BT-Drucksache 14/3021

zu dem Gesetzentwurf von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -14/2340, 14/3010- Entwurf eines Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung von Stiftungen

Vom 23. März 2000


Deutscher Bundestag

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14. Wahlperiode

23. 03. 2000

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Heinrich Fink, Maritta Böttcher, Dr. Ruth Fuchs, Dr. Barbara
Höll, Angela Marquardt, Rosel Neuhäuser, Dr. Uwe-Jens Rössel, Gustav-Adolf
Schur und der Fraktion der PDS

zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksachen 14/2340, 14/3010 –

Entwurf eines Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung von Stiftungen

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Eine Neuregelung des Stiftungswesens mit dem Ziel, ein stärkeres gesell-
schaftliches Bewusstsein für gemeinwohlorientiertes Engagement zu schaf-
fen und privates Vermögen im größeren Umfang für gemeinnützige Zwecke
zu mobilisieren, findet die Unterstützung aller im Deutschen Bundestag ver-
tretenen Parteien. Entscheidende Voraussetzung für die Erreichung dieses
Ziels und damit hauptsächlicher Inhalt dieser Reform muss die Erhöhung
von Transparenz und Publizität der gesamten Stiftungslandschaft und die
Vereinheitlichung des Stiftungsrechts sein.

2. Für die Tätigkeit des Deutschen Bundestages besitzt die Durchsetzung von
mehr sozialer Gerechtigkeit höchste Priorität. Das verlangt, die in den letz-
ten Jahren vornehmlich unter der Kohl-Regierung stattgefundene Umvertei-
lung des gesellschaftlichen Reichtums von unten nach oben, die bisher auch
durch die rot-grüne Regierung nicht gestoppt wurde, umzukehren. Soziale
Betreuung, ein modernes Bildungswesen, neueste an den Bedürfnissen der
Menschen orientierte Ergebnisse in Wissenschaft und Forschung, Bewah-
rung des kulturellen Erbes und Förderung neuer kultureller und künstleri-
scher Leistungen – um nur einige Bereiche gemeinnützigen Wirkens zu nen-
nen – gehören zu diesem gesellschaftlichen Reichtum. Veränderungen des
Stiftungs- sowie des gesamten Gemeinnützigkeitsrechts müssen nachweis-
bar dazu beitragen, diesen Reichtum zu sichern und zu vermehren und alle
Bürgerinnen und Bürger im wachsenden Maße an ihm teilhaben zu lassen.
Diese mit den anstehenden Reformschritten zu realisierende Zielstellung
wird erheblich konterkariert und verliert an Glaubwürdigkeit, wenn die Re-
gierung zur gleichen Zeit ausdrücklich auf die Wiedereinführung der Ver-
mögensteuer und auf eine entsprechende Reform der Erbschaftsteuer ver-
zichtet, deren Realisierung ungleich mehr Möglichkeiten für die geforderte
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Umkehr bei der Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums bieten würde,
als das durch das von den Koalitionsparteien eingebrachte Gesetz „zur wei-
teren steuerlichen Förderungen von Stiftungen“ geschehen kann.

3. Neben den mit einer Reform des Stiftungswesens verbundenen Chancen zur
Erhöhung der Lebensqualität von Menschen, die im Wirkungsfeld von ge-
meinnützigen Stiftungen liegen, birgt dieser Weg der finanziellen Förderung
gemeinwohlorientierter Zwecke auch Risiken in der Verteilung. Diese liegen
vor allem darin, dass die Verwendung der auf diese Weise bereitgestellten
Mittel im Ermessen des Stifters bzw. der Stiftergemeinschaft liegt. Damit
sind diese Mittel einer auf breiter demokratischer und parlamentarischer
Grundlage basierenden Diskussion, Festlegung und Kontrolle über ihre so-
zial gerechte Verteilung entzogen. Diese mit der Tätigkeit von Stiftungen
verbundene Spezifik bestärkt den Deutschen Bundestag in seiner grundsätz-
lichen Auffassung, dass die Reform des Stiftungswesens und weitere vorge-
sehene Schritte zur Entwicklung eines größeren privaten Engagements für
gemeinnützige Belange unter den gegebenen und absehbaren gesellschaftli-
chen Verhältnissen nicht zum Rückzug des Staates von seiner Verantwor-
tung für die Entwicklung und Förderung von Kultur, Bildung, Wissenschaft,
sozialer Betreuung und Absicherung usw. führen dürfen.

4. Ob und inwieweit eine neue Stiftungskultur einen Beitrag dazu leisten kann,
dass Bürgerinnen und Bürger ihre Angelegenheiten zunehmend selber, ohne
Dazwischentreten des Staates regeln, bedarf einer gründlichen Beobachtung
und Analyse des zukünftigen Stiftungswesens sowie deren Einbeziehung in
eine umfassende gesellschaftliche Diskussion zu Wesen und Perspektiven
einer „Bürgergesellschaft“. Diese Debatte darf sich nicht darauf beschrän-
ken, den Aktionsradius etablierter Eliten und Mittelschichten zwischen Staat
und Markt zu betrachten und zu erweitern. Sie muss auch auf solche nach-
haltigen Veränderungen von Staat und Markt selbst zielen, durch die ein
wirksamer Beitrag zur Überwindung von Massenarbeitslosigkeit, wachsen-
der sozialer Ungleichheit und Armut geleistet wird. Und in ihr müssen
Widerspruch und Protest als Formen einer unmittelbaren demokratischen
Auseinandersetzung von „Bürgerinnen und Bürgern“ mit Tendenzen der
Allmacht von Staat und Markt ihren Platz haben.

