BT-Drucksache 14/2757

zu dem EA der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP 14/2279 zu der Regierungserklärung des Bundeskanzlers zum bevorstehenden Europäischen Rat in Helsinki am 10./11. Dezember 1999

Vom 22. Februar 2000


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

2757

14. Wahlperiode

22. 02. 2000

Beschlussempfehlung und Bericht

des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss)

zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und F.D.P.
– Drucksache 14/2279 –

zu der Regierungserklärung des Bundeskanzlers
zum bevorstehenden Europäischen Rat in Helsinki am 10./11. Dezember 1999

A. Problem

Die Entwicklung in Tschetschenien gibt Anlaß zu tiefer Sorge. Der massive mi-
litärische Einsatz fordert eine hohe Zahl ziviler Opfer. Er hat eine Flüchtlings-
welle ausgelöst und zu einer humanitären Notlage in Tschetschenien und dem
benachbarten Inguschetien geführt.

B. Lösung

Die Bundesregierung soll gegenüber der Regierung der Russischen Föderation
mit Nachdruck darauf hinwirken, dass die Kampfhandlungen in Tschetschenien
beendet und Verhandlungen mit der tschetschenischen Seite aufgenommen
werden.

Einstimmigkeit im Ausschuss

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Keine
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– 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen:

dem Entschließungsantrag auf Drucksache 14/2279 wird in der folgenden Fas-
sung zugestimmt:

Der Deutsche Bundestag ist zutiefst besorgt über die Entwicklung in Tschet-
schenien. Seit vier Monaten werden Städte und Dörfer in dieser Region massiv
von der russischen Armee und Luftwaffe beschossen und bombardiert. Dieser
militärische Einsatz fordert eine hohe Zahl ziviler Opfer. Er hat eine Flücht-
lingswelle ausgelöst und zu einer humanitären Notlage in Tschetschenien und
dem benachbarten Inguschetien geführt. Insgesamt dürften mehr als 250 000
Menschen innerhalb und außerhalb Tschetschenien auf der Flucht sein. Hunger,
Kälte und Verzweiflung sind ihr Los. Der Deutsche Bundestag verurteilt das
russische Vorgehen als Verletzung des humanitären Völkerrechts und der Prin-
zipien von OSZE und Europarat.

Er verurteilt auch die Attentate auf Wohngebäude und ihre Bewohner in Russ-
land, die von der russischen Regierung – ohne dass bislang Beweise dafür vor-
gelegt worden wären – tschetschenischen Terroristen angelastet werden. Der
Deutsche Bundestag fordert die Verantwortlichen auf der tschetschenischen
Seite auf, kriminelle Aktionen wie Geiselnahmen und Überfälle auf Einrichtun-
gen in den Tschetschenien benachbarten Gebieten sofort einzustellen. Er for-
dert die gewählte Regierung Tschetscheniens auf, Terrorakte zu unterbinden
und rechtsstaatliche Prinzipien nach den Kriterien der OSZE durchzusetzen.

Der Deutsche Bundestag erkennt die staatliche Souveränität der Russischen Fö-
deration über das Gebiet der tschetschenischen Republik an. Ebenso hält er
staatliches Vorgehen gegen Terrorismus für berechtigt und notwendig. Doch
dies setzt nachvollziehbare und rechtsstaatlich nachprüfbare Ermittlungsergeb-
nisse über Täter und Hintermänner voraus. Weder liegen diese Voraussetzun-
gen vor noch sind die eingesetzten Mittel angemessen. Statt dessen werden die
Lebensgrundlagen Tschetscheniens unterschiedslos zerstört. Ein ganzes Volk
wird in den Konflikt gestürzt und erleidet Opfer, Zerstörungen, Flucht und Ver-
teibung.





Der Deutsche Bundestag fordert die russische Regierung auf, die von ihr
eingegangenen internationalen Verpflichtungen, wie sie im OSZE-Ver-
haltenskodex zu politisch-militärischen Aspekten der Sicherheit und im
II. Zusatzprotokoll zu den Genfer Rotkreuzvereinbarungen und in der
EMRK niedergelegt sind, zu beachten. Das auf dem OSZE-Gipel von Istan-
bul Erreichte, die ausdrückliche Anerkennung der OSZE-Normen und der
Notwendigkeit einer politischen Lösung durch Dialog sowie die Bestätigung
der Rolle und des politischen Mandats der OSZE-Unterstützungsgruppe für
Tschetschenien sind erste wichtige Schritte auf dem Weg zu einer politi-
schen Lösung.





Der Deutsche Bundestag begrüßt ebenfalls die Erklärung des Europäischen
Rates in Helsinki zu Tschetschenien. Insbesondere unterstützt er den
Wunsch des Europäischen Rates, dass Russland nicht einen Weg in die
Selbstisolierung einschlägt.





