BT-Drucksache 14/2072

zu dem Gesetzentwurf -14/1523, 14/1636, 14/1680, 14/2016, 14/2036- Entwurf eines Gesetzes zur Sanierung des Bundeshaushalts (Haushaltssanierungsgesetz-HSanG)

Vom 11. November 1999


Deutscher Bundestag

Drucksache

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14. Wahlperiode

11. 11. 99

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Christa Luft, Dr. Uwe-Jens Rössel, Dr. Dietmar Bartsch,
Heidemarie Ehlert, Dr. Barbara Höll und der Fraktion der PDS

zu dem Gesetzentwurf
– Drucksachen 14/1523, 14/1636, 14/1680, 14/2016, 14/2036 –

Entwurf eines Gesetzes zur Sanierung des Bundeshaushalts
(Haushaltssanierungsgesetz – HSanG)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Mit dem Haushaltssanierungsgesetz beabsichtigt die Bundesregierung, die
Nettokreditaufnahme Jahr um Jahr deutlich und bis 2006 auf Null zurückzu-
führen. Damit sollen die Zinslast des Bundes reduziert und die finanzielle
Handlungsfähigkeit des Staates wiederhergestellt werden.

Angesichts des in der Amtszeit der CDU/CSU/F.D.P.-Regierung dramatisch
angestiegenen Schuldenberges ist die Grundrichtung dieses Vorhabens nach-
vollziehbar. Der eingeschlagene Weg seiner Umsetzung und das vorgese-
hene Tempo hingegen sind gesamtwirtschaftlich kontraproduktiv.

In der Koalitionsvereinbarung „Deutschlands Weg ins 21. Jahrhundert“ vom
20. Oktober 1998 wird der Schlüssel zur Sanierung der öffentlichen Finan-
zen richtigerweise in der energischen Bekämpfung der Arbeitslosigkeit
gesehen. Seit dem Amtsantritt von Finanzminister Hans Eichel ist dem-
gegenüber allein die Reduzierung der Nettoneuverschuldung ins Zentrum
der Regierungspolitik gerückt. Mit diesem Paradigmenwechsel ist dem
gesellschaftlichen Hauptübel – der Massenarbeitslosigkeit – jedoch nicht
beizukommen. Tiefe Einschnitte bei den Sozialleistungen und Kürzungen
öffentlicher Investitionen bringen keine Impulse für die Beschäftigung. Am
Ende führt ein solcher Weg infolge sinkender Steuereinnahmen und steigen-
der Krisenkosten in den Folgejahren zum Anwachsen der Staatsverschul-
dung, die nach der Logik dieser Bundesregierung mit neuen Einsparrunden
beantwortet werden wird. Das Ziel einer nachhaltigen Haushaltssanierung
kann nicht ausschließlich durch Streichen und Kürzen öffentlicher Aus-
gaben erreicht werden. Unverzichtbar ist eine Strategie der Einnahmenver-
besserung.
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2. Der vorgelegte Entwurf eines Haushaltssanierungsgesetzes widerspricht
dem selbst gestellten Anspruch „Arbeit, Innovation und Gerechtigkeit“, mit
dem die SPD als der größere Koalitionspartner innerhalb der Bundesregie-
rung seinerzeit im Wahlkampf angetreten ist und mit dem eine Mehrheit der
Wählerinnen und Wähler für einen Regierungswechsel gewonnen wurde.
Statt auf bislang brachliegenden Tätigkeitsfeldern dauerhafte Beschäftigung
zu initiieren, wird mit der Haushaltspolitik die Lage auf dem Arbeitsmarkt
noch verschärft.

Statt kleine und mittlere arbeits- und ausbildungsplatzschaffende Unterneh-
men besonders zu fördern, werden ihnen mit dem Haushaltssanierungsgesetz
weitere Belastungen zugemutet, die der Beschäftigungszunahme entgegen-
laufen. So sollen u. a. die Gebühren für Auskünfte über das Gewerbezentral-
register sowie Patentrecherchen erhöht werden, wodurch kleine Unterneh-
men und Existenzgründer auf Zukunftsfeldern erheblich stärker belastet
werden als Großunternehmen und Konzerne mit eigenen Datenbanken. Die
Bereitstellung von Darlehen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
(BAföG) durch die Deutsche Ausgleichsbank und nicht wie bisher durch den
Bund schränkt deren Handlungsfeld bei der Förderung kleiner und mittlerer
Unternehmen und Existenzgründer ein. Die Aufhebung des Branntweinmo-
nopols beendet eine Subventionierung bäuerlicher Familienbetriebe im Jahr
2001, was viele bäuerliche Existenzen und rund 4 400 Arbeitsplätze bedroht.