5. Im Zusammenhang mit diesen Feststellungen betont der Deutsche Bundes-
tag, dass die Reform des Stiftungswesens und des gesamten Gemeinnützig-
keitsrechts, wenn sie den vorstehenden Prämissen gerecht werden will, nur
in der Einheit von neuen zivilrechtlichen Rahmenbedingungen und steuerli-
chen Neuregelungen erfolgen kann. Insofern sieht der Deutsche Bundestag
in der Beschränkung des vorgelegten Gesetzentwurfs auf weitere steuerliche
Vergünstigungen einen gravierenden Mangel. Angesichts dessen können die
im Gesetzentwurf vorgesehenen steuerlichen Begünstigungen, die maßvoll
erscheinen und vornehmlich die Entstehung von „Bürgerstiftungen“ begüns-
tigen sollen, nicht die Wirksamkeit erlangen, die von ihnen erhofft wird. Da-
her erwartet der Deutsche Bundestag, dass die Initiatoren des vorliegenden
Gesetzentwurfs zügig ihre Ankündigung umsetzen und den steuerlichen
Neuregelungen in einem zweiten Schritt die Novellierung der zivilrechtli-
chen Rahmenbedingungen für das Stiftungswesen folgen lassen. Um dieser
Ankündigung eine eindeutige Verbindlichkeit zu verleihen, schlägt der
Deutsche Bundestag vor, diese Absicht auch förmlich in das Gesetzge-
bungsverfahren einzubeziehen. Diese zivilrechtlichen Rahmenbedingungen
müssen dem Stiftungswesen größtmögliche Rechtssicherheit, Transparenz
und Öffentlichkeit verleihen und es von bürokratischen Hemmnissen be-
freien.
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Solche Rahmenbedingungen

– bilden somit eine wesentliche Voraussetzung für die Akzeptanz und Kon-
trolle der vorgesehenen steuerlichen Begünstigungen in bzw. durch die
Bevölkerung;

– könnten über steuerliche Begünstigung hinaus ein bedenkenswertes
Motiv für den potentiellen am Gemeinwohl orientierten Stifter sein

– und dazu beitragen, Versuche des Missbrauchs für privatnützige oder
wirtschaftliche Interessen zu begrenzen.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. bis zum 31. Dezember 2000 ein Bundesstiftungsgesetz vorzulegen, das fol-
gende Maßgaben berücksichtigt:

– die Festschreibung des sog. Normativsystems als signifikanter Ausdruck
der Etablierung eines „Rechts auf Stiftung“

– die Entstehung der Rechtsfähigkeit einer Stiftung durch die Eintragung in
ein öffentliches Register, das nach bundesweit einheitlichen Regelungen
geführt wird

– die Umwandlung der staatlichen Stiftungsbehörden in den Ländern von
genehmigenden in rein beratende Institutionen und gegebenenfalls deren
Ausgliederung aus dem staatlichen Verband

– die Prüfung, ob im Interesse von Transparenz, Öffentlichkeit und er-
wünschter Staatsferne, aber auch unter den Aspekten Entbürokratisierung
und Effizienz die Verwahrung der Stiftungsregister und die Wahrneh-
mung der Stiftungsaufsicht von den Landesbehörden auf die Amtsge-
richte oder auf selbstverwaltende Körperschaften des Stiftungswesens
übergehen sollte

– die jährliche Veröffentlichung von Finanz- und Tätigkeitsberichten in
einer für die Öffentlichkeit nachvollziehbaren Form

– die zukünftige Reservierung des Begriffs der „Stiftung“ ausschließlich
für die steuerbegünstigte gemeinnützige Stiftung und in Abgrenzung zu
den verschiedenen Formen von „Privat-Stiftungen“

– Regelungen, die verhindern, dass das Stiftungsrecht zur Umgehung der
Rechtsformen des Unternehmens- bzw. des Handelsrechts missbraucht
werden kann;

2. Ende des Jahres 2001 einen Bericht vorzulegen, aus dem hervorgeht, welche
Auswirkungen das Inkrafttreten des vorliegenden Gesetzes sowohl für Um-
fang und Struktur des Stiftungswesens als auch für die Steuereinnahmen des
Staates bis zu diesem Zeitpunkt hatte;

3. unverzüglich Initiativen zu ergreifen, die darauf gerichtet sind, das gesamte
Gemeinnützigkeitsrecht im Rahmen eines Bundesgesetzes und damit unter
parlamentarischer Kontrolle zu aktualisieren, zu modernisieren und zu ver-
einfachen. In diese Neukonzipierung des Gemeinnützigkeitsrechts sind auch
Zwecke des Gemeinwohls einzubeziehen, die sich im Zusammenhang mit
den weltweiten krisenhaften Prozessen der letzten Jahrzehnte als solche auf-
drängen und noch keinen Eingang in den Katalog von gemeinnützigen Zwe-
cken gefunden haben, wie er in den §§ 52 bis 54 der Abgabenordnung
derzeit fixiert ist. Dazu gehören z. B. die Überwindung der Massenarbeits-
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losigkeit, die Gewährleistung von Chancengleichheit zwischen den Ge-
schlechtern, die Durchsetzung einer nachhaltigen Entwicklung in allen ge-
sellschaftlichen Bereichen in Umsetzung der Agenda 21 von Rio de Janeiro
(1992) und Aktivitäten, die darauf gerichtet sind, militärische Gewalt nicht
mehr als Mittel innerer und äußerer Politik zuzulassen.

Berlin, den 23. März 2000

Dr. Heinrich Fink
Maritta Böttcher
Dr. Ruth Fuchs
Dr. Barbara Höll
Angela Marquardt
Rosel Neuhäuser
Dr. Uwe-Jens Rössel
Gustav-Adolf Schur
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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