BT-Drucksache 14/2832

Auswirkungen der Aussetzung der Zulassung für BT-Mais der Sorte BT 176 "Windsor" auf die weitere Entwicklung der Biotechnologie und auf den Biotechnologie- und Forschungsstandort Deutschland

Vom 23. Februar 2000


Deutscher Bundestag

Drucksache

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14. Wahlperiode

23. 02. 2000

Kleine Anfrage

der Abgeordneten Cornelia Pieper, Jürgen W. Möllemann, Horst Friedrich
(Bayreuth), Hans-Michael Goldmann, Dr. Karlheinz Guttmacher, Rainer Brüderle,
Ernst Burgbacher, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Paul K. Friedhoff, Rainer Funke,
Klaus Haupt, Ulrich Heinrich, Walter Hirche, Birgit Homburger, Dr. Werner Hoyer,
Ulrich Irmer, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Dirk Niebel,
Detlef Parr, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Dr. Irmgard Schwaetzer, Marita Sehn,
Dr. Hermann Otto Solms, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Wolfgang Gerhardt
und der Fraktion der F.D.P.

Auswirkungen der Aussetzung der Zulassung für BT-Mais der Sorte BT 176
„Windsor“ auf die weitere Entwicklung der Biotechnologie und auf den
Biotechnologie- und Forschungsstandort Deutschland

Der massive Eingriff der Bundesregierung in das laufende Zulassungsverfahren
für die Maissorte BT 176 „Windsor“ und deren uneingeschränkten Anbau in
Deutschland beim Bundessortenamt Hannover ist für den Biotechnologie- und
Forschungsstandort Deutschland ein schwerer Rückschlag.

Der Bundesbehörde oblag die Entscheidung darüber, ob dieser gentechnisch
veränderte Mais eine neue Saatgutsorte darstellt, dem ein besonderer landes-
kultureller Wert beigemessen werden kann.

Aus politischem Kalkül heraus forderte der Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN),
den Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Karl-Heinz
Funke (SPD), auf, die Sortenzulassung durch das dem Bundesministerium für
Ernährung, Landwirtschaft und Forsten unterstellten Bundessortenamt zu verta-
gen. Das erwies sich offensichtlich als nicht durchführbar, da das Bundessorten-
amt seine Entscheidungen, nach vorausgegangenen mehrjährigen Prüfungen, als
unabhängige Instanz zu treffen hat und dem Biotechnologie(BT)-Mais durch
Frankreich, Spanien und Portugal die Sortenzulassung bereits erteilt wurde.

Erst die Einbeziehung der Bundesministerin für Gesundheit, Andrea Fischer
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), die unter Berufung auf ein Gutachten des
Öko-Institutes in Freiburg das Robert-Koch-Institut in Berlin beauftragte, eine
bereits 1997, nach ausgiebiger ökologischer und gesundheitlicher Prüfung, er-
teilte Genehmigung auszusetzen, brachte der Bundesregierung den gewünsch-
ten Erfolg.

Das Robert-Koch-Institut sah sich nach dieser Weisung veranlasst, seine erteilte
Genehmigung, bis zur Entscheidung des Rates der Europäischen Gemeinschaf-
ten nach Artikel 16 i.V. m. Artikel 21 der Richtlinie 90/220 EG, ruhen zu lassen.
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Daraufhin hat auch der Hersteller beim Bundessortenamt den Antrag gestellt,
das Verfahren zum Sortenschutz und zur Sortenzulassung bis auf Weiteres
ruhen zu lassen.

Seit Januar 1997 liegt eine Genehmigung der EU-Kommission für das Inver-
kehrbringen der BT-Maissorte in den EU-Mitgliedstaaten nach dem Gentech-
nikgesetz vor.

Jedoch haben Frankreich und Portugal, unter dem Druck von Bedenkenträgern,
1999 die erteilten Sortenzulassungen wieder zurückgezogen. Nach Intervention
der EU-Kommission lässt Frankreich den Beschluss vom Europäischen Ge-
richtshof prüfen.

