BT-Drucksache 14/3189

Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der gesetzlichen Maßnahmen gegenüber Kinder-und Jugenddelinquenz

Vom 12. April 2000


Deutscher Bundestag

Drucksache

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14. Wahlperiode

12. 04. 2000

Gesetzentwurf

der Abgeordneten Norbert Geis, Ronald Pofalla, Wolfgang Bosbach,
Dr. Jürgen Gehb, Dr. Wolfgang Götzer, Volker Kauder, Eckart von Klaeden,
Erwin Marschewski (Recklinghausen), Norbert Röttgen, Dr. Rupert Scholz,
Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten, Dr. Susanne Tiemann, Andrea Voßhoff
und der Fraktion der CDU/CSU

Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der gesetzlichen Maßnahmen
gegenüber Kinder- und Jugenddelinquenz

A. Problem

Die seit Beginn der 90er Jahre zu beobachtende Steigerung der Kriminalitäts-
zahlen ist zu großen Teilen auf den strukturellen Wandel in der Gesellschaft
und auf die Öffnung der Grenzen seit 1989 sowie die Zuwanderung von Ju-
gendlichen aus dem Ausland, bei denen sich die Integration in die Gesellschaft
in zunehmendem Maße als schwierig erweist, zurückzuführen. Insbesondere
der besorgniserregende Anstieg der Kinder- und Jugendkriminalität erfordert
ein unmissverständliches politisches Signal. Den vielfältigen Ursachen und Er-
scheinungsformen der Kinder- und Jugendkriminalität muss durch ein wirksa-
mes und umfangreiches Maßnahmebündel begegnet werden.

Die Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Per-
sönlichkeit ist nicht nur das Recht der Eltern, sondern auch die ihnen zuvör-
derst obliegende Pflicht. Der Wandel in der Gesellschaft und der Rückgang all-
gemein verbindlicher Wertmaßstäbe haben aber auch bei vielen Eltern zu
Unsicherheiten in Fragen der Erziehung geführt. Auch mehren sich die Fälle
von Kindern und Jugendlichen, deren Eltern nicht für sie verfügbar sind oder
ihnen wenig Orientierung und Hilfestellung bei ihrer Persönlichkeitsentwick-
lung bieten. Sind die Personenberechtigten nicht bereit, notwenige Interventio-
nen und Hilfen zugunsten des Kindes zu beantragen oder zuzulassen, lässt
§ 1666 BGB Eingriffe in das Personensorgerecht unter engen Voraussetzungen
zu. Diese aufgrund Artikel 6 Grundgesetz hohe Schwelle lässt bei fehlender
Mitwirkung der Personenberechtigten eine Intervention nicht zu, wenn zwar
Verhaltensauffälligkeiten festgestellt wurden, diese sich aber noch nicht zu ei-
ner solchen Gefahr konkretisiert haben, dass ein Eingriff in das Personensorge-
recht gerechtfertigt wäre. Eine frühzeitige Hilfe wird damit verhindert, sofern
es nicht gelingt, die Personensorgeberechtigten zur Mitwirkung zu bewegen.
Für diese Fälle ist eine Senkung der Eingriffsschwelle dringend geboten.

Das Sanktionensystem des Jugendstrafrechts weist Defizite auf. Auch mit Blick
auf die besorgniserregende Entwicklung der Jugendkriminalität erscheint es ge-
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boten, das jugendstrafrechtliche Instrumentarium auszubauen, um dem Richter
sachgerechte und auf die Besonderheiten des jeweiligen Falles zugeschnittene
Reaktionen zu ermöglichen. Daneben erscheint es geboten, Fehlentwicklungen
entgegenzutreten.

B. Lösung

Durch Ergänzung des § 1666 BGB soll klargestellt werden, dass eine Gefähr-
dung des Kindeswohls dann zu vermuten ist, wenn das Kind wiederholt in er-
heblicher Weise gegen Strafgesetze verstoßen hat, sowie eine ausdrückliche
Rechtsgrundlage für ein richterliches Erziehungsgespräch geschaffen werden.
Schließlich soll dem Gericht auch die Möglichkeit offen stehen, in geeigneten
Fällen dem Minderjährigen selbst aus erzieherischen Gründen Weisungen zu
erteilen. Im Hinblick auf die vorrangige Zielgruppe strafauffällig gewordener,
aber noch strafunmündiger Kinder und dem verfolgten Präventionszweck wer-
den fünf Weisungen hervorgehoben, nämlich der Schulpflicht nachzukommen,
an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen, sich zu bemühen, einen Aus-
gleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), den Verkehr
mit bestimmten Personen oder den Besuch von Gast- oder Vergnügungsstätten
zu unterlassen, sowie Arbeitsleistungen (vor allem zur Wiedergutmachung an-
gerichteten Schadens, etwa durch mutwillige Zerstörung) zu erbringen.

Durch Ergänzung des § 1631b BGB soll ferner die um einen neuen Satz 2 er-
weiterte Fassung des § 1666 BGB auch bei den Voraussetzungen, unter denen
das Familiengericht einem Antrag des Personensorgeberechtigten auf Geneh-
migung einer geschlossenen Unterbringung stattgeben kann, entsprechend an-
wendbar sein. Dies bedeutet: Auch dann, wenn das Familiengericht prüft, ob
das Wohl des Kindes die Genehmigung einer beantragten mit Freiheitsentzie-
hung verbundenen Unterbringung erfordert, gilt die in § 1666 Abs. 1 Satz 2
BGB aufgestellte Vermutung.

Im Jugendstrafrecht soll das Fahrverbot als Zuchtmittel verankert werden. Die
Verhängung des Fahrverbots verspricht eine deutliche erzieherische Wirkung.
Gerade bei Jugendlichen und Heranwachsenden hat Mobilität eine große Be-
deutung; dem Führen von Kraftfahrzeugen kommt erheblicher Prestigewert zu.

Vorgesehen ist auch die Einführung der neuen Sanktion „Meldepflicht“. Dem
Richter soll es ermöglicht werden, dem Verurteilten die Pflicht regelmäßiger
Meldung bei einer amtlichen Stelle aufzuerlegen. Dies kann dem Verurteilten
beispielsweise eine Urlaubsreise oder den Besuch bestimmter Veranstaltungen
unmöglich machen.

Vorgeschlagen wird darüber hinaus die Einführung des „Einstiegsarrests“. Der
Richter kann danach neben einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe
oder einer Aussetzung der Verhängung einer Jugendstrafe Jugendarrest anord-
nen. Dem Jugendlichen werden auf diese Weise nachdrücklich der Ernst seiner
Situation und die Notwendigkeit einer Verhaltensänderung vor Augen geführt.

Der Entwurf will ferner bewirken, dass Straftaten Heranwachsender entspre-
chend dem Willen des Gesetzgebers in der Regel nach allgemeinem Strafrecht
geahndet werden. Er greift damit ein Anliegen der Bundesratsentschließung zur
Stärkung der Inneren Sicherheit vom 26. September 1997 (Bundesratsdruck-
sache 580/97) und Forderungen der Ständigen Konferenz der Innenminister
und -senatoren der Länder (IMK) vom 2. Februar 1998 auf.