Statt deutliche Innovationssignale durch die öffentliche Ausgabenpolitik in
Bildung, Forschung, Wissenschaft und Technologie zu setzen, werden diese
Bereiche als herausragende Schwerpunkte der Regierungsarbeit nicht er-
kennbar. Statt sozialer Gerechtigkeit zum Durchbruch zu verhelfen, setzt
Rot-Grün die Politik sozialer Ungerechtigkeit der Vorgängerregierung fort.
Begrüßenswerte Akzente des Haushaltssanierungsgesetzes wie die verbes-
serte Familienförderung oder die veränderten Einkommensgrenzen bei der
Wohneigentumsförderung ändern an dieser Gesamteinschätzung wenig.

3. Das Haushaltssanierungsgesetz leitet auf vielen Gebieten Systembrüche mit
gravierenden Folgen für die soziale Verfasstheit der Bundesrepublik
Deutschland ein:

Die drastischen Ausgabenkürzungen werden die soziale Schieflage in der
Gesellschaft weiter verstärken: Obwohl die Wirtschaft in den letzten Jahren
deutlich entlastet worden ist und die abhängig Beschäftigten über die Lohn-
und Umsatzsteuer den weitaus größten Teil des Steueraufkommens des Bun-
des erbringen, soll das „Sparpaket“ überwiegend von jenen getragen wer-
den, die nicht die starken Schultern besitzen. Die im Gesetzentwurf enthalte-
nen Kürzungen gesetzlicher Verpflichtungen für das Jahr 2000 im Umfang
von 12,0 Mrd. DM und für die Folgejahre bis 2003 von 16,2 Mrd. DM,
16,4 Mrd. DM und 13,7 Mrd. DM entfallen insbesondere auf folgende
Gruppen:

Kürzungen gesetzlicher Leistungen für
(in Mrd. DM)

2000 2001 2002 2003
Arbeitslose und Sozialhilfebeziehende 1,1 2,1 1,8 1,4
Rentenansprüche der jetzt Arbeitslosen
sowie der Wehrpflicht- und Zivildienstleistenden 4,6 4,5 4,5 4,4
Rentnerinnen und Rentner 2,1 3,5 3,4 0,6
die Alterssicherung der Landwirte 0,3 0,4 0,4 0,5
die Pflegeversicherung 0,4 0,4 0,4 0,4
Beamte, Richter, Soldaten
und Versorgungsempfänger 1,8 3,1 3,5 3,6
Bahnfahrerinnen und Bahnfahrer 0,2 0,2 0,2 0,2
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Mit dem Aussetzen der Formel für die Anpassung der Renten, der Arbeitslo-
sen- und der Sozialhilfe sowie der fehlenden Einbettung befristeter Maßnah-
men auf diesem Gebiet in ein schlüssiges, langfristig orientiertes Reform-
konzept zerstört die Bundesregierung Vertrauen in die Politik. Insbesondere
in den neuen Bundesländern wird das Verlassen des Weges der Nettolohn-
bezogenheit der Rentenerhöhung dazu führen, dass viele Seniorinnen und
Senioren die Angleichung ihrer Altersbezüge an das um 14 Prozent höhere
Rentenniveau im Westen kaum noch erleben werden. Besonders betroffen
von den beabsichtigten Regelungen sind jene Rentnerinnen und Rentner,
die einen Auffüllbetrag bekommen. Für sie rückt der Tag einer tatsächlichen
Rentenerhöhung in noch weitere Ferne. Mit der drastischen Kürzung der
staatlichen Beiträge zur Rentenversicherung für Arbeitslosenhilfebezieher
wird wachsende Altersarmut weiter vorprogrammiert.

Die vorgesehenen Mittelkürzungen im Bereich des Zivildienstes gehen zu
Lasten pflegebedürftiger, kranker und behinderter Menschen.

Die Begrenzung der Besoldungserhöhungen für Beamte stellt für solche mit
niedrigen und durchschnittlichen Einkommen eine unzumutbare Härte dar.

