BT-Drucksache 14/2263

Aufnahme der Entwicklungsarbeit mit Kuba im Jahr 2000

Vom 1. Dezember 1999


Deutscher Bundestag Drucksache 14/2263
14. Wahlperiode 01. 12. 99

Antrag
der Abgeordneten Carsten Hübner, Dr. Barbara Höll, Heidi Lippmann,
Fred Gebhardt, Wolfgang Gehrcke-Reymann, Uwe Hiksch, Manfred Müller,
Dr. Winfried Wolf und der Fraktion der PDS

Aufnahme der Entwicklungszusammenarbeit mit Kuba im Jahr 2000

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf:

1. Entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit der kubanischen Regierung of-
fiziell aufzunehmen. Dabei sollen insbesondere Projekte

– der Modernisierung und Instandsetzung der Infrastruktur, insbesondere des
Transportwesens;

– der alternativen Energiegewinnung und -nutzung;

– der Agrarproduktion zur Sicherstellung der Versorgung der kubanischen Be-
völkerung mit einheimischen Lebensmitteln;

– zur Verbesserung der Wohnsituation durch Instandsetzung und Wohnungs-
neubau;

– zur Sicherung des Bildungs-, Ausbildungs- und Gesundheitsniveaus des
Landes;

– zur Stärkung der Eigeninitiative verschiedener gesellschaftlicher Akteure
(kommunale und kirchliche Initiativen, Umweltgruppen, Verbände, Nichtre-
gierungsorganisationen und genossenschaftliche Zusammenschlüsse)

gefördert werden.

Dabei sollten Nichtregierungsorganisationen auf deutscher und auf kubanischer
Seite als Träger von Projekten einbezogen werden.

2. Bereits für das Haushaltsjahr 2000 eine Entwicklungszusammenarbeit im
Bereich der Technischen Zusammenarbeit mit Kuba aufzunehmen, die

– eine multilaterale Zusammenarbeit im Bereich der medizinischen Grundver-
sorgung in lateinamerikanischen und afrikanischen Ländern ausbaut und die
umfangreichen Hilfeleistungen kubanischer Ärztinnen und Ärzte dort durch
medizintechnische Ausrüstung unterstützt und effizienter zu gestalten hilft;

– durch Ausrüstung und Know-how zu einer wesentlichen Verbesserung der
Umweltsituation insbesondere im Bereich des Schutzes der Küsten und des
Erhaltes der beispielhaften Artenvielfalt, die von wirtschaftlichen Eingriffen
durch den Menschen bedroht sind, beiträgt.

Drucksache 14/2263 – 2 – Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode

3. Die Aufnahme der offiziellen Entwicklungszusammenarbeit von der Be-
handlung der Schuldenfrage zu entkoppeln.

4. Sich im Rahmen der EU für Hilfeleistungen, insbesondere zur Sicherstel-
lung der Versorgung der kubanischen Kinder mit Milch- und Eiweißproduk-
ten, einzusetzen.

Berlin, den 30. November 1999

Carsten Hübner
Dr. Barbara Höll
Heidi Lippmann
Fred Gebhardt
Wolfgang Gehrcke-Reymann
Uwe Hiksch
Manfred Müller
Dr. Winfried Wolf
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

Begründung

Die fast vierzigjährige Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade der USA,
die mehrfach von den Vereinten Nationen und jüngst in ihrer Resolution 53/4
verurteilt wurde, wirkt sich fatal auf die kubanische Wirtschaft und damit auf
die gesamte Bevölkerung aus. Besonders einschneidend war jedoch der Zusam-
menbruch des RGW (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe), durch den Kuba
ca. 85 % Handelspartner und fast die gesamte Entwicklungshilfe verlor.

Verträge, die beispielsweise mit der DDR bestanden, liefen zum größten Teil
1990 aus oder wurden einseitig von der Bundesrepublik Deutschland aufgekün-
digt. Auch Hilfeleistungen haben keine Fortsetzung durch die Bundesrepublik
Deutschland erfahren – es gibt bis heute keine offiziellen Vereinbarungen zwi-
schen der Bundesrepublik Deutschland und Kuba über wirtschaftliche Zusam-
menarbeit.

Das Wegbrechen der solidarischen Zusammenarbeit, beispielsweise die Versor-
gung der kubanischen Kinder mit Milch und Milchprodukten – die DDR hatte
über Jahre hinweg 22 000 Tonnen Trockenmilch geliefert –, führte in den Jah-
ren 1993/94 dazu, dass erstmalig die Grundversorgung der Bevölkerung mit
Lebensmitteln nicht mehr gewährleistet werden konnte. Kubas Wirtschaft er-
reichte einen Tiefstand – das BSP sank auf 30 % des Wertes von 1989 –, der nur
mühevoll wieder überwunden werden kann. Noch immer ist in wesentlichen
Bereichen der kubanischen Wirtschaft der Stand von 1989 nicht erreicht.

