BT-Drucksache 14/3135

Sicherung des Energiestandortes Ost

Vom 4. April 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/3135
14. Wahlperiode 04. 04. 2000

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Günter Nooke, Kurt-Dieter Grill, Dr. Angela Merkel,
Ulrich Adam, Hartmut Büttner (Schönebeck), Manfred Grund, Ulrich Klinkert,
Manfred Kolbe, Dr. Paul Krüger, Dr. Michael Luther, Michael Stübgen
und der Fraktion der CDU/CSU

Sicherung des Energiestandortes Ost

Die Vereinigte Energie AG (VEAG) ist das größte ostdeutsche Unternehmen
mit zurzeit noch ca. 6 000 Arbeitsplätzen, von denen weitere ca. 10 000 Ar-
beitsplätze direkt in der Kohleförderung und eine noch wesentlich höhere An-
zahl an Arbeitsplätzen indirekt abhängig sind. In den Privatisierungsverträgen
mit der Treuhandanstalt sind die heutigen sieben Anteilseigner RWE, Preußen-
Elektra, Bayernwerk, EnBW, HEW, BEWAG und VEW umfangreiche Pflich-
ten zum Erhalt der VEAG eingegangen. Seitdem wurden in die Erneuerung der
Kraftwerke und Anlagen knapp 17 Mrd. DM investiert. Die VEAG ist nach ei-
gener Darstellung derzeit aber unter dem Druck der hohen Abschreibungen und
nicht zuletzt unter dem im Wettbewerb anhaltenden Verfall der Strompreise
noch nicht wettbewerbsfähig. Deshalb verhandeln zurzeit die Anteilseigner mit
dem Bundesminister für Wirtschaft und Technologie über die Zukunft des
Braunkohlenverstromers. Das vom Bundesminister für Wirtschaft und Techno-
logie, Werner Müller, favorisierte Stabilisierungsmodell ist allerdings nicht zu-
stande gekommen. Die Anteilseigner waren bislang nicht bereit, den von der
VEAG erzeugten Strom zu Herstellungskosten zu übernehmen und anschlie-
ßend zu Marktpreisen weiterzuverkaufen. Die Anteilseigner waren lediglich
bereit, ein Notprogramm mit einem Darlehensvolumen von 1 Mrd. DM bereit-
zustellen. Damit verbunden sind ein Investitionsstopp und das Ziel, alle
vorhandenen Kostensenkungspotentiale auszuschöpfen. Hierzu gehört auch die
Fusion mit der Lausitzer Braunkohle AG (Laubag). Ein darüber hinausgehen-
der Eigenbeitrag der Anteilseigner ist weiterhin offen; es fehlt damit an der
langfristigen Sicherung der ostdeutschen Braunkohleförderung. Gleichzeitig
waren die westdeutschen Eigner allerdings auch nicht bereit, ihre Anteile wei-
terzuveräußern, obwohl ausländische Investoren Interesse signalisiert haben.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche konkreten Pflichten haben die heutigen Eigentümer der VEAG in
den damaligen Privatisierungsverträgen übernommen?

Welchen Inhalt haben die so genannten „sideletters“ zu den Privatisie-
rungsverträgen?

2. Welche Laufzeit haben diese Pflichten und mit welchen Vertragsstrafen
sind sie im Einzelnen verbunden?

Drucksache 14/3135 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

3. Welche Kaufpreise sind zu welchem Zeitpunkt fällig und welche Kauf-
preiszahlungen sind vom unternehmerischen Ergebnis der VEAG bzw. von
der verstromten Braunkohlenmenge abhängig?

4. Kontrolliert die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben
(BvS) fortlaufend die Privatisierungspflichten, und wenn ja, warum ver-
handelt der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie über die Zu-
kunft der VEAG, obwohl vorgesetzte Behörde der BvS nicht der Bundes-
minister für Wirtschaft und Technologie, sondern der Bundesminister der
Finanzen ist?

5. Inwieweit hat sich bislang der Bundesminister für Wirtschaft und Techno-
logie auch auf politischer Ebene mit dem Bundesminister der Finanzen ab-
gestimmt bzw. wann wird eine solche Abstimmung folgen?

6. Gehört das VEAG-Thema zur vom Bundeskanzler propagierten „Chefsa-
che Aufbau Ost“?

Hat die Bundesregierung das Thema „Zukunft der VEAG“ bereits im Bun-
deskabinett behandelt?

Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

Wenn nein, warum nicht?

7. Wie hoch ist der Strompreisunterschied für Industrie und Tarifkunden zwi-
schen alten und neuen Ländern zum Stichtag 1. Januar 2000 und welche
Beträge sind nach Kenntnis der Bundesregierung bisher über den höheren
Strompreis in Ostdeutschland insgesamt aufgebracht worden?

8. Wie beurteilt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Höhe der
bei der VEAG für Modernisierung und Erneuerung aufgewendeten Investi-
tionskosten?

Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, welcher Anteil der Investi-
tionen unmittelbar von den Anteilseignern und welcher Anteil mittelbar
über die höheren Strompreise im Osten aufgebracht worden ist?

9. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die bisher erfolgten
Umstrukturierungen innerhalb der VEAG und wie beurteilt sie dabei die
Zerschlagung des VEAG-eigenen Stromvertriebs?

10. Welche Forderungen haben die Anteilseigner bislang gegenüber dem Bund
gestellt und wie hat sich die Bundesregierung dazu geäußert?

11. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass ein Stabilisierungsmodell
durch die Anteilseigner selbst absoluten Vorrang vor einer öffentlichen Un-
terstützung jedweder Art haben muss?

12. Wäre die Bundesregierung bereit, auf die noch ausstehenden Privatisie-
rungszahlungen und auf die laufenden Zahlungen je geförderter Menge
Rohbraunkohle zu verzichten?

Wenn ja, mit welcher Begründung?

13. Welche Wirkung wird die anstehende Entscheidung der EU-Kommission
zur Fusion von Veba/Viag sowie die Entscheidung des deutschen Kartell-
amtes zur Fusion von RWE und VEW auf die weiteren Gespräche zur Zu-
kunft der VEAG haben?

14. Welche weiteren Ziele verfolgt die Bundesregierung für den Fall, dass das
Stabilisierungsmodell keinen Erfolg haben sollte?

Wird sie an einem Erhalt der VEAG festhalten?

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/3135

15. Welche Auffassung vertritt die Bundesregierung zur Frage, ob die VEAG
ohne einen eigenen Endkundenmarkt wettbewerbs- und überlebensfähig
sein wird?

Wie beurteilt sie eine Verknüpfung der VEAG mit den Regionalversor-
gungsunternehmen und deren Netzen?

16. Mit welchen Folgen rechnet die Bundesregierung, wenn nicht kurzfristig
eine Lösung für die Zukunft der VEAG gefunden wird?

Welcher Arbeitsplatzabbau

– unmittelbar bei der VEAG,
– in den Braunkohletagebauen,
– in benachbarten Bereichen

ist zu befürchten?

17. Welche Auswirkungen sieht die Bundesregierung durch die künftige För-
derung der Kraft-Wärme-Koppelung (KWK) auf die unter Frage 15 ge-
nannten Bereiche einerseits und andererseits auf die Arbeitsplätze in den
KWK-Anlagen selbst?

18. Welche Folgen kann der bei der VEAG verhängte Investitionsstopp nach
Einschätzung der Bundesregierung indirekt auch für die bereits genehmig-
ten Abbaugebiete in den Braunkohletagebauen haben?

19. Wäre es für die Bundesregierung vorstellbar, die Anteile an der VEAG un-
mittelbar an ausländische Investoren weiterzuveräußern oder würde gege-
benenfalls die Bundesregierung eine Rückgabe der Anteile an den Bund fa-
vorisieren?

20. Wie würde die Bundesregierung ein Zwischenerwerbermodell durch Ein-
schalten eines Bankenkonsortiums beurteilen, das anschließend möglichst
kurzfristig die Anteile an einen geeigneten, industriellen Partner weiterver-
äußert?

Welche Vorteile hätte aus Sicht der Bundesregierung ein solches Zwischen-
erwerbsmodell gegenüber einer Rückgabe der Anteile an den Bund?

21. Gibt es nach Ansicht der Bundesregierung Anzeichen dafür, dass die
VEAG ohne weitere Unterstützung in Konkurs gehen wird mit der Folge,
dass auf Dauer rentable Anlagen aus der Konkursmasse heraus erneut pri-
vatisiert werden könnten?

Hielte die Bundesregierung einen solchen Weg für gangbar?

22. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über ein mögliches Engage-
ment ausländischer Investoren bei der VEAG, insbesondere über eine Of-
ferte eines amerikanischen Konzerns, insgesamt ca. 30 Mrd. DM für die
VEAG aufzuwenden, und hat sie gegebenenfalls bereits Gespräche mit
ausländischen Interessenten geführt?

23. Wie beurteilt die Bundesregierung die Braunkohleschutzklausel im Ener-
giewirtschaftsgesetz und ihre Verlängerungsmöglichkeit bis zum Jahre
2005?

Drucksache 14/3135 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
24. Ist die Bundesregierung der Meinung, dass die Braunkohleverstromung in
den neuen Ländern mittel- und langfristig rentabel sein wird?

Wie beurteilt sie die künftige Wettbewerbssituation zu west- aber auch ost-
europäischen Stromversorgern?

Inwieweit ermöglicht es die Internationale Energiecharta osteuropäischen
Stromversorgern bereits heute, ihren Strom in Deutschland und der EU ab-
zusetzen?

Berlin, den 4. April 2000

Günter Nooke
Kurt-Dieter Grill
Dr. Angela Merkel
Ulrich Adam
Hartmut Büttner (Schönebeck)
Manfred Grund
Ulrich Klinkert
Manfred Kolbe
Dr. Paul Krüger
Dr. Michael Luther
Michael Stübgen
Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion

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