4. Was im Bundeshaushalt als Sparen ausgegeben wird, läuft entgegen dem
Prinzip von Haushaltswahrheit und -klarheit zu einem beträchtlichen Teil
auf eine Verschiebung von Lasten auf die Länder und Kommunen hinaus. So
werden mit den Regelungen zum pauschalierten Wohngeld, zum Wegfall der
originären Arbeitslosenhilfe und zur Aufbringung von Unterhaltszahlungen
bisher vom Bund getragene Ausgaben im Umfang von 3,2 Mrd. DM im Jahr
2000 und von 3,4 Mrd. DM bis 3,7 Mrd. DM in den Jahren 2001 bis 2003
auf Länder und Kommunen abgewälzt. Mit den vorgesehenen Kürzungen
bei den Rentenanwartschaften (4,4 bis 4,6 Mrd. DM in jedem Jahr bis 2003)
werden immer mehr Menschen in die Sozialhilfe gedrängt, was wiederum
die Kommunen belastet. Deren ohnehin prekäre Finanzlage wird weiter ver-
schärft, wodurch sie auch als Auftraggeber für lokale kleine und mittlere
Unternehmen weitgehend ausfallen und notwendige Arbeitsplätze insbeson-
dere im Handwerk und Gewerbe nicht geschaffen werden können. Für frei-
willige Leistungen zugunsten von Kindern und Jugendlichen, Kultur und
Sport stehen künftig noch geringere Mittel zur Verfügung als bisher.

5. Großunternehmen, Banken und Versicherungen sowie die vermögenden Be-
völkerungsschichten werden unzureichend zur Konsolidierung der Staatsfi-
nanzen herangezogen. Die Finanzhilfen und Steuervergünstigungen des Bun-
des für die gewerbliche Wirtschaft werden im Gegensatz zu den Kürzungen
für finanziell schwache Gesellschaftsschichten von 22,2 Mrd. DM 1999 auf
24,2 Mrd. DM im Jahr 2000 erhöht. Für den Abbau der Subventionen in den
Folgejahren gibt es keine Angaben. Die deutschen Großunternehmen und
Banken partizipieren darüber hinaus in steigendem Maße an der aus dem Bun-
deshaushalt bestrittenen oder verbürgten Entwicklungszusammenarbeit so-
wie den Beschaffungen für die Bundeswehr und an den Rüstungsgeschäften.
Gleichzeitig tragen Großunternehmen und Banken aber zur notwendigen Aus-
weitung der Entwicklungshilfe durch einen wachsenden Beitrag zur Konsoli-
dierung der Staatsfinanzen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit nicht bei.

An den Zinsen aus der wachsenden Staatsverschuldung im Umfang von
84 Mrd. DM im Jahr 2000 und 80 Mrd. DM im Jahr 2001 bis 91 Mrd. DM
in den Folgejahren bis 2003 profitieren die vermögenden Schichten über-
durchschnittlich, ohne einen adäquaten Konsolidierungsbeitrag zu leisten.
Von den Gläubigern der insgesamt 2,3 Billionen DM Verschuldung der öf-
fentlichen Haushalte in Deutschland entfallen allein 1,2 Billionen DM auf
deutsche Kreditinstitute, 0,3 Billionen DM auf Sozialversicherungen und 0,8
Billionen DM auf ausländische, vorwiegend institutionelle Gläubiger.
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6. Dass der Aufbau Ost „Chefsache“ ist, spiegelt sich im Haushaltssanierungs-
gesetz nicht wider. Die Mittel für Strukturanpassungsmaßnahmen in den
neuen Ländern werden um 0,8 Mrd. DM im Jahr 2000 und 1,1 Mrd. DM in
den Folgejahren gekürzt – begründet mit angeblichen Mitnahmeeffekten.
Einen Nachweis bleibt die Bundesregierung schuldig. Mit dem Haushalts-
sanierungsgesetz wird deshalb im zehnten Jahr der deutschen Einheit das
West-Ost-Gefälle in Wirtschaft und Gesellschaft weiter verfestigt.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

sich erstens in ihrer finanzpolitischen Strategie wieder auf die Koalitionsver-
einbarung zu besinnen und zur Linie der Konsolidierung des Bundeshaushalts
durch den Abbau der Massenarbeitslosigkeit, die Stärkung des wirtschaftlichen
Wachstums, durch ökologischen Umbau sowie eine sozial gerechte Steuer- und
Abgabenpolitik zurückzukehren;

zweitens bei der Konsolidierung des Bundeshaushalts auf der Ausgabenseite
zumindest die Forderungen umzusetzen, für die die heutigen Regierungspar-
teien zu ihrer Oppositionszeit bis zur Bundestagswahl 1998 eingetreten sind:

– Ausstieg aus den Verträgen zum Eurofighter, für den im Jahr 2000
1,6 Mrd. DM ausgegeben werden sollen und wodurch der Bundeshaushalt –
nur für Anschaffungs- und weitere Entwicklungskosten – bis zum Jahr 2015
mit 21 Mrd. DM vorbelastet wird (SPD: Drucksache 13/9209 und BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN: Drucksache 13/9145). Ein schneller Ausstieg aus
den Verträgen wäre selbst angesichts der damit verbundenen Konventional-
strafen und Kosten für die Konversion auch zur Sicherung von Arbeitsplät-
zen immer noch billiger. Die für anderthalb Jahrzehnte im Voraus gebunde-
nen Mittel könnten in arbeitsplatzintensiven zivilen Branchen eingesetzt
werden;