Zugleich soll den Gerichten die Möglichkeit eröffnet werden, bei schwersten
Verbrechen durch Heranwachsende, auf die (ausnahmsweise) Jugendstrafrecht
Anwendung findet, Jugendstrafe bis zu 15 statt wie bisher bis zu zehn Jahren zu
verhängen.
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Schließlich soll die schnelle und flexible Verfahrensform des vereinfachten Ju-
gendverfahrens (§ 76 ff. JGG) dadurch gestärkt werden, dass dem Richter die
Anordnung der Vorführung zur Verhandlung oder der Erlass eines Haftbefehls
ermöglicht wird, wenn der Jugendliche unentschuldigt nicht zur mündlichen
Verhandlung erscheint. Der Entwurf greift damit Forderungen der Ständigen
Konferenz der Innenminister und -senatoren vom 19./20. November 1998 so-
wie der 70. Konferenz der Justizministerinnen und -minister vom 7. bis 9. Juni
1999 auf. Dem gerade im Jugendstrafverfahren zentralen Beschleunigungsge-
bot wird so Rechnung getragen.

C. Alternativen

Beibehalten der derzeitigen Rechtslage.

D. Kosten der öffentlichen Haushalte

1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand

In welchem Umfang durch die Einführung des „Einstiegsarrests“ ein Aus-
bau der Kapazitäten der Jugendarrestanstalten nötig sein wird, lässt sich der-
zeit nicht absehen.

2. Vollzugsaufwand

Die Vorschläge zum Fahrverbot dürften zu einer gewissen Mehrbelastung
bei der Polizei, die Vorschläge zur Meldepflicht dürften zu einer gewissen
Mehrbelastung bei der Strafvollstreckung sowie bei der Polizei führen. Dem
stehen Entlastungen namentlich bei der Überwachung von Bewährungsauf-
lagen gegenüber. In welchem Umfang es durch die vermehrte Anwendung
von allgemeinem Strafrecht auf Heranwachsende und die Einführung des
„Einstiegsarrests“ zu einem Anstieg der Belegungszahlen im Strafvollzug
und im Jugendarrestvollzug kommt, ist nicht klar absehbar. Tendenziell ist
aber von einer spürbaren Mehrbelastung des Straf- und Jugendarrestvoll-
zugs auszugehen. Nicht sicher abschätzen lässt sich auch, welchen Umfang
die Vorführungen und die Haftbefehle gemäß § 230 Abs. 2 StPO im verein-
fachten Jugendverfahren annehmen werden und welche Mehrbelastungen
damit für Polizei und Justiz verbunden sind.

E. Sonstige Kosten

Keine
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Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der gesetzlichen Maßnahmen
gegenüber Kinder- und Jugenddelinquenz

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs

Das Bürgerliche Gesetzbuch in der im Bundesgesetzblatt
Teil III, Gliederungsnummer 400-2 veröffentlichten berei-
nigten Fassung, zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt ge-
ändert:

1. § 1631b wird wie folgt geändert:

Es wird folgender neuer Satz 2 eingefügt:

„§ 1666 Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend.“

Die bisherigen Sätze 2 und 3 werden zu Satz 3 und 4.

2. § 1666 wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 1 wird folgender Satz 2 angefügt:

„Eine Gefährdung des Wohls des Kindes ist zu
vermuten, wenn das Kind wiederholt in schwerwie-
gender Weise gegen Strafgesetze verstoßen hat oder
Anzeichen einer drohenden Abhängigkeit von Betäu-
bungsmitteln oder anderen Suchtmitteln erkennen
lässt.“

b) Nach Absatz 4 werden folgende Absätze angefügt:

„(5) Das Gericht führt mit den Eltern oder dem In-
haber der elterlichen Sorge ein Erziehungsgespräch,
wenn dies zur Klärung einer möglichen Gefährdung
des Kindeswohls oder zur erzieherischen Einwirkung
erforderlich ist. Das Kind ist im notwendigen Um-
fang in das Gespräch einzubeziehen.

(6) Das Gericht kann den Eltern oder dem Inhaber der elter-
lichen Sorge die Weisung erteilen,

1. Leistungen der Jugendhilfe in Anspruch zu nehmen,

2. die Befolgung von Weisungen nach Absatz 7 durch das
Kind mit den zumutbaren erzieherischen Mitteln herbei-
zuführen.

(7) Das Gericht kann einem Kind aus erzieherischen Grün-
den Weisungen erteilen. Dabei ist auf das Alter des Kindes
und seine Fähigkeit zu selbständigem verantwortungsbe-
wusstem Handeln Rücksicht zu nehmen. Das Gericht kann
dem Kind insbesondere auferlegen,

1. seiner Schulpflicht nachzukommen,

2. an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen,

3. sich zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu
erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich),

4. Arbeitsleistungen zu erbringen,

5. den Verkehr mit bestimmten Personen oder den Besuch
von Gast- oder Vergnügungsstätten zu unterlassen.“

Artikel 2

Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen
Gerichtsbarkeit

Das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen
Gerichtsbarkeit in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliede-
rungsnummer 315-1 bereinigten Fassung, zuletzt geändert
durch ..., wird wie folgt geändert:

a) In § 70e Abs. 1 wird folgender Satz 3 eingefügt:

„Für eine Unterbringungsmaßnahme nach § 70
Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a des Bürgerlichen Gesetzbuchs
kann das Gutachten auch durch einen auf den Gebie-
ten der Psychologie, Pädagogik oder Sozialpädago-
gik ausgewiesenen Sachverständigen erstattet wer-
den.“

b) Der bisherige Satz 3 der Vorschrift wird zu Satz 4.

Artikel 3

Änderung des Jugendgerichtsgesetzes

Das Jugendgerichtsgesetz in der Fassung der Bekannt-
machung vom 11. Dezember 1974 (BGBl. I S. 3427), zu-
letzt geändert durch ..., wird wie folgt geändert:

1. § 8 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 2 wird wie folgt geändert:

aa) In Satz 1 werden nach dem Wort „Erziehungsbei-
standschaft“ die Wörter „sowie ein Fahrverbot
(§ 15a)“ eingefügt.

bb) Nach Satz 1 wird folgender Satz 2 eingefügt:

„Setzt er die Verhängung oder die Vollstre-
ckung der Jugendstrafe zur Bewährung aus, so
kann er daneben auch Jugendarrest verhängen.“

cc) Der bisherige Satz 2 wird Satz 3.

b) In Absatz 3 wird folgender Satz 2 angefügt:

„Fahrverbot darf nicht nach § 44 des Strafgesetz-
buches verhängt werden;
§ 15a bleibt unberührt.“

2. § 10 Abs. 1 Satz 3 wird wie folgt geändert:

a) In Nummer 8 wird das Wort „oder“ am Ende durch
ein Komma ersetzt.

b) In Nummer 9 wird der Punkt am Ende durch das
Wort „oder“ ersetzt.

c) Es wird folgende Nummer 10 angefügt:

„10. sich zu bestimmten Zeiten bei Gericht oder einer
anderen Stelle zu melden.“

3. In § 11 Abs. 1 Satz 2 wird die Angabe „Nr. 6“ durch die
Angabe „Nr. 6 oder 10“ ersetzt.
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4. In § 13 Abs. 2 wird nach Nummer 2 folgende Nummer
2a angefügt:

„2a. die Anordnung eines Fahrverbots,“

5. Nach § 15 ist folgender § 15a einzufügen:

„Der Richter kann dem Jugendlichen verbieten, für
die Dauer von einem bis zu drei Monaten im Straßen-
verkehr Kraftfahrzeuge jeder oder einer bestimmten
Art zu führen. § 44 Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuches
finden Anwendung.“

6. In § 26 Abs. 3 wird nach Satz 2 folgender Satz 3 ange-
fügt:

„Jugendarrest, der nach § 8 Abs. 2 Satz 2 verhängt
wurde, wird in dem Umfang, in dem er verbüßt wurde,
auf die Jugendstrafe angerechnet.“

7. § 30 wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 1 wird folgender Satz 2 angefügt:

„§ 26 Abs. 3 Satz 3 gilt entsprechend.“

b) In Absatz 2 wird nach der Angabe „Absatzes 1“ die
Angabe „Satz 1“ eingefügt.

