BT-Drucksache 14/2706

Unternehmensteuerreform - Liberale Positionen gegen die Steuervorschläge der Koalition

Vom 16. Februar 2000


Deutscher Bundestag Drucksache 14/2706
14. Wahlperiode 16. 02. 2000

Antrag
der Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Hildebrecht Braun (Augsburg),
Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Paul K.
Friedhoff, Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer Funke, Dr. Karlheinz Guttmacher,
Dr. Helmut Haussmann, Ulrich Heinrich, Walter Hirche, Dr. Werner Hoyer,
Ulrich Irmer, Dr. Heinrich L. Kolb, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger, Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting,
Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Dr. Günter Rexrodt, Dr. Edzard
Schmidt-Jortzig, Gerhard Schüßler, Marita Sehn, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Dieter
Thomae, Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der F.D.P.

Unternehmensteuerreform – Liberale Positionen gegen die Steuervorschläge
der Koalition

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Nach über einem Jahr konzeptionsloser Steuerpolitik mit massiven Steuererhö-
hungen für die Wirtschaft legt die Bundesregierung jetzt einen Gesetzentwurf
für die Reform der Unternehmensbesteuerung vor. Dieser sieht einen radikalen
Systemwechsel vor, mit dem das deutsche Steuerrecht endgültig ins Chaos ab-
gleitet, sollte der Entwurf als Gesetz beschlossen werden. Von Steuervereinfa-
chung keine Spur, im Gegenteil: Wahlrechte und unterschiedliche Besteue-
rungsformen für Unternehmen lassen Schlimmes ahnen.

1. Der Gesetzentwurf sieht eine umfassende Absenkung der Körperschaftsteu-
ersätze vor. Diese ist für sich gesehen zu begrüßen und aus Gründen der in-
ternationalen Wettbewerbsfähigkeit allerdings auch unvermeidbar. Perso-
nengesellschaften und Einzelunternehmen profitieren nur dann von diesen
niedrigen Sätzen, wenn sie zur Körperschaftsteuer optieren. Die Koalition
will zwischen Gewinnen des Unternehmens und Gewinnen des Unterneh-
mers trennen und sie unterschiedlich besteuern. Hier liegt der Systemwech-
sel: Von den rd. 3 Millionen gewerblichen Unternehmen in Deutschland sind
mehr als 2,5 Millionen selbsthaftende Einzelunternehmer und Personenge-
sellschafter, die nach Einkommensteuerrecht besteuert werden. Von der Ab-
senkung der Körperschaftsteuer profitieren diese Betriebe nicht. Sie werden
in Zukunft höher als große Kapitalgesellschaften besteuert.

2. Die deutsche Wirtschaft ist mittelständisch geprägt. Der Erfolg unserer sozi-
alen Marktwirtschaft beruht auf der unmittelbaren Vereinigung von unter-
nehmerischer Initiative, Kapital und Risiko in einer Person, Familie oder
Personengruppe. Die persönliche Haftung und Verantwortung sowie der un-
mittelbare Einsatz des Betriebsinhabers haben das große Ansehen unseres
Handwerks sowie des gewerblichen und industriellen Mittelstandes im In-

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land und im Ausland begründet. Sie haben die Stabilität der deutschen Wirt-
schaft in den letzten 50 Jahren garantiert.