– keine Neuausrüstung der Bundeswehr als Interventionsarmee mit Panzer-
haubitze 2000 (375 Mio. DM jeweils allein im Jahr 2000), Einsatzgruppen-
versorger Kl. 702 (115 Mio. DM), Kleinfluggerät Zielortung KZO (144 Mio.
DM), Neubeschaffung des Waffensystems MRCA (6 Mio. DM), Unterstüt-
zungshubschrauber (330 Mio. DM), Entwicklung neuer Landminen
(192 Mio. DM) und neuer Modularer Abstandswaffen (599 Mio. DM) –
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Drucksache 13/9137);

– Streichung von Mitteln für den militärischen Abschirmdienst in Höhe von
440 Mio. DM (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Drucksache 13/9147), für das
Bundesamt für Verfassungsschutz in Höhe von 22,6 Mio. DM (BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN: Drucksache 13/9163) und für den Bundesnachrichten-
dienst in Höhe von 68 Mio. DM (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Drucksache
13/9180);

– Aufgabe der Finanzierung der verkehrspolitisch fragwürdigen Mag-
netschwebebahn Transrapid durch den Bund (1 Mrd. DM allein im Jahr
2000) – (SPD: Drucksachen 13/9196 und 13/9234, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN: Drucksachen 13/9136 und 13/9174);

– Verzicht auf den ökologisch schädlichen Ausbau von Schleusen und der Ha-
vel in Brandenburg (in Brandenburg allein 300 Mio. DM) – (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN: Drucksache 13/9175);

– Beendigung des Prestigeprojektes Personenraumfahrt (370 Mio. DM), weil
unbemannte Projekte ein deutlich besseres Aufwand-Leistungsverhältnis
aufweisen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Drucksache 13/9135);
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– Einführung einer Ausbildungsplatzabgabe als Umlagefinanzierung, was
2,2 Mrd. DM aus dem Bundeshaushalt freimachen würde, die jetzt für Son-
derprogramme ausgegeben werden (SPD: Plenarprotokoll des Deutschen
Bundestages 13/197, S. 17751 und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: ebenda,
S. 17758);

– Beendigung der institutionellen Förderung des Bundes der Vertriebenen
(3 Mio. DM) und anderer Vertriebenenverbände, um damit eine der Quellen
für die Verbreitung nationalistischen und rechtsextremen Gedankengutes zu
schließen (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Drucksache 13/9158);

– allein die Realisierung dieser Vorschläge würde den Bundeshaushalt im Jahr
2000 um rund 7,8 Mrd. DM, im Jahr 2001 um rund 7,9 Mrd. DM, im Jahr
2002 um rund 9 Mrd. DM und im Jahr 2003 um rund 9,5 Mrd. DM ent-
lasten;

drittens wirksame Schritte zur Senkung der noch beeinflussbaren Ausgaben
und Mehrkosten für den Umzug von Regierung und Parlament nach Berlin und
zum Sparen in den Verwaltungen zu gehen;

überprüft und abgebaut werden sollen für Besserverdienende zahlreiche zusätz-
liche Vergünstigungen im Rahmen des Umzugs. Geprüft werden muss auch, ob
repräsentative Bauten im Zusammenhang mit dem Berlin-Umzug unverzüglich
gestoppt werden können bzw. eine wirksame Kostenreduzierung erreicht wer-
den kann. Das betrifft zum Beispiel den verkehrspolitisch unnötigen U-Bahn-
Bau zum Reichstagsgebäude (Bundesanteil an der Finanzierung im Jahr 2000
124 Mio. DM). Der erst durch die rot-grüne Bundesregierung angeordnete Um-
zug von 1 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesnachrichtendiens-
tes nach Berlin soll nicht vollzogen werden, wodurch Kosten in zweistelliger
Millionenhöhe eingespart werden könnten;

viertens unverzüglich Schlussfolgerungen aus den Kontrollen des Bundesrech-
nungshofes und seinen Bemerkungen zur Haushalts- und Wirtschaftsführung
sowie den Untersuchungen des Bundes der Steuerzahler so zu ziehen, dass eine
Wiederholung ähnlicher Steuerverschwendungen wie in der Vergangenheit (im
Umfang von mehreren Milliarden Deutsche Mark) in den nächsten Jahren, ins-
besondere durch vorbeugende Arbeit, ausgeschlossen wird.

