BT-Drucksache 14/2918

zu der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU -14/1032, 14/1867- Doping im Spitzensport und Fittnessbereich

Vom 15. März 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/2918
14. Wahlperiode 15. 03. 2000

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Klaus Kinkel, Hildebrecht Braun (Augsburg), Rainer
Brüderle, Ernst Burgbacher, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Horst Friedrich
(Bayreuth), Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther (Plauen), Dr. Karlheinz
Guttmacher, Klaus Haupt, Dr. Helmut Haussmann, Ulrich Heinrich, Walter Hirche,
Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer, Ulrich Irmer, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun
Kopp, Jürgen Koppelin, Ina Lenke, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt),
Detlef Parr, Cornelia Pieper, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Dr. Irmgard Schwaetzer,
Marita Sehn, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Carl-Ludwig Thiele,
Dr. Dieter Thomae, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der F.D.P.

zu der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU
– Drucksachen 14/1032, 14/1867 –

Doping im Spitzensport und Fitnessbereich

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Sport hat eine hohe gesellschaftliche Bedeutung. Er übernimmt auf vielfäl-
tige Weise soziale Funktionen, ist unverzichtbares Element der Gesundheits-
vorsorge und leistet nicht zuletzt einen Beitrag für eine sinnvolle und aktive
Lebensgestaltung. Auch wenn sich Spitzen- und Breitensport in vielfacher Hin-
sicht voneinander unterscheiden, so sind beide Bereiche doch miteinander ver-
flochten und beeinflussen einander. Spitzensportlerinnen und Spitzensportler
dienen gerade jungen Menschen häufig als Vorbilder und animieren sie, sich
selbst in Vereinen und Verbänden sportlich und sozial zu engagieren. Diese
Vorbildwirkung kann nur erhalten bleiben, wenn der Spitzensport dem Gebot
der Fairness und der Bereitschaft, sich gemeinsamen Regeln zu unterwerfen
und für alle die gleichen Wettkampfvoraussetzungen zu akzeptieren, verpflich-
tet bleibt.

Doping ist eine Denaturierung des Sports, ist ethisch und moralisch nicht zu
rechtfertigen und deshalb in keiner Weise hinnehmbar. Doping schädigt die Ge-
sundheit der Sportlerinnen und Sportler, verzerrt die Wettbewerbsbedingungen,
verletzt die Chancengleichheit, stellt die sportlichen Leistungen insgesamt in
Frage und gefährdet die Vorbildwirkung des Spitzensports. Deshalb muss die

Drucksache 14/2918 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Bekämpfung des Dopings konsequent und mit wirksamen Mitteln national und
international fortgesetzt werden.

Die Versuchung, sich mit Hilfe unerlaubter Substanzen einen Wettbewerbsvor-
teil gegenüber den Konkurrenten zu verschaffen, wird durch eine zunehmend
übersteigerte Erwartungshaltung des Publikums, durch erhöhten Leistungs-
druck in Folge einer immer größeren (Medien-)Öffentlichkeit und durch die zu-
nehmende Kommerzialisierung des Spitzensports verstärkt. Dabei sind es kei-
neswegs nur Sportler, die dieser Versuchung unterliegen. Auch Trainer,
Betreuer, Funktionäre und sogar Sportmediziner können – wie die Vergangen-
heit gezeigt hat – ein Interesse daran haben, durch Manipulationen die Leis-
tungsfähigkeit von Sportlern zu steigern. Besonders verwerflich ist in diesem
Zusammenhang die Verabreichung von Dopingsubstanzen ohne Wissen des
Sportlers, insbesondere wenn es sich um Kinder und Jugendliche handelt.

Die in jüngerer Zeit bekannt gewordenen Dopingfälle und -verdachtsfälle zei-
gen, dass es trotz vielfältiger nationaler wie internationaler Anstrengungen
noch nicht gelungen ist, dieses Problem zufriedenstellend zu lösen. Dabei muss
die vorrangige Verantwortung für die Dopingbekämpfung weiterhin den
Selbstheilungskräften des Sports und seinen Spitzenorganisationen überlassen
bleiben; der Staat kann nur subsidiär tätig werden.

Neuere sportmedizinische Untersuchungen haben ergeben, dass der Einsatz
von Dopingsubstanzen, insbesondere von anabolen Steroiden, nicht mehr auf
den Leistungssport beschränkt ist. Nach Auswertung anonymer Fragebogener-
hebungen in kommerziellen so genannten Fitnessstudios in Schleswig-Hol-
stein, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Bayern und Thüringen ist davon auszu-
gehen, dass mindestens jeder Zehnte der dort registrierten Sportler Anabolika
konsumiert. Dies wären etwa 350 000 Personen. Alarmieren muss dabei, dass
die in den Vereinigten Staaten ermittelten maximalen und mittleren Tagesdosen
in Deutschland um 75 bis 100 % überschritten wurden und dass die Substanzen
in der Regel problemlos auf dem Schwarzmarkt bezogen werden konnten. Das
Wissen um gefährliche Nebenwirkungen war nur bei etwa 25 % der Befragten
vorhanden.

