BT-Drucksache 14/2364

Zukunftsfähige Energiepolitik für den Standort Deutschland

Vom 15. Dezember 1999


Deutscher Bundestag

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14. Wahlperiode

15. 12. 99

Antrag

der Abgeordneten Walter Hirche, Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher,
Jörg van Essen, Ulrike Flach, Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer Funke, Hans-
Michael Goldmann, Dr. Karlheinz Guttmacher, Klaus Haupt, Ulrich Heinrich,
Dr. Werner Hoyer, Ulrich Irmer, Dr. Heinrich L. Kolb, Jürgen Koppelin, Jürgen W.
Möllemann, Dirk Niebel, Günther Friedrich Nolting, Detlef Parr, Cornelia Pieper,
Dr. Günter Rexrodt, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, Marita Sehn, Dr. Hermann Otto
Solms, Carl-Ludwig Thiele, Dr. Dieter Thomae, Dr. Wolfgang Gerhardt und der
Fraktion der F.D.P.

Zukunftsfähige Energiepolitik für den Standort Deutschland

Der Bundestag wolle beschließen:

Eine zukunftsfähige Energiepolitik, die auf den Prinzipien der Verlässlichkeit
und Berechenbarkeit basiert, dient der Sicherung und dem Ausbau des Stand-
ortes Deutschland. Sie bildet die Grundlage unserer Volkswirtschaft. Sie ent-
scheidet über die wesentlichen Standortfaktoren im internationalen Wettbe-
werb. Auf der Grundlage der energiepolitischen Ziele von Wirtschaftlichkeit,
Versorgungssicherheit, Umwelt- und Sozialverträglichkeit sowie Ressour-
censchonung schafft sie die notwendigen Rahmenbedingungen wirtschaftli-
chen Handelns.

Fundament der heutigen Energieversorgung in Deutschland ist ein Energie-
mix, der sich zusammensetzt aus den verfügbaren Energieträgern Kohle,
Erdöl, Kernenergie, Erdgas und regenerativen Energien sowie eines rationel-
len und sparsamen Energieeinsatzes. Dieser hat sich bewährt, weil er durch
die Pluralität der Energieträger und ihrer Diversifizierung die notwendige
Ausgewogenheit garantiert und die Energieversorgung zu gesamtwirtschaft-
lich günstigen Preisen sichert. Deshalb muss ein ausgewogener Energiemix
unter Einsatz aller verfügbaren Energieträger und der verstärkten Nutzung
des längerfristig wirtschaftlichen Potentials der erneuerbaren Energien sowie
des rationellen und sparsamen Energieeinsatzes auch in Zukunft sicherge-
stellt werden. Ein Verzicht einzelner Energieträger, z.B. der Kernenergie,
würde die Leistungsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft gefährden und
schadete dem Standort Deutschland.

Mit der Deregulierung und Liberalisierung der Energiemärkte sind die staat-
lichen Versorgungsmonopole gefallen. Wettbewerb ist entstanden und hat zu
neuen Marktstrukturen geführt. Die Energieverbraucher, insbesondere die In-
dustrie, profitieren von einem diversifizierten Angebot und sinkenden Prei-
sen. Sie gewinnen damit Marktsouveränität und ein Stück internationaler
Wettbewerbsfähigkeit. Auch die Tarifkunden werden durch sinkende Ener-
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giekosten entlastet und können so die Verteuerungen, die z. B. durch Einfüh-
rung der Ökosteuern entstanden sind, zumTeil kompensieren.

Die Energiepolitik der Bundesregierung gefährdet diese Entwicklung. Ihre
Absicht, vorzeitig die deutschen Kernkraftwerke stillzulegen, schwächt die
Position Deutschlands im internationalen Wettbewerb. Ein Anstieg der
Strompreise und eine Verlagerung der Energieerzeugungsstandorte und der
stromintensiven Industrie ins Ausland sind die Folge. Zehntausende von Ar-
beitsplätzen werden so gefährdet. Ein Anstieg der CO

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-Emissionen ist unaus-
weichlich. Ein Ausstieg aus der Kernenergie bedeutet aber auch einen Ab-
schied aus einer hochentwickelten Sicherheitstechnologie, die auf der Basis
internationaler Verträge z. B. für den Umbau der osteuropäischen Kernkraft-
werke eingesetzt wird. Er ist ein Zeichen rückwärtsgerichteter, zukunfts- und
technikfeindlicher Politik, entzieht internationalen Verträgen seine Basis und
konterkariert die politischen Ziele der Bundesregierung in wesentlichen Tei-
len.