8. In § 31 Abs. 2 wird nach Satz 2 folgender Satz 3 ange-
fügt:

„§ 26 Abs. 3 Satz 3 und § 30 Abs. 1 Satz 2 bleiben un-
berührt.“

9. In § 57 Abs. 1 wird nach Satz 2 folgender Satz 3 ange-
fügt:

„Wird die Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung
nachträglich durch Beschluss angeordnet, so gilt § 8
Abs. 2 Satz 2 entsprechend.“

10. In § 59 Abs. 1 Satz 1 werden nach den Wörtern „für
sich allein“ die Wörter „oder gemeinsam mit der Ent-
scheidung über die Anordnung eines Jugendarrests
nach § 8 Abs. 2 Satz 2“ eingefügt.

11. In § 76 Satz 1 werden die Wörter „auf ein Fahrverbot
erkennen,“ gestrichen.

12. In § 78 Abs. 3 wird nach Satz 2 folgender Satz 3 ange-
fügt:

㤠230 Abs. 2 der Strafprozessordnung findet entspre-
chende Anwendung.“

13. In § 87 Abs. 4 wird folgender Satz 2 angefügt:

„Jugendarrest, der nach § 8 Abs. 2 Satz 2 verhängt
wurde und noch nicht verbüßt ist, wird nicht mehr voll-
streckt, wenn der Richter die Aussetzung der Jugend-
strafe widerruft (§ 26 Abs. 1) oder Jugendstrafe ver-
hängt (§ 30 Abs. 1 Satz 1).“

14. § 105 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 1 wird wie folgt gefasst:

„(1) Auf die Straftat eines Heranwachsenden ist
das allgemeine Strafrecht anzuwenden.“

b) Nach Absatz 1 wird folgender Absatz 2 eingefügt:

„(2) Bestand zum Zeitpunkt der Tat bei dem Her-
anwachsenden eine erhebliche Verzögerung in der
sittlichen oder geistigen Entwicklung und ist des-
halb eine erzieherische Einwirkung geboten, so
wendet der Richter die für einen Jugendlichen gel-
tenden Vorschriften der §§ 4 bis 8, 9 Nr. 1, §§ 10, 11
und 13 bis 32 entsprechend an.“

c) Die bisherigen Absätze 2 und 3 werden die Absätze
3 und 4.

d) In Absatz 4 – neu – wird die Angabe „zehn“ durch
die Angabe „fünfzehn“ ersetzt.

15. § 124 wird wie folgt gefasst:

„Die in Anlage I Kap. III Sachgebiet C Abschnitt III
Buchstaben c und d des Einigungsvertrages vom 31.
August 1990 (BGBl. 1990 II S. 885, 957) aufgeführten
Maßgaben sind nicht mehr anzuwenden.“

Artikel 4

Änderung des Bundeszentralregistergesetzes

Das Gesetz über das Zentralregister und das Erziehungs-
register in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Sep-
tember 1984 (BGBl. I S. 1229, ber. 1985 I S. 195), zuletzt
geändert durch ..., wird wie folgt geändert:

1. § 13 wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 1 Nr. 1 werden nach den Wörtern „durch
Beschluss“ die Wörter „einschließlich eines daneben
angeordneten Jugendarrestes“ eingefügt.

b) In Absatz 2 Satz 2 werden nach den Worten „über
einen Schuldspruch“ die Worte „sowie einen daneben
angeordneten Jugendarrest“ eingefügt.

2. In § 60 Abs. 1 Nr. 3 werden nach dem Wort „Schuld-
spruch“ die Wörter „sowie ein daneben angeordneter Ju-
gendarrest“ eingefügt.

Artikel 5

Änderung des Straßenverkehrsgesetzes

In § 21 Abs. 1 Nr. 1, 2, Abs. 3 Nr. 1, 2 des Straßenver-
kehrsgesetzes in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliede-
rungsnummer 9231-1, veröffentlichten bereinigten Fassung,
zuletzt geändert durch ..., wird jeweils nach der Angabe
„§ 44 des Strafgesetzbuches“ die Angabe „, § 15a des Ju-
gendgerichtsgesetzes“ eingefügt.

Artikel 6

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am … in Kraft.

Berlin, den 12. April 2000

Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion
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Begründung

I. Allgemeines

Grundzüge der vorgeschlagenen Maßnahmen

1. Zivilrecht

Mit dem Anstieg der Jugendkriminalität sind auch straf-
rechtliche Verstöße von strafunmündigen Minderjährigen
zunehmend ins Blickfeld der Öffentlichkeit geraten. Der
Anstieg der Zahl der polizeilich registrierten tatverdächti-
gen Kinder unter 14 Jahren auf 144 260 im Jahr 1997 (ge-
genüber rund 131 000 im Jahr 1996) erreicht eine besorg-
niserregende Größenordnung. Damit werden zwar Strafta-
ten in einer Bandbreite unterschiedlichen Schweregehalts
erfasst, wobei sich diese Taten überwiegend im Bereich
minderschwerer Kriminalität bewegen. Gleichwohl ist die
Notwendigkeit unübersehbar, in geeigneten Einzelfällen mit
den Mitteln des Familienrechts sowie des Kinder- und Ju-
gendhilferechts frühzeitig zu intervenieren. Strafunmün-
dige, die wiederholt in schwerwiegender Weise gegen Straf-
gesetze verstoßen haben, geben Anlass zur Feststellung be-
stehender Erziehungsdefizite sowie zur Klärung eines
etwaigen Bedarfs an Hilfsmaßnahmen, insbesondere der Ju-
gendhilfe. Dasselbe gilt für Minderjährige, die Anzeichen
einer drohenden Abhängigkeit von Betäubungsmitteln oder
anderen Suchtmitteln erkennen lassen. Entsprechender Fest-
stellungs- und Klärungsbedarf kann schließlich auch bei Ju-
gendlichen nach Vollendung des 14. Lebensjahres bestehen,
soweit nicht deren Auffälligwerden zu einem jugendgericht-
lichen Verfahren führt, welches vorrangig notwendige erzie-
herische Korrekturen bewirken kann.

Zur Klärung, ob das Wohl des Kindes gefährdet ist und ob
ein entsprechender Hilfsbedarf besteht, eignet sich ein Er-
ziehungsgespräch, zu dem der Familienrichter die Eltern
bzw. den personensorgeberechtigten Elternteil oder einen
sonstigen Inhaber der Personensorge laden kann. In der Re-
gel wird ein Erziehungsgespräch auch unter zumindest zeit-
weiliger Beteiligung des betreffenden Kindes oder Jugendli-
chen zu führen sein.