Darüber setzt sich die Koalition hinweg. Sie ist aus ideologischen Gründen
nicht bereit, die Steuersätze bei der Einkommensteuer umfassend abzusen-
ken. Die mittelständischen Personengesellschaften und Einzelunternehmer
erhalten eine umfassende Absenkung der Steuerbelastung nur dann, wenn
sie zur Körperschaftsteuer optieren. Diese Option würde nicht nur kompli-
zierte Umwandlungen mit einer unter Umständen erheblich höheren Steuer-
last notwendig machen. Der heutige Einzelunternehmer müsste sich z. B.
auch die Angemessenheit seines Gehalts oder einer Pensionsrückstellung
vom Finanzamt genehmigen lassen. SPD und GRÜNE muten dem mittel-
ständischen Unternehmer in diesem Zusammenhang hohe Kosten für Ge-
staltungen und Umwandlungen zu. Noch gravierender ist, dass Mittelständ-
ler aus steuerlichen Gründen in die Rechtsform der GmbH gedrängt würden,
in der sie dann Geschäftsführer und damit letztlich Arbeitnehmer wären. Die
Auswirkungen auf den persönlichen Einsatz der heutigen Betriebsinhaber
und ihrer Familien sowie der Wegfall der persönlichen Haftung und Verant-
wortung in einer Kapitalgesellschaft dürften für den deutschen Mittelstand
gravierend sein.

3. Die Begünstigung des nicht entnommenen Gewinns bei Kapitalgesellschaf-
ten und optierenden Personenunternehmen führt zu einer volks- und be-
triebswirtschaftlich schädlichen Beeinflussung der Gewinnverwendung
durch das Steuerrecht. Rot-Grün will verhindern, dass Kapital dorthin fließt,
wo es am rentabelsten arbeiten kann. Darüber hinaus schafft sich die Koali-
tion die Möglichkeit, in der Zukunft bestimmte Gewinnverwendungen von
der niedrigen Besteuerung auszuschliessen, um so Investitionslenkung zu
betreiben.

4. Krasse Ungleichbehandlungen der verschiedenen Einkunftsarten sind kenn-
zeichnend für den Gesetzentwurf der Koalition. So sollen Kapitalgesell-
schaften Beteiligungen steuerfrei veräußern können, wodurch sie um rd.
4 Mrd. DM entlastet werden. Dem Mittelstand wurde die Steuervergünsti-
gung bei Veräußerungsgewinnen in letzten Jahr gestrichen, was zu Mehrbe-
lastungen von 6,5 Mrd. DM geführt hat.

5. Die für mittelgroße Personengesellschaften geplante Verrechnung der Ge-
werbesteuer mit der Einkommensteuer stößt auf verfassungsrechtliche Be-
denken. Will der Gesetzgeber eine Gewerbesteuer erheben, kann er nicht
wegen dieser Belastung die Einkommensteuerschuld senken – so jedenfalls
die Auffassung des Bundesfinanzhofs.

6. Die Einführung des Halbeinkünfteverfahrens und die Abschaffung des An-
rechnungsverfahrens belasten Kleinaktionäre und begünstigen Aktionäre
mit einem Steuersatz von über 40 %. Es kommt wieder zu Doppelbelastun-
gen.

7. Das Konzept der Fraktion der CDU/CSU ist halbherzig und – wie bereits
jetzt ersicht-lich – auf einen nicht akzeptablen Kompromiss mit der Koali-
tion angelegt. Zwar wendet sich auch die Fraktion der CDU/CSU gegen die
einseitige Bevorzugung großer Unternehmen. Sie will aber das viel zu kom-
plizierte Steuerrecht grundsätzlich beibehalten. Das gilt auch für die Gewer-
besteuer. Ihre Ausdehnung auf die freien Berufe wird bereits angedeutet.
Dieses Konzept ist kein echter Reformansatz.

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II. Der Deutsche Bundestag wolle beschließen:

Der Gesetzentwurf der Koalition ist entschieden abzulehnen. Er ist ein erster
Schritt in ein Wirtschaftssystem, in dem nicht mehr die freie Entscheidung des
Unternehmers im Sinne von mehr Investitionen und Arbeitsplätzen im Vorder-
grund steht. Tarifsenkungen für bestimmte Gewinnverwendungen und damit
die Ungleichbehandlung verschiedener Einkunftsarten werden vielmehr zur
Folge haben, dass Investitionen nur dort getätigt werden, wo der Staat sie für
sinnvoll hält.

