BT-Drucksache 14/2992

Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege und des Jugendgerichtsgesetzes

Vom 21. März 2000


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

2992

14. Wahlperiode

21. 03. 2000

Gesetzentwurf

der Abgeordneten Norbert Geis, Ronald Pofalla, Wolfgang Bosbach,
Dr. Jürgen Gehb, Dr. Wolfgang Götzer, Volker Kauder, Eckart von Klaeden,
Erwin Marschewski (Recklinghausen), Hans-Peter Repnik, Norbert Röttgen,
Dr. Rupert Scholz, Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten, Dr. Susanne Tiemann,
Andrea Voßhoff, Annette Widmann-Mauz und der Fraktion der CDU/CSU

Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung der
Rechtspflege und des Jugendgerichtsgesetzes

A. Problem

Die mit dem Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993
(Rechtspflegeentlastungsgesetz, BGBl. I S. 50) geschaffene Besetzungsreduk-
tion für große Strafkammern und Jugendkammern galt zunächst befristet bis
zum 28. Februar 1998 (Artikel 15 Rechtspflegeentlastungsgesetz); mit Artikel 3
des Dritten Verjährungsgesetzes wurde die Fortgeltung dieser Regelung bis zum
31. Dezember 2000 beschlossen.

B. Lösung

Trotz unterschiedlicher Handhabung in der Praxis haben sich die Möglichkei-
ten der Besetzungsreduktion insgesamt bewährt. Die Zeitgesetzregelung in
Artikel 15 Abs. 2 des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege wird daher auf-
gehoben. Darüber hinaus entfällt die Unabänderlichkeit der Besetzungsent-
scheidung bei den großen Jugendkammern bei Zurückverweisung einer Sache
vom Revisionsgericht.

C. Alternativen

Nochmalige Verlängerung der befristeten Regelung.

D. Kosten der öffentlichen Haushalte

Keine

E. Sonstige Kosten

Keine
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Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung
der Rechtspflege und des Jugendgerichtsgesetzes

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Gesetzes zur Entlastung
der Rechtspflege

Artikel 15 Abs. 2 des Gesetzes zur Entlastung der
Rechtspflege vom 11. Januar 1993 (BGBl. I S. 50), geändert
durch Artikel 3 des Gesetzes zur weiteren Verlängerung
strafrechtlicher Verjährungsfristen und zur Änderung des
Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 22. Dezem-
ber 1997 (BGBl. I S. 3223), wird aufgehoben.

Artikel 2

Änderung des Jugendgerichtsgesetzes

Dem § 33 b Abs. 2 des Jugendgerichtsgesetzes in der
Fassung der Bekanntmachung vom 11. Dezember 1974
(BGBl. I S. 3427), zuletzt geändert durch ..., wird folgender
Satz angefügt:

„Ist eine Sache vom Revisionsgericht zurückverwiesen
worden, kann die nunmehr zuständige Jugendkammer er-
neut nach Satz 1 über ihre Besetzung beschließen.“

Artikel 3

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am … in Kraft.

Berlin, den 21. März 2000

Norbert Geis
Ronald Pofalla
Wolfgang Bosbach
Dr. Jürgen Gehb
Dr. Wolfgang Götzer
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Erwin Marschewski (Recklinghausen)
Hans-Peter Repnik
Norbert Röttgen
Dr. Rupert Scholz
Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten
Dr. Susanne Tiemann
Andrea Voßhoff
Annette Widmann-Mauz
Friedrich Merz, Michael Glos und Fraktion
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Begründung

Zu Artikel 1

(Gesetz zur Entlastung der
Rechtspflege)

Gemäß § 76 Abs. 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) sind
die Großen Strafkammern mit drei Berufsrichtern und zwei
Schöffen besetzt. Durch Artikel 3 Nr. 8b des Gesetzes zur
Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993 (BGBl. I
S. 50) ist § 76 Abs. 2 GVG eingeführt worden. Danach be-
schließt die Große Strafkammer bei der Eröffnung des
Hauptverfahrens, dass sie in der Hauptverhandlung mit
zwei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei
Schöffen besetzt ist, wenn nicht die Strafkammer als
Schwurgericht zuständig ist oder wegen der Schwierigkeit
der Sache die Mitwirkung eines dritten Richters notwendig
erscheint. Eine ähnliche Regelung ist durch Artikel 7 Nr. 2
des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege für die Ju-
gendkammer getroffen worden (§ 33b Abs. 2 Jugendge-
richtsgesetz). Nach Artikel 15 Abs. 2 des vorgenannten Ge-
setzes sind beide Regelungen Zeitgesetze. Diese Maßnah-
men galten zunächst befristet bis zum 28. Februar 1998. Mit
Artikel 3 des Dritten Verjährungsgesetzes wurde die Fort-
geltung dieser Regelung bis zum 31. Dezember 2000 be-
schlossen.