Ein derartiges Gespräch wäre zwar schon nach geltendem
Recht nicht ausgeschlossen. Es wird aber als Mittel zu Prä-
vention gegenüber weiterem Abgleiten auffällig geworde-
ner strafunmündiger Kinder und Jugendlicher in kriminelles
Verhalten wohl kaum in nennenswertem Umfang genutzt.
Hierzu trägt auch bei, dass die Schwelle für Eingriffe in die
elterliche Sorge in § 1666 BGB vom Gesetzgeber verhält-
nismäßig hoch angesetzt wurde und sich die Rechtspre-
chung hieran orientiert. Deshalb ist derzeit auch eine ge-
wisse Zurückhaltung der Jugendämter bei der Anrufung der
Vormundschaftsgerichte (bzw. der ab 1. Juli 1998 zuständi-
gen Familiengerichte) festzustellen. Außerdem lassen sich
Erziehungsgespräche als praxisgerechtes Instrument zur
Früherkennung von Erziehungsdefiziten und Hilfsbedarf in
den in Rede stehenden Fällen wohl erst dann wirksam ein-
setzen, wenn sie als Institution gesetzlich verankert sind.

2. Jugendstrafrecht

a) Das Fahrverbot soll auch im Jugendstrafrecht zu einer
eigenständigen, nicht auf Taten im Zusammenhang mit
dem Straßenverkehr beschränkten Sanktion ausgebaut
werden. Im Hinblick darauf, dass das Führen von Kraft-
fahrzeugen gerade bei Jugendlichen und Heranwachsen-
den einen hohen Prestigewert hat, kann es nachhaltige
Wirkung erzielen. Der Entwurf schlägt vor, das Fahrver-
bot als Zuchtmittel im Jugendgerichtsgesetz zu veran-
kern. Hierdurch wird erreicht, dass die Maßnahme auch
dann eingesetzt werden kann, wenn dem Jugendlichen
oder Heranwachsenden das von ihm begangene Unrecht
der Tat eindringlich ins Bewusstsein gebracht werden
soll und somit die Denkzettelwirkung im Vordergrund
steht. Das ist nach geltendem Recht wohl nicht möglich
(vgl. zu entsprechenden Weisungen Eisenberg, Jugend-
gerichtsgesetz, 8. Aufl., § 10 Rn. 32; Brunner/Dölling,
Jugendgerichtsgesetz, 10. Aufl., § 10 Rn. 14).

b) Der Entwurf schlägt daneben den sog. Einstiegsarrest
vor. Dafür sprechen gewichtige erzieherische Gründe.
Nach den Erfahrungen der Praxis wird namentlich die
zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafe durch viele Ju-
gendliche als Sanktion kaum wahrgenommen. Die
gleichzeitige Anordnung eines Jugendarrests führt dem
Jugendlichen hingegen nachdrücklich den Ernst der
Lage vor Augen. Sie macht ihm unmissverständlich
deutlich, dass eine Verhaltensänderung notwendig ist,
wenn er den Vollzug einer Jugendstrafe vermeiden will.
Mit dem Vorschlag werden Forderungen der Praxis auf-
gegriffen. Er wird auch in der Wissenschaft positiv beur-
teilt (Brunner NStZ 1986, 508; Schaffstein NStZ 1986,
509) und war im Referentenentwurf des Bundesministe-
riums der Justiz zum 1. JGGÄndG (Stand 18. November
1983) vorgesehen, ist jedoch wesentlich aus Kosten-
gründen nicht weiter verfolgt worden.

c) Durch Neufassung des § 105 JGG soll klargestellt wer-
den, dass die Anwendung von Jugendstrafrecht auf Her-
anwachsende lediglich im Ausnahmefall in Betracht
kommt. Dem Willen des Gesetzgebers wird hierdurch
zum Durchbruch verholfen. Die gerichtliche Praxis hat
sich vom gesetzgeberischen Leitbild zunehmend ent-
fernt. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung soll
§ 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG keine Vermutung für die grund-
sätzliche Anwendung von Jugend- oder Erwachsenen-
strafrecht enthalten (BGHSt 36, 37/40). Ferner soll in
Fällen, in denen nicht feststellbar ist, ob der Heranwach-
sende zur Tatzeit noch einem Jugendlichen gleichstand,
grundsätzlich Jugendstrafrecht anzuwenden sein
(BGHSt 12, 116/118). Die Anwendung von Jugendstraf-
recht auf Heranwachsende hat u. a. deshalb stetig zuge-
nommen. Vor allem bei schwereren Delikten kommt
häufig nahezu ausschließlich Jugendstrafrecht zur An-
wendung.

Diese Entwicklung erscheint unbefriedigend. Der Her-
anwachsende übernimmt mit Eintritt der Volljährigkeit
alle Rechte und Pflichten eines mündigen Staatsbürgers.
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Dem muss das Strafrecht Rechnung dadurch tragen, dass
grundsätzlich das allgemeine Strafrecht Anwendung fin-
det. Hinzu kommt, dass die Sanktionspraxis der Jugend-
gerichte im Ländervergleich sowie zwischen städtischen
und ländlichen Regionen gravierend auseinanderläuft.
Dies ist den Bürgerinnen und Bürgern, aber auch den
Betroffenen nicht vermittelbar.

d) Wird bei Straftaten Heranwachsender Jugendstrafrecht
angewandt, so beträgt das Höchstmass der Jugendstrafe
gegenwärtig zehn Jahre. Dieses Strafmaß reicht bei
schwerster Kriminalität oftmals nicht aus. Den Gerich-
ten muss die Möglichkeit eingeräumt werden, z. B. bei
brutalen Mordtaten Heranwachsender eine Jugendstrafe
von bis zu 15 Jahren zu verhängen.

II. Zu den einzelnen Vorschriften

Zu Artikel 1

(Änderung des Bürgerlichen Gesetz-
buchs)

Zu den Nummern 1 und 2

(§§ 1631b, 1666 BGB)

a) Durch Ergänzung des § 1666 BGB soll

– klargestellt werden, dass eine Gefährdung des Kin-
deswohls dann zu vermuten ist, wenn das Kind wie-
derholt in erheblicher Weise gegen Strafgesetze ver-
stoßen hat. „In erheblicher Weise“ bedeutet hierbei
nicht, dass es sich etwa um Straftaten mit Verbre-
chenscharakter handeln muss. Vielmehr sollen alle
Einzelumstände der Tatbegehung, deren Folgen und
die von dem Minderjährigen gezeigte Einstellung
einschließlich einer Wiederholungsgefahr für die Be-
urteilung herangezogen werden können, ob die
Rechtsverletzung durch den Minderjährigen so
schwer wiegt, dass die Gefährdung des Kindeswohls
zu vermuten ist. Eine solche Vermutung soll ferner
dann bestehen, wenn das Kind Anzeichen einer dro-
henden Abhängigkeit von Betäubungsmitteln oder
anderen Suchtmitteln erkennen lässt;

– eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für ein richterli-
ches Erziehungsgespräch geschaffen werden.

Anregungen für ein derartiges Erziehungsgespräch wer-
den im Regelfall durch das zuständige Jugendamt an das
Familiengericht herangetragen werden. Die Vorschrift
des § 50 Abs. 3 SGB VIII verpflichtet das Jugendamt zur
Anrufung des Gerichts, wenn es zur Abwendung einer
Gefährdung des Wohls des Kindes oder Jugendlichen ein
Tätigwerden des Gerichts für erforderlich hält.