Der Deutsche Bundestag spricht sich dafür aus:

 möglichst bald eine personell und organisatorisch unabhängige nationale
Doping-Agentur unter finanzieller Beteiligung der betroffenen Verbände
einzurichten, die sowohl für Trainings- als auch für Wettkampfkontrollen
zuständig ist, um die Sanktionierung von Dopingverstößen von der ehren-
amtlichen auf eine professionelle Ebene zu heben, was angesichts der hohen
Verantwortung etwa durch Regressansprüche unabdingbar ist; in jedem Fall
aber der Anti-Doping-Kommission die Zuständigkeit auch für Wettkampf-
kontrollen zu übertragen;

 dass die Internationale Doping-Agentur möglichst bald die weltweite Har-
monisierung des Anti-Doping-Rechts in Angriff nimmt, um die Vereinheitli-
chung der Dopingliste, der Sanktionen, des Niveaus bei den Trainings- und
Wettkampfkontrollen, der Standards für die Kontrollabnahmen und Analy-
sen sowie der Forschung, Aufklärung und Prävention zu erreichen;

 dass sich alle Sportverbände zur Einhaltung strenger Kontrollvorschriften
verpflichten;

 die Zahl der Kontrollen in Training und Wettkampf zu erhöhen, sie weniger
berechenbar zu machen und die Anzahl der Kontrollen international zu har-
monisieren;

 bei Dopingverstößen international einheitliche Sanktionen festzusetzen, die
einerseits die sportlichen und wirtschaftlichen Folgen für die Sportlerinnen

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/2918

und Sportler berücksichtigen, die aber andererseits ihre präventive Wirkung
nicht verfehlen;

 die für Doping verantwortlichen Trainer, Betreuer, Funktionäre und Ärzte,
insbesondere wenn sie minderjährigen Sportlern verbotene Substanzen ver-
abreicht haben, von jeder weiteren Verbandstätigkeit auszuschließen und
konsequent zur Rechenschaft zu ziehen;

 einen Ernährungspass für Sportlerinnen und Sportler als Voraussetzung für
die Teilnahme an Wettkämpfen einzuführen, in dem alle aufgenommenen
Nahrungsmittel und Nahrungsergänzungsmittel dokumentiert sind;

 der Dopingforschung und -analytik einen hohen Stellenwert einzuräumen
und dabei die Entwicklung von Nachweisverfahren einzubeziehen, damit
auch neue Formen des Dopings gerichtsfest nachgewiesen werden können;

 eine zentrale Auskunfts- und Bekämpfungsstelle für Rechtsfragen im Zu-
sammenhang mit Doping und für die Bekämpfung von Dopingdelikten bei
der Justiz einzurichten;

 über die Gesundheitsgefahren des Dopings, insbesondere im Bereich des
Breitensports, intensiv und in geeigneter Weise aufzuklären, etwa im Schul-
sportunterricht und über die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf:

 den Beitrag der Spitzenverbände bei der Dopingbekämpfung anzuerkennen
und bekannt gewordene Dopingfälle nicht zum Vorwand für die Kürzung
von Fördermitteln zu nehmen;

 innerhalb der Europäischen Union darauf hinzuwirken, dass es möglichst
bald zu einem System international geltender gleichwertiger Sanktionen
kommt;

 sich dafür einzusetzen, dass die Empfehlung der Sportminister der Europäi-
schen Union, bei Erstvergehen eine Mindestsperre von zwei Jahren auszu-
sprechen, möglichst bald national wie international umgesetzt wird;

 sich im Sinne der „Paderborner Schlussfolgerungen“ der europäischen
Sportminister dafür einzusetzen, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen
Union bei bestehenden und künftigen Forschungsarbeiten effizient zusam-
menarbeiten, um die Präventions- und Kontrollmaßnahmen zu verbessern;

 sich im Sinne der „Paderborner Schlussfolgerungen“ der europäischen
Sportminister dafür einzusetzen, dass die Bekämpfung des illegalen Handels
mit Dopingprodukten in die polizeiliche, justizielle und die Zusammenarbeit
im Bereich des Zolls einbezogen wird;

 alle Möglichkeiten auf internationaler Ebene (Europäische Union, Europa-
rat, G8, Interpol, Europol) zu nutzen, um dem Internet-Handel mit Doping-
mitteln zu begegnen;

 dem Gesichtspunkt des Nachweises von Dopingverstößen bei der Förderung
des Bundes eine eigenständige Bedeutung beizumessen und auch dafür die
notwendigen Mittel bereitzustellen, um die in Deutschland an forschenden
Einrichtungen vorhandenen Potenziale zu nutzen, auch im Hinblick auf
nicht traditionell in der Dopinganalytik verwandte Analysemethoden;

 zu prüfen und dem Deutschen Bundestag zu berichten, inwieweit sich die
Vorschriften des Strafgesetzbuches und des Arzneimittelgesetzes als ausrei-
chend zur Dopingbekämpfung erwiesen haben; besondere Bedeutung
kommt dabei der Frage zu, inwieweit neue Straftatbestände des Verleitens

Drucksache 14/2918 – 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode
zur Einnahme von Dopingmitteln oder des Dopings von Minderjährigen ein-
zuführen wären;

 Maßnahmen zu ergreifen, um bessere Erkenntnisse über Doping im Fitness-
und Freizeitbereich zu gewinnen, und in diesem Bereich unverzüglich durch
geeignete Maßnahmen in Zusammenarbeit mit den Ländern in breitem Um-
fang über die gesundheitsschädlichen Folgen von Doping aufzuklären.

Berlin, den 14. März 2000

Dr. Klaus Kinkel
Hildebrecht Braun, (Augsburg)
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Horst Friedrich (Bayreuth)
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Dr. Helmut Haussmann
Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Ulrich Irmer
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Ina Lenke
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Dr. Irmgard Schwaetzer
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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