stiftungszwecks verwertet werden.

Zu § 19 (Beschwerdeverfahren)

Den Antragstellern wird das Recht eingeräumt, Gegenvor-
stellungen zu erheben und ablehnende Entscheidungen
überprüfen zu lassen. Weil die Stiftung selbst keine Einzel-
fallentscheidungen trifft, müssen diese Einwände bei der je-

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 19 – Drucksache 14/3206

weils beauftragten Partnerorganisation bearbeitet werden.
Ortsnahe Entscheidungen auch über Einwände sind aus
sprachlichen und administrativen Gründen zweckmäßig.
Bei den örtlichen Partnerorganisationen werden unabhän-
gige Beschwerdestellen eingerichtet. Diese müssen nach
festen Verfahrensgrundsätzen und unter Gewährung rechtli-
chen Gehörs unparteiisch entscheiden. Die Verfahrens-
grundsätze sind von jeder Partnerorganisation mit der Stif-
tung abzustimmen. Weitergehende Verpflichtungen als
solche, die durch dieses Gesetz festgelegt werden, werden
dadurch nicht begründet.

Die Russische und Weißrussische Stiftung „Verständigung
und Aussöhnung“ sollen besondere Verwaltungs- und Be-
schwerdestellen in den baltischen Staaten einrichten.

Zu § 20 (Inkrafttreten)

Das Gesetz tritt erst in Kraft, wenn tatsächlich sichergestellt
ist, dass die Stifter ihren Anteil rechtsverbindlich zugesagt
haben. Dabei würde auch ausreichen, wenn seitens einiger
Unternehmen Bürgschaften für die noch nicht erfolgten Ein-
zahlungen anderer Unternehmen beigebracht werden.

Eine entsprechende Regelung zum Inkrafttreten enthielt
auch das Gesetz über die Errichtung einer Stiftung „Hilfs-
werk für behinderte Kinder“. Hierzu hat das Bundesverfas-
sungsgericht entschieden, dass eine solche Regelung zuläs-
sig ist.

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.