Soweit sich im Rahmen eines Erziehungsgesprächs ein
Hilfebedarf abzeichnet, werden dem Jugendamt entspre-
chende Beratungs- und sonstige Leistungsangebote ob-
liegen. Sind die Eltern bzw. Sorgeberechtigte nicht be-
reit, hiervon Gebrauch zu machen, wird dem Gericht
ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt, eine entspre-
chende Weisung zu erteilen. Diese kann sich insbeson-
dere auf die Inanspruchnahme von Leistungen der Ju-
gendhilfe (z. B. Beratungsangebote) beziehen.

Empirisch belegte Erfahrungen aus anderen Bereichen –
z. B. der Trennungs- und Scheidungsberatung – zeigen,
dass auch anfangs widerstrebende Eltern die von ihnen
nachdrückliche Empfehlung des Gerichts angenommene
Beratung schließlich überwiegend positiv beurteilen.

Die Befolgung von Weisungen durch die Eltern kann mit
den Zwangsmitteln des § 33 FGG durchgesetzt werden.
Als wirksam dürfte sich aber vielfach schon der Hinweis
auf mögliche weitergehende Eingriffe in die elterliche
Sorge nach § 1666 BGB erweisen, so dass es vor dem
Hintergrund der richterlichen Autorität einer konkret zu
verhängenden Sanktion wohl nicht häufig bedürfen wird.

Schließlich soll dem Gericht auch die Möglichkeit offen-
stehen, in geeigneten Fällen dem Minderjährigen selbst
aus erzieherischen Gründen Weisungen zu erteilen.
Hierbei eignet sich der in § 10 JGG genannte Katalog
möglicher Weisungen im jugendgerichtlichen Verfahren
aber nur begrenzt, weil er grundsätzlich direkte Einwir-
kungsmöglichkeiten des Jugendrichters ohne Anknüp-
fung an das elterliche Sorgerecht zugrunde legt. Im
Hinblick auf die vorrangige Zielgruppe strafauffällig
gewordener, aber noch strafunmündiger Kinder und dem
verfolgten Präventionszweck werden fünf Weisungen
hervorgehoben, nämlich

– der Schulpflicht nachzukommen,

– an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen,

– sich zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletz-
ten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich),

– Arbeitsleistungen (vor allem zur Wiedergutmachung
angerichteten Schadens, etwa durch mutwillige Zer-
störung) zu erbringen,

– den Verkehr mit bestimmten Personen oder den Be-
such von Gast- oder Vergnügungsstätten zu unterlas-
sen.

Dies schließt nicht aus, dass der Richter im Einzelfall
eine andere geeignete Weisung erteilt, ohne dass er sich
hierbei allerdings an dem auch anderen Zielrichtungen
verfolgenden Maßnahmekatalog des § 10 JGG orientie-
ren muss.

Die Verfolgung einzelner Straftaten (strafmündiger) Ju-
gendlicher nach den Vorschriften des JGG wird durch
die vorgesehenen familienrichterlichen Maßnahmen
nicht gehindert. Da auch bei Jugendlichen Anlass für die
Erteilung von Weisungen nicht eine konkrete Straftat ist,
wie dies § 5 Abs. 1 JGG voraussetzt, sondern die Ge-
fährdung des Kindeswohls, liegt ein Verstoß gegen das
Verbot der Doppelbestrafung nicht vor. Die Durchfüh-
rung der erzieherischen Maßnahmen nach § 1666 BGB
wird jedoch häufig auch Rückwirkungen auf das Jugend-
strafverfahren haben, wie z. B. in den Fällen des § 45
Abs. 3 JGG.

Folgt der Minderjährige einer Weisung nicht, kann das
Gericht nötigenfalls die Eltern ihrerseits entsprechend
anweisen, die Befolgung einer dem Kind erteilten Wei-
sung zu gewährleisten. Auch hierfür stehen dem Richter
gegebenenfalls die Zwangsmittel des § 33 FGG zu Ge-
bote.
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Die Nichtbefolgung einer Weisung sowohl durch das
Kind als auch die Eltern wird zudem Anlass zur Prüfung
weiterer Interventionsmöglichkeiten nach § 1666 BGB
sein. Falls der Minderjährige strafmündig und danach er-
neut straffällig wird, kann der zuständige Jugendrichter
durch Aktenkundigkeit früherer Vorgänge entsprechende
Rückschlüsse ziehen und damit bereits auf einer höheren
Sanktionsstufe erzieherisch reagieren, und zwar mit den
dann gegebenen Vollstreckungsmöglichkeiten des Ju-
gendstrafrechts.

In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle dürfte aber
eine familiengerichtliche Weisung den gebotenen Ein-
druck bei den strafunmündigen Minderjährigen hinter-
lassen und so den Zweck einer schnellen staatlichen Re-
aktion auf abweichendes Verhalten mit strafrechtlichem
Unrechtscharakter erfüllen.

b) Durch Ergänzung des § 1631b BGB soll ferner die um
einen neuen Satz 2 erweiterte Fassung des § 1666 BGB
auch bei den Voraussetzungen, unter denen das Famili-
engericht einem Antrag des Personensorgeberechtigten
auf Genehmigung einer geschlossenen Unterbringung
stattgeben kann, entsprechend anwendbar sein. Dies be-
deutet: Auch dann, wenn das Familiengericht prüft, ob
das Wohl des Kindes die Genehmigung einer beantrag-
ten mit Freiheitsentziehung verbundenen Unterbringung
erfordert, gilt die in § 1666 Abs. 1 Satz 2 BGB aufge-
stellte Vermutung. Eine Gefährdung des Kindeswohls ist
demnach zu vermuten, wenn das Kind in erheblicher
Weise gegen Strafgesetze verstoßen hat oder Anzeichen
einer drohenden Abhängigkeit von Betäubungsmitteln
oder anderen Suchtmitteln erkennen lässt. Das Gericht
kann demnach unter den genannten Voraussetzungen ei-
nen Antrag eines Personensorgeberechtigten auf Ertei-
lung einer Genehmigung nach § 1631b Satz 1 BGB nicht
ohne weitere Ermittlungen ablehnen. Auch die weiteren
gerichtlich zu treffenden Feststellungen sowie das einzu-
holende Sachverständigengutachten haben sich mit der –
widerlegbaren – gesetzlichen Vermutung auseinander zu
setzen.

Zu Artikel 2

(§ 70e des Gesetzes über die Angele-
genheiten der freiwilligen Gerichtsbar-
keit)

Für das Verfahren über die Genehmigung der geschlossenen
Unterbringung eines Kindes nach § 1631b BGB gelten die
Vorschriften über Unterbringungsmaßnahmen in §§ 70 ff.
FGG.

Durch das zum 1. Januar 1992 in Kraft getretene Betreu-
ungsgesetz wurden die früher maßgebenden Vorschriften –
darunter auch § 64c FGG – aufgehoben und ein einheitli-
ches Verfahren sowohl für die öffentlich-rechtliche Unter-
bringung nach den Landesunterbringungsgesetzen als auch
für die Genehmigung der privatrechtlichen Unterbringun-
gen durch den Betreuer oder den Personensorgeberechtigten
eines Minderjährigen geschaffen. Für alle genannten Ver-
fahrenskonstellationen schreibt § 70e Abs. 1 FGG zwin-
gend vor: Bei einer Unterbringungsmaßnahme hat das Ge-
richt das Gutachten eines Sachverständigen einzuholen, der
den Betroffenen persönlich zu untersuchen oder zu befragen

hat (Satz 1). Der Sachverständige soll in der Regel Arzt für
Psychiatrie sein; in jedem Fall muss er Arzt mit Erfahrun-
gen auf dem Gebiet der Psychiatrie sein (Satz 2).