Kuba hat mit einem starken Außenhandelsdefizit zu kämpfen. Das Land ist we-
gen der Blokkadepolitik der USA und insbesondere der extraterritorialen Be-
stimmungen des Helms-Burton-Gesetzes gezwungen, zu hohen Zinssätzen
Kredite aufzunehmen, um nötige Waren und Ausrüstungen zu importieren.

Ebenso wie für alle armen Entwicklungsländer ist auch für Kuba die Schulden-
last – sie beläuft sich auf 11 Mrd. US-Dollar Devisenschuld und einer Transfer-
rubelschuld aus der Zusammenarbeit mit den ehemaligen RGW-Staaten von
mindestens 20 Mrd. US-Dollar – ein wesentliches Entwicklungshemmnis.

Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 3 – Drucksache 14/2263

Wegen der Schwierigkeit der Identifikation und Neubewertung der Transferru-
belschulden Kubas gegenüber der DDR gestalten sich Entschuldungsverhand-
lungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kuba langwierig. Bleibt
der Abschluss dieser Verhandlungen aber Voraussetzung für wichtige Investiti-
onen, also auch die Neuvergabe von Hermesbürgschaften und eine wirtschaftli-
che Zusammenarbeit, können wichtige Investitionen nicht getätigt und drin-
gende Entwicklungshilfeprojekte nicht aufgenommen werden.

Trotz der schlechten wirtschaftlichen Lage, die Kuba nicht von anderen Ent-
wicklungsländern unterscheidet, hält die Bundesregierung an ihrer bisherigen
Kubapolitik fest und weigert sich, entwicklungspolitische Beziehungen zu
Kuba aufzunehmen.

Dabei kann Kuba trotz der Schwierigkeiten auf Reformen und Verbesserung
von Rahmenbedingungen, wie vorsichtige Marktöffnung, Schaffung von Inves-
titionsanreizen, Verwaltungsreformen, zunehmende Einbeziehung zivilgesell-
schaftlicher Kräfte, schrittweisen Ausbau von Demokratie in den letzten Jahren
verweisen.

Neben Politikerinnen und Politikern aller Parteien des Deutschen Bundestages
haben auch zunehmend Unternehmen diese Veränderungen der politischen und
wirtschaftlichen Bedingungen anerkannt und bei zahlreichen Gesprächen und
Reisen nach Kuba zum Ausdruck gebracht. So sprach sich Hans-Olaf Henkel,
Präsident der Deutschen Industrie (BDI) für wirtschaftliche Zusammenarbeit
aus: „Es soll uns kein politisches System zu komplex und kein Markt zu klein
sein.“ „… Embargos und Boykottrufe sind der falsche Weg.“ Auf der diesjähri-
gen international besuchten „Havanna Messe“ vom 31. Oktober bis
5. November nahmen u. a. 60 deutsche Unternehmen teil und die Bundesrepub-
lik Deutschland war erstmals mit einem eigenen Stand vertreten. Auch das
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(BMZ) hat Interesse an der Zusammenarbeit bekundet, jüngst durch einen Be-
auftragten, der im September dieses Jahres auf Kuba in der Region um Rio
Cauto weilte.

Kuba unterstützt trotz geringer wirtschaftlicher Potenzen seit Jahren Länder La-
teinamerikas (Guatemala, Honduras, Nikaragua, Belize und Haiti) sowie Afri-
kas (Gambia, Niger und Südafrika) mit gut ausgebildeten Ärzten bei der Basis-
gesundheitsversorgung in den dortigen ärmsten Regionen. Fünftausend
Ärztinnen und Ärzte sowie medizinisches Personal aus Ländern Afrikas und
Lateinamerikas erhielten seit den 70er Jahren, 2000 Ärztinnen und Ärzte erhal-
ten im Rahmen eines Programms für die von der „Mitch“-Katastrophe betroffe-
nen mittelamerikanischen Länder eine kostengünstige oder gar kostenlose Aus-
bildung in Kuba. Darüber hinaus wurden mehr als 15 000 strahlengeschädigte
Kinder aus der Region um Tschernobyl (Ukraine) in Kuba kostenlos behandelt.

Kuba hat auch im Rahmen der Maßnahmen nach der Mitch-Katastrophe seine
gesamten Forderungen gegenüber Nikaragua (50 Mio. US-Dollar) erlassen.

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