Auch die Vorstellungen der Bundesregierung und die Bestrebungen der Koa-
litionsfraktionen zur Novellierung des Stromeinspeisungsgesetzes gehen in
die falsche Richtung. Die geplante Umlage auf die Netzbetreiber durch einen
Zuschlag auf die Netzgebühr verteuert den Strom. Die durch die Liberalisie-
rung gewonnenen Standortvorteile werden bereits durch die Ökosteuer ge-
schmälert. Mit ihren weiteren Vorhaben droht die Bundesregierung, diese
gänzlich zu vernichten.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf:

– Zusätzliche Belastungen des Energieverbrauchs nur im europäischen
Gleichschritt zu beschliessen. Anstelle der so genannten Ökosteuer sich da-
für einzusetzen, dass in der EU die Voraussetzungen dafür geschaffen wer-
den, dass ein dritter erhöhter Mehrwertsteuersatz auf Energie erhoben wer-
den kann.

– National Modelle für die flexiblen Instrumente (Handel mit Emissionsrech-
ten, Joint Implementation und Clean Development Mechanism) zu erarbei-
ten und europäisch die Entwicklung solcher Modelle anzustossen, um bis
zum Beginn der internationalen Verpflichtungen 2008 handelbare Emissi-
onsrechte einzuführen.

– Die notwendigen Schritte einzuleiten für den Abbau administrativer, recht-
licher, informatorischer und institutioneller Hemmnisse für den Einsatz er-
neuerbarer Energien.

– Das längerfristig wirtschaftliche Potential aller erneuerbarer Energien zu
identifizieren und den verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien durch zeit-
lich und der Höhe nach begrenzte degressive finanzielle Hilfen zu fördern,
z. B. im Rahmen der geplanten Novelle des Stromeinspeisungsgesetzes.

– Die Energieberatung, insbesondere für mittelständische Unternehmen sowie
private Haushalte (Verbraucherberatung), sowie die Forschung und Ent-
wicklung für energiesparende Produktionsverfahren und -technologien auch
zukünftig angemessen zu fördern.

– Die Forschung, insbesondere auch die Sicherheitsforschung, sowie die Ent-
wicklung neuer Technologien wie z. B. am Fusionsreaktor auch zukünftig
angemessen zu fördern.
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– Auf vertraglicher Grundlage mit den betroffenen Unternehmen sicherzustel-
len, dass die bestehenden Kernkraftwerke in Deutschland unbeschadet der
Regelungen über nachträgliche Auflagen, Widerruf und aufsichtliche An-
ordnungen für die technisch und wirtschaftlich vorgesehene Betriebszeit ge-
nutzt werden können.

– Im Rahmen des Energiedialoges

– darauf hinzuwirken, dass die Energieumwandlung und -nutzung weiter-
hin verbessert wird (z. B. Verbesserung des Wirkungsgrades der Kohle-
kraftwerke, Kombikraftwerke mit integrierter Kohlevergasung, Ausbau
der Kraft-Wärme-Koppelung, Wärmedämmung);

– darauf hinzuwirken, dass durch den Einsatz entsprechender Technik beim
Ersatz von Kraftwerkskapazitäten sowie im Gebäudebereich der CO

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-
Ausstoß sinkt;

– darauf hinzuwirken, dass der Kraftstoffverbrauch weiter sinkt, z. B.
durch freiwillige Vereinbarungen mit der betroffenen Industrie;

– darauf hinzuwirken, dass weiterhin verstärkte Anstrengungen der Indus-
trie, u. U. auch mit Forschungsinstituten oder anderen betroffenen Stel-
len, erfolgen, die erzielten Know-how-Vorsprünge im Bereich der Photo-
voltaik, der Solarthermik und der Windkraft zu erhalten und auszubauen,
um im internationalen Wettbewerb Marktanteile zu sichern und auszu-
bauen.

Berlin, den 15. Dezember 1999

Dr. Wolfgang Gerhardt und Fraktion

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