BT-Drucksache 14/2826

Zur gesetzlichen Regelung von Firmenübernahmen

Vom 23. Februar 2000


Deutscher Bundestag

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14. Wahlperiode

23. 02. 2000

Große Anfrage

der Abgeordneten Rainer Brüderle, Rainer Funke, Hildebrecht Braun (Augsburg),
Ernst Burgbacher, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Horst Friedrich (Bayreuth),
Joachim Günther (Plauen), Dr. Karlheinz Guttmacher, Klaus Haupt, Dr. Helmut
Haussmann, Ulrich Heinrich, Walter Hirche, Dr. Werner Hoyer, Ulrich Irmer, Gudrun
Kopp, Jürgen Koppelin, Dirk Niebel, Cornelia Pieper, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig,
Gerhard Schüßler, Dr. Irmgard Schwaetzer, Marita Sehn, Dr. Hermann
Otto Solms, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Dieter Thomae, Dr. Wolfgang Gerhardt
und der Fraktion der F.D.P.

Zur gesetzlichen Regelung von Firmenübernahmen

Die Übernahme von Mannesmann durch Vodafone/Airtouch hat in Deutsch-
land zu heftigen Reaktionen und einer intensiven Diskussion über den politi-
schen und gesetzlichen Umgang mit Übernahmen und Fusionen geführt.

Unternehmenszusammenschlüsse und externes Wachstum von Firmen sind in-
tegraler Bestandteil von Unternehmensstrategien, um im internationalen Wett-
bewerb bestehen zu können.

Die Haltung der Bundesregierung zu diesem Thema ist dabei unklar.

Der Bundeskanzler hat eine Expertengruppe eingesetzt, die die Notwendigkeit
eines Gesetzes zur Regelung von Firmenübernahmen in Deutschland prüfen
soll.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat ein Eckpunktepapier erarbeitet,
das Grundlage eines deutschen Übernahmegesetzes auf der Basis der noch
nicht verabschiedeten 13. Richtlinie des Europäischen Parlaments und des
Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Übernahmeangebote
(im Folgenden: 13. EU-Richtlinie) werden soll.

Die 13. EU-Richtlinie wird als Entwurf seit Ende 1988 beraten. Sie räumt den
Mitgliedstaaten erhebliche Spielräume bei der Umsetzung ein. Eine Entschei-
dung ist wegen des Streits zwischen Großbritannien und Spanien um Gibraltar
noch nicht gefallen, wobei zusätzlich Vorbehalte der britischen Regierung ge-
gen gesetzliche Regelungen und daraus folgende langwierige Gerichtsverfah-
ren eine Rolle spielen.

Angesichts des fortschreitenden Zusammenwachsens von Volkswirtschaften
und Kapitalmärkten sind klare Entscheidungsgrundlagen für alle Beteiligten im
Interesse des Unternehmensstandortes Deutschland, der Beschäftigung, funk-
tionsfähiger Kapitalmärkte und eines im weltweiten Maßstab wettbewerbsfähi-
gen europäischen Wirtschaftsraumes dringlich.
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Vor diesem Hintergrund fragen wir die Bundesregierung:

I. Rahmenbedingungen in der Übernahme- und Fusionspolitik

1. Wie viele Übernahmen von in Deutschland börsennotierten Aktiengesell-
schaften hat es nach Kenntnis der Bundesregierung pro Jahr seit 1991 ge-
geben?

2. Wie viele Unternehmen sind im Ausland von in Deutschland ansässigen
Unternehmen seit 1991 pro Jahr übernommen worden?

3. Wie definiert die Bundesregierung ein „feindliches“, wie ein „freundli-
ches“ Übernahmeangebot?

4. Worin unterscheidet sich eine kontinental-europäische Unternehmenskul-
tur von einer anglo-amerikanischen Unternehmenskultur?

5. Teilt die Bundesregierung die u. a. vom nordrhein-westfälischen Minister-
präsidenten Wolfgang Clement vertretene Auffassung, dass feindliche
Übernahmen die deutsche Unternehmenskultur zerstören?

6. Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeiten der EU-Kommission,
Übernahmen nach § 2 Abs. 3 der EU-Fusionskontroll-Verordnung zu
untersagen?

7. In welcher Hinsicht hält die Bundesregierung die gegebenen Möglich-
keiten der Kommission für ergänzungsbedürftig durch ein nationales Über-
nahmegesetz?

8. Welche Erfahrungen sind mit dem Übernahmekodex der Börsensachver-
ständigenkomission beim Bundesministerium der Finanzen von 1995 ge-
macht worden?

9. Hält die Bundesregierung diesen Übernahmekodex noch für ausreichend?

10. Warum plant die Bundesregierung die international unübliche Steuerbe-
freiung für die Gewinne aus der Veräußerung von Beteiligungen für Kapi-
talgesellschaften, wenn sie gleichzeitig die Übernahme von Unternehmen
durch diese Kapitalgesellschaften regulieren möchte?

11. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung ergreifen, um die Gefahr
zu verringern, dass Konzernzentralen grenzüberschreitend fusionierter
Gesellschaften Deutschland künftig – wie schon in einigen Fällen gesche-
hen – als Standort meiden?

12. Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass die deutschen Mitbestim-
mungsregeln im internationalen Vergleich ein Hindernis bei der Entschei-
dung für Deutschland als Sitz einer Konzernzentrale bilden können?

II. Stand der Beratungen über die 13. EU-Richtlinie in Brüssel

13. Wann kann nach Erwartung der Bundesregierung die 13. EU-Richtlinie in
Brüssel endgültig verabschiedet werden?

14. Wie soll die Europäische Richtlinie den Schutz der Wertpapierinhaber bei
Übernahmeangeboten sicherstellen, die die EU-Grenzen überschreiten?