Mit der Einführung der Möglichkeit einer Besetzungsreduk-
tion bei Straf- und Jugendkammern hatte der Entwurf eines
Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege insbesondere der
„Notsituation der Justiz in den neuen Ländern“ Rechnung
tragen wollen (vgl. Drs. 12/1217, S. 61). Diese Situation in
den neuen Ländern war zum Zeitpunkt des Dritten Verjäh-
rungsgesetzes noch nicht vollends behoben (vgl. Drs. 13/
9252, S. 5). Den neuen Ländern ist es zwar gelungen, bin-
nen kurzer Frist eine funktionierende rechtsstaatliche Justiz
aufzubauen. Wegen der Notwendigkeit, die anstehenden
Aufgaben rasch zu bewältigen, mussten jedoch weit mehr
als in anderen Bundesländern Richter und Staatsanwälte
eingesetzt werden, die noch nicht über richterliche und
staatsanwaltliche Berufserfahrung verfügten. Auf einen ge-
wachsenen Bestand an routinierten und diensterfahrenen
Richtern und Staatsanwälten konnte die Strafjustiz in den
neuen Ländern daher noch nicht zurückgreifen.

Durch Beschluss vom 28. November 1997 hat der Deutsche
Bundestag die Bundesregierung aufgefordert, bis spätestens
31. Dezember 1999 darüber zu berichten, ob sich die im Ge-
setz zur weiteren Verlängerung strafrechtlicher Verlänge-
rungsfristen und zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung
der Rechtspflege (Drittes Verjährungsgesetz) beschlossene
Verlängerung der Justizentlastungsmaßnahmen in der Pra-
xis bewährt hat. Dieser Bericht wurde von der Bundesregie-
rung am 17. Februar 2000 erstattet (Drs. 14/2777).

In diesem Bericht wird festgestellt, dass die sich schon 1997
abzeichnende Tendenz, von der Besetzungsreduktion in
steigendem Maße Gebrauch zu machen, sich 1998 fortge-
setzt hat. Bundesweit wurden 1998 in 51,2 % sämtlicher
Verfahren, in denen dies zulässig ist, eine Besetzung mit
zwei Berufsrichtern beschlossen. Getrennt nach Spruchkör-
pern ergibt sich, dass die Großen Strafkammern in 55,8 %

der Verfahren, die Großen Wirtschaftsstrafkammern in
36,8 % und die Großen Jugendkammern in 41,7 % eine ver-
ringerte Besetzung beschlossen haben. Die steigende Ten-
denz der Vorjahre setzte sich daher fort. Bei Betrachtung der
Situation in der Bundesländern hat sich trotz beträchtlicher
regionaler Unterschiede im Einzelnen in der Mehrzahl der
Länder der Anteil der Verfahren mit Besetzungsreduktion
noch einmal deutlich gesteigert bzw. auf hohem Niveau sta-
bilisiert.

Soweit sich die Landesjustizverwaltungen über die bloße
Mitteilung von Zahlenmaterial für den Bericht der Bundes-
regierung hinaus geäußert haben, geben sie einheitlich eine
die Spruchkörper entlastende Wirkung in der Besetzungsre-
duktion an. Die Entlastung der Kammern bestehe darin,
dass der dritte Berufsrichter in der Verhandlungszeit andere
richterliche Aufgaben wahrnehmen könne. Die Entlastungs-
wirkung sei zum Teil erheblich. Eine Reihe von Bundeslän-
dern sprechen sich für die Verlängerung bzw. unbefristete
Fortgeltung der Bestimmungen des § 76 Abs. 2 GVG und
des § 33b Abs. 2 JGG aus. Aus Sicht der Praxis haben sich
danach diese Bestimmungen bewährt und sollten beibehal-
ten werden. Eine Aufhebung würde angesichts begrenzter
finanzieller und personeller Ressourcen zu einer unvertret-
baren Mehrbelastung der Gerichte führen.

In ihrer Bewertung führt die Bundesregierung zur Bewäh-
rung der Maßnahmen aus:

„Die Erwartung des Gesetzgebers, die Besetzung des § 76
Abs. 2 GVG werde in der Mehrheit der Fälle zu beschließen
sein (vgl. Drs. 12/1217, S. 47) hat sich in den meisten Bun-
desländern erfüllt. Die Bestimmung erfreut sich zustimmen-
der Akzeptanz bei den Gerichten. In den Jahren 1997 und
1998 wurde das Entlastungspotential von § 76 Abs. 2 GVG
und § 33b Abs. 2 JGG im Vergleich zu den Vorjahren weiter
ausgeschöpft. Die in den meisten Ländern anhaltende stei-
gende Tendenz lässt darauf schließen, dass auch in Zukunft
in hohem Maße von dieser Bestimmung Gebrauch gemacht
werden wird. Soweit die Zahlen innerhalb eines Bundeslan-
des, getrennt nach Spruchkörpern oder von Jahr zu Jahr
stark voneinander abweichen, zeigt dies, dass die Strafkam-
mern nicht stereotyp, sondern sehr situationsbedingt und am
Einzelfall orientiert von der Möglichkeit der Besetzungsre-
duktion Gebrauch machen. Dies ist sachgerecht und war
vom Gesetzgeber so intendiert.