Diese Vorschrift ist bei der Unterbringung von Volljährigen
– durch den Betreuer gemäß § 1906 Abs. 1 BGB oder öf-
fentlich-rechtlich aufgrund landesrechtlicher Unterbrin-
gungsgesetze bzw. PsychKG – uneingeschränkt sinnvoll, da
es hier stets um die Feststellung einer psychischen Erkran-
kung bzw. einer geistigen oder seelischen Behinderung
geht. Für die Unterbringung Minderjähriger erscheint die
gesetzliche Anforderung an die Qualifikation des Gutach-
ters nur dann angemessen, wenn der Sachverständige ju-
gendpsychiatrische Fragen zu erklären hat.

Für diejenigen Fälle des § 1631b BGB, in denen im wesent-
lichen pädagogische oder psychologische Gesichtspunkte
zu begutachten sind, soll § 70e Abs. 1 FGG dahingehend
geändert werden, dass das Gutachten auch von einem Sach-
verständigen erstattet werden kann, der auf den Gebieten
der Psychologie, Pädagogik oder Sozialpädagogik ausge-
wiesen ist. Es ist dann von dem zuständigen Gericht im
Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht nach § 12 FGG fest-
zustellen, welchen fachlichen Anforderungen im konkreten
Fall die Sachkunde des Gutachters genügen muss. Steht von
Anfang an fest oder ergibt sich im Laufe des Verfahrens,
dass der Betroffene jugendpsychiatrisch begutachtet werden
muss, wird das Gericht auf einen entsprechenden Facharzt
zurückgreifen. In den übrigen Fällen kämen auch andere
Sachverständige anderer Fachrichtungen in Betracht, die
den zuletzt beschriebenen Anforderungen genügen. Dies
können grundsätzlich auch Schulpsychologen oder Mitar-
beiter von Erziehungsberatungsstellen sein.

Zu Artikel 3

(Änderung des Jugendgerichtsgesetzes)

Zu Nr. 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa und Buchstabe b

(§ 8 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3)

Um das als weiteres Zuchtmittel vorgesehene Fahrverbot
auch neben einer Jugendstrafe anordnen zu können, ist eine
entsprechende Ergänzung des § 8 Abs. 2 Satz 1 JGG erfor-
derlich. Dabei wird durch den Klammerhinweis „(§ 15a)“
deutlich gemacht, dass es um das Fahrverbot nach dieser
Vorschrift mit der Höchstdauer von drei Monaten geht.

Zu Nr. 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb

(§ 8 Abs. 2 Satz 2)

Der neu eingeführte Satz 2 in § 8 Abs. 2 JGG eröffnet die
Möglichkeit der Anordnung eines „Einstiegsarrests". Der
Richter kann danach, auch wenn er die Vollstreckung oder
Verhängung der Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt hat,
gleichzeitig daneben einen Jugendarrest verhängen. Diese
Möglichkeit ist von der Praxis bereits wiederholt aus erzie-
herischen Gründen gefordert worden. Angeführt wird u. a.,
dass viele Jugendliche die Aussetzung der Verhängung oder
der Vollstreckung der Jugendstrafe als eine Art „Freispruch
auf Bewährung“ wahrnehmen. Der Ernst ihrer Lage und die
Notwendigkeit einer Verhaltensänderung werden ihnen häu-
fig nicht bewusst, da das Gefühl vorherrscht, „noch einmal
davon gekommen zu sein“. Der Vollzug von Jugendarrest
zu Beginn der Bewährungszeit ermöglicht gerade bei diesen
Jugendlichen eine nachdrücklichere erzieherische Einfluss-
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Drucksache

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nahme. Der Bewährungshelfer kann diese Phase bereits zu
intensiven ersten Kontakten mit dem Probanden nützen.
Dies setzt jedoch voraus, dass lange Wartezeiten, bis es zur
Verbüßung des Jugendarrests kommt, vermieden werden.
Die Vollstreckung eines Jugendarrests erst während einer
bereits positive Ergebnisse zeitigenden Betreuungsphase
kann kontraproduktiv sein. § 87 Abs. 3 JGG lässt jedoch die
Möglichkeit zu, in diesen Fällen von der Vollstreckung des
Jugendarrests nachträglich abzusehen.

Die vorgesehene Koppelungsmöglichkeit kann mitunter
eine Aussetzung von Jugendstrafe zur Bewährung auch in
Fällen zulassen, in denen dies bisher nicht gerechtfertigt
war, weil ohne die intensive Einwirkung auf den Jugendli-
chen, die durch den „Einstiegsarrest“ möglich ist, eine posi-
tive Sozialprognose nicht gestellt werden konnte.

Ferner wird die Ungereimtheit beseitigt, dass der Jugendli-
che, bei dem wegen der Möglichkeit des Vorhandenseins
schädlicher Neigungen gemäß § 27 JGG die Verhängung
der Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde, bei Til-
gung des Schuldspruchs gemäß § 30 Abs. 2 JGG besser
steht als derjenige, bei dem das Vorliegen schädlicher Nei-
gungen eindeutig verneint wurde und Jugendarrest angeord-
net wurde. Gerade in Komplizensachen ist es den Jugendli-
chen kaum zu vermitteln und daher aus erzieherischen
Gründen abträglich, wenn von mehreren Beteiligten der
„Gutgeartete“ einen Jugendarrest verbüßen muss, während
derjenige, bei dem schädliche Neigungen festgestellt oder
nicht ausgeschlossen werden können, (zunächst) von einem
derart intensiven Eingriff verschont bleibt.

Zwar werden gegen die Koppelung von Jugendarrest mit ei-
ner zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe insbesondere
im Hinblick darauf, dass die Anordnung von Zuchtmitteln
nur dann zulässig ist, wenn Jugendstrafe nicht geboten ist
(§ 13 Abs. 1 JGG), und unter Hinweis darauf, dass Jugend-
arrest und Jugendstrafe auf unterschiedliche Tätergruppen
abzielen, dogmatische Bedenken geltend gemacht (vgl.
Eisenberg, a.a.O., Rn. 11 zu § 8).

Diese Bedenken vermögen jedoch nicht zu überzeugen. So
können neben der Aussetzung der Verhängung bzw. der
Vollstreckung der Jugendstrafe gemäß § 23 Abs. 1 Satz 4,
§ 29 Satz 2 JGG durchaus auch Zuchtmittel, nämlich be-
stimmte Auflagen verhängt werden. Es erscheint daher kei-
neswegs systemwidrig, auch Jugendarrest als ein anderes
erzieherisch wünschenswertes Zuchtmittel neben der Aus-
setzung der Verhängung bzw. der Vollstreckung der Jugend-
strafe zuzulassen. Hinzu kommt, dass wohl eine ganz
scharfe und eindeutige Abgrenzung zwischen gutgearteten
Tätern und Tätern mit schädlichen Neigungen in der Praxis
kaum möglich ist (vgl. Schaffstein NStZ 1986, 509).