Ziel jeder Steuerreform muss sein, die steuerlichen Rahmenbedingungen für In-
vestitionen in Deutschland zu verbessern, um Arbeitsplätze zu sichern und neue
Arbeitsplätze zu schaffen. Dazu ist die Steuerbelastung für alle Einkunftsarten,
gewerbliche und nicht gewerbliche, umfassend zu senken. Alle Einkunftsarten
müssen gleichbehandelt werden, unabhängig von der Quelle der Einkunftser-
zielung oder dem Zweck der Einnahmeverwendung. Eine Unterscheidung von
Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften darf es nicht geben.

Das Steuerrecht ist grundlegend zu vereinfachen, damit Gestaltungen überflüs-
sig werden. Nur ein einfaches Steuerrecht ist gerecht und damit akzeptabel.

Folgende Maßnahmen sind zu ergreifen:

– Die Gewerbesteuer ist abzuschaffen. Das ist Voraussetzung dafür, dass alle
Steuerpflichtigen unter Einbeziehung der Unternehmen gleichbehandelt
werden können. Die Gewerbesteuer gibt es in keinem anderen europäischen
Land. Sie ist eine Sondersteuer, die das deutsche Steuersystem verkompli-
ziert und der Verbesserung der Rahmenbedingungen zur Erhaltung und
Schaffung von Arbeitsplätzen entgegensteht. Die Gemeinden erhalten zur
Bewahrung ihrer Finanzautonomie ein eigenes Hebesatzrecht auf ihren An-
teil an der Einkommensteuer sowie einen erhöhten Anteil an der Umsatz-
steuer.

– Alle Einkunftsarten und damit die der Personengesellschaften und Kapital-
gesellschaften sind gleich zu behandeln. Die Unterschiede bei der Besteue-
rung verschiedener Einkunftsarten sind abzuschaffen, damit Gestaltungen
zur Steuervermeidung überflüssig und das Steuerrecht wieder einfacher und
damit gerechter werden. Erst dadurch kann die notwendige Akzeptanz in der
Bevölkerung geschaffen werden.

– Die Tarife sind umfassend abzusenken. Nur wenn neben den Unternehmens-
einkommen auch die Arbeitseinkommen weniger belastet werden, wird die
Beschäftigung steigen, da sich die Bedingungen für Angebot und Nachfrage
verbessern. Für alle Einkunftsarten gilt ein Stufentarif von 15 %, 25 % und
35 %.

– Die Körperschaftsteuer ist identisch mit der privaten Einkommensteuer, es
kommt zu einer Definitivbelastung im Unternehmen. Ausgeschüttete Ge-
winne werden nicht besteuert, eine Doppelbelastung entfällt.

– Gewinne bei der Betriebs- oder Beteiligungsveräußerung von Kapitalgesell-
schaften und Personengesellschaften bzw. Einzelunternehmen sind steuer-
lich unbedingt gleich zu behandeln, z. B. durch die Wiedereinführung des
im letzten Jahr abgeschafften halben Steuersatzes. Eine Absenkung der
Grenze für wesentliche Beteiligungen auf 1 % wird abgelehnt.

– Es wird eine definitive Abgeltungsteuer für Zinsen in Höhe von 25 % einge-
führt, die auf Antrag angerechnet werden kann.

– Der Solidaritätszuschlag ist stufenweise abzubauen.

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Die Finanzierung der Unternehmensteuerreform wird wie folgt gesichert:

– Wegfall steuerlicher Ausnahmetatbestände,

– Rückführung der direkten Finanzhilfen (Subventionen),

– Verwendung der in den nächsten Jahren zu erwartenden Steuermehreinnah-
men,

– Mehreinnahmen durch den Selbstfinanzierungseffekt in mittelfristiger Sicht.
Weniger Steuern führen zu mehr Investitionen und damit zu mehr Arbeits-
plätzen. Mehr Steuerzahler und weniger Empfänger staatlicher Transferleis-
tungen werden das Steueraufkommen erhöhen.

Berlin, den 16. Februar 2000

Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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