BT-Drucksache 14/2851

Vorgesehene EU-Richtlinie für Busse mit fahrzeuggebundener Einstieghilfe

Vom 2. März 2000


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

2851

14. Wahlperiode

02. 03. 2000

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Uwe Hiksch, Dr. Winfried Wolf
und der Fraktion der PDS

Vorgesehene EU-Richtlinie für Busse mit fahrzeuggebundener Einstieghilfe

Dem EU-Ministerrat liegt demnächst eine Richtlinie

(com[97]0276)

der EU-
Kommission zur Beschlussfassung vor, in der festgelegt werden soll, dass
von einem bestimmten Datum an alle innerhalb der EU neu zugelassenen
Busse für mehr als acht Fahrgäste auch für mobilitätseingeschränkte Fahr-
gäste ohne fremde Hilfe benutzbar sein müssen. Damit folgt die EU-Kom-
mission einer jahrelangen Mindestforderung nahezu aller nationalen und
europaweiten Behindertenorganisationen, namentlich des Europäischen Be-
hindertenforums (EDF). Das Europaparlament unterstützt die Richtlinie.

Die Bundesregierung – leider auch die neue – verhielt sich dieser Richtlinie ge-
genüber bisher eher abwartend bis ablehnend. Sie setzte auf „freiwillige Selbst-
verpflichtungen“ der Hersteller-Industrie und der Verkehrs-Unternehmen. Die
Praxis zeigt, dass damit zwar in einzelnen Städten positive Schritte gegangen
werden können, von einer umfassenden Umstellung aller Bus-Flotten kann aber
nirgendwo die Rede sein.

Behindertenorganisationen verlangen immer wieder, zumindest zunächst die
Schaffung neuer Barrieren zu stoppen, um von dieser Basis aus allmählich an
die Beseitigung der bestehenden zu gehen. Jeder neue Bus, der ohne fahrzeug-
gebundene Einstieghilfe in Betrieb genommen wird, grenzt mobilitätseinge-
schränkte Menschen (insbesondere Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer)
mindestens für weitere anderthalb Jahrzehnte von der selbstverständlichen Teil-
nahme am öffentlichen Personenverkehr aus. Analoges gilt – mit z. T. noch we-
sentlich längeren durchschnittlichen Laufzeiten – für alle Bahnen, Schiffe und
Flugzeuge.

Die Umsetzung dieser Richtlinie in nationales Recht wäre ein Schritt auf dem
Wege, das Benachteiligungsverbot auszugestalten, das der Artikel 3 Abs. 3
Satz 2 des Grundgesetzes enthält. Die Richtlinie selbst ist eine analoge Schluss-
folgerung aus Artikel 13 des Amsterdamer Vertrages.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wird die Bundesregierung der EU-Richtlinie zustimmen, die für neu in Be-
trieb zu nehmende Busse ab acht Fahrgästen innerhalb der EU verbindlich
vorschreibt, dass sie für mobilitätseingeschränkte Fahrgäste unbehindert
nutzbar sind?

Wenn nein, warum nicht?
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2. Beabsichtigt die Bundesregierung – falls die Richtlinie am Widerstand ande-
rer EU-Mitgliedstaaten scheitern sollte – dennoch in ihrem Sinne zu han-
deln?

3. Mit welchen Maßnahmen wird die Bundesregierung diese Richtlinie in na-
tionales Recht umsetzen?

4. In welchem Zeitraum beabsichtigt die Bundesregierung, die Richtlinie in
nationales Recht umzusetzen?

5. Auf welche anderen Gebiete des öffentlichen Personen-Nah- und -Fernver-
kehrs (Bahnen, Schiffe, Fluggeräte) beabsichtigt die Bundesregierung, die
Intention der Richtlinie auszuweiten?

6. Mit welchen Initiativen und in welchem Zeitraum wird sich die Bundesre-
gierung auf EU-Ebene für analoge Regelungen zu Bahnen, Schiffen und
Fluggeräten einsetzen?

7. Welchen Zeitraum schätzt die Bundesregierung, bis man in Deutschland von
einem flächendeckenden Netz des öffentlichen Personenverkehrs sprechen
kann, der auch von mobilitätseingeschränkten Fahrgästen unbehindert be-
nutzt werden kann?

8. In welchem Zeitraum hält es die Bundesregierung für realistisch, auch EU-
weit davon ausgehen zu können, dass mobilitätseingeschränkte Frauen und
Männer mit öffentlichen Verkehrsmitteln relativ unbeschwerlich reisen kön-
nen?

Berlin, den 2. März 2000

Dr. Ilja Seifert
Uwe Hiksch
Dr. Winfried Wolf
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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