Ferner erscheint es sinnvoll, den „Einstiegsarrest“ nicht nur
gleichzeitig mit der Aussetzung der Jugendstrafe zur Be-
währung im Urteil, sondern auch nachträglich durch Be-
schluss in Fällen des § 57 JGG zuzulassen.

Bereits verbüßter Jugendarrest ist auf die Jugendstrafe an-
zurechnen, wenn wegen der Verhängung der Jugendstrafe
im Nachverfahren gemäß § 30 Abs. 1 JGG oder wegen Wi-
derrufs der Strafaussetzung gemäß § 26 JGG Jugendstrafe
zu vollstrecken ist. Ist in diesen Fällen der Jugendarrest
noch nicht verbüßt, so unterbleibt dessen Vollstreckung,
weil der Anordnungsgrund entfallen ist.

Da das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Artikel 103
Abs. 3 GG lediglich verhindern will, dass jemand wegen
derselben Tat mehrfach strafrechtlich verfolgt werden kann,
nicht jedoch, dass wegen einer Tat verschiedene Rechtsfol-
gen angeordnet werden können, bestehen gegen die Einfüh-
rung des „Einstiegsarrests“ keine verfassungsrechtlichen
Bedenken.

Zu Nr. 2, 3

(§ 10 Abs. 1 Satz 3, § 11 Abs. 1 Satz 2)

Im Jugendstrafrecht sollte eine Meldepflicht als Weisung
eingeführt werden. Dann kann bei schuldhaften Verstößen
nach Maßgabe des § 11 Abs. 3 JGG Jugendarrest verhängt
werden. Weitere sachgerechte Folge der Qualifizierung als
Weisung ist, dass auch die übrigen Regelungen zu den Wei-
sungen (etwa die Änderungsmöglichkeiten nach § 11 Abs. 2
JGG) so auf die Meldepflicht anwendbar werden. Damit
kann dem Erziehungsgedanken Rechnung getragen werden.

Zu Nr. 4

(§ 13 Abs. 2 Nr. 2a)

Als weiteres Zuchtmittel wird durch die Aufnahme in den
abschließenden Katalog des § 13 Abs. 2 JGG das Fahrver-
bot vorgesehen.

Zu Nr. 5

(§ 15a)

Die Vorschrift sieht vor, dass ein Fahrverbot auch dann ver-
hängt werden kann, wenn die Straftat nicht bei oder im Zu-
sammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder
unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers
begangen wurde. Diese Sanktion kommt insbesondere in
Betracht, wenn dem Jugendlichen dadurch, dass ihm die
Benutzung eines Kraftfahrzeuges untersagt wird, in ausrei-
chender Weise das Unrecht seiner Tat zu Bewusstsein ge-
bracht werden kann.

Das Fahrverbot wird in gleicher Weise wie ein nach § 44
StGB angeordnetes Fahrverbot vollstreckt. § 44 Abs. 2 und 3
StGB werden daher auch auf das Fahrverbot nach § 15a für
anwendbar erklärt.

Zu Nr. 6

(§ 26 Abs. 3 Satz 3)

Die Vorschrift sieht eine obligatorische Anrechnung des
verbüßten „Einstiegsarrests“ vor, wenn aufgrund des Wider-
rufs der Strafaussetzung zur Bewährung die Jugendstrafe zu
vollstrecken ist.

Zu Nr. 7

(§ 30 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2)

Auch in Fällen der Verhängung der Jugendstrafe im Nach-
verfahren ist es sachgerecht, den verbüßten „Einstiegsar-
rest“ auf die zu vollstreckende Jugendstrafe anzurechnen.
Insoweit wird daher auf § 26 Abs. 3 Satz 3 JGG verwiesen.

Bei der Änderung von § 30 Abs. 2 handelt es sich um eine
Folgeänderung.

Zu Nr. 8

(§ 31 Abs. 2 Satz 3)

Ist ein Urteil, in dem „Einstiegsarrest“ angeordnet wurde,
gemäß § 31 Abs. 2 JGG in eine neue Entscheidung einzube-
ziehen, so ist es ebenso wie in den Fällen des § 26 Abs. 3
Satz 3, § 30 Abs. 1 Satz 2 JGG sachgerecht, den bereits ver-
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büßten „Einstiegsarrest“ stets auf die zu vollstreckende Ju-
gendstrafe anzurechnen.

Zu Nr. 9

(§ 57 Abs. 1 Satz 3)

Auch in den Fällen der nachträglichen Entscheidung über
die Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung durch Be-
schluss ist es sinnvoll, die Möglichkeit der Verhängung des
„Einstiegsarrests“ zu eröffnen. § 8 Abs. 2 Satz 2 JGG wird
daher auch in diesen Fällen für anwendbar erklärt.

Eine Anfechtung der Anordnung des Jugendarrests kann
aufgrund der Einheitlichkeit der Entscheidung nach Maß-
gabe des § 59 Abs. 1 JGG nur gemeinsam mit der Entschei-
dung über die Aussetzung erfolgen.

Zu Nr. 10

(§ 59 Abs. 1 Satz 1)

Die Vorschrift sieht vor, dass die sofortige Beschwerde auch
dann zulässig ist, wenn nicht nur die Entscheidung, durch
die die Aussetzung der Jugendstrafe angeordnet oder abge-
lehnt wird, isoliert angefochten wird, sondern gleichzeitig
auch die Anordnung des Jugendarrests nach § 8 Abs. 2
Satz 2 JGG angegriffen wird.

Zu Nr. 11

(§ 76 Satz 1)

Das Fahrverbot nach § 15a wird als Zuchtmittel bereits vom
Wortlaut des § 76 Satz 1 („Zuchtmittel verhängen“) erfasst,
so dass eine gesonderte Erwähnung entbehrlich ist. Das
Fahrverbot nach § 44 StGB, das bisher in § 76 Satz 1 ange-
sprochen wurde, soll im Jugendstrafrecht keine Anwendung
mehr finden, vgl. § 8 Abs. 3 Satz 2.

Zu Nr. 12

(§ 78 Abs. 3 Satz 3)

Durch die Verweisung auf § 230 Abs. 2 StPO eröffnet diese
Vorschrift dem Richter auch im vereinfachten Jugendver-
fahren gemäß § 76 JGG die Möglichkeit, die Vorführung
anzuordnen oder Haftbefehl zu erlassen, wenn der Jugendli-
che unentschuldigt zur mündlichen Verhandlung nicht er-
schienen ist. Nach wohl herrschender Meinung (vgl. Eisen-
berg, a.a.O. Rn. 21 zu §§ 76 bis 78) besteht diese
Möglichkeit nach geltender Rechtslage nicht, da die münd-
liche Verhandlung im vereinfachten Jugendverfahren keine
Hauptverhandlung im Sinne von § 226 StPO darstellt. Die
Einführung dieser Möglichkeit lässt eine erweiterte Anwen-
dung des vereinfachten Jugendverfahrens zu und dient der
Verfahrensbeschleunigung.

Zu Nr. 13

(§ 87 Abs. 4 Satz 2)

Im Fall eines Widerrufs der Strafaussetzung zur Bewährung
gemäß § 26 Abs. 1 JGG und der Verhängung der Jugend-
strafe gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 JGG ist es nicht mehr ange-
zeigt, den gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 JGG angeordneten Ju-
gendarrest, der noch nicht verbüßt ist, noch zu vollstrecken,
da der Zweck der Anordnung entfallen ist. Nach dieser Vor-
schrift ist in diesen Fällen der „Einstiegsarrest“ daher nicht
mehr zu vollstrecken.