Als Beispiele seien hier genannt: falsche Kostenschätzungen für öffentliche
Bauten, Umgang mit bundeseigenen Grundstücken und Immobilien, Ver-
schwendung im Bereich der Treuhandnachfolgeeinrichtungen, unbegründete
Verzögerung und Verluste bei der Verwertung nicht benötigter Bestände in ver-
schiedenen Bereichen. Veränderungen der Gesetzeslage im Strafrecht sind auch
bei Verletzungen von Haushaltsrecht und Vergabeordnung erforderlich;

fünftens für eine nachhaltige Konsolidierung der öffentlichen Finanzen sozial
gerechte Sparbemühungen mit erheblichen Anstrengungen zur Verbesserung
der Einnahmen des Bundes zu verbinden;

entscheidende Voraussetzung dafür ist, dass die Bundesregierung den Schwer-
punkt ihrer Tätigkeit wieder auf die Bekämpfung der Hauptursache der Staats-
verschuldung, die Massenarbeitslosigkeit, legt. Hier geht es um einen ganzen
Komplex von Aufgaben, die die Haushaltskonsolidierung begleiten müssen.
Wirtschaftpolitische Schwerpunktaufgaben sind dabei die strikte Umstellung
auf eine beschäftigungsorientierte Wirtschaftsförderung, eine konsequente Um-
lenkung der Förderströme von den Großunternehmen in den Bereich der klei-
nen und mittelständischen arbeitsintensiven und arbeitsplatzschaffenden Unter-
nehmen und Existenzgründer sowie die gezielte Förderung von regionalen
Wirtschaftskreisläufen. Finanzpolitisch geht es um die steuerliche Entlastung
der Arbeitseinkommen zur Stärkung der Massenkaufkraft. Die fiskalpolitischen
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Instrumente müssen auf die Überwindung der wirtschaftlichen Wachstums-
schwäche gerichtet werden. Notwendig ist ein mittelfristig angelegtes öffentli-
ches ökologisches Zukunftsinvestitionsprogramm. Arbeitsmarktpolitische Auf-
gaben bestehen in diesem Zusammenhang in der Schaffung zusätzlicher
Arbeitsplätze im Rahmen eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors
sowie im Einsatz effektiver Instrumente zur Verkürzung der Arbeitszeit. Flan-
kiert werden müssen diese Aktivitäten schließlich durch europapolitische Initi-
ativen der Bundesregierung zum Abbau der Massenarbeitslosigkeit.

Die notwendige Verbesserung der Einnahmesituation des Haushaltes zur Finan-
zierung von Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit muss mit Schritten zum
Abbau der stark polarisierten Vermögensverteilung verbunden werden, um die
soziale Schieflage zu beenden und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage opti-
mal zu stärken. Wege dazu sind u.a.

– die Auflage einer Zwangsanleihe für Kreditinstitute und große Konzerne mit
einem Zinskupon nicht höher als der Spareckzins der Banken,

– die Erhebung einer Abgabe auf große Vermögen (bei Freistellung von
selbstgenutztem Wohneigentum und entsprechenden Freibeträgen für kleine
und mittlere Unternehmen sowie unter Berücksichtigung einer Neubewer-
tung der Einheitswerte von Grundstücken),

– Veränderungen der Erbschaftsteuer.

Weitere Quellen zur Verbesserung der Einnahmen des Bundes sollen erschlos-
sen werden durch

– den Abbau der Subventionen für die Großindustrie, z.B. die Luft- und
Raumfahrt (allein die Streichung der ökologisch schädlichen Subventionen
von Flugbenzin für die Fluggesellschaften würde die Einnahmen jährlich um
550 Mio. DM aufbessern);

– die Entlastung des Bundes von Zinslasten (voraussichtlich 83,8 Mrd. DM
im Jahr 2000) durch Ausschöpfung von Zinsdifferenzvorteilen (Das betrifft
insbesondere zur Finanzierung der Deutschen Einheit aufgenommene Kre-
dite. Der Bund zahlt für Anleihen der Jahre 1990 bis 1992 nach wie vor 8 bis
9 Prozent Zinsen, während für jetzt aufgenommene Anleihen entsprechend
der Laufzeiten Zinssätze zwischen 4 und 6 Prozent üblich sind.);

– die Erhöhung der Steuereinnahmen durch die Ausweitung von Betriebs-
prüfungen und Steuerfahndung.

Berlin, den 9. November 1999

Dr. Christa Luft
Dr. Uwe-Jens Rössel
Dr. Dietmar Bartsch
Heidemarie Ehlert
Dr. Barbara Höll
Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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