Der Gesetzgeber ging bei Verabschiedung des Rechtspfle-
geentlastungsgesetzes von einer schwer quantifizierbaren,
allenfalls 10 % der Arbeitskraft eines Richters betragenden,
also eher mäßigen Entlastungswirkung dieser Einzelmaß-
nahme aus (Drs. 12/1217, S. 48). Die Bundesländer sind
demgegenüber der Auffassung, die Besetzungsreduktion
trage innerhalb der einzelnen Spruchkörper zu einer erhebli-
chen Entlastung bei, die es ihnen erlaube, eine zwischen-
zeitlich eingetretene Mehrbelastung ohne zusätzliches Per-
sonal zu bewältigen. Zusätzlich hat § 76 Abs. 2 GVG zwei
Bundesländern konkrete Stelleneinsparungen ermöglicht.
Die Erwartung des Gesetzgebers hinsichtlich des Entlas-
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tungseffekts der Besetzungsreduktion haben sich daher er-
füllt.

Dem Aufbau der Justiz in den neuen Ländern kommt die
Besetzungsreduktion insofern zugute, als dort ein sparsamer
Einsatz des Justizpersonals und damit die Gewinnung per-
soneller Ressourcen für die Erledigung zusätzlicher Verfah-
ren und Aufgaben ermöglicht wird. Auch in der Bewälti-
gung einer konkreten Mehrbelastung der Gerichte durch frei
gewordene Arbeitskraft ohne konkrete Stelleneinsparungen,
also der Ausschöpfung aller „Binnenreserven“, sieht die
Bundesregierung einen Entlastungseffekt, der mit dem
Rechtspflegeentlastungsgesetz beabsichtigt war (Drs. 12/
1217, S. 17/18).“ (Drs. 14/2777, S. 4)

Die Bundesregierung plant im Rahmen einer umfassenden
Justizreform eine Rechtsmittelreform in Strafsachen und
beabsichtigt zu prüfen, in welcher Weise eine Besetzungsre-
duktion in die dort vorgeschlagenen Konzepte mit einbezo-
gen werden kann. Bereits jetzt ist die Justizreform der Bun-
desregierung, die erst in Grundzügen erkennbar ist, heftiger
Kritik von Seiten der Länder und der Praxis ausgesetzt. Ob
eine Umsetzung noch in dieser Legislaturperiode erreicht
werden kann, ist zweifelhaft. Ausgeschlossen ist – auch
nach dem Zeitplan der Bundesregierung –, dass eine Rechts-
mittelreform in Strafsachen noch vor Ende 2000 in Kraft

tritt. Hinzu kommt, dass für die Gerichte bei der Terminie-
rung und für die Präsidien mit Blick auf die Geschäftsver-
teilung möglichst frühzeitig Sicherheit über die Verlänge-
rung bestehen muss. Ein Zuwarten bis zum Abschluss eines
ungewissen, in seinen Konturen noch nicht deutlich erkenn-
baren Gesetzgebungsverfahrens zu einer Gesamtreform der
Strafjustiz ist wegen der derzeit greifbaren Entlastung der
Gerichte und der zu erwartenden Belastung bei einem Aus-
laufen der geltenden Regelung zum 31. Dezember 2000
nicht zumutbar. Da sich die Verlängerung der Möglichkeit
des § 76 Abs. 2 GVG und § 33b Abs. 2 JGG, in der Haupt-
verhandlung vor der Großen Strafkammer bzw. Jugendkam-
mer mit zwei Berufsrichtern zu verhandeln, bewährt hat, soll
diese Regelung unbefristet fortgelten.

Zu Artikel 2

(Änderung des Jugendgerichtsgesetzes)

In Anlehnung an § 76 Abs. 2, § 122 Abs. 2 GVG entfällt die
Unabänderlichkeit der Besetzungsentscheidung bei Zurück-
verweisung einer Sache durch das Revisionsgericht. In die-
sen Fällen soll eine neue Entscheidung über die Besetzung
ermöglicht werden.

Zu Artikel 3

(Inkrafttreten)

Artikel 3 des Entwurfs regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.

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