15. Wird die Bundesregierung weitergehende Initiativen ergreifen, um Klarheit
und Transparenz bei Übernahmeangeboten auch weltweit anzustreben?
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III. Vorbereitung von Übernahmeregeln in Deutschland

16. Wie setzt sich das vom Bundeskanzler einberufene Gremium zur Überprü-
fung der Notwendigkeit eines Übernahmegesetzes genau zusammen?

17. Wie lautet der Arbeitsauftrag und auf welchen Zeitraum ist dieses Gre-
mium befristet?

18. Wie beurteilt die Bundesregierung die Forderung des DGB, dass die Bieter
durch ein Übernahmegesetz dazu verpflichtet werden sollen zu garantieren,
dass durch eine Fusion/Übernahme keine Arbeitsplätze verlorengehen?

19. Wie beurteilt die Bundesregierung die Gefahr, dass sowohl Bieter- als auch
Zielgesellschaften im Sinne von Artikel 4 der 13. EU-Richtlinie ihren Sitz
in der EU auch abhängig von der Eingriffsintensität nationaler Übernahme-
gesetze wählen?

20. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass eine deutlich über die Vor-
gaben des EU-Richtlinienentwurfs hinausgehende nationale Umsetzung in
Form eines restriktiven Übernahmegesetzes zu nachteiligen Entscheidun-
gen bei der Standortwahl international operierender Unternehmen führen
kann?

21. Welche Rolle könnten flexibilisierte Anlagebestimmungen bei zukünftig
zu bildenden Pensionsfonds in Deutschland bei Übernahmeauseinander-
setzungen spielen?

22. Sieht die Bundesregierung Regelungsbedarf im Bereich der Investment-
banken, um die Gefahr des Missbrauchs von Insiderwissen oder Parteien-
verrat zu verringern?

IV. Planungen für die Umsetzung der 13. EU-Richtlinie

23. An welchen konkreten Stellen erwägt die Bundesregierung Schutzmaß-
nahmen, die über die Vorgaben im Entwurf der 13. EU-Richtlinie hinaus-
gehen?

24. Hält die Bundesregierung es für sinnvoll, Übernahmen im Aktienrecht zu
regeln?

25. Beabsichtigt die Bundesregierung, die Übernahmeregeln in das Vierte Fi-
nanzmarktförderungsgesetz zu integrieren?

26. Wenn ja, wann wird der Entwurf eines Vierten Finanzmarktförderungsge-
setzes vorliegen?

27. Wenn nein, warum bevorzugt die Bundesregierung die Erarbeitung eines
eigenständigen nationalen Übernahmegesetzes?

28. Wird die Bundesregierung in einem deutschen Übernahmegesetz eine Bar-
zahlungspflicht für den Bieter vorsehen?

29. Wenn ja, welche konkrete Verbesserung bringt die Barzahlungspflicht für
den Aktionär, der die Aktie des von einem Übernahmeangebot betroffenen
Unternehmens (im Folgenden: Zielgesellschaft) ohnehin jederzeit an der
Börse veräußern kann?

30. Welche Kriterien wird die Bundesregierung der Definition eines „angemes-
senen“ Preises für ein Übernahmeangebot im Sinne von Artikel 5 Abs. 1
der 13. EU-Richtlinie zugrunde legen?

31. Hält die Bundesregierung es für sinnvoll, die Neutralitätspflicht des Ma-
nagements der Zielgesellschaft gesetzlich festzuschreiben?

32. Wenn ja, mit welchen Mitteln gedenkt die Bundesregierung diese Neutrali-
tät zu gewährleisten?
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33. Hält die Bundesregierung die Einschränkung der Handlungsfähigkeit des
Managements der Zielgesellschaften im Sinne von Artikel 8 der 13. EU-
Richtlinie für einen realistischen Weg, um eine von eben diesem Manage-
ment als „feindlich“ empfundene Übernahme zu verhindern?

34. Welche Instanz soll nach Vorstellung der Bundesregierung als zuständige
Aufsichtsbehörde im Sinne von Artikel 4 der 13. EU-Richtlinie fungieren?

35. Welche Sanktionsmechanismen plant die Bundesregierung bei Verstößen
gegen ein Übernahmegesetz durch den Bieter?

36. Welche Sanktionsmechanismen plant die Bundesregierung bei Verstößen
gegen ein Übernahmegesetz durch das Management der Zielgesellschaft?

37. Nach welchen Kriterien will die Bundesregierung feststellen, wann eine
künstliche Hausse oder Baisse der Kurse im Sinne von Artikel 3 Abs. 1
Buchstabe d der 13. EU-Richtlinie vorliegt?

38. Wie hoch soll der Anteil der Stimmrechte sein, der eine Kontrolle über ein
Unternehmen im Sinne von Artikel 5 Abs. 3 der 13. EU-Richtlinie begrün-
det?

39. Welche Vorteile erwartet die Bundesregierung von einer Darlegung der
Absichten des Bieters in den Angebotsunterlagen?

40. Welche Aussagekraft misst die Bundesregierung der Stellungnahme, zu der
das Management der Zielgesellschaft nach Artikel 8 Abs. 1 Buchstabe b
verpflichtet werden soll, im Hinblick auf die Auswirkungen insbesondere
auf die Beschäftigung zu?

Berlin, den 23. Februar 2000

Rainer Brüderle
Rainer Funke
Hildebrecht Braun (Augsburg)
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Horst Friedrich (Bayreuth)
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Dr. Helmut Haussmann
Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Dr. Werner Hoyer
Ulrich Irmer
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Dirk Niebel
Cornelia Pieper
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Gerhard Schüßler
Dr. Irmgard Schwaetzer
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae
Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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