Der Deutsche Bundestag fordert die russische Regierung dazu auf, alles in ih-
rer Macht Stehende zu tun, um das Schicksal der Flüchtlinge in Tschetsche-
nien und den Nachbarregionen – insbesondere Inguschetien – nachhaltig zu
verbessern. Die Flucht aus den Kampfgebieten in sichere Regionen Russlands
muss ungehindert gewährleistet sein. Effektive humanitäre Hilfe muss geleis-
tet werden, insbesondere müssen internationale Organisationen die vom Aus-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 –

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land angebotene Hilfe rasch vor Ort an die Bedürftigen verteilen können.
Nach Einstellung der Kampfhandlungen muss die sichere Rückkehr der
Flüchtlinge in ihre Heimat gewährleistet werden. Der Deutsche Bundestag er-
wartet von Russland, die in Istanbul gemachte Zusage unverzüglich umzuset-
zen, angemessene Arbeitsbedingungen für internationale Hilfsorganisationen
zur Linderung der Not in der Region zu schaffen. Der Deutsche Bundestag
ruft dazu auf, die humanitäre Hilfe für die Krisenregion aufzustocken.





Der Deutsche Bundestag appelliert an die Russische Staatsduma, sich – auch
angesichts der Leiden der Menschen und der schweren Folgen des Krieges
für ganz Russland – für eine sofortige Beendigung des militärischen Gewalt-
einsatzes zugunsten einer politischen Lösung und eine vollständige Aufklä-
rung der terroristischen Akte in Russland einzusetzen.





Der Deutsche Bundestag würdigt den Einsatz der Bundesregierung, ihren
Einfluss zu nutzen, um die Gewalt in Tschetschenien zu beenden und politi-
sche Gespräche über die Probleme der Region herbeizuführen. Er erkennt
an, dass die Bundesregierung sofort durch internationale Organisationen
substantielle humanitäre Hilfe geleistet hat.





Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung, ungeachtet ihrer bis-
herigen Bemühungen, auf,

– gegenüber der Regierung der Russischen Föderation mit Nachdruck darauf
hinzuwirken, dass die Kampfhandlungen in Tschetschenien unverzüglich ein-
gestellt, umgehend Verhandlungen mit der tschetschenischen Seite aufge-
nommen werden. Die Flucht aus den Kampfgebieten in sichere Regionen
Russlands darf nicht länger behindert werden;

– gegenüber dem amtierenden russischen Präsidenten auf die Erfüllung seiner
Zusage an den Europarat zu drängen, eine permanente Mission des Europa-
rats zur Beobachtung der Flüchtlings- und Menschenrechtssituation vor Ort
einzurichten;

– parallel zu den bilateralen Bemühungen den Hohen Beauftragten der Euro-
päischen Union für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik drin-
gend zu ersuchen, eine gemeinsame Aktion der Europäischen Union zur
Konfliktbeilegung in Tschetschenien zu initiieren;

– angesichts der sich dramatisch zuspitzenden Situation der Flüchtlinge die
Bemühungen des UNHCR, internationaler und deutscher Hilfsorganisatio-
nen weiterhin verstärkt finanziell zu unterstützen;

– sich für eine Einschaltung der OSZE gemäß Ziffer 23 der Erklärung des
Istanbuler Gipfels zur Beobachtung und Vermittlung zwischen den Konflikt-
parteien einzusetzen, bei der Einrichtung einer internationalen Beobachter-
mission auch für die Beteiligung der OSZE einzusetzen;

– den Beauftragten der OSZE für die Freiheit der Medien um einen Bericht
über die von unabhängigen Organisationen beklagten Behinderungen der
Pressefreiheit in Russland zu bitten.

Berlin, den 26. Januar 2000

Der Auswärtige Ausschuss

Hans-Ulrich Klose

Vorsitzender

Gert Weisskirchen (Wiesloch)

Berichterstatter

Karl Lamers

Berichterstatter

Dr. Helmut Lippelt

Berichterstatter

Ulrich Irmer

Berichterstatter

Dr. Dietmar Bartsch

Berichterstatter
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 4 –

Drucksache

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Bericht der Abgeordneten Gert Weisskirchen (Wiesloch), Karl Lamers, Dr. Helmut
Lippelt, Ulrich Irmer und Dr. Dietmar Bartsch

I.

Der Deutsche Bundestag hat den vorliegenden Entschlie-
ßungsantrag auf Drucksache 14/2279 in seiner 77. Sitzung
am 3. Dezember 1999 beraten.

Er wurde an den Auswärtigen Ausschuss federführend und
an den Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
zur Mitberatung überwiesen.

II.

Der

Ausschss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe

hat am 15. Dezember 1999 den Entschließungsantrag bera-
ten. Er empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen SPD,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, F.D.P. und PDS, bei der

Entahltung der Fraktion der CDU/CSU, die Annahme des
Entschließungsantrags auf Drucksache 14/2279.

III.

Der

Auswärtige Ausschuss

hat den Entschließungsantrag
in seiner 37. Sitzung am 19. Januar 2000 beraten. Er emp-
fiehlt in seiner 38. Sitzung am 26. Januar 2000 die An-
nahme des Entschließungsantrags auf Drucksache 14/2279
mit den Stimmen der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN und F.D.P. bei Abwesenheit der Fraktion der
PDS. Die Fraktion der CDU/CSU hat sich nicht an der Ab-
stimmung beteiligt. Sie behält sich ihr Votum im Plenum
vor.

Berlin, den 26. Januar 2000

Gert Weisskirchen (Wiesloch)

Berichterstatter

Karl Lamers

Berichterstatter

Dr. Helmut Lippelt

Berichterstatter

Ulrich Irmer

Berichterstatter

Dr. Dietmar Bartsch

Berichterstatter

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