BT-Drucksache 14/2391

zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau und der Fraktion der PDS -14/331- Sofortiger unbefristeter Abschiebestopp für Flüchtlinge in der Türkei

Vom 15. Dezember 1999


Deutscher Bundestag

Drucksache

14/

2391

14. Wahlperiode

15. 12. 99

Beschlussempfehlung und Bericht

des Innenausschusses (4. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau und der Fraktion der PDS
– Drucksache 14/331 –

Sofortiger unbefristeter Abschiebestopp für Flüchtlinge in die Türkei

A. Problem

Mit dem Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, einen sofortigen un-
befristeten und bedingungslosen Stopp der Abschiebungen in die Türkei zu er-
lassen.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags.

Große Mehrheit im Ausschuss

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Keine
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– 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 14/331 abzulehnen.

Berlin, den 10. Dezember 1999

Der Innenausschuß

Dr. Willfried Penner

Vorsitzender

Rüdiger Veit

Berichterstatter

Dietmar Schlee

Berichterstatter

Marieluise Beck (Bremen)

Berichterstatterin

Dr. Max Stadler

Berichterstatter

Ulla Jelpke

Berichterstatterin
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– 3 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Rüdiger Veit, Dietmar Schlee, Marieluise Beck
(Bremen), Dr. Max Stadler und Ulla Jelpke

I. Zum Verfahren

1. Der Antrag der Fraktion der PDS wurde in der
28. Sitzung des Deutschen Bundestages am
19. März 1999 an den Innenausschuss feder-
führend sowie dem Auswärtigen Ausschuss, dem
Rechtsausschuss und dem Ausschuss für Men-
schenrechte und humanitäre Hilfe zur Mitberatung
überwiesen.

2. Der

Auswärtige Ausschuss

hat in seiner
Sitzung am 1. Dezember 1999 mit den Stimmen
der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN bei Abwesenheit der Fraktion der
F.D.P. gegen die Stimme der Fraktion der PDS die
Ablehnung des Antrages empfohlen.

Der

Rechtsausschuss

hat in seiner Sitzung am
29. September 1999 mehrheitlich gegen die Stim-
men der Fraktion der PDS Ablehnung des Antrags
empfohlen.

Der

Ausschuss für Menschenrechte und huma-
nitäre Hilfe

hat in seiner Sitzung am 2. Juni 1999
mit den Stimmen der Fraktionen SPD und CDU/
CSU gegen die Stimme der Fraktion der PDS bei
Enthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN und bei Abwesenheit der Fraktion der F.D.P.
empfohlen, dem Plenum die Ablehnung des Antra-
ges vorzuschlagen.

3. Der

Innenausschuss

hat den Antrag in seiner Sit-
zung am 10. November 1999 abschließend beraten
und ihn gegen die Stimme der antragstellenden
Fraktion mit den Stimmen der Fraktionen im Übri-
gen unter dem Vorbehalt des noch ausstehenden
Votums des Auswärtigen Ausschusses abgelehnt.

Da das Votum des Auswärtigen Ausschusses der
Beschlußfassung des Innenausschusses nicht ent-
gegenstand, brauchte dieser nicht noch einmal in
die Beratungen einzutreten.

II. Zur Begründung

Der Innenausschuss hat den Antrag der Fraktion der
PDS mit großer Mehrheit abgelehnt. Die Begründung
für die ablehnende Haltung ist dabei je nach Fraktion
mit unterschiedlichen Akzenten erfolgt.

Seitens der Fraktion der SPD wird der Antrag abge-
lehnt, weil der Bundesminister des Innern, an den der
Antrag gerichtet ist, zu einem Abschiebestopp allein
ohne die Länder nach § 54 des Ausländergesetzes
nicht in der Lage ist. In der Sache äußert sie sich da-

hin, dass der Satz, Menschen im Zweifel nie abzu-
schieben, wenn sie in ihrem Heimatland bedroht sind,
für die Fraktion der SPD gilt. Entscheidend ist für sie
die Feststellung, dass es in der Türkei keine Men-
schenrechtsverletzungen gibt. Daran gibt es nach ih-
rem Kenntnisstand auf der Grundlage des jüngsten
Lageberichts des Auswärtigen Amts und der Reise
einer Delegation des Innenausschusses in die Türkei
vom 15. bis 22. Oktober 1999 aber Zweifel.

Die Fraktion der CDU/CSU hat sich gegen einen ge-
nerellen und unbefristeten Abschiebestopp erklärt,
weil die Kernfrage, ob es in der Türkei nach der
Rückschiebung Misshandlungen gibt, auch nach dem
neuen Menschenrechts- Bericht des Auswärtigen
Amts nicht in diesem Sinne beantwortet werden kann.
Sie hat klargestellt, dass eine pauschale Beurteilung,
wie der Antrag sie will, der Sache nicht gerecht wird,
sondern dass dies nur durch eine individuelle Ent-
scheidung sichergestellt wird.

Die Fraktion der F.D.P. hat den Antrag aus rechtlichen
Gründen abgelehnt. Sie hat zusätzlich darauf hinge-
wiesen, dass der Antrag in seinem Wortlaut auch über
das hinausgeht, was mit ihm gemeint ist, nämlich die
Kurdenfrage. Mit der Ablehnung des Antrages sieht
sie aber nicht eine Einzelfallentscheidung, für die sie
sich ausspricht, berührt.

Seitens der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
wird ein bedingungsloser Abschiebestopp als zu pau-
schal bezeichnet und die Notwendigkeit einer Einzel-
fallprüfung vorangestellt. Die Problematik in der Tür-
kei beurteilt sie als schwierig. Zwar verneint der
Lagebericht des Auswärtigen Amts eine generelle
Gruppenverfolgung von Kurden in der Türkei. Ande-
rerseits werden dort vier Fälle aus 1999 aufgelistet, in
denen abgeschobene Kurden von türkischen Sicher-
heitskräften festgenommen und bei Verhören miss-
handelt worden sein sollen.

Für die antragstellende Fraktion der PDS ist über die
Begründung ihres Antrages hinaus kritisch angeführt
worden, dass die Abmachungen zwischen Bundes-
innenminister Manfred Kanther und seinem türki-
schen Kollegen bzw. den türkischen Behörden nicht
eingehalten würden. Andererseits würde hierzulande
seitens einiger Länder nicht nachgefragt, ob Verfol-
gung in der Türkei zu erwarten sei. Obwohl die Tür-
kei Demokratisierungsbemühungen mache, müsse
doch festgestellt werden, dass Menschen gefoltert
oder misshandelt würden. Sie habe erfahren, dass es
in den letzten drei Monaten mehr als 100 Fälle von
Folter gegeben habe.
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– 4 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

Die Bundesregierung stellte auf Fragen fest, dass ihr
keine gesicherten Erkenntnisse über Folter nach der
Abschiebung in die Türkei vorliegen. Sie räumte aber
ein, dass es erst jetzt wieder Gespräche über die
Handhabung der Abmachungen des früheren Bundes-

innenministers Manfred Kanther gibt, deren Ziel es
ist, nähere Auskünfte aus der Türkei zu bekommen.
Seitens der Bundesregierung wurde aber versichert,
dass die Menschenrechtsfrage in der Türkei sorgsam
beobachtet wird.

Berlin, den 10. Dezember 1999

Rüdiger Veit

Berichterstatter
Dietmar Schlee

Berichterstatter

Marieluise Beck (Bremen)

Berichterstatterin

Dr. Max Stadler

Berichterstatter

Ulla Jelpke

Berichterstatterin

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