Zu Nr. 14 Buchstabe a und b

(§ 105 Abs. 1 und 2)

Durch die Gliederung und Formulierung der Vorschrift
kommt stärker als bisher zum Ausdruck, dass der Regelfall

die rechtliche Gleichstellung der Heranwachsenden mit den
Erwachsenen sein soll und nur ausnahmsweise bei erhebli-
chen Entwicklungsverzögerungen die Anwendung von Ju-
gendstrafrecht in Betracht kommt.

Der Begriff der Jugendverfehlung und die Differenzierung
zwischen den bisherigen Nummern 1 und 2 in § 105 Abs. 1
JGG wird ebenso aufgegeben wie die Anknüpfung an einen
tatsächlich nicht bestehenden Normtyp des Jugendlichen.

Die Feststellung, ob der Täter entwicklungsmäßig „noch
einem Jugendlichen gleichstand“ oder ob eine „Jugendver-
fehlung“ vorliegt, erfordert nach geltendem Recht einen
Vergleich des Täters mit einem „normalen“ Jugendlichen.
Hierbei handelt es sich aber um eine rein fiktive Größe, die
in der Realität mit ihren vielfältigen Abstufungen und Nu-
ancen keine Entsprechungen findet. Ein empirisch abgesi-
chertes Leitbild eines „normalen“ Jugendlichen konnte die
Wissenschaft bisher nicht erbringen (Eisenberg, a.a.O.,
Rn. 7 zu § 105). Die Beurteilung der Frage, ob Jugendrecht
oder Erwachsenenrecht anzuwenden ist, hängt daher häufig
von äußerlichen Umständen und Zufälligkeiten ab. Zum
Teil wird sogar die Auffassung vertreten, dass die Entschei-
dung nach § 105 Abs. 1 in einem im Hinblick auf den Be-
stimmtheitsgrundsatz des Artikels 103 Abs. 2 GG proble-
matischen Ausmaß von der Subsumtion normativer Begriffe
abhängt (Eisenberg, a.a.O., Rn. 3 zu § 105).

Die dadurch hervorgerufenen Schwierigkeiten bei der
Rechtsanwendung haben in der Praxis zu Rechtsunsicher-
heit und Rechtsungleichheit geführt (vgl. Brunner/Dölling,
JGG, 10. Aufl., Rn. 2 zur Einführung II).

Der Begriff der „Jugendverfehlung“ nach § 105 Abs. 1 Nr. 2
JGG hat sich zudem als zu unbestimmt und in seinem Ver-
hältnis zur Regelung in § 105 Abs. 1 Nr. 1 als problematisch
erwiesen. Es erscheint daher vorzugswürdig, auf diesen Be-
griff völlig zu verzichten und ausschließlich auf die Ent-
wicklung des Heranwachsenden abzustellen. Die Anwen-
dung von Jugendstrafrecht ist nur dann gerechtfertigt, wenn
eine erhebliche Verzögerung in der sittlichen oder geistigen
Entwicklung vorliegt. Das Vorliegen dieser Voraussetzung
ist im Einzelfall festzustellen, eine schematische Bejahung
von Entwicklungsverzögerungen ist nicht gerechtfertigt.
Die Entwicklungsverzögerung muss dabei so schwerwie-
gend sein, dass es ausnahmsweise sinnvoll erscheint, den
Heranwachsenden nicht wie einen Erwachsenen, sondern
noch wie einen Jugendlichen zu behandeln und das erziehe-
rische Instrumentarium des Jugendstrafrechts anzuwenden.

Ferner wird klargestellt, dass die Anwendung des Jugend-
strafrechts nur bei solchen Tätern in Betracht kommt, die
mit den jugendspezifischen Maßnahmen des JGG noch zu
erreichen sind. Sind solche erzieherischen Maßnahmen zum
Zeitpunkt der richterlichen Entscheidung nicht (mehr) er-
forderlich oder von vornherein aussichtslos, gilt das allge-
meine Strafrecht, das allerdings bei der Ahndung der Straf-
taten auch die Berücksichtigung erheblicher Reifeverzöge-
rungen zum Zeitpunkt der Tat in vielfältiger Weise, z. B.
durch die Annahme eines minder schweren Falles, zulässt.

Zu Nr. 14 Buchstabe c

(§ 105 Abs. 3 und 4)

Es handelt sich um eine Folgeänderung.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 11 –

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Zu Nr. 14 Buchstabe d

(§ 105 Abs. 4)

Dem Richter wird die Möglichkeit eingeräumt, in Fällen, in
denen ausnahmsweise Jugendstrafrecht auf Heranwach-
sende zur Anwendung kommt, bei schwersten Straftaten
aufgrund der Schwere der Schuld eine Jugendstrafe von bis
zu 15 Jahren verhängen zu können.

Zu Nr. 15 (§ 124)

Die Einführung des Fahrverbots als weiteres Zuchtmittel im
Jugendgerichtsgesetz macht eine Anpassung notwendig.
Nach Anlage I Kap. III Sachgebiet C Abschnitt III Nr. 3
lit. c und d des Einigungsvertrages wurde der Begriff des
„Zuchtmittels“ nicht für das Beitrittsgebiet übernommen,
sondern im Jugendgerichtsgesetz jeweils durch die Worte
„Verwarnung, Erteilung von Auflagen und Jugendarrest“ er-
setzt. Im Interesse der Übersichtlichkeit und sprachlicher
Klarheit wird diese Aufzählung nicht um das Wort „Fahr-
verbot“ ergänzt, sondern der Begriff des „Zuchtmittels“
bundesweit eingeführt. Diese Änderung vollzieht lediglich
nach, dass auch im Beitrittsgebiet der Begriff des „Zucht-
mittels“ dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht.

Zu Artikel 4

(Änderung des Bundeszentralregister-
gesetzes)

Zu Nr. 1 Buchstabe a

(§ 13 Abs. 1 Nr.1 )

Bei der Änderung des § 13 Abs. 1 Nr. 1 BZRG sieht der
Entwurf die Eintragung von Jugendarrest, der gemäß § 8
Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 57 Abs. 1 Satz 3 JGG in der Fassung
des Entwurfs neben einer nachträglichen Strafaussetzung
zur Bewährung verhängt worden ist, in das Zentralregister
vor. Die Eintragung des im Urteil angeordneten „Einstiegs-
arrests“ wird durch die bereits geltende Vorschrift des § 45
Abs. 2 BZRG geregelt.

Zu Nr. 1 Buchstabe b und 2

(§ 13 Abs. 2 Satz 2 und § 60
Abs. 1 Nr. 3)

Die Möglichkeit der Anordnung von Jugendarrest neben der
Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe anzuordnen,
wird durch den Entwurf ferner durch Änderungen in § 13
Abs. 2 Satz 2 und § 60 Abs. 1 Nr. 3 BZRG berücksichtigt.

Zu Artikel 5

(§ 21 des Straßenverkehrsgesetzes)

Es handelt sich um eine Folgeänderung zu dem durch Arti-
kel 2 Nr. 5 neu geschaffenen § 15a JGG. Die Sanktionie-
rung etwaiger Verstöße soll die Einhaltung des Fahrverbots
gewährleisten.

Zu Artikel 6

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.

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