Der gesamte Vorgang stellt einen schweren Eingriff der Bundesregierung in ein
laufendes Zulassungsverfahren dar und hat schwere Folgen für die Biotechno-
logie und die Forschung in Deutschland, welche nur schwer zu rechtfertigen
sind.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Sind das Bundessortenamt in Hannover und das Robert-Koch-Institut in
Berlin in ihren Entscheidungen an Weisungen der jeweiligen Fachministe-
rien des Bundes gebunden?

2. Ist der Bundesregierung bekannt, dass BT-Mais der Marke „Windsor“ in
Frankreich, Spanien und Portugal als eigenständige Sorte zugelassen ist und
bereits auf 20 000 ha in der EU angebaut wird?

3. Liegt der Bundesregierung verbindliches Zahlenmaterial über die Einfuhr
von US-amerikanischem BT-Mais und dessen Verwendung in Deutschland
zu Futterzwecken vor?

4. Hat das seit Ende 1998 geltende EU-Saatgutverkehrsrecht letztendlich Aus-
wirkungen auf das ruhende Zulassungsverfahren für BT 176 „Windsor“?

5. Verfügt die Bundesregierung über gesicherte Erkenntnisse, die Rück-
schlüsse aus den deutschen Anbauversuchen auf 500 ha für den Menschen
sowie für Schad- und Nutzinsekten erwarten lassen?

6. Liegen der Bundesregierung gesicherte Erkenntnisse aus der Forschung vor,
ob von bereits genehmigten gentechnisch veränderten Pflanzen bzw. von
deren Markergenen Risiken für die menschliche Gesundheit ausgehen?

7. Ist die Entscheidung der Bundesregierung auch auf der Grundlage des Gutach-
tens des Öko-Instituts in Freiburg, wonach eine dem Mais für Zuchtzwecke
eingefügte Antibiotika-Resistenz auf den Menschen übertragen werden kann,
getroffen worden?

8. Hat die angenommene Antibiotika-Resistenz Folgen für weitere For-
schungsvorhaben mit gentechnisch verändertem Pflanzenmaterial?

9. Ist der Bundesregierung bekannt, dass die Antibiotika-Resistenzen durch
Markergene, vor allem Ampicillin und Kanamycin betreffen, die in der Hu-
manmedizin kaum Anwendung finden und die entsprechenden Antibiotika-
resistenzgene in der natürlichen Umwelt durch Mikroorganismen weit ver-
breitet sind?
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10. Sind der Bundesregierung diesbezügliche Gutachten der Zentralen Kom-
mission für die Biologische Sicherheit (ZKBS) am Robert-Koch-Institut
bekannt, wonach von den verwendeten Markergenen keine gesundheit-
lichen Risiken für den Menschen ausgehen?

11. Sieht die Bundesregierung im zurzeit ruhenden Zulassungsverfahren für
BT-Mais und der damit verbundenen Rechts- und Planungsunsicherheit
eine ernste Gefahr für deutsche Biotechnologieunternehmen und deren
Fortbestand?

12. Sieht die Bundesregierung nicht einen Widerspruch zwischen dem erhöh-
ten Haushaltsansatz für biotechnologische Forschung um 5,2 % einerseits
und den eher restriktiven Entscheidungen bei der Umsetzung der For-
schungsergebnisse in die Praxis andererseits, und wie gedenkt sie, dies-
bezüglich ggf. eine Änderung herbeizuführen?

13. Sieht die Bundesregierung mögliche Auswirkungen ihrer Entscheidung auf
den Risikokapitalmarkt und die Absicht der Banken, jungen Biotechnolo-
gieunternehmen erneut Kapital zur Verfügung zu stellen?

14. Hat die Entscheidung der Bundesregierung Auswirkungen auf weitere For-
schungsvorhaben mit gentechnisch veränderten Kulturpflanzen wie Raps,
Kartoffel und Zuckerrübe?

Berlin, den 22. Februar 2000

Cornelia Pieper
Jürgen W. Möllemann
Horst Friedrich (Bayreuth)
Hans-Michael Goldmann
Dr. Karlheinz Guttmacher
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Paul K. Friedhoff
Rainer Funke
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Ulrich Irmer
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Dirk Niebel
Detlef Parr
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Dr. Irmgard Schwaetzer
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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